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Uhren, die unter der Bezeichnung โ€žField Watchโ€œ angeboten werden, gibt es heutzutage wie Sand am Meer, da der Begriff nicht geschรผtzt ist. Das kann schnell fรผr Verwirrungen sorgen. Korrekterweise ist die Field Watch eine Militรคruhr, welche (im Unterschied zu militรคrischen Taucher- und Fliegeruhren) von Infanterie-Soldaten (Heer, Bodentruppen) getragen wird. Aufgrund perfekter Ablesbarkeit und eines zeitlosen, schnรถrkellosen Designs sind Field Watches heute auch bei Otto-Normal-Verbrauchern รผberaus beliebt.

Zu beachten ist allerdings, dass die Grundlage fรผr „echte“, d.h. im Kampfeinsatz getragene, Field Watches spezielle Anforderungskataloge der Regierung waren (und teilweise sind). Man spricht auch von sogenannten Mil-Specs, welche Optik und Technik maรŸgeblich prรคgen.

Dieser Artikel zeigt, welche Field Watches aus historischer Sicht besonders bedeutungsvoll waren und welche Besonderheiten (Technik und Design) diese aufweisen. Besonders spannend ist dabei, dass viele aktuell erhรคltliche Uhren-Modelle auf einer Field Watch basieren und damit eine „echte“ historische Grundlage haben (Re-Issue-Uhr)…

Definition einer historischen Field Watch

Obwohl ich Anglizismen eigentlich nicht besonders mag, trifft es der Begriff Field Watch ziemlich gut (jedenfalls besser als „Felduhren“ ๐Ÿ˜‰ ): Die Field Watch wird und wurde von Infanterie-Soldaten und sonstigen Bodentruppen (Gebirgs-, Fallschirm-, Panzerjรคger, Panzergrenadiere etc.) „im Feld“, d.h. im Kampfeinsatz am Boden unter rauen Bedingungen, getragen. Field Watches sind demnach von militรคrischen Flieger- und Taucheruhren abzugrenzen (wie beispielsweise die Rolex „MilSub“ oder die Glycine Airman Fliegeruhr).

Hin und wieder trifft man auch auf die Begriffe „General Purpose Watch“ (Uhr fรผr allgemeine Zwecke) oder „Military Issued“ (sinngemรครŸ „ausgestellt fรผr militรคrische Zwecke“).

Nato Irak

Unter den ruppigen Bedingungen, unter denen Infanterie-Soldaten tรคtig sind und waren muss eine Uhr, als Grundlage fรผr zeitlich koordinierte Aktionen, einfach bzw. schnell ablesbar sein und eine hohe Robustheit mitbringen. Eine Field Watch ist quasi der Stereotyp einer Uhr, die auf pure Funktionalitรคt gebรผrstet wurde. Ein Arbeitspferd ohne Schnickschnack.

Bild: Hamilton

Gleichzeitig handelt es sich bei historischen Field Watches in der Regel um absolute Massenware, die entsprechend gรผnstig sein musste. Eine regelmรครŸige Wartung von Field Watches war nicht zwangslรคufig vorgesehen. Kurz gesagt waren frรผhe Field Watches hรคufig Wegwerfartikel. Kein Wunder, denn Krieg ist nun mal teuer und obwohl Armbanduhren ein wichtiges Utensil im Kampfeinsatz waren, so waren funktionierende und ausreichend vorhandene Schusswaffen und dergleichen natรผrlich ungleich wichtiger.

Um die Entstehung von Field Watches zu verstehen, graben wir noch etwas tiefer…

Field Watch auf Basis von Mil-Spec

Die Verteidigungsministerien dieser Welt tรผfteln fรผr jeden einzelnen Ausrรผstungsgegenstand, der im Einsatz von Armeen wie der US Army, British Army, Bundeswehr etc. genutzt werden soll, umfangreiche Anforderungskataloge bzw. Lastenhefte aus. Es handelt sich dabei um sogenannte militรคrische Spezifikationen (engl. Military Specification; kurz Mil-Spec).

Das ist ja auch irgendwo logisch: Die Regierung will ja wissen, was sie fรผr ihr Geld bekommt und der Hersteller muss wissen, was er eigentlich produzieren soll. Ein rosa Panzer mit montierter 1-Liter-Super Soaker beispielsweise wรคre wahrscheinlich nicht im Sinne des Militรคrs (wenngleich in vielen Krisengebieten durchaus erstrebenswert).

