Wenn jemand fragt: “Warum sind Uhren so teuer?”, dann meint er vielleicht indirekt, auch mit Blick auf die irren Preiserhöhungen der letzten Jahre: “Sind manche Uhren nicht doch ziemlich überteuert?”. Es gibt tolle Uhren in fast allen Preisklassen, vor allem aber die Welt der hochpreisigen (Luxus-)Uhren ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln: Eine wirklich gute mechanische Einsteiger-Uhr wie die Seiko 5 GMT oder die Citizen NJ0180 kann ein paar hundert Euro kosten und ein Luxuszeitmesser einer Marke wie Richard Mille oder Patek Philippe kann Hunderttausende oder manchmal sogar Millionen von Euro kosten (und dazu braucht es nicht mal den Einsatz von Brillanten).
Warum sind Luxusuhren also so teuer? In diesem Artikel schauen wir ausführlich auf die wesentlichen preistreibenden Faktoren. Dabei gilt es zu bedenken, dass wir üblicherweise eine Mischform aus den Faktoren vorfinden, d.h. der Preis einer Uhr ist beispielsweise in aller Regel nicht ausschließlich auf der Grundlage der Kosten + x% Aufschlag gesetzt worden. Eine Rolle spielen unter anderem auch die Preisvorstellung der Kunden oder der gegenüber dem Wettbewerb beruhende preispolitische Spielraum…
INHALT
Nachfrage, Limitierungen und Zahlungsbereitschaft
Das Nachfrageverhalten nach “normalen Produkte” kann man normalerweise mit der Preiselastizität beschreiben, d.h. mit der Frage wie sich die Menge verändert, wenn der Preis um eine bestimmte Höhe verändert wird. Dabei gilt normalerweise: Je teurer, desto unattraktiver.
Bei Luxusgütern ist das Gegenteil der Fall: Hochpreisige Uhren sind sogenannte Veblen-Güter, also Produkte, deren Nachfrage oftmals steigt, sobald sich der Preis erhöht. Diese Theorie greift vor allem bei Gütern, die als Luxusgüter angesehen werden, da der Exklusivitätsfaktor beim Kauf entscheidend ist. Dessen sind sich Hersteller wie Rolex natürlich bewusst und garnieren diesen Effekt oftmals mit künstlicher Verknappung oder Limitierungen in allen möglichen Formen (mehr: Prinzip Knappheit: Diese Effekte animieren bei limitierten Uhren zum Kauf).
Patek-Oberhaupt Thierry Stern sagte dazu Mitte 2019 ganz offen in einem Interview: “[…] I took the decision many years ago to say ‘Let’s limit it.’ I am limiting the steel versions, mostly the Nautilus. That’s really the one that everybody is looking for. Why is it so expensive? It’s simply because there are just a few of them.”
Daher verwundert es auch nicht, dass Luxusuhrenhersteller munter an der Preisschraube drehen: Dass es immer noch teurer geht hat die Branche auf eindrückliche Art und Weise während der Corona-Krisenjahre und danach unter Beweis gestellt: Zwischen 2019 und 2022 haben LVMH (u. a. Louis Vuitton, Hublot, TAG Heuer etc.), Kering (u. a. Gucci), Chanel usw. die Preise ihrer Produkte im Schnitt um 25 Prozent erhöht. Ein konkretes Beispiel aus dem Bereich Uhren: Auch Rolex hat die Preisschrauben ordentlich angezogen – die Rolex Daytona hatte bis 31.12.2021 noch einen Listenpreis von 12.250€. Seit dem 1.1.2024 muss man dem Händler 15.500€ auf den Tisch legen (fast +30%). Warum? Weil sie’s können.
