Die Seiko 5 Sports Automatik wurde vor rund drei Jahren mit einer üppigen Anzahl von immerhin 27 Modellvarianten “wiederbelebt”. Mittlerweile zählt die Einsteiger-Seiko in der offiziellen deutschen Online-Boutique schon 60 Varianten. Läuft bei Seiko! Und das allen Unkenrufen zum Trotz, die sich die Japaner 2019 anhören mussten, als die Seiko SKX im selben Atemzug mit der Einführung der optisch sehr ähnlichen Seiko 5 Sports Automatik begraben wurde.
Der jüngste Spross der Seiko 5 Sports Automatik-Familie ist die Seiko 5 GMT, die schon viele Wochen vor dem eigentlichen Verkaufsstart einen kleinen Hype durchlebt hat…
Eckdaten Seiko 5 Sports GMT:
- Ref. SSK003 (blau / “Batman”), SSK005 (orange), SSK001 (schwarz)
- Automatikkaliber 4R34 mit GMT-Komplikation, 41 Stunden Gangreserve, Handaufzugsmöglichkeit, beidseitiger Aufzug, Sekundenstopp, 21600 bph
- Hardlex-Glas mit Datumslupe
- Lünette mit Aluminium-Einlage und Hardlex-Überzug, beidseitig stufenlos drehbar
- 10 bar / 100 Meter Wasserdichtigkeit
- Durchmesser 42,5 mm
- Höhe 13,6 mm
- Horn-zu-Horn 46,5 mm
- Stahlband im Jubilee-Stil
- Preis: 490€, zum Beispiel direkt bei Seiko oder vielen Händlern
INHALT
Seiko 5 GMT im Test
Die Seiko 5 hat ihre Ursprünge im Jahre 1968. Die Zahl “5” bezieht sich dabei laut Seiko auf fünf Kerneigenschaften, die damals gegenüber der jüngeren bzw. preissensibleren Zielgruppe kommuniziert wurden, darunter ein Automatikwerk, mindestens 10 bar Wasserdichtigkeit und eine versetzte, Handrücken-schonende Krone,
All das findet man auch bei der Seiko 5 Sports Automatik, welche die undankbare Aufgabe hatte die überaus beliebte Seiko SKX zu ersetzen, die im Jahr der Einführung der neuen Seiko 5 aus dem Sortiment geflogen ist. Nur eben mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass die neue Seiko 5 Sports Automatik keine echte, funktionale Taucheruhr wie die SKX ist, sondern nur wie eine aussieht (unverschraubte Krone, deutlich geringere Wasserdichtigkeit). Offenbar wollte Seiko nicht nur das alte Kaliber 7S, das in der SKX tickte, begraben, sondern auch den Respektabstand zu den Profi-Taucheruhren der Prospex-Reihe wie die Seiko Turtle erhöhen (was vielen Seiko-Freunden sauer aufgestoßen ist). Geschadet hat’s offenbar nicht: Seiko hat die Modellreihe seit 2019 sukzessive ausgebaut, zum Beispiel um eine schlichtere Variante ohne Taucher-Lünette oder jetzt eben die GMT-Variante – ein recht klares Indiz dafür, dass die neue 5er alles andere als schlecht läuft.
So oder so stammt auch die neue Seiko 5 GMT klar aus dem Design-Dunstkreis der Seiko SKX007: Das Gesicht der Uhr, also der ganze Zifferblattaufbau, Zeigersatz und Indizes (mit den charakteristischen feinen Spitzen) sind quasi identisch. Kein Zufall: Sogar in der offiziellen Online-Boutique stellt die deutsche Seiko-Niederlassung eine direkte inspiratorische Verbindung zur SKX her:
Gleichzeitig wirkt das Zifferblatt der Seiko 5 GMT deutlich hochwertiger als bei der Seiko SKX, vor allem, da der Seiko-Schriftzug und die Indizes appliziert sind. Festhalten kann man auch, dass die Verarbeitung sogar auf Makroaufnahmen tadellos und extrem sauber ist – keine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse. Es hat auf jeden Fall eine Menge Laune gemacht mit der Kamera “voll drauf zu halten”.