Staatliche Hersteller von Rรผstungsgรผtern und/oder Unternehmen aus der Privatwirtschaft kรถnnen sich diese Anforderungen dann anschauen und ihrerseits ein Angebot abgeben. Die Regierung wรคhlt dann einen Anbieter aus. Oftmals werden auch Auftrรคge mehrfach vergeben. So haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder mehrere Uhrenhersteller den Auftrag fรผr dieselbe Field Watch bekommen. Grรผnde dafรผr kรถnnen beispielsweise die Risikominimierung sein (wenn ein Lieferant ausfรคllt, kรถnnen die anderen die Lรผcke fรผllen) oder auch einfach Kapazitรคtsbegrenzungen (es werden 100.000 Uhren pro Jahr benรถtigt, ein Hersteller schafft aber nur 30.000 Stรผck pro Jahr). Bei modernen Field Watches ist es auรŸerdem gรคngig, dass diese eine Nato-Lagernummer, die sogenannte 13-stellige Nato Stock Number (NSN) bekommen.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass historische Field Watches deutlich mehr aushalten mussten als Uhren, die damals (!) fรผr Zivilisten erhรคltlich waren (man denke nur an Temperaturschwankungen, extreme Luftfeuchtigkeit, Sand, Staub, StรถรŸe etc.).

Heute ist das anders: Eine moderne Casio G-Shock, die jeder fรผr unter 100โ‚ฌ bei Amazon & Co. kaufen kann, schafft heute problemlos militรคrischen Anforderungen zu genรผgen. Aus diesem Grund ist es daher heutzutage auch รผblich, dass Soldaten ihre Uhren fรผr den Kampfeinsatz privat anschaffen und nicht mehr wie frรผher gestellt bekommen (dazu spรคter mehr).

Casio-G-Shock-GA-100
Casio G-Shock GA-100 – eine gรผnstige, fรผr Zivilisten erhรคltliche Uhr, die problemlos militรคrischen Standards genรผgt

Das Bundeswehr-Desaster, das Sturmgewehr Heckler & Koch G36, ist ein gutes Beispiel dafรผr, wie trotz eines umfangreichen Anforderungskataloges ein wenig brauchbares Produkt entstehen kann.

Natรผrlich ist der Anforderungskatalog einer Armbanduhr lรคngst nicht so lang und komplex wie der eines Sturmgewehrs oder dergleichen. Und dennoch haben Uhrenhersteller in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich genau diktiert bekommen, wie die gewรผnschte Field Watch auszusehen hat. Die geforderten Eckdaten sind dabei zu 100% auf pure Funktionalitรคt ausgerichtet – schauen wir uns diese etwas genauer an…

Bild: Hamilton

Das Zifferblatt einer Field Watch

Eine Mil-Spec gibt in der Regel das exakte Design des Zifferblattes vor. Von Mil-Spec zu Mil-Spec gibt es hier einige Unterschiede (dazu gleich mehr), alle Designs haben aber gemeinsam, dass sie auf das Nรถtigste reduziert und minimalistisch sind, um eine eine perfekte Ablesbarkeit zu gewรคhrleisten.

Bild: Hamilton

Knallig-leuchtende Neon-Farbtรถne fรผr Zifferblatt & Co. kommen im Kampfeinsatz meistens weniger gut. Die dominierende Zifferblatt-Farbe ist logischerweise schwarz. In der Regel gibt es auch Vorgaben hinsichtlich der Ablesbarkeit im Dunkeln (Radium, spรคter Tritium, gefolgt von Super-Luminova auf Zeigern und Indizes).

Ein oftmals vorzufindendes, charakteristisches Merkmal fรผr das Zifferblatt einer Field Watch (ab dem Vietnamkrieg) ist auรŸerdem ein Innenring, der mit den Ziffern 13 bis 24 beschriftet ist. Das wirkt etwas befremdlich – in Deutschland wissen fast schon Kinder, dass beispielsweise 4 Uhr Nachmittags gleich 16 Uhr ist. Menschen aus anderen Kulturkreisen sind es allerdings oftmals gewohnt einfach nur von „4 Uhr“ zu reden, egal ob Nachts oder Nachmittags (in den USA beispielsweise 4 am vs. 4 pm). Im US-Militรคrjargon ist allerdings die Rede von 1600 (Sixteen Hundred). Der Innenring soll entsprechend den Soldaten als Hilfestellung dienen, um die Zeit richtig zu „รผbersetzen“.