Mehr: Rolex-Preisliste (Listenpreise) und Analyse Preisentwicklung
Mehr als genug Menschen sind offensichtlich immer noch bereit, viel Geld für Uhren auf den Tisch zu legen, unabhängig von den ganzen Preiserhöhungen. Und ein Stück weit sind Uhrenfreunde auch selbst “Schuld” an den hohen Preisen. Schließlich bepreisen die Hersteller ihre Uhren entsprechend der Nachfrage und der Zahlungsbereitschaft der Kunden. Wenn keiner von uns über 7000€ für beispielsweise die neue 2021er Omega Speedmaster Professional Moonwatch ausgeben würde, würde sie nicht für diesen Preis angeboten werden. Punkt.
Mehr: Preisentwicklung der Omega Speedmaster von 1957 bis heute
Kleiner Schriftzug, große Wirkung
Ein weiterer Aspekt sind sogenannte Herkunftslabel: Ähnlich wie bei der “Solingen-Verordnung”, nach der nur Solinger Messer “Solinger Messer” sein dürfen oder (mit Blick ins Ausland) Parma-Schinken aus der Stadt Parma oder Champagner aus der Provinz Champagne im nordöstlichen Frankreich kommen muss, funktioniert auch die imageträchtige Schweizer Herkunftsangabe, das Swiss Made Label. Das sorgt bei Uhren dafür, dass der interessierte Käufer gerne die Geldbörse weiter aufmacht – Studien der ETH Zürich und der Universität St. Gallen belegen, dass für Swiss Made-Uhren ein herstellerseitiger Preisaufschlag von 20% bis 50% locker drin ist.
Mehr: Swiss Made: Was wirklich dahinter steckt
Und was ist mit “Made in Glashütte”? Kurioserweise mussten die Glashütter Uhrenhersteller bis 2022 auf einen offiziellen Schutz von “Made in Glashütte” verzichten – sicherlich ein gewisser Nachteil gegenüber den Schweizer Wettbewerberbern: Man kann von den Swiss Made-Regeln, die Tür und Tor für eine “gedehnte Interpretation” öffnen, halten was man will – aber immerhin gibt es sie.
Die Pläne für die Glashütte-Verordnung schlummerten jahrelang in der Schublade des Bundesjustizministeriums. Dann endlich der Durchbruch, der für gewisse Rechtssicherheit sorgte: der Bundesrat stimmte am 11. Februar 2022 für die so genannte Glashütte-Verordnung. Der Verordnung zufolge soll die Angabe Glashütte nur für solche Uhren benutzt werden dürfen, bei denen in allen wesentlichen Herstellungsstufen zusammen mehr als 50 Prozent der Wertschöpfung im Herkunftsgebiet erzielt wurde.
Mehr: “Made in Glashütte” (endlich) per Verordnung geschützt | CHRONONAUTIX Uhren-Blog
Quanta costa? Die Kosten-Seite
Zunächst ein paar Grundlagen: Die kostenorientierte Preisbildung ist eine Methode, bei der Unternehmen auf der Grundlage ihrer Produktions- und Vertriebskosten Preise für ihre Produkte festlegen. Dabei kann auch ein Gewinnaufschlag berücksichtigt werden.
Kosten werden unterschieden nach variablen Kosten und Fixkosten. Fixe Kosten fallen unabhängig von der Anzahl produzierter Leistungen an, variable Kosten hingegen hängen mit der Produktions- und Verkaufsmenge zusammen: Je mehr produziert wird, desto höher sind in der Regel die variablen Kosten.
Fixkosten wiederum fallen beispielsweise für Mitarbeiter im Bereich Forschung & Entwicklung an. Hierzu ein konkretes Beispiel: Rolex hatte eine Weile Probleme mit der Fertigung der rot-blauen Pepsi-Lünetten aus Keramik. Über Monaten kursierten in Foren Gerüchte, dass die Ausschussrate bei der Herstellung sehr hoch sei, weshalb Rolex die Uhr aus dem Sortiment streichen würde. Also mussten sich ein paar kluge Köpfe zusammensetzen und das Problem beheben – und das haben sie auch. Kosten dafür sind natürlich angefallen, z.B. Gehälter oder externe Beraterkosten oder Kosten für die Umstellung der Fertigungstechnik. All diese Kosten wiederum können dann in der internen Kostenrechnung auf die Anzahl der verkauften Pepsi-Uhren umgelegt werden.
