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Zeit die Geographie-Kenntnisse aufzupolieren! 😉 In diesem Beitrag habe ich die wichtigsten und bekanntesten deutschen Uhren-Marken bzw. -Hersteller zusammengetragen und in einer interaktiven Karte bereitgestellt – in der Karte könnt ihr beispielsweise zoomen und mit einem Klick auf die jeweiligen Hersteller weitere Informationen einblenden (z.B. Website, Telefonnummer). Ergänzungen dürfen gerne am Ende des Artikels in Form eines Kommentars vorgeschlagen werden!

Im folgenden möchte ich euch außerdem gerne auf eine Zeitreise mitnehmen und die historisch bedeutendsten und auch heute noch wichtigen deutschen Uhrenmarken pro Gebiet vorstellen. Denn auch, wenn die Karte auf den ersten Blick vielleicht den Eindruck vermittelt, dass die deutsche Uhrenindustrie “wahllos” über Deutschland verteilt ist, so sind insbesondere in Glashütte, Pforzheim und dem Schwarzwald eine Vielzahl an historisch spannenden Herstellern versammelt. Mit dabei in diesem Artikel ist auch das früher ein mal sehr wichtige, heute aber unbedeutende DDR-Uhren-Gebiet Ruhla

Uhren Hersteller Deutschland Karte

Deutsche Uhren – #1 Glashütte, Sachsen

Im Osten der Bundesrepublik, rund 40 Autominuten südlich von Dresden, befindet sich die Crème de la Crème der deutschen Uhrenhersteller – kein anderes Gebiet in Deutschland vereint so viele Traditionsunternehmen auf so wenigen Quadratkilometern. Die Rede ist natürlich von Glashütte in Sachsen.

Glashütte ist von Dresden aus nur über viele, teilweise holprige Landstraßen erreichbar – Acker reihen sich an Waldstücke und Minisiedlungen. Und auch Glashütte selbst wirkt so als sei die Zeit stehen geblieben – ein beschauliches Örtchen mit 7300 Einwohnern, wo Abends noch die Bordsteine hochgeklappt werden. Auf Hochglanz gebügelte Luxus-Uhrenmarken befinden sich dort nicht etwa in prachtvollen Firmenzentralen, sondern in Fabrik-ähnlichen Gebäuden, teilweise eng verwoben mit dem Ortskern. Das hat historische Gründe und ist auf das sogenannte Verlagssystem zurückzuführen – hier gleich mehr.

C.H. Wolf Glashütte insolvent
Spuren der mittlerweile insolventen C.H. Wolf Glashütte, Ende 2017

Wegbereiter und Impulsgeber für die bis heute erfolgreiche Glashütter Uhrenindustrie war im Jahre 1845 niemand geringeres als Ferdinand Adolph Lange, der mit Hilfe eines großzügigen königlich-sächsischen Kredits in Höhe von 7800 Talern eine Lehrwerkstatt und sein Unternehmen, die Uhrenfabrik Ferdinand Adolph Lange & Cie, gründete. Das Ziel der Unternehmung: Als ernstzunehmender Konkurrent für die Schweizer Hersteller „einfache, aber vollkommenen Taschenuhren“ herzustellen. Der Impuls für das Dörfchen im Müglitztal war auch dringend nötig: Das Erzgebirge lebte lange vom Bergbau, von Kupfer und Eisen, doch als die Ressourcen abgebaut waren, kam die Armut.

Charakteristisch für die frühe Glashütter Uhrenfertigung war das sogenannte Verlagssystem, eine Form der handwerklichen Arbeitsteilung. Mit anderen Worten stellen bei dieser Produktionsform verschiedene Handwerker bestimmte Uhrenteile in Kleinstbetrieben und teilweise sogar in Heimarbeit her (der Vorläufer des Home Office quasi ;-)). Die Uhrenhersteller (neben Adolph Lange recht früh auch Julius Carl Friedrich Assmann, Moritz Großmann und Friedrich August Adolf Schneider) haben dies Komponenten dann wiederum „nur“ noch zusammengesetzt. Alle in Glashütte ansässigen Uhrenhersteller bedienten sich bei denselben spezialisierten Lieferanten.

Union Glashütte Taschenuhr
Frühe Taschenuhr aus Glashütte

Wie eingangs erwähnt gründete Adolph Lange neben seinem Unternehmen auch noch eine Lehrwerkstatt. Um das Wissen über die Produktion von Uhren aber noch besser weitergeben zu können, wurde 1878 auf Initiative des Uhrenfabrikanten Karl Moritz Großmann hin die Deutsche Uhrmacherschule Glashütte (DUS) gegründet. Im Uhrenmuseum Glashütte lassen sich heute viele Fragmente aus dieser Zeit begutachten, darunter alte Dokumente der Uhrmacherschule, Werkzeuge oder einen original Unterrichtsplan aus dem Jahre 1888 – Mathematik und Geometrie spielten mit Blick auf die Feinmechanik natürlich eine große Rolle…

Durch die Weltwirtschaftskrise (1929 bis 1939) war die Arbeitslosigkeit im deutschen Uhrencluster Glashütte groß, weshalb einige Uhrmacher und Feinmechaniker in der Sowjetunion Arbeit suchten – und fanden! Der Job der arbeitswilligen Deutschen war vor allem die Ausbildung russischer Arbeiter – viele Frauen und Mädchen aus den ländlichen Gegenden um Moskau wurden an die Bänder der Uhrenfabriken gestellt und von Mitarbeitern aus Glashütte trainiert. Das änderte sich mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges …

Glashütte um 1925, Bild: Brück & Sohn Kunstverlag Meißen / CC BY-SA

Uhren-Hersteller Deutschland: Glashütte im Zweiten Weltkrieg

Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Uhrenhersteller in Glashütte (wie auch schon im Ersten Weltkrieg) dazu verdonnert, die Produktion von Militäruhren und anderen Rüstungsgütern (z.B. Zeitzünder) aufzunehmen – die zivile Produktion musste komplett eingestellt werden. Denn: Wie man sofort im Bild unten sieht, sind mechanische Zeitzünderwerke normalen Uhrwerken sehr ähnlich – sie arbeiten meist mit einem Feder-Mechanismus, vergleichbar mit einer Taschenuhr. 