Das Zifferblatt wird von einem Hardlex-Glas geschützt – ein gehärtetes Mineralglas, das Seiko typischerweise in günstigeren Einsteigermodellen verwendet (Saphirglas gibt es beispielsweise bei der Seiko King Turtle oder der Seiko “Captain Willard”). Saphirglas hätte ich zweifellos auch bei der Seiko 5 GMT begrüßt, denn so richtig nachvollziehbar ist der Respektabstand der Seiko 5 GMT zu den teureren Seiko Prospex Diver’s-Modellen im Jahre 2022 eigentlich nicht mehr (Saphirglas ist mittlerweile bei Uhren jenseits der 200€ üblich). Andererseits: Wie ich in einem Experiment feststellen konnte, ist gehärtetes Mineralglas kaum empfindlicher gegenüber Kratzern als Saphirglas, dafür aber bruchfester.
Ob es nun unbedingt eine Lupe für das Datum auf dem Hardlex-Glas gebraucht hätte – daran scheiden sich die Geister. Ich hätte gerne auch drauf verzichten können. Da die Seiko 5 GMT aber keine Wochentagsanzeige (anders als die Dreizeiger-Seiko 5) mitbringt, ist die Lupe relativ kompakt dimensioniert.
Mit Blick auf die oben genannten Eigenschaften von gehärtetem Mineralglas bzw. Hardlex ist es meiner Meinung nach sinnvoll, dass Seiko auch die Lünette der Seiko 5 GMT damit überzogen hat: Zum einen (aus praktischer Sicht) ist Hardlex deutlich weniger kratzempfindlich als Aluminium (und Kratzer im Glas sehen naturgemäß deutlich weniger dramatisch aus als in der Alu-Lünette selbst).
Zum anderen wird die Optik deutlich aufgewertet: Die Lünette wirkt wie Keramik, nur viel “tiefer” bzw. plastischer wegen der unter dem Glas liegenden Lünetten-Einlage aus Aluminium. Besonders grandios ist die Farbwirkung der zweifarbigen Lünette: Der untere blaue Teil wirkt je nach Lichteinfall manchmal dunkelblau bis fast schwarz, teilweise aber auch sehr intensiv bzw. “gesättigt – hier im Vergleich deutlich zu sehen:
Die Lünette ist übrigens – wie es sich für eine GMT-Uhr gehört – in beide Richtungen drehbar. Im Falle der Seiko 5 GMT stufenlos und butterweich. Eine stufenlose GMT-Lünette ist eher unüblich, in diesem Falle aber ein durchaus geschickter Schachzug, da die Seiko-Qualitätssicherung ja leider dafür bekannt ist, mehr oder weniger stark schief sitzende Lünetten durchzuwinken: Die Lünette der Seiko 5 GMT lässt sich aufgrund des Fehlens von festen Rastungen immer perfekt ausrichten.
Das Gehäuse der neuen Seiko 5 GMT ist (gegenüber der Dreizeiger-Seiko 5) um grade mal 0,1 mm auf 13,6 mm gewachsen und kommt wie gehabt mit einer nach rechts unten versetzten und dadurch äußerst handrückenschonenden Krone, die in einen Kronenschutz eingebettet ist. Das Gehäuse ist außerdem bis 10 bar bzw. 100 Meter wasserdicht (zum Schwimmen geeignet), was für den Alltag in aller Regel ausreicht, wenngleich man bei Wassersportaktivitäten dringend darauf achten sollte, dass die (nicht verschraubbare) Krone versenkt ist, da sonst Wassereintritt droht.
Ein Glasboden auf der Gehäuserückseite gibt den Blick auf das Seiko 4R34 frei (gleich mehr zum Kaliber). Ehrlich gesagt hätte Seiko aber auch gut und gerne auf einen Glasboden verzichten und stattdessen auf einen Stahlboden setzen können – das 4R34 ist nämlich nicht grade eine Augenweide, die man regelmäßig anschmachten müsste (mehr: Uhren mit Glasboden: Muss man wirklich IMMER den Durchblick haben?).