Bild: Hamilton

Das Gehรคuse einer Field Watch

Mil-Specs fรผr Field Watches enthalten hรคufig die folgenden Vorgaben fรผr die Gehรคuse:

  • Die Oberflรคchenbeschaffenheit des Gehรคuses: In aller Regel werden matt-stumpfe Gehรคuse bevorzugt. Polierte bzw. glรคnzende Gehรคuse wรผrden Reflexionen verursachen, die dem Feind die Position des Soldaten verraten. Durch eine sogenannte Passivierungsschicht sind mattierte Field Watches auรŸerdem unempfindlicher gegenรผber Umweltbedingungen wie Luftfeuchtigkeit (Vermeidung von Korrosion).
  • Die GrรถรŸe: Die Gehรคusedurchmesser historischer Field Watches sind in der Regel ziemlich klein (ca. 31 bis 35 mm). Heute erhรคltliche Field Watches (z.B. Re-Issues) kommen aber hรคufig in modernen, grรถรŸeren Durchmessern.
  • das Gehรคusematerial: Hรคufig Edelstahl, manchmal auch chrom-beschichtetes Messing. Auch Kunststoff kam damals aus Kostengrรผnden zum Einsatz.
  • die Wasserdichtigkeit: Aus Kostengrรผnden wurden bei diesem Punkt bei Field Watches hรคufig Abstriche gemacht. Spezielle Dichtungen, Wasserdichtigkeitstests etc. kรถnnen schlieรŸlich bei den x-Tausendfach produzierten Field Watches schnell ins Geld gehen. Bei Bodentruppen war ein Schutz vor Spritzwasser in der Regel ausreichend.
Marathon GPM – mit 34 mm Durchmesser ziemlich klein, Bild: Marathon

Sonstige Eckdaten einer Field Watch

Mil-Specs enthalten darรผber hinaus oftmals Anforderungen hinsichtlich…

  • … der Widerstandsfรคhigkeit gegenรผber Erschรผtterungen,
  • Ganggenauigkeits-Toleranzen des Uhrwerks und
  • … Sekundenstopp ja/nein (sogenannte „Hacking„-Funktion, damit die Soldaten im Feld ihre Uhren einfach synchronisieren konnten – heute Standard bei fast allen mechanischen Uhrwerken).

Abgerundet wird eine Fieldwatch in aller Regel von einem schlichten, gravierten Gehรคuseboden, der Eckdaten wie beispielsweise die Seriennummer oder das Produktionsdatum enthรคlt:

Bild: Brandon Cripps, CC BY-NC-SA 2.0 via flickr.com

Bedeutende Field Watch-Modelle und Erlรคuterungen zu den Mil-Specs

Erster Weltkrieg: Trench Watch (US Army)

Die US Army-Trench Watch (Trench = engl. fรผr Schรผtzengraben) gilt als eine der allerersten, von Bodentruppen am Handgelenk getragenen Uhren รผberhaupt. Hersteller waren die US-amerikanischen Uhren-Hersteller Waltham und Elgin. Spannend: Die ersten Trench Watches waren im Prinzip einfach nur umgebaute Taschenuhren, an deren Gehรคuse Bรถgen drangelรถtet wurden, um ein Lederband montieren zu kรถnnen. Viele offizielle Trench Watches kamen mit einem Emaille-beschichteten Zifferblatt, Radium-Leuchtmasse auf den Zeigern und den รผbergroรŸen Ziffern, kleiner Sekunde (zum Zwecke der Synchronisation unter den Soldaten), einer griffigen zwiebelfรถrmigen Krone und einem Gehรคuse aus Nickel oder Silber.

Viele heute tรคtige Uhrenhersteller greifen das zeitlose Trench Watch-Design auf, darunter Tourby aus Hagen (z.B. das Modell Old Military Vintage Enamel 45). Einen echten historischen Hintergrund hat aber keines dieser Modelle (Waltham und Elgin existieren heute nicht mehr).

Tourby Old Military Vintage Enamel 45, Bild: Tourby

Zweiter Weltkrieg: DH-Uhren (Wehrmacht)

Deutsche Uhren im Zweiten Weltkrieg – da denkt man als Uhrenfreund reflexartig an die berรผhmten Beobachtungsuhren von Laco & Co. oder auch Fliegerchronographen von Hanhart bzw. Tutima.

Deutlich weniger bekannt sind die Field Watches, die von den Bodentruppen der Wehrmacht getragen wurden – diese sind auch bekannt unter dem Namen DH-Uhren – abgeleitet von der typischen Gehรคuseboden-Gravur „D [Seriennummer] H“ (DH fรผr „Dienstuhr Heer“). Dienstuhren, die nur mit „D“ vor der Gehรคusenummer markiert wurden, waren der Luftwaffe zugeordnet.