Zeitzünderwerk Gössel Glashütte
Zeitzünderwerk aus Glashütte

Die Luftabwehr der Wehrmacht nutzte beispielsweise sogenannte Doppelzünder: Wie der Name schon andeutet werden bei Doppelzündern ein Aufschlagzünder und ein Zeitzünder kombiniert, um eine besonders tödliche Wirkung zu entfachen – wurden die Granaten nicht durch Aufschlag am Rumpf des feindlichen Flugzeuges ausgelöst, erfolgte die Zündung dennoch zeitgesteuert in der Luft, der Schaden war durch die Splitterwirkung verheerend…

Schiffschronometer aus Glashütte im Zweiten Weltkrieg

Schiffschronometer (auch: Seechronometer oder Marinechronometer) dienten in Kombination mit einem Sextanten im Zweiten Weltkrieg zur Navigation auf hoher See – schließlich konnte der Kapitän schlecht einfach die Google Maps App aufmachen und GPS nutzen 😉 (mehr über die Funktionsweise der Seechronometer hier).

Marine-Chronometer aus Glashütte im dortigen Uhrenmuseum

Ein großer Teil der Chronometer im Zweiten Weltkrieg kam (neben Pforzheim und dem Schwarzwald) vor allem aus dem Uhrencluster Glashütte. Zuständig für die unabhängigen Chronometerprüfungen in Deutschland war die Deutsche Seewarte Hamburg, die 1938 von Wempe übernommen wurde. Fernab der Küste errichtete die Deutsche Seewarte außerdem eine Zweigstelle – in der Nähe von Glashütte.

Kersten-Miles-Bruecke 1900
Deutsche Seewarte

In u.a. original Brief aus dem Jahre 1944 werden die Lieferanten vom Oberkommando der Kriegsmarine angewiesen alle Seechronometer und Beobachtungsuhren direkt an die Zweigstelle der Deutschen Seewarte in Gesundbrunnen zu liefern: In dem kleinen Dorf rund 10 km vor Glashütte befand sich das zentrale Großlager der Deutschen Seewarte. Alliierte Bomber verirrten sich hier kaum hin.

Im Verlauf des zweiten Weltkrieges entstanden auf Anweisung des Oberkommandos der Kriegsmarine in den Chronometerwerken Hamburg die streng genormten, sogenannten deutschen Einheitschronometer. Gebaut werden sollten diese nur von Wempe und Lange in Glashütte – und nirgends anders. Bereits 1942 wurden die ersten Einheitschronometer von Wempe gefertigt. Lange & Söhne hat seinen ersten Einheitschronometer Anfang 1943 an die Werft in Kiel ausgeliefert.

Glashütte-Fliegeruhren im Zweiten Weltkrieg

Ebenfalls während des zweiten Weltkrieges entstanden in Glashütte, Pforzheim und im Schwarzwald Beobachtungsuhren (getragen von Navigatoren an Bord von Langstrecken-Flugzeugen) und Flieger-Chronographen (getragen von Kampf-Piloten) für die Deutsche Luftwaffe. Die Designs dieser beiden Uhren-Typen die auch heute noch aufgrund ihres Vintage-Charmes sehr beliebt sind und daher zum Portfolio vieler historischer Hersteller gehören.

Laco-Erbstück-Beobachtungsuhr
B-Muster Beobachtungsuhr

Unten in der Galerie (drittes Bild, zweite Uhr von rechts) ist auch ein besonders seltenes Exponat im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte zu sehen. Lange & Söhne in Glashütte musste auf Bestellung des SS-Führungshauptamt in Berlin-Wilmersdorf hin eine satte 65 mm große Sonderanfertigung einer Beobachtungsuhr für die Artillerie-Truppen der Waffen-SS produzieren: Ab März 1941 sollten 10 Uhren pro Monat hergestellt werden und an die sogenannten Messbatterien (“M-B”) geliefert werden. Eine Messbatterie hatte die Aufgabe feindliche Artillerie durch Schall und Mündungsfeuer aufzuklären – das war bis auf 50 Meter genau möglich, die Uhr diente zur Unterstützung der Berechnung. Das Besondere an der Uhr: Für fotografische Auswertungen sollten die Sekundenziffern in Spiegelschrift aufgebracht werden.

In den letzten Stunden des zweiten Weltkriegs wurde Glashütte von sowjetischen Bombern zu einem großen Teil zerstört, Anlagen wurden als Reparationsleistungen demontiert und in die Sowjetunion gebracht…

Uhren-Hersteller Deutschland: Glashütte nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute / die Glashütte-Regel

Nach dem Zweiten Weltkrieg kassierten die Sowjets als Siegermacht die Produktionsanlagen aus Glashütte vollständig ein – die Erste Moskauer Uhrenfabrik durfte sich über neue Anlagen freuen. Gleichzeitig wurden die meisten Glashütter Unternehmen enteignet. Lediglich 20 Prozent der Maschinen und Produktionsmittel verblieben in Glashütte und wurden unter dem Namen „Messtechnik Glashütte“ organisatorisch den Zeiss-Werken Jena angegliedert. Da Glashütte in der sowjetischen Besatzungszone lag, „durften“ die in Glashütte ansässigen Uhrmacher außerdem russisches Personal ausbilden.

Viele Uhrmacher und Unternehmer ließen sich aber nicht unterkriegen: Jeder brachte etwas von zu Hause mit, die einen Werkzeug, die anderen Know-how.

Hans Mühle beispielsweise gründete noch im Dezember 1945 ein neues Unternehmen („Ing. Hans Mühle“), um das Familienerbe des seit 1869 tätigen Unternehmens fortzuführen.

