Das Zifferblatt ist das Gesicht jeder Uhr. Es prägt das Gesamterscheinungsbild maßgeblich. Elemente wie beispielsweise…
- verschiedene Farben,
- der Schliff (z.B. Sonnenschliff),
- die Oberfläche (z.B. matt vs. glänzend oder bestimmte Muster),
- die Indizes und Ziffern (appliziert vs. gedruckt)
- und natürlich die Komplexität des Zifferblattes an sich (z.B. mit Hilfszifferblättern bzw. Totalisatoren, bedingt durch zusätzliche Chronographen-Funktionen)
… können vom Uhren-Designer gezielt eingesetzt werden, um ein Modell mit (hoffentlich!) viel Eigenständigkeit zu erschaffen.
Wenden wir den Blick nun Richtung der Zifferblätter von Taucheruhren: Funktionalität war aus historischer Sicht bei Taucheruhren das A und O, das Design des Zifferblattes war auf das nötigste reduziert – aber das ist ja auch logisch: Taucheruhren wurden faktisch bei Tauchgängen als professionelle Ausrüstungsgegenstände genutzt und mussten (im Dunkeln wie im Hellen) perfekt ablesbar sein. Mehr als ein paar sofort erkennbare Indizes und / oder Ziffern, die in Form von Leuchtmasse (früher Radium oder Tritium) auf das Zifferblatt aufgepinselt wurden, waren dazu einfach nicht nötig. Kein Zufall: Früher lagen professionelle Taucheruhren nicht in den Auslagen der Juweliere, sondern bei Fachhändlern für Taucherausrüstung.
Applizierte (= aufgesetzte) Indizes, die heutige Luxus-Taucheruhren häufig haben, sorgen zwar für eine merkbar höherwertigere Optik, der „toolige“ Charakter einer Taucheruhr geht dadurch aber naturgemäß etwas verloren…
Selbiges gilt natürlich für „Sonder“- Features wie beispielweise das aufwendige Keramik-Zifferblatt der aktuellen Omega Seamaster 300m mit eingelaserten Wellen – sieht geil aus, hat aber keinerlei praktischen Nutzen 😉
Tauchen wir nun aber in die Ziffernblatt-Herstellung am Beispiel von Glashütte Original ein – dort spielt die Frage hinsichtlich gedruckter vs. applizierter Ziffern/Indizes und die Oberflächenbearbeitung ebenfalls eine wichtige Rolle…
Zifferblatt-Herstellung am Beispiel der Glashütte Original-Manufaktur in Pforzheim
Glashütte Original verfügt als einer von wenigen Uhrenherstellern über eine eigene Zifferblatt-Manufaktur – im Jahre 2000 übernahm die Swatch-Gruppe (der Konzern hinter Glashütte Original) die seit 1922 in der „Goldstadt“ Pforzheim tätige Zifferblattfabrik Th. Müller. Seit 2012 firmiert der heutige Standort in der Stuttgarter Straße 24 als Niederlassung von Glashütte Original. Erst vor wenigen Jahren wurden außerdem mehrere Millionen Euro in Maschinen und Gebäudemodernisierung investiert. Dennoch werden – wie wir gleich sehen werden – sehr viele Arbeitsschritte in der Zifferblatt-Herstellung per Hand ausgeführt.
Anhand des Beispiels der Zifferblätter für die Taucheruhren SeaQ und SeaQ Panoramadatum, eine Retro-Neuauflage der Glashütte Spezimatic Typ RP TS 200 aus dem Jahre 1969, möchte ich nun auf die spannenden Schritte der Zifferblatt-Produktion eingehen.
Die Produktion eines Zifferblattes startet mit einem Rohling, der im Falle der Glashütte Original SeaQ aus einem Messing-Streifen gestanzt wird. Bei den SeaQ-Varianten mit Datums-Anzeige wird in diesem Schritt auch schon das entsprechende Rechteck ausgestanzt. Der Rahmen des Datumsfenster wird anschließend geprägt, um saubere Kanten zu erzeugen:
Nun bekommt das Zifferblatt noch ein zentrales Loch, welches später zur Fixierung der Zeiger dient. Kaum zu sehen sind die rundum laufenden Mini-Bohrungen für die Variante SeaQ Panoramadatum, welche als Halterung für die Appliken dienen (hierzu gleich mehr).
Um die Roharbeiten abzuschließen wird das Zifferblatt aus dem Rohling gestanzt und erhält damit seinen endgültigen Durchmesser:
Anschließend geht’s zur Oberflächenbearbeitung. Mit Hilfe einer Schleif- und Poliermaschine und unter Zuführung einer Emulsion werden die Zifferblätter zunächst geschliffen und anschließend auf Hochglanz poliert. Danach werden die Zifferblätter gereinigt.
Die polierten und gereinigten Zifferblätter bekommen nun mit einer rotierenden Messingbürste einen Strahlenschliff bzw. Sonnenschliff verpasst, welcher dem Zifferblatt eine hochwertig wirkende Struktur gibt.
Jetzt kommt Farbe ins Spiel: Mit Hilfe galvanischer Oberflächenbeschichtung erhalten die Zifferblätter der Glashütte Original SeaQ – je nach Ausführung – ihre schwarze oder blaue Farbgebung. Die Zifferblätter werden anschließend noch mal abgespült und natürlich auch wieder getrocknet.
Jetzt sind die Zifferblätter bereit für das Aufbringen von Ziffern, Indexen, Logo, Schriftzügen und weiteren Details…
Zifferblatt-Produktion von Uhren: Applizierte vs. gedruckte Indizes
Ab hier unterscheiden sich die Arbeitsabläufe bei den SeaQ-Varianten – Stichwort: Applizierte vs. gedruckte Indizes / Ziffern.