Make or Buy
Elon Musk, der Kopf hinter Firmen wie SpaceX und Tesla, ist schon ein ziemlich spezieller Typ. Ebenso sein Managementstil – er verwendet beispielsweise eine Kennzahl, die als “Idiotenindex” bekannt ist: Wenn beispielsweise die Herstellung eines Bauteils 1000 Euro kostet, der darin enthaltene edelstahl jedoch nur 100 Euro wert ist, hätte es einen hohen Idiotenindex, was darauf hindeutet, dass es aufgrund von Überkomplexität oder Ineffizienz in der Produktion überteuert ist. Musk betont die Notwendigkeit, diese Verhältnisse zu verstehen, um die Wirtschaftlichkeit in der Produktion zu gewährleisten. Dieser Ansatz führte Musk zu verstärkter vertikaler Integration, da er erkannte, dass viele Komponenten im eigenen Haus hergestellt werden müssten, um die Komponentenkosten zu senken und den Idiotenindex zu senken, anstatt sich auf Lieferanten zu verlassen, die regelmäßig mit Preiserhöhungen um die Ecke kommen.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Uhrenindustrie historisch gesehen nicht besonders stark vertikal integriert ist, das heißt viele Hersteller bezogen und beziehen ihre Komponenten von spezialisierten Lieferanten. Oder anders gesagt: Einige Hersteller fertigen oder montieren überhaupt nicht selbst und lagern fast alles aus (das gilt insbesondere auch für Microbrands, wobei es Ausnahmen von der Regel gibt; seit 2014 hat beispielsweise Christopher Ward eine eigene Produktionsstätte in der Schweiz).
Es gibt aber auch Hersteller, die vollständig vertikal integriert sind – Beispiel Grand Seiko: Sogar die schwierig zu fertigenden Spiralfedern aus der Legierung SPRON für die mechanische Kaliberreihe 9S produzieren die Japaner im eigenen Hause. Breitling fertig sogar sein eigenes Saphirglas. Rolex hat bekanntermaßen eine eigene Gelbgold-Gießerei am Standort in Plan-les-Ouates.
Die Rohstoffe, zum Beispiel ein paar Gramm Edelstahl für das Gehäuse, sind nicht der entscheidende Kostentreiber (es sei denn, es handelt sich um Edelmetalle, dazu gleich mehr). Die Anschaffung von Maschinen und die Anstellung von Personal mit entsprechendem Know-How, um überhaupt selbst produzieren zu können (z.B. Gehäuse Fräsen, Zifferblätter drucken, PVD-Beschichten), ist hingegen sehr kostenintensiv.
Entsprechend große Produktionsmengen vorausgesetzt, kann sich die Investition in Maschinen aber dennoch lohnen – zum einen aus betriebswirtschaftlicher Sicht (Stichwort: Return on Invest) oder allein schon, um unabhängiger zu werden – vor allem beim Herz einer jeden mechanischen Uhr, dem Kaliber: Eine Microbrand oder ein kleinerer Uhrenhersteller wird wohl kaum die millionenschwere Investition in ein Manufakturkaliber riskieren (Ausnahmen gibt es aber auch hier: man schaue auf den kleinen familiengeführten Hersteller Titoni und das Kaliber T10 in der Seascoper 600). Viele kleinere Marken hängen dadurch am “Tropf” der Standardkaliberhersteller wie Sellita – wenn die ihre Preise erhöhen, kommen die Marken eigentlich gar nicht drum herum ebenfalls ihrerseits die Preise zu erhöhen. Gleichzeitig kann man natürlich hinterfragen, ob der eine oder andere Hersteller, der auf Preissteigerungen in der Zulieferkette verweist, um seine eigenen Preissteigerungen zu begründen, das ein Stück weit nicht einfach deswegen tut, weil’s halt grad alle machen (also quasi als Trittbrettfahrer die Preise erhöht, um höhere Profite zu erzielen).