Ab 1951 haben die sowjetischen Besatzungsmächte viele Glashütter Uhrenhersteller in den DDR-Gesamtbetrieb VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB), also aller nach 1945 zwangsenteigneten Hersteller, überführt. Hochwertige Kleinserienfertigung war damit Geschichte: Glashütte-Uhren wurden in der DDR in Massen industriell von bis zu 2500 Mitarbeitern gefertigt. Bis zu 100.000 (!) Uhren purzelten jährlich aus der Produktion von GUB, zuletzt meist Quarz-Modelle, die beispielsweise unter dem Markennamen Meisteranker im Westen beim Versandhändler Quelle und dem Kaffeeröster Tchibo verkauft wurden. Die heute bei Vintage-Sammlern beliebten Modelle Glashütte Spezichron sowie die Glashütte Spezimatic waren ebenfalls Entwicklungen der GUB Glashütte.

Erst 1989, nach Zerschneiden des Eisernen Vorhangs, kehrte allmählich wieder die feine Uhrmacherei in Glashütte ein, die den Ort einst so berühmt machte.

Das lag unter anderem an Walter Lange: Der Urenkel von Ferdinand Adolph Lange hatte sich nach der Firmenenteignung zu DDR-Zeiten ins Pforzheimer Exil abgesetzt und kam wieder zurück nach Glashütte. Unterstützt wurde er von Günter Blümlein, dem Geschäftsführer der damaligen Schweizer LMH-Gruppe (Les Manufactures Horlogéres), zu der die Marken IWC und Jaeger-LeCoultre gehörten. Mit dem immer noch klangvollen Namen Lange und dem Kapital des Schweizer Konzerns wurden in Glashütte nun endlich wieder hochwertige Zeitmesser gefertigt.

Noch ein Impuls kam im Jahre 1994 von den bayerischen Unternehmern Heinz Pfeiffer und Alfred Wallner, denen ein ganz besonderer Streich gelang: Sie kauften GUB von der Treuhand ab, nachdem andere mit Privatisierungsabsichten gescheitert waren – Glashütte Original war geboren.

Mit beachtlichem Ehrgeiz gelingt es den neuen Eigentümern Glashütte Original von der billigen Massenproduktion in den Luxusuhrenhersteller mit hoher Fertigungstiefe zu verwandeln, der dieser auch heute noch ist. Parallel etablieren Wallner und Pfeiffer Union Glashütte als Marke für einen vergleichsweise günstigen Einstieg in die Welt der Glashütte-Uhren.

Im Jahre 2000 kam allerdings der Paukenschlag – zwei Schweizer Konzerne landeten wie Ufos in dem idyllischen Erzgebirgetal: Der Richemont-Konzern übernimmt A. Lange & Söhne, kurz darauf zieht die Swatch Group nach und akquiriert Glashütte Original.

Glashütte Original und Lange & Söhne gehören sicherlich zu den bekanntesten Traditionsmarken aus Glashütte. Es gibt aber auch noch nennenswerte, unabhängige Nischenanbieter wie Mühle-Glashütte (spezialisiert auf robuste, maritime Uhren) sowie “Newcomer” wie die 1990 wiederbelebte Marke NOMOS Glashütte, die mit einer eigenen Werke-Fertigung sogar unabhängig von der ubiquitären Schweizer ETA bzw. Sellita sind – heutzutage eine echte Ausnahme.

Deutsche Uhrenhersteller aus Glashütte:

  • Mühle-Glashütte
  • A. Lange & Söhne
  • Tutima
  • Union Glashütte
  • Glashütte Original
  • Bruno Söhnle
  • NOMOS Glashütte
  • Wempe
  • Grossmann

So viele gestandene Uhrenhersteller in teilweise sehr ähnlichen Preissegmenten – ob das gut gehen kann? Nun, zumindest gibt es s ungeschriebene Gesetze, zum Beispiel, dass man sich gegenseitig keine Mitarbeiter ausspannt. A. Lange & Söhne und Glashütte Original bilden selbst aus, die anderen Manufakturen holen ihren Nachwuchs von der staatlichen Uhrmacherschule im Ort.

Die Glashütte-Regel

Alle Glashütter Hersteller müssen sich an die sogenannte Glashütte-Regel halten. Die Regel ist auf Adolph Lange zurückzuführen, der zum Schutz der Arbeitsplätze vor Ort und zur Sicherstellung der hohen handwerklichen Qualität bewirkt hat, dass sich Uhren nur “Hergestellt in Glashütte” nennen durften, wenn der überwiegende Teil der Wertschöpfung auch in Glashütte durchgeführt wurde. Konkret bedeutet das auch heute noch, dass der Glashütte-Regel zufolge mindestens 50% der Wertschöpfung an zugekauften Schweizer Rohwerken im Müglitztal selbst erfolgen muss.

Union Glashütte erreicht dies beispielsweise dadurch, dass die von der Schweizer ETA gelieferten Werkskomponenten komplett händisch in Glashütte montiert, mit eigenen Komponenten versehen und feinreguliert werden. Auch optische Finessen wie eine Rhodinierung findet in Glashütte statt. Hier einige Eindrücke aus der Produktion (Bilder: Union Glashütte / zum Vergrößern bitte klicken):

Ein weiteres Beispiel: Mühle-Glashütte erreicht die geforderte Wertschöpfung durch ein technisches Werksupgrade, mit der sogenannten Spechthalsregulierung, die die Werke stoßsicherer und robuster machen. Mühle produziert unter anderem die Bestandteile der Spechthalsregulierung im eigenen Hause auf modernen Werkzeugmaschinen. Viele Arbeitsschritte, darunter die Finissierung, werden aber ganz traditionell händisch durchgeführt.

Sellita SW330-1 GMT Spechthalsregulierung Weltzeit Mühle-Glashütte
Mühle-Glashütte: Sellita SW330-1 mit Spechthalsregulierung

Deutsche Uhren – #2 Goldstadt Pforzheim und der Schwarzwald

Historisch betrachtet ist der Schwarzwald und das am Nordrand des Schwarzwalds gelegene Pforzheim das zweitwichtigste Uhrencluster Deutschlands. Junghans, Laco, Hanhart, Stowa Kienzle, Mauthe, Württembergische Uhrenfabrik Bürk – die Uhren-Produktion im Schwarzwald und in Pforzheim hat viele traditionsreiche Hersteller hervorgebracht, von denen heute allerdings viele nicht mehr aktiv sind.