Jeder Soldat, der aufgrund seiner militรคrischen Tรคtigkeit รผber genaue Zeitangaben verfรผgen musste (zum Beispiel Funker) konnte die DH-Uhr kostenlos bekommen. Aber auch alle anderen Soldaten konnten die Uhr kรคuflich erwerben.

Die DH-Uhren wurden auf Basis exakter Vorgaben der Heeresleitung von Herstellern wie Arsa, Bรผren, Helvetia, Helios, Helbros, Grana, Longines Moeris, Minerva, Mimo, Recta, Record, Stabila, Titus, und Zenith gebaut. Verrรผckt: Gleichzeitig bauten die neutralen Schweizer aus dieser Aufzรคhlung (z.B. Longines) auch Uhren fรผr die Alliierten.

Charakteristisch fรผr die deutschen DH-Uhren waren kleine Durchmesser (34 mm), schwarze oder weiรŸe Zifferblรคtter, Kunststoffglรคser und Gehรคuse aus Edelstahl oder verchromtem Messing. Die DH-Uhren hatten groรŸe ร„hnlichkeit mit den Dirty Dozen W.W.W.-Uhren der British Army (dazu gleich mehr).

Als Antrieb diente hรคufig das sogenannte Wehrmachtskaliber AS 1130 des Werkeherstellers Anton Schild in Grenchen. Aber auch Manufakturkaliber der jeweiligen Hersteller kamen zum Einsatz.

Ein heute besonders seltenes und unter Vintage-Sammlern sehr gesuchtes Modell kam damals von Lange & Sรถhne: Der in Glashรผtte ansรคssige Hersteller musste auf Bestellung des SS-Fรผhrungshauptamt in Berlin-Wilmersdorf hin eine satte 65 mm groรŸe Sonderanfertigung einer Beobachtungsuhr fรผr die Artillerie-Truppen der Waffen-SS produzieren: Ab Mรคrz 1941 sollten 10 Uhren pro Monat hergestellt werden und an die sogenannten Messbatterien (โ€žM-Bโ€œ) geliefert werden. Eine Messbatterie hatte die Aufgabe feindliche Artillerie durch Schall und Mรผndungsfeuer aufzuklรคren, die Uhr diente zur Unterstรผtzung der Berechnung. Das Besondere an der Uhr: Fรผr fotografische Auswertungen sollten die Sekundenziffern in Spiegelschrift aufgebracht werden.

Artillerieuhr Waffen-SS-Uhr WW2
Waffen-SS-Uhr im Uhrenmuseum Glashรผtte

Zweiter Weltkrieg: Dirty Dozen W.W.W. Field Watch (British Army)

Die heute als „Dirty Dozen“ bekannten Uhren, welche die British Army wรคhrend des Zweiten Weltkrieges orderte, gehรถren heute zu den begehrteren „General Service“ Vintage-Field Watches aus der Zeit. Der unter Sammlern bekannte Name rรผhrt allerdings nicht etwa vom gleichnamigen Kriegsfilm her, sondern von immerhin zwรถlf (!) Uhrenherstellern, welche insgesamt rund 150.000 Stรผck fรผr das britische Militรคr produziert haben. Namentlich: Buren, Cyma, Eterna, Grana, Jaeger Le-Coultre, Lemania, Longines, IWC, Omega, Record, Timor und Vertex. Wie der Tabelle unten entnommen werden kann, kamen die meisten Uhren von Cyma, Omega und Record und nur sehr wenige beispielsweise von Grana (entsprechend schwierig sind diese teilweise auch auf dem Vintage-Markt zu bekommen).

Bild: Timor

Spannend: Gerรผchten zu Folge gab es noch einen Dreizehnten Uhrenhersteller, der mit der Belieferung beauftragt wurde: Enicar. Als die Briten aber rausgefunden haben, dass Enicar auch die deutsche Wehrmacht beliefert, wurde dieser kurzerhand ausgelistet. Dieser Logik folgend hรคtten allerdings auch beispielsweise Longines und Grana ausgelistet werden mรผssen, da die beiden Hersteller DH-Field Watches an die Wehrmacht lieferten (siehe oben). Hmm!