Beispiel NOMOS Glashütte: NOMOS lancierte bereits 2005, nach satten sieben Jahren kostenintensiver Forschung und Entwicklung, das erste Modell mit hauseigenem Manufakturkaliber. Heute ticken in der gesamten NOMOS-Kollektion ausschließlich Kaliber aus NOMOS-Fertigung. Das ist auf der einen Seite ein durchaus nennenswerter Prestige-Faktor, denn nur sehr wenige Uhrenhersteller haben das nötige Know-How, um ein eigenes Assortiment (Hemmung) fertigen zu können, also die Einheit aus Anker, Ankerrad und Unruhspiralfeder.
Auf der anderen Seite bedeutet ein eigenes Manufakturkaliber eben auch Unabhängigkeit von den allmächtig erscheinenden Schweizern, mittlerweile allen voran die Sellita SA, ohne die fast nichts mehr läuft, seitdem sich ETA (Swatch Group) nur noch der Entwicklung und Lieferung von Kalibern innerhalb des eigenen Konzerns widmet (siehe z.B. Powermatic 80). Die Investition von NOMOS in die Kaliberentwicklung und den eigenen Werkzeugmaschinenpark mit modernen Dreh- und Fräsmaschinen in Glashütte-Schlottwitz ist aus strategischer Sicht in der Summe sicherlich keine schlechte Idee gewesen – auch, wenn die Investitionen sicherlich in die Millionen gingen.
Handarbeit und Liebe zum Detail
Wir brauchen uns nichts vormachen: Die Herstellung mechanischer Uhren findet in vielen Fällen in Massenproduktion statt. Das gilt auch für Luxusmarken wie Rolex mit schätzungsweise über 1 Millionen produzierten Werken pro Jahr (ohne hochautomatisierte Prozesse wäre das unmöglich zu stemmen). Und ja, man darf kritisch hinterfragen inwiefern der Begriff Manufaktur in diesem Kontext noch passt.
Es gibt sie aber noch, die echte Handarbeit und Liebe zum Detail im Bereich Uhren, die natürlich auch ein Kostenfaktor ist (insbesondere Personalkosten): Manche Uhren brauchen einfach Jahre, um sie zu entwerfen, zu konstruieren und zu perfektionieren. Nehmen wir als ein Beispiel das Blancpain-Kaliber 1735 Grande Complication, das aus satten 740 Teilen besteht, um es zum Leben zu erwecken. Oder A. Lange & Söhne, die allein in der Veredelungsabteilung 70 Mitarbeiter beschäftigt, die sich mit Dingen wie Anfasen, Polieren & Co. beschäftigen.
Und noch ein Beispiel aus dem deutschen Uhrencluster: Bei der Glashütte Original-Kaliber 36-12 in der SeaQ Panoramadatum kommt die Dreiviertelplatine mit einem feinen Zierschliff, dem sogenannten Glashütter Streifenschliff, der auf die Anfangstage der Glashütter Uhrmacherei zurückgeht. Zum Einsatz kommen weiterhin polierte und thermisch gebläute Schrauben sowie anglierte Kanten, die für schöne Lichtreflexe sorgen und die Umrisse der Uhrwerkkomponenten betonen. Als i-Tüpfelchen kommt ein skelettierter Rotor mit vergoldetem Doppel-G Symbol sowie einer Schwungmasse aus 21-karätigem Gelbgold zum Einsatz. Optik: Eins mit Doppelsternchen.
Aber auch einige Preisetagen tiefer bekommt man schon tolle Handarbeit: Man schaue nur auf den in Alzenau ansässigen Hersteller Alexander Shorokhoff, der sich nicht nur mit künstlerischem Design, sondern auch mit aufwändigen, händisch mit einem pneumatischen Stichel umgesetzten Gravuren von anderen Herstellern differenziert.
Einen Einblick darüber wie groß der Aufwand für solche Gravuren ist, gibt Inga Duffy-Shorokhova im ChronoBros-Livestream (feat. CHRONONAUTIX und ChronoRestore):
Mehr: Alexander Shorokhoff-Neuheiten 2024 Cadamomo und Regulator Automatic im Test
Edelmetalle, Keramik, Titan & Co.