Was viele nicht wissen: Schwenningen im Schwarzwald-Baar-Kreis galt einst als die größte Uhrenstadt der Welt. Noch bevor sich Schwenningen überhaupt Stadt nennen durfte (1907), betrieben die Bürger Handel mit Uhren und fertigten später in kleinen Fabriken Metalluhren. In Schwenningen wurde außerdem 1900 die heute immer noch existierende Staatliche Feintechnikschule als „königlich württembergische Fachschule für Feinmechanik, Elektromechanik und Uhrmacherei“ gegründet.

Bis zum Ersten Weltkrieg waren über 1000 Arbeiter in der Schwenninger Uhrenfertigung beschäftigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Gastarbeiter angeworben, um der riesigen Nachfrage gerecht zu werden – in der Hochblüte der Schwenninger Uhrenindustrie, in den Jahren 1954 bis 1963, gab es insgesamt 224 Firmen, die mit Uhren, deren Bestandteilen oder dem Verkauf zu tun hatten.

Insbesondere auch Schwarzwälder Großuhren (Standuhren etc.) waren seit dem 18. Jahrhundert echte Kassenschlager – im Inland und auch im Ausland. Später, um 1900, entwickelte sich der Wecker im Blechgehäuse zum Paradebeispiel der Schwarzwälder Uhrenindustrie, welcher hocheffizient in industrieller Massenproduktion nach amerikanischem Vorbild produziert wurde. Führend dabei: Junghans, im von Schwenningen aus ca. 30 Autominuten entfernten Schramberg…

Industrielle Fertigung im Schwarzwald: Junghans Schramberg

Maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg in der Region Schwarzwald hatte Arthur Junghans, der Sohn des 1870 verstorbenen Firmengründers Erhard Junghans, welcher nach seiner Uhrmacherlehre für zwei Jahre in die USA ging und dort in diversen Uhrenfabriken arbeitete, um Erfahrungen in der industriellen Produktion zu sammeln.

Junghans Geschichte

Nach seiner Rückkehr in den Schwarzwald nutzte Arthur Junghans sein Wissen, um die industrielle Serienfertigung bei Junghans einzuführen. Die Schramberger setzten insbesondere mit dem robusten Junghans-Weckerwerk W10 Maßstäbe – ein bis in die 1930er Jahre millionenfach produziertes Werk, welches Junghans zur größten Uhrenfabrik der Welt machte…

1890 Wecker Kaliber 10 Junghans
1875 vorgestellt: Junghans Wecker Kaliber 10

In Spitzenzeiten wurden in Schramberg über Vier Millionen Uhren von vielen tausend Mitarbeitern pro Jahr hergestellt. Zum Vergleich: Im Jahre 2016 exportierte die gesamte Schweizer Uhrenindustrie 25,4 Millionen Uhren.

Junghans größte Uhrenfabrik der Welt Werbung Anzeige
„Grösste Uhrenfabrik der Welt“: Junghans wirbt offen mit dem großen Produktionsvolumen.

Fun Fact am Rande: Schon 1880 wurden von Kaiser Wilhelm I. einige der ersten Armbanduhren für die deutsche Marine angeschafft. Auch im Ersten Weltkrieg erkannten die Soldaten den Vorteil von Armbanduhren gegenüber Taschenuhren, woraufhin diese auch im zivilen Bereich schnell zum Standard wurden. Junghans hat sich dennoch lange gegen die Armbanduhr gewehrt und verteufelte diese 1917 in einer Werbeanzeige:

„Es ist Treue um Treue, die sie [die Taschenuhr] mit ihrem Ticktack die Menschen lehrt. Dabei wird diese Treue oft mit Untreue belohnt. Ein Beispiel ist die Armbanduhr, die zweckwidrig ist und eine Barbarei.”

Bei Junghans fand das Umdenken tatsächlich erst 1928 statt als Helmut und Siegfried Junghans einen Kurswechsel anordneten.

Junghans war – wie die meisten anderen Uhrenhersteller auch – Lieferant von Zeitzündern im Zweiten Weltkrieg. Junghans war produktionstechnisch aber so modern aufgestellt, dass sich sogar der amerikanische Geheimdienst mit den Schrambergern beschäftigte. Und auch nach Kriegsende waren Junghans-Zünder begehrte Hightech-Produkte – sie wurden darum im Rahmen von Demontage und Reparationszahlungen nach Frankreich gebracht.

Trotzdem hatte man bei Junghans noch ein Ass im Ärmel: Bereits zu Kriegszeiten, seit mindestens 1943, wurde in Schramberg an einem Armbandchronographenwerk getüftelt, dem legendären Junghans-Kaliber J88. Und genau diese Entwicklung half Junghans nach dem Krieg auf die Beine: Die Schramberger gewannen wenige Jahre nach Hanhart eine Bundeswehr-Ausschreibung – der Junghans J88 Flieger-Chronograph mit der Versorgungsnummer (6645-) 12-124-8591 bzw. 12-120-9351 war geboren.

Neuauflage des Bundeswehr-Chronographen J88, Bild: Junghans
Junghans-Produktion, um 1960

Heute ist nicht mehr viel übrig vom Glanz damaliger Zeiten: Nach mehreren Krisen, darunter die Quarzkrise, verschwanden viele Hersteller von der Schwarzwälder Landkarte. Nicht aber Junghans: Das Schramberger Unternehmen hatte alle Krisen überlebt und zehrte noch viele Jahre von hoher Markenbekanntheit dank Innovationen wie zum Beispiel der ersten Funk-Armbanduhr, welche 1990 vorgestellt wurde. Im August 2008 musste aber auch Junghans Insolvenz anmelden – das Unternehmen zählte damals nur noch rund 100 Mitarbeiter.

Doch Junghans kämpfte sich zurück: Der aus Schramberg stammende und eigentlich im Ruhestand befindliche Unternehmer Hans-Jochem Steim und Sohnemann Hannes kauften die insolvente Firma und erhielten die meisten Arbeitsplätze.

