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Anfang 2021 ging eine Schlagzeile durch die Uhrenwelt, die es in sich hatte: Ein langjähriger offizieller Konzessionär für Uhren von Rolex und Patek Philippe, C.D.Peacock aus Chicago, soll angeblich Uhren an Grauhändler anstelle an Endkunden vertickt haben, um den einen oder anderen Extra-Dollar zu verdienen – so zumindest die Anschuldigung dreier ehemaliger C.D.Peackock-Mitarbeiter, die nach eigenen Aussagen gefeuert wurden, da sie sich an diesen Geschäftsgebaren nicht beteiligen und diese sogar aufdecken wollten.

Die Klage gegen C.D.Peacock-Chef Seymour Holtzman und vier Mitarbeiter war beim Bundesgericht in Illinois anhängig. Viel mehr drang dann aber nicht an die Öffentlichkeit durch – bis ein Jahr später, Anfang 2022, nationaljeweler.com berichtete, dass die Haupt-Klägerin Suzana Krajisnik ihre Anschuldigungen nach wenigen Monaten zurückgezogen hatte und der Fall damit ad acta gelegt wurde – vermutlich aufgrund einer außergerichtlichen Einigung unter Zahlung gewisser Sümmchen. Also alles paletti?

Nun, natürlich gilt grundsätzlich erst mal die Unschuldsvermutung und es soll in diesem Artikel auch gar nicht um C.D.Peacock im Speziellen gehen. Aber mal völlig unabhängig davon, ob C.D.Peacock nun Grauhändler beliefert hat und dadurch vertragsbrüchig geworden ist oder nicht, stellt sich natürlich trotzdem die grundsätzliche Frage wo eigentlich die Vielzahl an Uhren herkommen, die bei bekannten Grauhändlern angeboten werden – so listet beispielsweise Chronext.de Ende Februar 2022 einen Bestand von über 400 Rolex-Uhren mit dem Zustand ungetragen – new, darunter auch viele beliebte Modelle wie die GMT-Master II, nur eben zum dreifachen des Listenpreises. Ganz anders sieht es bei Marken wie Breitling aus, die in aller Regel mit satten Rabatten angeboten werden…

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Uhren-Herkunft im Grauhandel, Option 1: Privatpersonen

Es gibt sicherlich Privatpersonen, die beispielsweise das Glück haben eine Rolex Stahl-Sport-Uhr vom Konzessionär zum Listenpreis erhalten zu haben, diese aber innerhalb kürzester Zeit im Neuzustand an Grauhändler mit ordentlichem Gewinn verkaufen – das dürfte aber nur einen geringen prozentualen Anteil an den Uhren auf Grauhandelsportalen ausmachen.

Uhren-Herkunft im Grauhandel, Option 2: Kooperationen

Früher versuchten die großen Uhrenkonzerne Online-Grauhändler totzuschweigen oder gar zu dämonisieren. Im Hintergrund suchten viele aber den Kontakt, um selbst an den Absatzkanälen zu partizipieren.

Und so ist es ein offenes Geheimnis, dass mittlerweile verschiedene Uhrenhersteller direkt mit den Grauhändlern zusammenarbeiten, um Ladenhüter mit großzügigen Rabatten anzubieten und so Lagerbestände abzubauen – mehr oder weniger zähneknirschend, denn hohe Rabatte sind bekanntermaßen nicht grade förderlich für eine Luxusmarke.

Mir hat beispielsweise mal ein Leser geschrieben, dass er eine Breitling Aviator 8 bei Chronext mit nettem Rabatt bestellt hat – die Garantiekarte war dabei vom offiziellen Breitling Store in der Outletcity Metzingen ausgestellt…

Breitling Aviator 8 Kopie
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Nagelneue Breitling-Uhren bei Chronext mit ordentlich Rabatt

Uhren-Herkunft im Grauhandel, Option 3: Offizielle Konzessionäre

Bei Marken wie Rolex sind die Machtverhältnisse genau anders herum: Der Nachfragesog ist so immens, dass die Uhren natürlich nicht von Rolex in den Graumarkt gedrückt werden – das haben die Schweizer schlicht nicht nötig.

Graumarktportale wie Chronext oder Uhren2000, die systematisch Rolex-Uhren mit großen Preisaufschlägen auf den Listenpreis verticken, bekommen die vielen Uhren aber natürlich nicht ausschließlich von Privatpersonen im Rahmen von Ankaufvereinbarungen. Daher gibt es nur eine logische Möglichkeit: Die Uhren stammen von offiziellen Konzessionären.