Ein Gramm Gold ist heute über 70€ wert. Bei Platin sind’s immerhin knapp über 20€ pro Gramm. Zum Vergleich: 100 Kilogramm (!) Warmbandstahl kosten aktuell rund 60€. Rechnen wir den Goldpreis auf ein Uhrengehäuse mit einem Gewicht von 120 Gramm hoch, so landet man bei einem reinen Gold-Wert von immerhin 8400€.
Hierzu ein kleines Beispiel: Die Submariner “Date” Gelbgold 126618LN-0002 kostet 39.800€. Das Stahlpendant, die Submariner “Date” 126610LN, liegt bei 10.500€. Das Beispiel zeigt: Die Verwendung von Gold sorgt für eine deutliche Steigerung des Listenpreises, da die Uhrenhersteller mit entsprechenden prozentualen Aufschlägen auf die Materialkosten kalkulieren. Pro verkaufter Uhr bleiben also folglich, in absoluten Zahlen, deutlich mehr Euros bei Rolex hängen.
Mehr: Rolex-Preisliste (Listenpreise) und Analyse Preisentwicklung
Dazu noch ein passendes Beispiel: Anfang 2021 strich Patek Philippe die Nautilus 5711 mit Stahlgehäuse aus dem Sortiment. Diesen, auf den ersten Blick völlig absurden, Schritt kann sich auch nur ein Uhrenhersteller wie Patek Philippe leisten: Die Traditionsfirma, die sich bis heute in privater Hand der Familie Stern befindet und dessen Jahresumsatz auf rund 1,5 Milliarden Schweizer Franken geschätzt wird, hatte offenbar genug von den Wehklagen der offiziellen Konzessionäre, die ihre Kunden jahrelang vertrösten müssen. Denn offenbar erhielten selbst die besten Konzi-Pferde im Stall nur ein bis zwei Stahl-Nautilus 5711 pro Jahr – wenn überhaupt. Patek Philippe legt also offenbar nicht mehr viel Wert darauf, “billige” Modelle aus Stahl im Sortiment zu führen. Die Botschaft: Die Patek-Kunden sollen doch bitte die deutlich teureren Modelle im Platin- oder Weißgold-Gehäuse kaufen, wenn sie etwas optisch dezenteres haben wollen.
Mehr: Kein Herz für den gemeinen Pöbel: Patek Philippe Nautilus 5711 aus ordinärem Stahl wird eingestellt
Es gibt aber auch kostentreibende Faktoren, die in der Produktion an sich zu suchen sind: Titan Grade 5 gehört neben dem (weicheren) Grade 2 zu den am häufigsten Titanlegierungen im Uhrenbau. Titan Grade 5 ist mit einer Härte von 350 Vickers an sich schon merkbar härter als Edelstahl und deutlich schwieriger “in Form zu bringen”, sprich so mit Maschinen zu bearbeiten, dass ein Uhrengehäuse draus wird: Titan reagiert leicht mit Sauerstoff und Stickstoff und haftet während des Pressformens an der Form. Titanspäne sind außerdem leicht brennbar. All das sorgt dafür, dass die Produktion von beispielsweise Titan-Gehäusen aufwändiger und damit (im Vergleich zu Edelstahl) teurer wird.
Dennoch gibt es auch erschwingliche Titanuhren wie das Beispiel der Citizen NJ0180 Super Titanium zeigt – ein Faktor dabei ist sicherlich, dass Citizen Jahrzehnte an Erfahrung im Bereich der (hauseigenen!) Titanproduktion hat.
Mehr: Citizen NJ0180-80M Super Titanium “Tiffany” im Test
Auch der Preis bei Uhren mit Keramik-Gehäuse ist oftmals ziemlich knackig. Das liegt unter anderem daran, dass auch hier die Produktion recht anspruchsvoll ist: Keramik-Gehäuse schrumpfen während des Brennens um etwa ein Drittel. Die Herausforderung besteht somit darin, den Größenverlust bei der Produktion zu berücksichtigen, um z.B. nicht die Wasserdichtigkeit oder die exakte Passform von Krone bzw. Drückern zu gefährden.