Quelle: Konrad Knirim

Das britische Ministry of Defense stellte die folgenden Anforderungen an die „Dirty Dozen“:

  • Schwarzes Zifferblatt mit arabischen Ziffern, kleiner Sekunde und Eisenbahnminuterie
  • Leuchtende Stunden- und Minutenzeiger und Stundenindizes
  • Mechanisches Kaliber mit 15 Steinen, regulierbar auf Chronometer-Genauigkeit
  • Bruchsicheres Acryl-Glas
  • Gehรคuse wasserdicht und stoรŸsicher
Original Timor Vintage-Dirty Dozen-Field Watch, Bild: Timor

Die zwรถlf genannten Hersteller hatten bei der Umsetzung der Anforderungen gewisse Freiheiten, weshalb sich zum Beispiel die Zeigersรคtze stark unterscheiden: die Longines-Variante beispielsweise kam mit Kathedralzeigern, die Omega mit Schwertzeigern.

Auch die Durchmesser unterscheiden sich recht stark: Die Dirty Dozen-Field Watch von IWC kam mit 35mm Durchmesser (auch genannt „Mark X“), die Longines hat 38mm. Die Longines Dirty Dozen-Uhr ist daher heute auch besonders gesucht, da der Durchmesser fรผr das durchschnittliche Herrenhandgelenk auch heute noch ganz gut tragbar ist. Es kamen sowohl Gehรคuse aus chrombeschichtetem Messing als auch aus Edelstahl zum Einsatz.

Weitere charakteristische Merkmale der Dirty Dozen-Field Watch ist eine W.W.W.-Gravur auf dem Gehรคuseboden (Watch, Wristlet, Waterproof) und der britische „Broad Arrow“ auf Gehรคuseboden und Zifferblatt, einem pfeilartigen Symbol, welches genutzt wurde, um Staats-Eigentum zu markieren.

Originalgetreue Dirty Dozen-Field Watches sind heute bei Vertex (40 mm Durchmesser, ETA 7001 Handaufzug, ab 2500 Pfund) und Timor (mit ziemlich winzigem 36 mm-Durchmesser, Sellita SW260 Automatik oder SW216 Handaufzug, 910 Pfund) erhรคltlich.

Zweiter Weltkrieg: Seikosha / Seiko Field Watch

WWII-Militรคruhren aus Japan sind in hiesigen Gefilden selbst unter hartgesottenen Uhrenfreunden kaum bekannt – das gilt selbst fรผr „krasse“ Uhren wie die Seikosha „Kamikaze“-Militรคruhr, die von japanischen Selbstmordpiloten getragen wurde.

Kamikaze-Watch-Seikosha-Uhr
Seikosha „Kamikaze“-Fliegeruhr, Bild: Phillips

Natรผrlich kamen aber auch japanische Bodentruppen im Zweiten Weltkrieg nicht ohne zuverlรคssigen Zeitmesser aus: Die Kaiserlich Japanische Armee orderte damals bei Seikosha (dem Vorgรคnger von Seiko) funktionale Uhren mit kleiner Sekunde, Chrom-beschichtetem Messinggehรคuse und groรŸen, schwarzen arabischen Ziffern auf weiรŸem Blatt.

Spannend: Nicht nur Bodentruppen haben die Uhr bekommen, sondern auch die Marine und die Luftwaffe – die jeweiligen Modelle hatten einen Stern (Bodentruppen), einen Anker (Marine) oder eine Kirschblรผte (Luftwaffe) auf dem Zifferblatt.

Man beachte: Heute erhรคltliche Field Watches von Seiko wie die SNK805K2 oder die SNK803 orientieren sich eher an den Field Watches der US Army (was nicht verwundert, da das Design der Seikosha Field Watch doch eher speziell ist).

Schon deutlich bekannter als die WW2-Field Watch aus Japan ist die Seiko Turtle, die in Form der Seiko 6105 vom US-Militรคr (!) aufgrund auรŸerordentlicher Robustheit und der sehr guter Wasserdichtigkeit (150m) an Spezialeinheiten wie zum Beispiel die wรคhrend des Vietnamkrieges gegrรผndeten Navy SEALs ausgegeben wurde.

Post-WWII: Smiths W10 (British Army)

Der ehemalige britische Uhrenhersteller Smiths durfte zwischen den 50er und 70er Jahren eine Reihe von Militรคruhren fรผr die Infanterie-Einheiten der British Army produzieren. Sicherlich hilfreich bei der Bewerbung auf den Regierungskontrakt war dabei die Bekanntheit, die Smiths als fester Bestandteil der ersten erfolgreichen Mount Everest-Expedition 1953 erlangte (neben der Rolex Explorer I).