Ich selbst habe vor einer Weile mal eine Rolex Explorer I bei einem Grauhändler gekauft – und staunte nicht schlecht mit Blick auf die Garantiekarte, die von einem offiziellen Rolex-Konzessionär in der Türkei abgestempelt war:

Rolex Garantiekarte Ugur Saat Chronext 2

Um es klar zu sagen: Der Weiterverkauf des Konzessionärs an Grauhändler ist grundsätzlich untersagt – hier ein Auszug aus einem Vertrag zwischen Rolex und einem Konzessionär in den USA (ich gehe davon aus, dass ähnliche Formulierungen auch heute noch in allen Ländern genutzt werden):

Jewelers will sell Rolex products only to ultimate consumers, at the retail level, in transactions that originate over-the-counter at its authorized location(s). All other methods of the sale (except for Rolex-approved corporate/presentation sales) are considered transshipping. Rolex is the sole distributor of Rolex watches in the United States. Rolex has not authorized any ORJ or any other person to act as a wholesaler or subdistributor; therefore, any transshipment of Rolex watches, even if unintentional, is prohibited.

sec.gov

Rolex-Konzessionäre, die trotz der eigentlich eindeutigen Vertragslage den Graumarkt bedienen, setzen grundsätzlich natürlich ihre Konzession auf’s Spiel – für das Risiko lockt aber ein stattliches Extra-Sümmchen gegenüber einem Verkauf an Endkunden (“ultimate consumers”), weshalb der eine oder andere Konzi eben doch das Risiko eingeht. Die Grauhändler haben übrigens nach meinen Informationen, vor allem wegen des großen Wettbewerbs, eine vergleichsweise geringe Marge im einstelligen Prozentbereich.

Hier ein vereinfachtes Rechenbeispiel, um zu veranschaulichen wie eine Rolex beim Online-Grauhändler landet:

  1. Der Rolex-Konzessionär kauft eine Submariner Date direkt von Rolex in Genf mit 40% Händlerrabatt auf den aktuellen Listenpreis von 9.400€ (der Konzi zahlt also rund 5600€ an Rolex).
  2. Der Rolex-Konzessionär verkauft die Submariner Date dann aber nicht zum Listenpreis an einen Endkunden, sondern für 15.000€ an einen Online-Grauhändler. Der Konzessionär verdient an diesem Geschäft 9400€ statt 3800€, also rund das 2,5 fache. Ganz nett, oder? Gleichzeitig hat der Konzessionär keine nennenswerte Kapitalbindung durch Lagerhaltung, benötigt weniger Personal für Kundenberatung etc.
  3. Der Online-Grauhändler (in seiner Funktion als „Zwischenhändler“) verkauft die Submariner Date an einen Endkunden für 16.000€ (7% Marge bzw. 1000€).

Am Ende des Tages ist es Win-Win für (fast) alle Parteien: Für die Konzessionäre (solange sie sich nicht zu doof anstellen und auffliegen), für die Grauhändler – und am Ende des Tages sogar für Rolex, die in der vorzüglichen Lage sind, dass durch die transparenten, absurd hohen Online-Preise ein zusätzlicher Nachfragesog entsteht und sich die Wartelisten weiter füllen (Eine Rolex kostet online so viel mehr als beim Händler? Muss ich mir versuchen zum Listenpreis zu holen!). Nur eine Gruppe ist angeschmiert: Uhrenfreunde, die kaum realistische Chancen haben an Klassiker wie die Rolex GMT Master oder die Rolex Daytona zu kommen.

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Rolex Daytona Meteorite Dial, Bild: Rolex

Was aber verwundert: Man hört zwar immer wieder davon, dass Rolex Testkäufe tätigt, um Graumarkt-Tätigkeiten aufzudecken und zu unterbinden. Dass aber im großen Stile Konzessionen wegen Vertragsbruchs entzogen werden, davon hört man – nix. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass Rolex über die Testkäufe noch nicht mal einen einzigen Konzessionär identifiziert hat, der den Graumarkt im großen Stile bedient. Vielleicht belässt es Rolex dann doch bei einem einfachen “dududu!” und schweigt? Nun, wie sagt man so schön: Nichts Genaues weiß man nicht…

Lesetipp: Rolex Explorer II im Test

Rolex Explorer II 226570 2021 GMT Test White Weiss Polar WD 6

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Hans
6 Monate zurück

Ich denke, dass gewisse Rolex-
Modelle, bei welchen man auf
eine Warteliste gesetzt wird,
von betuchten Kunden extrem
überbezahlt werden.
Nur gibt es doch sicher Probleme, wenn die Gewährleistung in Anspruch
genommen werden muss.