Während Kunststoffe sich beim bloßen Erhitzen verflüssigen, muss bei der Keramik das pulverförmige Ausgangsmaterial zuerst in eine homogene Masse verwandelt werden. Dafür wird dem Zirkonoxid ein thermoplastisches Bindemittel beigemischt. Als gebundenes Granulat kann es bei einer Temperatur von 170 Grad Celsius in die Form gespritzt werden. Weil der Gehäusering teilweise sehr dicke Partien aufweist, ist die Gefahr von Lufteinschlüssen groß und die Kontrolle des Gusses eine Herausforderung. Mit dem Abschluss des Gusses entsteht der sogenannte Grünling. Jeder wird einzeln gründlich auf seine Oberflächenbeschaffenheit hin untersucht und dann mit ersten präzisen Bohrungen weiter bearbeitet. […]
Bei der Produktion der Omega Speedmaster Keramik-Variante Dark Side of the Moon sieht das konkret so aus (Quelle: Omega):
Vor diesem Hintergrund sind Uhren von Rado, die seit den 80ern vorrangig in Keramikgehäusen kommen, fast schon ein Schnapper, vor allem, wenn man bedenkt, dass Rado alles im eigenen Hause produziert. Das hängt sicherlich auch mit den großen Produktionsmengen zusammen. Stichwort: Kostendegression, bei der die die Stückkosten eines Gutes mit jeder zusätzlichen produzierten Einheit dieses Gutes sinken. Eine solche Situation liegt meist bei Produkten mit hohen Fixkosten vor, also Kosten für Personal oder Maschinen (Gesetz der Massenproduktion).
Die Marge und das Stück vom Kuchen für den Konzi
Ein Teil der Wahrheit ist natürlich auch, dass Luxusuhren in der Regel äußerst margenstarke Produkte sind – ein heißes Thema mit Blick auf die bereits diskutierten üppigen Preiserhöhungen der letzten Jahre. Schon vor diesen Erhöhungen konnten die meisten Hersteller ziemlich hohen Margen einstreichen und ich verstehe Uhrenfreunde, die da langsam aber sicher einfach abwinken und sagen: das ist jetzt dann doch a bissla too much.
Da Schweizer Marken notorisch verschlossen sind, wenn es um Dinge wie Produktionszahlen und Kosten geht, kann man nicht mit Sicherheit sagen, wie genau die Kalkulationen der Uhrenhersteller ausschauen, aber ein Faktor jenseits von 6 ist keine Seltenheit. Oder anders formuliert: Uhren der großen Luxusmarken mit Kosten von ca. 1000€ landen über die üblichen Distributionskanäle oftmals für 6000€ oder mehr im Handel (wobei man hier kritisch betrachten muss, welche Kosten für den “Ausgangspunkt” berücksichtigt sind und welche nicht).
Die Margenkalkulation hängt eng mit der Distributionsstrategie zusammen: Klassische Einzelhandelsmarken wie Rolex, Omega, Breitling & Co. werden bei offiziellen Fachhändlern bzw. Konzessionären geführt, die natürlich auch ein Stück vom Kuchen haben wollen, um ihrerseits Kosten für Ladenmiete, Strom, Heizung, Personal, Websiteentwicklung & Co. zu decken und einen Gewinn zu erwirtschaften. Die Margen der Einzelhändler variieren je nach Marke, liegen aber schätzungsweise bei circa 40 % des Verkaufspreises (nach Abzug der Mehrwertsteuer). Kleinere Marken und Microbrands können allerdings, u.a. aufgrund ihrer in der Regel deutlich geringeren Produktionsmengen und damit einhergehender höherer Kosten für Komponenten (auch hier Stichwort: Kostendegression), meistens nur deutlich weniger von ihrer Marge “abgeben”.