Die neue Seiko 5 GMT kommt (wie damals die Seiko SKX) standardmäßig an einem Jubilee-Band. Und das sieht nicht nur verdammt gut aus und trägt sich sehr komfortabel, sondern ist auch noch merkbar besser verarbeitet als die dreigliedrigen Stahlbänder der Seiko 5 Sports Automatik. Letzteres gilt allerdings nicht für die Schließe: Die ist – wie man es von Seiko ja leider gewohnt ist – aus der Kategorie “klapprige 08/15-Pressschließe”. Immerhin: Eine vierstufige Feinjustierung ist möglich – allerdings nicht werkzeugfrei, sondern nur, wenn man beispielsweise mit einer Büroklammer an den Seiten rumpopelt. Das geht besser, Seiko. Viel besser.
Seiko GMT-Kaliber 4R34
Der Glasboden gibt den Blick auf das rudimentär dekorierte Automatikwerk der Seiko 5 GMT frei. Das Kaliber ist einerseits eine Neuentwicklung, andererseits aber ein alter Bekannter ist: Es handelt sich um eine Variante der bewährten und robusten Kaliberreihe 4R, die unter dem Namen Seiko NH35 auch von etlichen Microbrands verbaut wird. Das neue 4R34 kommt dabei mit guten 41 Stunden Gangreserve, 21600 bph, Sekundenstopp bei gezogener Krone, beidseitigem Rotor-Aufzug (“magischer Hebel”), Handaufzugsmöglichkeit und – na klar – einer “Office GMT”-Komplikation, die das Einstellen einer weiteren Zeitzone ermöglicht.
Exkurs: “Traveller” GMT vs. “Office” GMT
Die Seiko 5 GMT hat neben dem „normalen“ Stundenzeiger, der zwei mal pro Tag das Zifferblatt umkreist und die lokale Uhrzeit anzeigt (z.B. am Urlaubsort in einer anderen Zeitzone), außerdem einen GMT-Zeiger, der im Falle der blauen Seiko 5 GMT in einem auffälligen Rot gehalten ist und das Zifferblatt ein mal in 24 Stunden umkreist.
Es gibt im Wesentlichen zwei Varianten von GMT-Kalibern: “Traveller” GMT und “Office” GMT. Obwohl beide GMT-Typen von der Zifferblattseite aus identisch aussehen, unterscheidet sich die Einstellung der Uhrzeit erheblich voneinander: GMT-Uhrwerke, die eine schnelle Anpassung der örtlichen Uhrzeit (!) ermöglichen, werden typischerweise als „Traveller GMT“-Uhren bezeichnet. Bei diesen “Traveller”-GMT-Kalibern kann der 12-Stunden-Hauptzeiger (also der “normale” Stundenzeiger) in 1-Stunden-Schritten (vorwärts oder rückwärts) springend bewegt werden. Diese Funktionalität findet sich insbesondere bei hochwertigen Manufakturkalibern wieder, zum Beispiel bei der Rolex Explorer II.
Der große Vorteil der “Traveller”-GMT besteht darin (wie der Name schon sagt), dass Vielreisende nach der Ankunft am Zielort mit wenigen Umdrehungen an der Krone schnell und bequem auf die neue Ortszeit einstellen können – unabhängig von der Heimatzeit.
Das 4R34 ist kein “Traveller” GMT-Kaliber, sondern ein “Office” GMT-Kaliber. Wie der Spitzname schon verrät, sind Uhren mit “Office”-GMT-Funktion eher für Uhrenträger geeignet, die an einem Ort verweilen: Bei der “Office”-GMT ist der 24-Stunden-GMT-Zeiger (!) derjenige, der springend eingestellt werden kann (zum Beispiel auf die Uhrzeit bei einem Arbeitskollegen in den USA, den man regelmäßig anrufen muss). Der Nachteil: In aller Regel kann der GMT-Zeiger nur im Uhrzeigersinn verstellt werden. Der GMT-Zeiger teilt sich die erste Rastposition der Krone außerdem mit der Datumsschnellverstellung.
Kurzum: Wenn man nicht grade dauernd um den Globus düst, ist die “Office”-GMT-Funktionalität der Seiko 5 GMT völlig ausreichend.