Die W10-Hommage des neuen Markeneigentรผmers Timefactors (Smiths PRS-29) von orientiert sich sehr nah an der Smiths W10 und kommt mit ETA2801 Handaufzugswerk, Saphirglas und eher kleinen 36 mm Durchmesser, Bild: Timefactors

Die bekannteste Field Watch von Smiths ist dabei das Modell W10 (Nato Stock Number NSN 6645-99-96-4045), welches sogar mit einem in England gebauten mechanischen Smiths-Manufakturkaliber (60466E) mit Hacking-Funktion kam. Mit 35 mm war das Gehรคuse eher klein. Charakteristisch ist auch hier wieder der „Broad Arrow“ auf dem Zifferblatt.

Explosionszeichnung des Smiths-Manufakturkalibers 60466E

Vietnamkrieg: Timex, Hamilton & Co. Field Watch (US Army)

Auf Basis der Mil-Spec MIL-W-3818B des US-Verteidigungsministeriums (bzw. der fast identischen GG-W-113 der General Services Administration (GSA)) entstanden im Jahre 1962 Field Watches unter der Bezeichnung DTU-2A/P. Die Uhren-Hersteller Hamilton, Benrus, Timex und Bulova sicherten sich damals den lukrativen Regierungsauftrag.

Die Mil-Spec enthรคlt unter anderem die Anforderung, dass die Field Watch zwei Jahre ohne Service-Arbeiten im Einsatz durchhalten muss. Die Mil-Spec legte darรผber hinaus bis auf kleinste Detail das Design der Field Watch fest, d.h. wirklich jeden Winkel und Abstand auf Ziffernblatt, Zeiger etc.

MIL-Spec W-3818B Zeiger
Zeiger in der MIL-W-3818B
Mil-Spec W-3818B Ziffernblatt
Ziffernblatt der MIL-W-3818B

Hier einige weitere spannende Anforderungen aus der Mil-Spec W-3818B:

  • Als Leuchtmasse musste das radioaktive Tritium (H3) eingesetzt werden
  • Die Uhr musste bis zu einem Abstand von rund 30 cm vom Auge problemlos ablesbar sein (das entspricht einem leicht angewinkelten Arm)
  • Die Gangreserve des mechanischen Uhrwerkes musste mindestens 36 Stunden betragen, die Ganggenauigkeit musste zwischen -30 und +30 Sekunden betragen (bei einer Referenztemperatur von -19 bis +24 Grad Celsius) – effektiv kam beispielsweise das ETA-Kaliber 2750 zum Einsatz
  • Sekundenstopp bei gezogener Krone (โ€žHacking Movementโ€œ)
  • Alle Zeiger waren aus demselben Material wie Messing-Patronen
  • Glas aus โ€žCopolymer Plasticโ€œ (Kunststoffglas)
  • Widerstandsfรคhigkeit gegenรผber Vibrationen und magnetischen Einflรผssen
  • Die Uhren mussten einen Sturz aus 1,2 Meter Hรถhe auf einen Holzblock รผberstehen
  • 34 mm Gehรคuse, BandanstoรŸ rund 18 mm

Die gesamte original Mil-Spec W-3818B ist hier als PDF abrufbar.

Spannend: Zwei Jahre nach der Mil-Spec W-3818B folgte eine massive Abwandlung in Form der Low-Budget-Mil-Spec MIL-W-46374 – kein Zufall: Im Jahre 1964 traten die USA aktiv in den Vietnamkrieg ein, weshalb die Kosten gesenkt werden mussten (Krieg ist schlieรŸlich nicht ganz gรผnstig). So wurden die Uhren auf Basis der Mil-Spec MIL-W-46374 als โ€žWegwerfโ€œ-Uhren konstruiert – auf dem Gehรคuseboden heiรŸt es nur nรผchtern: „U.S. Wrist Watch (Non-Maintainable). Die Gehรคuse waren entsprechend versiegelt, d.h. man konnte nur รผber die Vorderseite an das Werk kommen (was nicht weiter schlimm war, da die Uhren ohnehin nicht dazu gedacht waren repariert zu werden).

Gespart wurde unter anderem bei den Gehรคusen (es kamen รผberwiegend Kunststoffgehรคuse zum Einsatz, die so gut wie gar nicht gegenรผber Wassereintritt abgedichtet waren) und bei den mechanischen Uhrwerken (die Toleranz der Ganggenauigkeit wurde deutlich vergrรถรŸert und es gab keinen Sekundenstopp (Hacking)).