Schauen wir uns zunächst die Arbeitsschritte bei der Produktion von gedruckten Zifferblättern an – bei den kleineren Ausführungen der SeaQ werden zunächst die Ziffern und Indexstriche in einer hellen Grundierungsfarbe aufgedruckt…
Im sogenannten Tampondruckverfahren wird dann mit einem weichen Gummiballon (der sogenannte Tampon, der als eine Art Stempel fungiert) die Farbe von einer Druckplatte (sog. Klischee) aufgenommen und auf ein hundertstel Millimeter genau auf die Zifferblattoberfläche gedruckt.
Der gleiche Vorgang wird nun mit weißer Farbe auch für alle übrigen Details angewendet.
Damit man sich das Tampondruckverfahren noch etwas besser vorstellen kann, hier ein kleines Video, in dem man auch gut den großen Vorteil des Verfahrens erkennen kann, nämlich, dass auch unebene oder gewölbte Flächen durch den flexiblen Tampon bedruckt werden können:
Zum Abschluss werden die Ziffern und Indexe sorgfältig von Hand (!) mit Leuchtmasse (Super-Luminova) gefüllt.
Springen wir nun noch mal ein paar Schritte zurück: Bei der größeren SeaQ Panoramadatum werden Logo, Schriftzüge und Minuterie zwar ebenfalls mittels Tampondruckverfahren aufgetragen, …
… die Ziffern und Indexe werden jedoch appliziert. Man beachte im obigen Bild die sehr feinen Löcher, in die die Ziffern und Indexe angebracht werden. Auch diese Appliken sind mit Super-LumiNova-Leuchtmasse (in diesem Fall grün) gefüllt…
Das Anbringen der Appliken (Ziffern und Strich-Indexe) erfolgt manuell und erfordert ein geschicktes und ruhiges Händchen des Glashütte Original-Mitarbeiters. Sind die Appliken korrekt gesetzt, werden die Halterungen rückseitig verschweißt – wäre ja auch irgendwie blöd, wenn sich eine Ziffer oder ein Index löst und unter dem Uhrglas durch die Gegend purzelt, oder? 😉
Auf den Bildern unten erkennt man auch gut, dass ein Zifferblatt mit applizierten Indizes und Ziffern plastischer und meiner Meinung nach hochwertiger aussieht als ein rein gedrucktes Zifferblatt. Eine Uhr mit gedrucktem Zifferblatt wiederum hat in der Regel einen „tooligeren“ Charakter…
Zusammengefasst, hier noch die einzelnen Bearbeitungsschritte in der Übersicht (oben: SeaQ Panoramadatum mit applizierten Indexen; unten: SeaQ mit gedruckten Indexen)
Beide Zifferblatt-Varianten (gedruckt vs. appliziert) haben natürlich eine abschließende Qualitätskontrolle gemeinsam. Die Zifferblätter werden anschließend von Pforzheim nach Glashütte zwecks Endmontage geschickt…
Und so sieht das Endergebnis aus – das Zifferblatt, montiert in der Glashütte Original SeaQ Taucheruhr:
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Vielen Dank, wieder was gelernt! Man macht sich ja normalerweise gar nicht so viele Gedanken um das Zifferblatt. Dabei steckt da oft so viel KnowHow und Arbeit drin.
Hallo Mario, wieder etwas gelernt. Sehr interessanter Artikel. Danke dafür
Sehr gern!
Hallo, Mario,
ganz am Anfang deines (informativen) Berichts steht als Bildunterschrift: „Aktuelle Rolex Submariner „NoDate“ mit applizierten Indizes aus Weißgold, gefüllt mit SuperLuminova“. Ob das so stimmt? Weist uns die Firma, die mit „R“ beginnt und mit „olex“ aufhört, nicht seit Jahren darauf hin, dass ihre Uhren mit „Chromalight“ (viiieeel besser als Super-LumiNova, wenigstens ist das die Behauptung der Firma!) befüllt werden? Und wenn schon „SuperLuminova“, dann bitte richtig:
Super-LumiNova® (OK, OK, das ® kann man auch weglassen …) (s.a. https://www.rctritec.com/de/nachleuchtpigmente/swiss-super-luminovar.html)
Weiter so!
Lieber Chronautix,
wieder einmal ein sehr informativer Bericht, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Allerdings habe ich das „Tampondruckverfahren“ nicht so recht verstanden, vielleicht kann da noch etwas konkreter bzw. fassbarer ergänzt werden. –
Ansonsten: Es führt schon zu etwas Bedenklichkeit, wenn die (hochwohllöbliche) Firma „Hayek“ immer mehr Marken und Zulieferbetriebe erwirbt. Einerseits festigt sich dadurch die marktschädliche Oligopolsituation (s. ETA, Fastmonopolist), andererseits eröffnen sich allerdings für die erworbenen Unternehmen (hier Zifferblattfabrik Th. Müller, Pforzheim) neue Chancen durch die enorme Investitionskraft von „Hayek“. Wie dem auch sei – die Schweizer Kartellbehörde hat ihr Auge ja schon seit längerem auf ETA geworfen. Mal sehen, wie´s ausgeht.
Viele Grüße
Ihr oder Dein treuer Leser Fritz Baur
Vielen Dank für den Input, Fritz! Ich habe noch ein gutes und kurzes Video zum Tampondruckverfahren rausgesucht und ergänzt. Damit wird das danke ich klarer 🙂
Ansonsten stimme ich dir hinsichtlich der Swatch-Gruppe absolut zu!