Der gelernte Uhrmacher und seit 2007 bei Junghans tätige Matthias Stotz wurde von den Steims als Geschäftsführer eingesetzt. Der Auftrag war klar: Den angeschlagenen Uhrenhersteller wieder auf die Beine bringen – und das ganz ohne die dicke Geldbörse eines Konzerns wie der Swatch-Gruppe.

Junghans positioniert sich heute selbstbewusst mit dem Claim Die deutsche Uhr. Stotz stellt aber klar, dass sich Junghans als deutsche Uhrenfabrik und nicht als Manufaktur sieht – ganz im Geiste von Arthur Junghans, der damals die industrielle Fertigung bei Junghans einführte…

Uhrenmarken aus der Goldstadt Pforzheim

Die Geschichte der Pforzheimer Uhrenindustrie geht auf das Jahr 1767 (!) zurück. Damals erteilte Markgraf Karl Friedrich von Baden einem Schweizerisch-französischen Uhrmacher-Duo das Privileg zur Herstellung von Taschenuhren. Noch im selben Jahr folgte die Erlaubnis zur Erweiterung in eine Fabrik zur Herstellung von Schmuck- und feinen Stahlwaren. Der Clou: Dort wurden die Mädchen und Jungen des damaligen Waisenhauses am Enzufer in Lohn und Brot gebracht.

Auch aus der Privatwirtschaft gab es Impulse für die Region. Die Uhrenindustrie wuchs explosionsartig, Pforzheim entwickelte sich zur “Goldstadt”. Voller Respekt sprach man im Ausland auch von “Klein-Genf”. 1913 waren in der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie fast 37.500 Personen beschäftigt, kurz vor dem zweiten Weltkrieg zählte der Industriezweig immerhin noch 24.000 Beschäftigte.

Pforzheim hat sich allerdings nicht wie Genf oder Glashütte zu einer eigenen, angesehenen Marke im Bereich Uhren entwickelt – das liegt sicherlich insbesondere daran, dass Pforzheim historisch betrachtet eher auf Massenfertigung gesetzt hat: „Glashütte hat schon immer hochwertige Uhren gebaut, während Pforzheim wie beim Schmuck auf Masse gesetzt hat“, sagt Jochen Benzinger. Der Pforzheimer Uhrenbauer setzt – entgegen der Historie – seit 1985 auf hochwertigste Einzelstücke. Nur rund 100 Uhren pro Jahr verlassen seinen Pforzheimer Betrieb

Heute fehlt es allerdings an vielem, das Pforzheim zu neuem Uhren-Ruhm führen könnte, sagt Jörg Schauer, der 1990 die Traditionsmarke Stowa neu aufgelegt hat: „Wir machen fast gar nichts mehr – keine Kronen, keine Zeiger, kein Glas – und, wenn wir noch ein paar Jahre warten, noch weniger.“

Stowa-Anzeige einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

Eine nennenswerte Ausnahme ist beispielsweise die auf Gehäuse und thermisch gebläute Stahlzeiger spezialisierte Pforzheimer Manufaktur Ickler, gegründet im Jahre 1924 von Karl Ickler. 1947 bauten die Söhne Heinz und Kurt Ickler, die während des Krieges brachliegende Produktion wieder auf. Heute führen in dritter bzw. vierter Generation Thomas und Lisa Ickler das Unternehmen. Unter der Marke Archimede beispielsweise hat die Familie Ickler auch eine eigene Uhrenmarke aufgebaut.

Archimede Fliegeruhr, Bild: Archimede

Ein weiteres Beispiel: Glashütte Original verfügt als einer von wenigen Uhrenherstellern über eine eigene Zifferblatt-Manufaktur – im Jahre 2000 übernahm die Swatch-Gruppe (der Konzern hinter Glashütte Original) die seit 1922 in Pforzheim tätige Zifferblattfabrik Th. Müller. Seit 2012 firmiert der neue Standort in der Stuttgarter Straße 24 als Niederlassung von Glashütte Original. Erst vor wenigen Jahren wurden außerdem mehrere Millionen Euro in Maschinen und Gebäudemodernisierung investiert. Dennoch werden auch heute noch sehr viele Arbeitsschritte in der Zifferblatt-Herstellung händisch ausgeführt (mehr über die Zifferblatt-Manufaktur in Pforzheim gibt’s hier).

Produktionsschritte des Zifferblattes der Glashütte Original SeaQ mit gedruckten Indexen

Eine weitere Ausnahme ist das familiengeführte Pforzheimer Traditionsunternehmen Staib. Gegründet von Hermann Staib im Jahre 1922, ist das Unternehmen heute ein international gefragter Lieferant, insbesondere für feinmaschige Milanese-/Mesh-Bänder.

Staib Mesh-Bänder

Pforzheim und der Schwarzwald im zweiten Weltkrieg

Während des zweiten Weltkrieges wurden viele Unternehmen in Pforzheim und dem Schwarzwald zwangsweise zum Rüstungsbetrieb umfunktioniert. Viele Hersteller, die sich mit Uhren beschäftigt haben, mussten plötzlich Uhren zu militärischen Zwecken (z.B. Hanhart, Laco) und mechanische Zeitzünder (z.B. Junghans, PUW, Durowe) herstellen.

In Pforzheim und dem Schwarzwald wurden insbesondere Fliegeruhren für die Luftwaffe produziert (z.B. Beobachtungsuhren). Das Deutsche Reichsluftfahrtministerium (RLM) formulierte in den 1940ern in einem Dokument (Fl. 23883) haargenaue Vorgaben zur Herstellung von Beobachtungsuhren, z.B. zur Größe, zum Ziffernblattdesign etc. Neben Laco wurden damals auch noch Stowa, Wempe Glashütte und Lange & Söhne per Beschluss in die Pflicht genommen die Uhren nach exakt diesen Vorgaben für die deutsche Luftwaffe zu bauen.