Die Billig-Uhren auf Basis der Mil-Spec MIL-W-46374 wurden bis in die spรคten 80er Jahre von Benrus, Belforte, Westclox, Hamilton, Timex, und Stocker and Yale produziert. Der Gehรคuseboden der Field Watch kam mit Informationen wie einer Lagernummer (federal stock number), Vertragsnummer (contract number), Herstellungsmonat und -jahr und Seriennummer.

MIL-W-3818B Gehรคuseboden
Gehรคuseboden gemรครŸ Mil-Spec MIL-W-3818B

Unter der Referenznummer H69439931 verkauft der ehemals US-amerikanische, heute zur Schweizer Swatch Group gehรถrige Uhrenhersteller Hamilton eine originalgetreue Field Watch auf Basis der Mil-Spec MIL-W-3818B. Das Gehรคuse ist gegenรผber der Vorlage allerdings mit 38 mm etwas grรถรŸer und es wird Saphirglas verbaut. Unter der Referenz H69439511 gibt es auch eine weiรŸe Variante, unter der Referenz H69409930 eine schwarze.

รœbrigens: Timex ist mit dem Low Budget-Quarzer Expedition Scout optisch recht nah dran an der MIL-W-3818B. Noch nรคher dran ist die Timex MK1 Military Reissue

Moderne, analoge Field Watch (u.a. Afghanistan): CWC G10 (British Army)

CWC (Cabot Watch Company, benannt nach dem Entdecker John Cabot) wurde im Jahre 1972 vom ehemaligen Hamilton CEO Ray Mellor gegrรผndet. Mellor blickt dabei auf eigene Militรคrerfahrungen zurรผck – er war im Zweiten Weltkrieg bei der Handelsmarine tรคtig und schipperte britische Truppen รผber die Weltmeere.

Mit der Field Watch CWC W10 und insbesondere mit dem Nachfolger, der CWC G10, konnte Mellor einen beachtlichen Erfolg feiern: Nur wenige Jahre nach der Grรผndung, im Jahre 1980, ersetzte er mit CWC den vorherigen, alteingesessenen Lieferanten Hamilton. Bis 2008, also fรผr fast 30 Jahre, wurden insgesamt รผber 200.000 Stรผck der CWC G10 an die British Army ausgeliefert. Allein im Golfkrieg (1991) wurden 20.000 Stรผck ausgeliefert.

Seit 1990 ist die CWC G10 auch fรผr Zivilisten kรคuflich erwerbbar – damals wie heute kommt die Field Watch mit einem Quarzwerk (ETA 955.102), einem matten, eher kleinen Gehรคuse (36,5 mm Durchmesser), 5 atm Wasserdichtigkeit und einem Deckglas aus Acryl. Anstelle Tritium kommt allerdings Super-Luminova zum Einsatz. Der Gehรคuseboden enthรคlt u.a. den „Broad Arrow“ und die offizielle NATO-Lagernummer (NATO Stock Number, NSN). Preispunkt: Faire 219 Britische Pfund, direkt auf cwcwatch.com.

Moderne ana-digi Field Watch (Afghanistan): Boccia 728 (Bundeswehr)

Die Boccia 728 mit analoger und unabhรคngig einstellbarer digitaler LCD-Anzeige und Titangehรคuse ist die letzte Uhr, die in grรถรŸeren Mengen an das Heer der Bundeswehr und die Elitetruppe der Kommando Spezialkrรคfte (KSK) geliefert wurden (jeweils in leicht unterschiedlichen Varianten). Immerhin rund 16.000 Stรผck wurden von Boccia, der Low-Budget-Marke von Tutima Glashรผtte, an die Bundeswehr fรผr den Einsatz in Afghanistan (Nato-Mission ISAF) geliefert.

Ausgemusterte Original-Uhren der Boccia 728-07 sind relativ gรผnstig fรผr unter 300โ‚ฌ bei den bekannten Gebrauchtwaren-Shops wie beispielsweise ebay Kleinanzeigen zu bekommen…

Marathon Field Watch MIL-PRF-46374 (US Army, u.a.)

Marathon Watches ist auf hiesigen Mรคrkten leider absolut unterreprรคsentiert – Hรคndler gibt es kaum. Das ist schade, denn Marathon ist im Bereich Militรคruhren ein echter alter Hase und schon seit 1941 in diesem Bereich aktiv. Marathon Watch ist bis heute familiengefรผhrt (in der vierten Generation), die Produktion findet im Schweizer La Chaux-de-Fonds statt.

