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Ein Stift und ein Blatt Papier von einem vorbeiflitzenden Kellner sowie 5 Minuten zwischen Schnitzel und Dessert – mehr brauchte es nicht zur Kreierung des ikonischen Designs der Patek Philippe Nautilus im Stahl-Gehäuse. Das sagt zumindest der Schöpfer, Gérald Genta. 1976 war das, im Rahmen der Baselworld, als die Designer-Legende im Hotelrestaurant einige Mitarbeiter von Patek Philippe erspähte und denen eine erste Skizze unter die Nase hielt. Das war der Beginn für eine unfassbare Erfolgsgeschichte – insbesondere die blaue Patek Philippe Nautilus mit der Referenz 5711/1A-010 gehört(e) zu den begehrtesten Stahl-Sportmodellen überhaupt. Die Wartelisten sind bis zu 10 Jahre gefüllt – bei einem (Listen-)Preis von rund 29.000€ wohlgemerkt.

Oh, pardon: Die Wartelisten waren randvoll. Denn Anfang 2021 hat Patek Philippe die Nautilus 5711/1A-010 mit blauem Blatt und die Nautilus 5711/1A-11 mit weißem Blatt begraben. Eigentlich ist das keine echte Überraschung: Schon 2019 hat Patek-Oberhaupt Thierry Stern in einem Interview klargemacht, dass für eine “Low Budget”-Nautilus im ordinären Stahl-Gehäuse kein Platz mehr im Sortiment ist…

Patek Philippe Nautilus 5711 Stahl: Eine kurze Geschichtsstunde

Die im Restaurant von Gérald Genta kurzerhand dahingekrizelte Zeichnung kam so gut an, dass diese Patek Philippe dazu veranlasste komplett gegen den Strom zu schwimmen: Die Nautilus wurde damals ungewöhnlicherweise als Luxusuhr im Stahlgehäuse positioniert. Die original Patek-Reklame unten sagt selbstbewusst: „One of the world’s costliest watches is made of steel“. Eine Luxusuhr, die nicht im Goldgehäuse kommt? Das war fast schon ein Skandälchen.

Die Botschaft war deutlich: Auch eine Sport-Stahluhr darf teuer sein! Der Erfolg hielt sich aber anfangs in Grenzen: So richtig konnten sich die besser betuchten Uhrenfreunde damals nicht vorstellen, über 3000 US-Dollar (inflationsbereinigt heute rund 8.000 US-Dollar) für eine Uhr aus Stahl zu berappen – das war schließlich fast so viel wie Patek Philippe für Dress Watches im Goldgehäuse aufrief. Und noch ein Vergleich: Die Stahl-Daytona von Rolex kostete zur selben Zeit grade mal rund 1000 US-Dollar, also ungefähr ein Drittel der Nautilus.

Patek Philippe Nautilus 5711 Stahl: Preisentwicklung und Wertanlage

Die Patek Philippe Nautilus gehört heute (neben der der Audemars Piguet Royal Oak und diversen Rolex-Modellen) zu den beliebtesten Stahl-Sportuhren im Luxussegment. Seit ca. 2016 haben insbesondere die Preise für die Nautilus-Referenz 5711/1A-010 mit blauem Balken-Zifferblatt extrem angezogen: Die Preise für eine gebrauchte Stahl-Nautilus bei Online-Portalen wie chrono24 bewegen sich mittlerweile jenseits von Gut und Böse und deutlich über dem (ohnehin schon knackigen) Listenpreis.

Die Preisentwicklung verwundert mit Blick auf die Wartezeit, die aufgrund gezielter, stark limitierter Produktion bis zu 10 Jahre betragen hat, keineswegs. Zwar verrät Patek Philippe nicht, wie viele Stahl-Modelle die Manufaktur verlassen, allerdings sollen es nach internen Vorgaben nicht mehr als 30% des Jahresausstoßes sein.

Thierry Stern sagte dazu Mitte 2019 ganz offen in einem Interview: “[…] I took the decision many years ago to say ‘Let’s limit it.’ I am limiting the steel versions, mostly the Nautilus. That’s really the one that everybody is looking for. Why is it so expensive? It’s simply because there are just a few of them.” 

Adios, Patek Philippe Nautilus 5711 aus Stahl

Nun, Anfang 2021 streicht Patek Philippe die Nautilus 5711 mit blauem und die (etwas weniger beliebte) Nautilus mit weißem Zifferblatt aus dem Sortiment. Diesen, auf den ersten Blick völlig absurden, Schritt kann sich auch nur ein Uhrenhersteller wie Patek Philippe leisten: Die Traditionsfirma, die sich bis heute in privater Hand der Familie Stern befindet und dessen Jahresumsatz auf rund 1,5 Milliarden Schweizer Franken geschätzt wird, hat offenbar genug von den Wehklagen der offiziellen Konzessionäre, die ihre Kunden jahrelang vertrösten müssen. Denn offenbar erhalten selbst die besten Konzi-Pferde im Stall nur 1-2 Stahl-Nautilus 5711 pro Jahr – wenn überhaupt.