Laco Original Beobachtungsuhr zweiter Weltkrieg
Original Laco-Beobachtungsuhr aus dem Zweiten Weltkrieg – mit 55 mm Durchmesser ein echter Klopper

Der Zweck der Beobachtungsuhren war so einfach wie genial: Die Uhren wurden von den Navigatoren auf Langstreckenflügen getragen, um in Kombination mit einem Libellenoktanten (Winkelmesser) Standortbestimmungen vorzunehmen. Ganz Old School dienten dabei insbesondere Sterne und Sonne als Anhaltspunkt.

Die Navigationsdaten wurden dann in einem Logbuch dokumentiert. Dass die Beobachtungsuhren natürlich extrem präzise laufen mussten, dürfte klar sein. Aus diesem Grund wurden die Uhren vor jedem Start mit Hilfe eines Bodenchronometers (BC) eingestellt.

Oktant Laco Beobachtungsuhr WW2 zweiter Weltkrieg
Libellen-Oktant und Laco Beobachtungsuhr, Bild: Laco

Und so sahen die Beobachtungsuhren in Aktion aus – wie man sieht, wurden die 55mm großen XXL-Uhren in der Regel einfach direkt über der Fliegerjacke getragen, was mit dem extralangen Lederband problemlos möglich war.

Gut zu wissen: Vorgänger der Beobachtungsuhren waren die sogenannten RLM-Uhren von Aristo Pforzheim, damals noch in der Hand der Familie Epple. Seit 1998 gehört die Marke Aristo dem Uhrenmacher Hansjörg Vollmer. Vollmer ist ein Enkel des Gründers der bekannten Metallband-Manufaktur Vollmer, die 1922 gegründet wurde.

RLM-Uhr, Bild: AristoVollmer / CC BY-SA

Flieger-Chronographen müssen von den beschriebenen Beobachtungsuhren abgregrenzt werden: Zu Anfang des zweiten Weltkrieges musste (neben Tutima Glashütte) die Firma Hanhart in Gütenbach (Schwarzwald-Baar-Kreis) robuste Chronographen für die Kampfpiloten der deutschen Luftwaffe entwickeln und produzieren. Diese Flieger-Chronographen dienten insbesondere als Backup, falls Bordinstrumente ausfallen sollten. Charakteristisch für die Flieger-Chronos waren die kannellierte Lünette, die große Krone und der rote Merkpunkt auf der Lünette.

Bei Hanhart in Gütenbach beispielsweise entstanden die Eindrücker-Chronographen Kaliber 40, welche zunächst aber nicht in der Luft, sondern bei der Kriegsmarine eingesetzt wurden. Kurz darauf später folgte der Zweidrücker-Chronograph Kaliber 41

Bei Hanhart gehen die Nummern aller Modelle von ca. 100.000 bis 125.000, was Aufschluss über die ungefähren Produktionsmengen während des Krieges gibt. Im weiteren Verlauf des Krieges musste die Chronographen-Produktion allerdings komplett eingestellt werden: Zeitzündern für Torpedos wurde die größere Priorität eingeräumt… (mehr über Hanhart in diesem Artikel).

Auch Uhren für die Marine purzelten aus der Produktion im Schwarzwald und Pforzheim – in der Dienstanweisung Nr. 2456 von Anfang 1945 („Zeitmessgeräte der Kriegsmarine“) lässt sich exakt nachvollziehen, welche Uhrenarten für welchen Schiffstyp geliefert werden mussten:

  • Stowa (B-Uhren),
  • Junghans (Stoppuhren, U-Jagd-Uhren, Wanduhren),
  • Hanhart (Artillerie B-Uhren)
  • und natürlich Laco (Chronometriegeräte)
  • Lange & Söhne (Seechronometer)
Schiffschronometer von Laco für die Kriegsmarine (KM)

Gegen Ende des zweiten Weltkrieges wurde Pforzheim von alliierten Bombern zu einem großen Teil zerstört, fast ein Drittel der Pforzheimer Bevölkerung kam ums Leben. Ein Bordschütze einer der allierten Führungsmaschinen von der Royal Air Force erinnert sich an die mündliche Befehlsausgabe im Februar 1945: „Wir sollten Pforzheim angreifen, ein Zentrum der Uhrenfabrikation, in dem Steuerinstrumente für die V2 hergestellt wurden. Das jedenfalls sagte man uns.“ Faktisch war der Angriff aus militärischer Sicht allerdings nicht besonders sinnvoll – zumindest nicht in diesem zerstörerischen Maße zu diesem Zeitpunkt des Krieges – die Zerstörung der Produktion von Steuerungsinstrumenten war mehr ein Vorwand. Ein britischer Militärhistoriker nennt die Bombardements auf Pforzheim im Frühjahr 1945 einen „entfesselten Orkan“. Er sei „unverkennbar strafend in seinem Charakter und maßlos in seinem Umfang“ gewesen – treffender kann man es wohl kaum auf den Punkt bringen.

Bombenteppich der Royal Air Force über Pforzheim – der Schaden: Verheerend

Pforzheim und der Schwarzwald nach dem Zweiten Weltkrieg

Trotz der massiven Zerstörung und der Demontage intakter Produktionsanlagen durch die Siegermächte, ließen sich viele Unternehmer nicht unterkriegen und bauten ihr Geschäft wieder auf.

Einer dieser Unternehmen war Ludwig Hummel, der die 1933 gegründeten Deutschen Uhren-Roh-Werke (Durowe) wieder zu alter Stärke führen wollte. Direkt nach dem Krieg wurde die Produktion in den Räumen der Metallwarenfabrik Wolff, die ebenfalls in Hummels Besitz war, fortgeführt. 1949 wurde das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Fabrikgebäude wieder aufgebaut. Am 1. Februar 1959 verkaufte Ludwig Hummel seine Anteile an den Firmen Lacher & Co. (Laco) und Durowe an die U.S. Time Corporation (Mehr Lesestoff: Weitere Details über den auch heute noch aktiven Hersteller Laco gibt’s in meinem Besuchsbericht aus Pforzheim / mehr über die Geschichte von Ludwig Hummel und Laco gibt’s hier).

Sechs Jahre später, im September 1965 übernahm die Schweizer Ébauches SA die Marke Durowe von den Amerikanern. Mittlerweile gehört die Marke Durowe Jörg Schauer, der Kopf hinter dem Uhrenhersteller Stowa aus Engelsbrand (bei Pforzheim).