Branding, Marketing, Markenbotschafter & Co.
Der Aufbau von Markenbekanntheit und das Pflegen eines bestimmten, glaubwürdigen Images ist eine kostspielige Angelegenheit. Markenbotschafter gehören daher bei den großen Marken zum guten Ton. Schauspieler (z.B. Ryan Gosling für TAG Heuer) oder Sportler (z.B. Breitling und NBA-Spieler Giannis Antetokounmpo) bzw. Sportarten (z.B. Rolex im Golf bei den US Open) und Sportevents (z.B. Omega und die Olympischen Spiele) sind dabei gern genommene Imageträger – auch im Digitalen: TAG Heuer beispielsweise ist Sponsor beim Porsche Esports Supercup. Und all diese Kosten für Markenbotschafter, Sponsoring und dergleichen schlagen sich natürlich in den Preisen der Uhren nieder.
Der eine oder andere mag sich vielleicht einreden, dass er immun gegen Marketing ist und sich nicht von Hochglanzfotos und berühmten Werbegesichtern beeinflussen lässt. Aber mal ehrlich: Es ist doch schon irgendwie geil, wenn beispielsweise der IWC Flagship-Store in Zürich einen originalen Mercedes 300 SL Gullwing (in dessen Cockpit sich unter anderem Rennfahrlegenden wie David Coulthard, Karl Wendlinger und Bernd Schneider abwechselten) Mitten im Laden parkt, um das Rennsport-Sponsoring von IWC zu unterstreichen, oder?
Der Rotstift
Natürlich will… nein muss ein Uhrenhersteller wirtschaftlich handeln, um Arbeitsplätze zu sichern, Geld für Investitionen zu verdienen etc.. Dass ein Uhrenhersteller seine Kosten permanent hinterfragen muss, ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht völlig normal.
Kritisch wird es meiner Meinung nach, wenn ein Uhrenhersteller so den Rotstift ansetzt, dass er den Kunden vergrault. Beispiel IWC Automatic 40: Der Richemont-Konzern ist ja für kaum nachvollziehbare Einsparmaßnahmen bekannt (siehe: Darf’s ein bisschen weniger sein? Über Panerai, Pressböden, P.9010/P.900-Downgrades und das P.9200 Manufakturkaliber-Märchen). Warum die Schaffhausener aber bei ein paar popeligen Stahlgliedern den Rotstift ansetzen und standardmäßig ein absurd kurzes Stahlband ausliefern, ist mir ein völliges Rätsel. Und da IWC gleichzeitig nicht mal die Möglichkeit bietet, zeitnah zusätzliche, passende Glieder zu bekommen, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln – was besonders bitter ist, da die IWC Ingenieur 40 (unabhängig von allen Preis- und Kaliberdiskussionen) haptisch und optisch auf einem überaus hohen Niveau ist.
Und die anderen so? Der Wettbewerb
In einigen einschlägigen Foren haben Uhrenfreunde erwähnt, dass sie von IWC-Mitarbeitern während des Verkaufsgespräches in IWC Monobrand-Boutiquen darauf hingewiesen wurden, dass die neue IWC Ingenieur Automatic 40 die mit Abstand erschwinglichste unter den Uhren-Kreationen von Gerald Genta ist. Das ist, trotz massiver Kritik am Preis der neuen Ingenieur, ja auch gar nicht falsch – und es zeigt, dass IWC natürlich auf die Preise (Liste und Graumarkt) der Konkurrenzmodelle wie die Genta-Design-Schöpfungen Audemars Piguet Royal Oak oder Patek Nautilus & Co. geschielt hat, als die Preise für die Ingenieur festgesetzt werden sollten. Gleichzeitig war sich IWC sehr wohl bewusst, dass man mit der Ingenieur wohl kaum dieselbe immense Nachfrage wie nach der Royal Oak oder der Nautilus generieren konnte (denn dafür reicht einfach die Markenstärke nicht aus) und sich daher deutlich günstiger positionieren musste.