Thierry Stern sagte dazu 2019: “At our level, steel has always been very rare. Today, I have to be very tough on the quantity. Because I don’t want to see steel taking over the lead in the whole collection in terms of material. So we have to be vigilant.” 

Sterns Aussage zeigt deutlich, dass Patek Philippe offenbar nicht viel Wert darauf legt, “billige” Modelle aus Stahl im Sortiment zu führen. Sarkasmus-Modus /on: Wo käme man auch hin, wenn man sich preislich im Billigheimer-Bereich von Rolex oder Omega bewegen würde? Die Patek-Kunden sollen gefälligst die deutlich teureren Modelle im Platin- oder Weißgold-Gehäuse kaufen, wenn sie etwas optisch dezenteres haben wollen. Der gemeine Pöbel möge doch bitte andere Marken erwählen. Sarkasmus-Modus /off. 😉

Netter Nebeneffekt von Sterns Stoßrichtung: Die Rendite, die der eine oder andere pfiffige Spekulant beim Herausspatzieren aus dem Konzessionär mit einer Nautilus in der Tasche einheimsen konnte, kassiert in Zukunft aller Voraussicht nach Patek Philippe selbst ein – in Form einer höheren Stückmarge auf Edelmetall-Varianten der Nautilus.

Nach der Abkündigung der Stahl-Nautilus dürften die (ohnehin absurd hohen) Preise zunehmend explodieren. Von den hohen Preisen für gut erhaltene Vintage-Modelle ganz zu schweigen: Eine Patek Philippe Nautilus Ref. 3700/001 aus den 70ern wechselte beispielsweise Ende 2020 für sage und schreibe 180.000 Euro den Besitzer. Da kann man nur jeden beglückwünschen, der eine Stahl-Nautilus zum Listenpreis ergattern konnte (egal, zu welchem Zeitpunkt).

(Bilder: Phillips Press)

Übrigens: Für Uhrenfreunde, die nicht wissen wohin mit ihrem Geld, gibt’s nach wie vor die Stahl-Nautilus mit Mondphase (Ref. 5726/1A-014; Listenpreis 43.360€) oder die roségoldene Nautilus, die sich aber gebraucht ebenfalls weit über Listenpreis (ca. 100.000 Flocken) bewegt.

Gerüchten zufolge soll anstelle der Stahl-Nautilus 5711 außerdem im Jahre 2021 ein neues Modell platziert werden – im Edelmetallgehäuse aus Platin oder Weißgold. Andere Gerüchte sprechen auch “nur” von Titan als Gehäusematerial. Gewissheit darüber wird’s wohl erst in wenigen Monaten geben: Auf der Messe Watches and Wonders Geneva

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Erschwingliche Alternativen zur Patek Philippe Nautilus

Echte Patek Philippe-Fans dürfen an dieser Stelle gerne die Nase rümpfen und darauf hinweisen, dass es selbstverständlich keine ernstzunehmende Alternative zur Patek Philippe Nautilus gibt. Erschwingliche Alternativen nenne ich an dieser Stelle trotzdem kurz und knapp 😉 .

Dass Stahl-Sportmodelle in den letzten Jahren an immenser Beliebtheit gewonnen haben und die Wartelisten der großen “Vorbilder” randvoll sind, ist natürlich auch dem einen oder anderen Uhrenhersteller nicht entgangen. Maurice Lacroix beispielsweise hat mit der Aikon Automatic oder der Taucher-Variante Aikon Venturer Modelle mit hervorragendem Preis-Leistungs-Verhältnis im Angebot. Da gibt’s jede Menge Stahl für’s Geld!

Ähnliches gilt für die Iron Walker-Modellreihe des Hamburger Traditionsunternehmens Wempe. Die Design-Merkmale aus dem Genta’schen Dunstkreis sind unverkennbar, preislich bewegen sich die Modelle aber in einem vergleichsweise fairen Rahmen (Herren-Automatik-Modell, Dreizeiger für 2.375€).