Lars
6 Monate zurück
Antworten...  Hans

Eigentlich wird man lt. Händler für nahezu jedes Modell auf die Warteliste gesetzt.
Ob beim Händler auch über Liste bezahlt wird, wäre ungewöhnlich aber vielleicht nicht ganz undenkbar. Gehört habe ich aber von solchen Fällen nicht.
Bei vielen Modellen ist es nicht die Frage wie „betucht“ man ist, sondern zu welchen Konditionen man die gekaufte Uhr möglichst schnell und gewinnbringend wiederverkaufen kann, bevor die nächste Kreditkartenabrechnung das Konto belastet.
Auch vermute ich, wenn ich mir mal so die Kleinanzeigen anschaue, dass sich hinter div. privaten Profilen auch Händler, gar Konzessionäre verstecken könnten, die gerne einen Extra Euro einstecken wollen, weil über Liste verkaufen, offiziell gar nicht gut kommt😉

Die Gewährleistung kann abgetreten werden. Ebenso ist die Rolex Garantie m.W.n. immer noch nicht auf den Erstkäufer beschränkt – was ein nettes Detail ist und sicherlich dem Graumarkt dienlich ist – Daher wäre auch die Garantie uneingeschränkt übertragbar.
Probleme sehe ich daher keine.

Lars
7 Monate zurück

Warum sollte man Graumarkthändler direkt bedienen? Hat man doch auch Personal das im Einzelhandel nicht sehr viel verdienen sollte.
Da hat man nicht nur die Gewährleistung als Gesetz ausgehebelt – sofern man(n), oder Frau die „offiziell“ gekaufte Uhr dann wieder verkauft, sondern muss auch nicht Repressionen vom großen Hersteller befürchten.
Wäre ich Händler, wäre das meine Wahl.
Denn auch meine Mitarbeiter/-innen kann ich durch diese Vertriebsstrategie besser an mich binden.
Da muss nur die Person, die zukünftig privat verkauft aufpassen, dass das FA nicht dahinter kommt…
Natürlich alles nur ein ergänzendes Gedankenspiel zum obigen Artikel 😉.
Es wird interessant sein in der nahen Zukunft zu beobachten, ob sich diese Bubble weiter hält, oder ob irgendwann, getreu den Marktgesetzen, das Überangebot zu absolut unrealistischen Preisverstellungen jäh eine Korrektur nach unten erfährt.

Tom
1 Jahr zurück

Der Hinweis auf asiatische Händler ist durchaus angebracht!

In Seoul/ Südkorea sind mir in 2016 und 2017 bei etlichen Highstreet-Juwelieren hochklassige Uhren als Neuware aufgefallen, deren Begleitdokumente den Stempel von Konzessionären aus der EU enthielten.

J
2 Jahre zurück

Klasse Artikel!
Wie sehen Sie die Verteilung zwischen 1) Privatperson und 3) Konzessionär als Quelle für neue/ungetragene Rolex im Grauhandel? 30/70?

Wie hoch ist der Lagerbestand an ungetragenen Sportmodellen bei Privatpersonen / Händlern?
Hier muss man vermutlich auch insbesondere asiatische Händler berücksichtigen.

Boris
2 Jahre zurück

Bei Rolex in der Bahnhofstraße in Zürich wird man gleich gefragt, ob man denn in der Schweiz wohne. Wenn nicht, gibt es auch keine Uhr zu kaufen… für mich ist Rolex damit als Marke gestorben, die haben wirklich voll die Bodenhaftung verloren. Mir gleich eine Omega im Store nebenan geholt, da geht es noch zivilisiert ab.

Hans
6 Monate zurück
Antworten...  Boris

Was hat man denn als Grund
angeführt?
Was spricht dafür, dass man Schweizer sein muss?
Wenn das so ist, liegt das Problem aber nicht bei Rolex,
sondern beim betreffenden Händler, denke ich.