Mehr: IWC: Mein “einschneidendes” Erlebnis mit der neuen Ingenieur 40
Auch TAG Heuer wird sich bei der Bepreisung der neuen Aquaracer mit Chronometer-zertifiziertem Kaliber TH31-00 von der Manufakturabteilung „Manufacture AMT“ von Sellita sicherlich sehr genau angeschaut haben wie beispielsweise die Omega Seamaster oder die Tudor Black Bay bepreist ist – und in dem Fall hat sich TAG Heuer eben dafür entschieden, sich deutlich unterhalb der Seamaster und minimal unter der Tudor Black Bay zu positionieren.
Fazit und abschließende Gedanken
Wie wir gelernt haben gibt es nicht den einen Grund, warum eine Uhr teurer ist als eine andere. Es gibt etliche Variablen, und man muss einfach festhalten, dass viele für den Durchschnittsverbraucher nicht ohne weiteres nachvollziehbar oder transparent sind (auch nicht immer für Uhrenblogger wie mich).
Trotz (oder grade wegen) der in diesem Artikel diskutierten preislichen Anhaltspunkte, ist es natürlich auch okay, wenn man sich schwer damit tut im Zusammenhang mit hochpreisigen Uhren über Preis-Leistungs-Verhältnis zu reden. Wir sprechen hier schließlich von Produkten für mehrere Tausend Euro, die eigentlich kein Mensch wirklich braucht. Und wie wird gelernt haben ist es in vielen Fällen auch genau der Preis ist, der das Produkt zum Luxusgut macht, das Begehrlichkeiten weckt (Veblen-Effekt).
Und am Ende des Tages ist die Realität doch die Folgende: Wenn es genug Uhrenfreunde gibt, die diesen oder jenen (höheren) Preis für eine bestimmte Uhr bezahlen können und wollen, dann wird der Uhrenhersteller diesen auch ansetzen – selbst, wenn es wenig sachliche Argumente dafür gibt wie beispielsweise besonders aufwändige, händische Dekorationen oder ein technisch ausgefeiltes Manufakturkaliber.
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Super Beitrag, viele Fakten und Hintergrundinformationen
Kleine Ergänzung: Zum Thema Uhrenpreise und Marktanalysen des Uhrenmarktes ist dieser YT Kanal eine echte Empfehlung (und mein Favorit)
„This watch, that watch“
https://www.youtube.com/@Mike.thiswatchthatwatch
Sehr analytisch, sehr ausgewogen.
vg Kris
Ja, in der Tat liefert Mike so mit die kompetenteste Analyse pro/contra div. Marken und Modelle.
Danke!
Ein wirklich hoch informativer Beitrag – und toll geschrieben !
“Scharfes Kompliment” dafür!
Hi Mario,
du hast in diesem Artikel sehr ausführlich erklärt, wie die Preise für Luxusuhren und nicht nur die zustande kommen.
Eigentlich ganz einfach und es gilt für alle Güter, falls diese nicht +- lebensnotwendig sind.
Es gibt keine zu hohen Preise. Es gibt nur Preise, die sich am Markt durchsetzen lassen oder eben nicht!
Solange wir, die mit dem Uhrentick(tack) bereit sind, diese Preissteigerungen mitzumachen und fleißig kaufen, wird das Spiel weitergehen. Ich möchte da Michael widersprechen, was seine Einschätzung betrifft:“denn es fällt oft wirklich schwer, die Preisvorstellungen einiger Hersteller nachzuvollziehen“. Da fällt gar nichts schwer. Sie tun es, weil sie es können und noch immer genügend von uns das geforderte Geld dafür abdrücken.
Viele Grüße
Hans
Danke für diese interessanten Einblicke, denn es fällt oft wirklich schwer, die Preisvorstellungen einiger Hersteller nachzuvollziehen. Nicht selten hat man den Eindruck, dass einfach verlangt wird was die Markteinschätzung kühl und dreist hergibt (und dann ganz offensichtlich auch gekauft wird).
Mal schauen, wie es in ein paar Jahren aussieht…