Für den kleinen Geldbeutel bietet sich die brandneue Tissot PRX an (Listenpreis 350€), die im Uhrforum schnell für Begeisterung sorgte. Auf ein mechanisches Werk muss man allerdings verzichten…

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Markus K.
2 Jahre zurück

Offenbar bin ich hier von Seelenverwandten umgeben. Für mich sieht die Uhr aus, als wäre sie unter einem Treckerreifen geraten. Nun kann man über Design streiten. Aber wenn eine Uhr technisch nix bietet außer einem freien Blick, der nicht durch einen vagabundieren Sekundenzeiger abgelenkt wird, dann fange ich das Zweifeln an. Es gibt von wirklich anerkannten Luxusmarken fantastische Uhren, die wirklich optisch etwas bieten, und technisch über jeden Zweifel erhaben sind. Und die zu einem Bruchteil des Preises guten Geschmack bieten. In diesem Zusammenhang muss man auch sagen, dass Dresswatches hinsichtlich technischer Finesse bei vielen Herstellern am unteren Ende der Skala rangieren. Das spiegelt sich auch im Preis wieder. Selbst bei Rolex, wo man es lt. Brancheninsidern die mit Abstand höchste Fertigungsprozess- und Auslieferqualität bekommt. Reklamationsquote nahezu null. Wohin gegen bei vielen extremen Luxusuhren der Begriff „Manufaktur“ bisweilen für handgeschnitzt und mundgeklöppelt steht. Jedenfalls ist der Erfolg der Nautlius in Stahl wohl ein Phänomen, was man selbst bei Rolex marketingmässig kaum nachvollziehen kann. Und die sind nun wirklich auf dem Sektor so unschlagbar, dass die Werbeabteilung von Apple dagegen wie eine Drückerkollonne wirkt.
Die absolute Kerze ist ja noch, dass der gleiche Designer das Spiel mit Audemar Piguet auch noch erfolgreich aufs Parkett gelegt hat. Irre.
By the way: Die erwähnte Tissot Linie gibt es soweit ich weiß inzwischen auch als Automatik! Und die Wempe finde ich ganz interessant. Leider habe ich da Vorurteile, die vermutlich völlig unberechtigt sind, aber „Hausmarke“ hat für mich einen negativen Touch. Denn die Preise sind bei allem was geboten wird, doch sehr ambitioniert. Und da fehlt mir ganz persönlich ein wenig das Image. Aber tolle Uhren, die sicher ihr Geld wert sind.

Rumburak Klötenschneider
3 Jahre zurück

Nach Lektüre Deines Artikel möchte man erstmal einige Minuten fassungslos dasitzen. Zum einen ist diese Uhr aus heutiger Sicht dermaßen potthäßlich, typisches 70er Jahre-Design. Wem das ernsthaft gefällt, der mag wohl auch Schlaghosen, Tischlampen aus orangem Kunststoff und grellgemusterte Tapeten (und “The Sweet”). Im Übrigen halte ich Gèrald Genta für maßlos überschätzt. Zum anderen, weil eine simple Uhr aus Stahl solch ungeheuren Preise wert sein soll. Da scheint es mehr als wahrscheinlich, daß der einzige Grund der magische Name “Patek Philippe” auf dem Zifferblatt ist. Hier hat Kommentator Guido völlig recht, eine Citizen z.B. gleichen Aussehens für 200 Euro würde keinen Menschen interessieren. Aber manche Menschen würden sich auch eine Mettwurst um den Hals hängen, wäre das richtige Logo drauf.

Irgendwie, ich weiß auch nicht recht warum, muß ich dauernd an das Märchen “Des Kaisers neue Kleider” denken. Es ist nahezu unglaublich, was Leute für ein Wahnsinnskapital aufwenden, damit man auch ein wenig leuchten kann. Und wenn es nur Reflektionen sind.

Christian
3 Jahre zurück

Tja, wenn die Gier nicht wäre…….

Guido
3 Jahre zurück

Irgendwie kann ich die Begeisterung für die Patek Philippe Nautilus 5711 nicht wirklich nachvollziehen. Wirklich toll, oder außergewöhnlich sieht sie doch gar nicht aus? Stünde “Citizen” auf dem Zifferblatt und 200 EUR auf dem Schildchen darunter, würde diese Uhr höchstwahrscheinlich in den Läden verrotten.
Bleibt also nur das Prestige des Namens “Patek Philippe” Wenn man darauf verzweifelt angewiesen ist, dann sind knappe 80.000 EUR natürlich ein Schnäppchen!

Dlanor Lepov
3 Jahre zurück
Antworten...  Guido

So isses.
Beim Chinesen gibt es nach wie vor einen technisch soliden Klon für 60 Euro. Ich habe so einen in der Sammlung. Tut seine Arbeit und an die Sache mit der Wertanlage glaube ich sowieso nicht.