Marathon ist unter Freunden von Militรคruhren u.a. fรผr die „General Purpose“-Field Watch bekannt, welche lange Zeit die offizielle Field Watch der US Army war. Die offizielle Versorgungsnummer (Nato Stock Number, NSN 6645-01-364-4042) ist auf dem Gehรคuseboden eingraviert, die dazugehรถrige Militรคr-Spezifikation heiรŸt MIL-PRF-46374.

Bild: Marathon

Charakteristisch ist insbesondere das asymmetrische Kunststoff-Gehรคuse, welches gleichzeitig fรผr den Schutz der Krone sorgt. Erwรคhnenswert ist auch, dass Zeiger und Stundenindizes mit Tritiumgas-Glasrรถhrchen besetzt sind, die permanent, d.h. ohne Aufladung durch Sonnenlicht, leuchten.

Bild: Marathon

In der Marathon General Purpose Field Watch (GPQ) tickt das nicht allzu hรคufig anzutreffende Schweizer Quarz-Werk ETA F06 mit „End of Life“-Indikator. Mit dem Modell General Purpose Mechanical (GPM) ist auch eine mechanische Variante mit dem japanischen Kaliber Seiko NH35 erhรคltlich.

Marathon-6645-01-364-4042
Bild: Marathon

Die Marathon Field Watch ist auch fรผr Zivilisten und Schreibtischtรคter erhรคltlich โ€“ fรผr 250 US-Dollar fรผr die Tritium-Variante (man beachte, dass 19% Einfuhrumsatzsteuer hinzukommen, da der Versand aus Kanada erfolgt). Hin und wieder gibt es auch Angebote fรผr Marathon-Uhren auf Amazon Deutschland.

Und heute?

Heutzutage werden Field Watches nur noch selten an Infanterie-Soldaten ausgegeben. Vielmehr tragen „einfache“ Soldaten seit dem Irak- und dem Afghanistan-Krieg in aller Regel ihre privaten Uhren – beliebt sind dabei gรผnstige Modelle wie die als „unkaputtbar“ geltende Casio G-Shock. Uhren, als fester Bestandteil der militรคrischen Ausrรผstung, gibt es fast nur noch bei Spezialeinsatzkrรคften wie beispielsweise den KSM (Sinn UX S) – das bestรคtigte mir vor einiger Zeit ein Bekannter, der als Offizier bei der Bundeswehr tรคtig war.

Mรถgliche Grรผnde: Die Bedeutung von Bodentruppen ist heute nicht mehr so groรŸ wie frรผher – heute dominieren hochmoderne Technologien wie Drohnen und Kampfjets die Krisengebiete. Gleichzeitig versuchen natรผrlich auch die Verteidigungsministerien dieser Welt Kosten einzusparen…

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wittich
3 Jahre zurรผck

Bei den Dienstuhren vom 2. Weltkrieg habt Ihr nicht die Marke Glycine erwรคhnt.

Peter, Rhein-Pfalz-Kreis
4 Jahre zurรผck

Lieber Mario,
ich verschlinge wie viele andere auch seit lรคngerer Zeit Deinen Blog. Und selbstverstรคndlich schlieรŸe ich mich all denen an, die die Informationstiefe und -genauigkeit Deiner Artikel hervorheben. Einzig in einer -zugegebenermaรŸen nicht uhrenaffinen- Sparte fehlt mir ein zielfรผhrender Hinweis/Tip : wie mache ich „der besten Ehefrau von allen“ klar, dass ich schon wieder eine neue Uhr brauche, wo doch schon unterhalb des Ellenbogens kein Platz mehr fรผr eine weitere ist … ?? :-))

Dlanor Lepov
4 Jahre zurรผck

Leider fehlen die russischen Uhren im Artikel. Vielleicht gibt es ein update?

Martin
4 Jahre zurรผck

Vielen Dank fรผr den lebendig geschriebenen und hoch informativen Artikel!

Ein bisschen vermisst habe ich allenfalls die RLM-Uhr von Aristo und das reichhaltige Fieldwatch-Sortiment von MWC…

GruรŸ Martin

Daniel H.
4 Jahre zurรผck

Thematisch mal wieder voll ins Schwarze getroffen. Echt Wahnsinn wie detailliert die Artikel geworden sind. Ein Chrononautix Besuch, gehรถrt langsam zur Morgen-Routine.
Ps. Kaffe lass ich natรผrlich da.