Auch Rudolf Wehner baute die Produktion der Pforzheimer Uhren-Rohwerke (PUW) allen Widrigkeiten zum Trotz in den Nachkriegsjahren wieder auf – PUW wurde erfolgreicher denn je und avancierte zum größten Rohwerkehersteller in Nachkriegs-Deutschland. Im Jahre 1948 rief PUW-Gründer Rudolf Wehner außerdem zusätzlich die Uhrenfabrik „Porta“ ins Leben, welche Komplettuhren fertigte, die ausnahmslos von PUW-Werken angetrieben wurden. 1950 legte Wehner die beiden Betriebe, Porta und PUW, in Pforzheim zusammen. Die Geschäfte liefen exquisit. Ende der 60er Jahre zählte PUW immerhin rund 600 Mitarbeiter und war bis in die späten 70er Jahre Lieferant für fast alle in Pforzheim ansässigen Uhrenhersteller.

Die Quarzkrise beendete die Kapitel Durowe und PUW allerdings jäh, die Produktion der Automatik- und Handaufzugskaliber aus Pforzheim kam komplett zum erliegen. Der Grund: Die Produktion mechanischer Werke war einfach nicht mehr rentabel, da insbesondere japanische Hersteller den Markt mit Abermillionen Billig-Quarzern fluteten und aus Sicht der deutschen (und Schweizer) Hersteller die sogenannte „Quarz-Krise“ auslösten. Für Porta-Geschäftsführer Klaus Wehner war es „das Ende einer Epoche“. Uhren-Liebhabern dürfte dabei durchaus das Herz bluten, da eine Produktion mechanischer Uhrwerke im großen Stile wie beispielsweise bei der Schweizer ETA in Deutschland schon lange nicht mehr existiert.

Für Nostalgiker: Original PUW-Manufakturkaliber findet man heute noch beim Uhrenhersteller Circula, der mittlerweile in der dritten Generation von der Familie Huber geführt wird. Das besondere: Circula verbaut in der Heritage-Kollektion sogenannte New Old Stock-Werke von PUW, das heißt unbenutzte Lagerware aus den 70er Jahren (mehr über Circula und die PUW-Werke hier).

Auch der Unternehmer Willy Hanhart kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Baden-Württemberg zurück, um seiner Firma nach der Demontage durch die Besatzungstruppen neues Leben einzuhauchen. So waren Hanhart-Chronographen zum Beispiel bei der französischen Luftwaffe sehr gefragt. Später war Hanhart bis 1962 unter anderem sogar exklusiver Lieferant der 1955 gegründeten Bundeswehr (mehr dazu in meinem Artikel über Bundeswehr-Uhren).

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Deutsche Uhren – #3 Lang lang ist’s her: DDR-Uhren aus Ruhla

Meine Oma hat zu mir als Kind immer gesagt: Wenn du gute Noten mit nach Hause bringst, Junge, gibt es einen Taler! Georg und Christian Thiel müssen um 1860 oft gute Noten mit nach Hause gebracht haben: 1862 gründeten die beiden Brüder mit einem Startkapital von 2452 preußischen Talern die Gebrüder Thiel GmbH, eine kleine, aber feine Metallwarenfabrik mit einem kleinen Maschinenpark (Wert: 7 Taler!) im schnuckeligen Städtchen Ruhla nahe Erfurt.

Das Unternehmen entwickelte sich rasant und war der Impulsgeber für eine florierende Uhrenwirtschaft in Thüringen unter der Flagge des Thiel-Imperiums.

Das Thiel-Imperium

Die Gebrüder Thiel waren anscheinend echte Scherzkekse: Das erste Uhrenmodell der beiden kam in den 1870ern raus – eine Bieruhr als Zählwerk für Gastwirte. Diese Spaßuhr kam so gut an, dass man kurzerhand auch noch ähnliche Kinderspieluhren baute (darunter eine besonders gruselige). Diese wurden in ersten zaghaften Versuchen industriell gefertigt und in vergleichsweise großen Mengen nach England und in die USA exportiert.

Ab 1891 wurde es etwas ernsthafter: Ruhlaer Taschenuhren kamen hinzu, die mit einer fast Hundertprozentigen Fertigungstiefe entstanden sind – von der selbst entwickelten und gebauten Maschine bis hin zur fertigen Uhr. So schafften es die beiden Thiel-Brüder Ruhla-Taschenuhren für 3 Mark anzubieten – ein echtes Schnäppchen, die Konkurrenz war etwa doppelt so teuer. Auch wenn die Thiel-Taschenuhren Anfangs unter Uhrmachern und im Einzelhandel nicht ernst genommen wurden (der Handaufzug benötigte satte 1211 (!!!) Umdrehungen bis zum Vollaufzug), waren diese auf Jahre hinweg ein Kassenschlager. Thiel kam kaum mit der Produktion hinter, 1897 wurden 4000 Stück hergestellt – pro Tag! Der Ansturm verwundert nicht: Der durchschnittliche Monatslohn betrug damals mal grade rund 40 Mark, das Bedürfnis nach günstigeren Zeitmessern war groß. Auch selbst gebaute Maschinen konnten die Thiel-Brüder an andere Firmen verkaufen.

Die Produktion von Uhren und Maschinen war sehr rentabel, die Produktion von Kriegsgütern warf allerdings noch mehr Knete ab: Bereits während des Ersten Weltkrieges beschränkte sich die Produktion des Thiel-Betriebes fast ausschließlich auf Zeitzünder.

Auch am Aufschwung der deutschen Rüstungsindustrie nach der Machtergreifung Hitlers partizipierte der Thiel-Konzern. Die Zahl der Arbeitskräfte wuchs ständig. Am Ende des zweiten Weltkrieges waren fast 10.000 Menschen in das Rüstungsgeschäft des Thiel-Konzerns eingespannt – Ruhla war damit (neben Glashütte und Pforzheim bzw. der Schwarzwald) eines der Uhren-Zentren schlechthin.

Im April 1945 besetzten amerikanische Truppen die Stadt Ruhla, die Arbeit wurde eingestellt und am 10. Mai wurde die gesamte Belegschaft des Thiel-Konzerns entlassen. Nur wenige Jahre später kam die Produktion aber wieder ordentlich in Schwung, die Produktion von Uhren und Maschinen überbot sogar die volumenmäßig höchste Vorkriegsproduktion von 1938.

Auch nach der Verstaatlichung durch die Sowjets im Jahre 1952 ging die Erfolgsgeschichte weiter: Ab den 1960ern wurde das berühmte Ruhla-Handaufzugs-Kaliber 24 millionenfach produziert und in die ganze Welt verkauft.

Am 1. März 1967 wuchs der Konzern noch weiter: Es folgte der Zusammenschluss zum VEB Uhrenkombinat Ruhla (später: VEB Uhrenwerke Ruhla, UWR). Doch mit der Wende Anfang der 90er kam das Aus: Durch Privatisierung wurde die VEB Ruhla von der sogenannten DDR-Treuhandanstalt in rund Vierzig einzelne Unternehmen zerschlagen, wovon sich in Ruhla nur noch die Betriebe Gardé Uhren und Feinmechanik Ruhla GmbH mit Uhren beschäftigten. Das besiegelte das allmähliche Ende der Uhrenindustrie in Ruhla. Und dennoch ist Ruhla auch heute noch vielen als Uhrenstadt geläufig…

Kurz und knackig: Bekannte und historisch relevante deutsche Uhren-Hersteller

Abschließend möchte ich noch kurz und knackig die wichtigsten und bekanntesten deutschen Uhrenmarken auflisten – Anhaltspunkte für die Übersicht sind vor allem Tradition, Gründungsjahr, historisch relevante Uhren-Modelle und Unternehmensgröße:

“Neue deutsche Welle”: Die (relativ) jungen Uhren-Marken bzw. -Hersteller

Neben den hier vorgestellten Uhrenherstellern, die in den meisten Fällen schon viele Jahrzehnte “auf dem Buckel haben”, gibt es aber auch eine Reihe von noch recht jungen deutschen Uhrenmarken bzw. Microbrands, die sich innerhalb weniger Jahre eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut haben. Exemplarisch seien die Marken Sternglas (Hamburg), Marc & Sons (Altdorf) oder Steinhart (Stadtbergen bei Augsburg) genannt, die schon seit einigen Jahren überaus erfolgreich im Uhrenmarkt Fuß gefasst haben. Noch etwas “grün hinter den Ohren”, aber ebenfalls sehr beliebt sind VANDAAG (Oldenburg), HEINRICH (Stuttgart), DEKLA (Stuttgart) und Findeisen (Leesten).

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13 Kommentare
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Bernhard Riess
1 Jahr zurück

Toller Artikel!
Es fehlt noch die Marke MSC aus Dülmen:
http://www.msc-uhren.com/

Lexi
2 Jahre zurück

Und was ist mit Osco (Otto Schlund & Co Uhrenfabrik) Schwenningen?

Peter
2 Jahre zurück

Toller Bericht, leider vermisse ich einen Hinweis auf Temption aus Herrenberg.

Helmar M.
3 Jahre zurück

Als ehemaliger Schüler (1969-1972) der Staatlichen Berufsfachschule Furtwangen bin ich sehr fasziniert von dieser tollen Chronologie! (doppelter Wortsinn) 😊

m.e****@yahoo.de
3 Jahre zurück

Hallo, bin eben über diesen sehr informativen Artikel gestolpert. Toll geschrieben und gut recherchiert, mir fehlen aber die Kienzle Uhren, denn die waren mindestens so groß alt und interessant wie zB. Junghans…

Jürgen E.
3 Jahre zurück

Hi Mario, Du hast in Frankfurt/Main aber leider einen Hertsteller missachtet.
HACHER Uhren werden zum Großteil in Frankfurt eingeschalt und sollten auch auf der Liste zu finden sein. Die legendären HACHER WRC Chronos an erster Stelle. Diese sind komplett aus FF/M. Walther Röhrl ist Markenbotschafter und hat deim Design der Chronos mitgewirkt 😉

Rumburak Klötenschneider
3 Jahre zurück

Ein ungemein interessanter und gut geschriebener Artikel, den ich erst jetzt gelesen habe. Allerdings muß der Klugscheißer noch etwas dazu bemerken. Der Deutschlehrer in mir hat einmal aufheulen müssen: Das Wort „ Nirgendswo“ wirst Du im Duden nirgendswo finden, es gibt „nirgends“ und „nirgendwo“, aber nicht das von Dir verwendete Wortungetüm. Nichts für ungut, kann ja mal passieren. Sonst: Super,danke.

Roland B.
3 Jahre zurück

Hallo, grandios geschrieben. Eine tolle Lektüre, vieles was mir noch nicht bekannt war. Grad in der aktuellen Zeit kommt man wieder vermehrt zum Lesen von solch guten und informativen Artikeln. Wo darf man dem Verfasser einen Kaffee oder eine Bier ausgeben?

Ich besitze noch Uhren von folgenden deutschen Herstellern:
„J.B. Gioacchino“ mit Sitz in 86899 Landsberg am Lech und von „Findeisen“, Sitz in 96129 Leesten.

Sind beide wohl recht neu und nicht mit einer Uhrmacherhistorie verbunden, daher fraglich ob die hier Platz finden sollten. Wahrscheinlich gibts da noch unzählige mehr, die eher unbekannt sind.

Dem Verfasser noch mal ein dickes Dankeschön! Bleibt gesund.

bean
3 Jahre zurück

De Artikel zeugt von Sachverstand und Fleiß. Ich habe aber einen Fehler entdeckt:
>Gesundbrunnen zu liefern: In dem kleinen Dorf rund 10 km vor Glashütte befand sich das zentrale Großlager der Deutschen Seewarte. Alliierte Bomber verirrten sich hier kaum hin.<
Gesundbrunnen ist ein Ortsteil von Berlin. Einen gleichnamigen Ort bei Glashütte gibt es nicht.
Vielen Dank für die gute Arbeit.