Fazit zur Seiko 5 GMT
Mit 490€ ist die Seiko 5 GMT deutlich teurer als die Dreizeiger-Varianten der Seiko 5 Sports (ab 310€). Nun kann man natürlich argumentieren, dass neben der GMT-Funktionalität auch noch weitere Goodies wie die mit Hardlex überzogene Lünette oder das aufwendiger verarbeitete Jubilee-Band hinzukommen. Das sind zweifellos sinnvolle Upgrades für die Seiko 5 Sports – aber ob das über 70% Preisaufschlag rechtfertigt? Nun, ich denke eher, dass Seiko vom eigenen Erfolg der neuen 5er überrascht war und die GMT-Variante eher als Vehikel sieht, um Preiserhöhungen durchzusetzen.
Das heißt aber keineswegs, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis der Seiko 5 GMT nicht gut ist: Denn man bedenke, dass der eine oder andere nette prozentuale Rabatt bei Seiko-Uhren in aller Regel drin ist, sodass der “Straßenpreis” für die Seiko 5 GMT am Ende des Tages bei Pi mal Daumen 400€ liegen sollte. Das wiederum ist für das Gebotene mit Blick auf den hohen Inhouse-Wertschöpfungsanteil bei Seiko und die tadellose Qualität bis runter ins letzte Detail absolut fair – ein besserer Einstieg in die Welt der mechanischen GMT-Uhren ist kaum möglich. Auf jeden Fall liefert Seiko mit der Seiko 5 GMT einen weiteren Grund, weshalb man definitiv die Finger von Seiko SKX007-Restposten lassen sollte.
Dennoch sei abschließend auch noch auf die GMT-Uhren von Steinhart als Alternative hingewiesen, die ab 550€ erhältlich sind – die sind allerdings stark im Dunstkreis von Rolex-Hommagen angesiedelt…
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich über ein Like bei Facebook, Instagram, YouTube oder
Auch über WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:
Darüber hinaus freue ich mich über Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprüft und freigeschaltet). Vielen Dank!
Eine garantierte Ganggenauigkeit von -20 bis +40 Sekunden pro 24 Stunden ist eine technische Peinlichkeit von Seiko und heutzutage nicht mehr zeitgemäß. Da traut sich Seiko selbst nicht sehr viel zu. Es gibt natürlich auch keine Qualitätsabstufungen des Werkes. Dazu kommt, dass man mittlerweile auch schon nicht wenige haarsträubende Erfahrungsberichte über diese Uhr lesen kann. Häufig wird bemängelt, dass die Zeiger nicht richtig gesetzt sind. Was ist da nur los in Sachen Qualität und Genauigkeit bei Seiko… MfG
Beim Durchschauen fiel mir auf, dass die Uhr auf einem Foto verkehrt herum drauf ist.
Wie verhält es sich mit der Ganggenauigkeit?
Hi Martin, du meinst die Makroaufnahme von den Zeigern oder? 🙂
Hinsichtlich Ganggenauigkeit habe ich einen Screenshot mit Zeitwaage dazugepackt – leider verbesserungswürdig.
Verkehrt: nach dem Produkt-Foto mit den drei Farbvarianten, das 2. Erkennbar am roten GMT Schriftzug. Aber eigentlich auch egal, störte nur den Sheldon in mir.
Hab mir die Uhr geholt, sie scheint 10 sec pro Tag nachzugehen. Mal schauen…
Mach weiter mit deiner Seite, echt cool.
Das Bild meinte ich auch. Hab mich vielleicht blöd ausgedrückt – ich wollte nur sagen, dass der Fokus bei dem Bild auf den Zeigern liegt, da drehe ich die Uhren dann schon mal 😉
Wieder einmal ein super interessanter Bericht. Mit der SEIKO 5 habe ich bisher gefremdelt, weil sie halt keine “richtige” Taucheruhr ist. In der GMT-Variante finde ich sie aber sehr interessant. Und gespannt wäre ich auch auf die Verbesserung des Jubilee. Da eine GMT noch in meiner Sammlung fehlt, kommt sie auf die Liste meiner Uhren-Wünsche.
Ich habe mich in die Uhr schockverliebt, zumal ich bereits eine blaue 5er am Natoband besitze und sehr schätze. Die Uhr habe ich sofort bei meinem ortsansässigen Händler bestellt und heute bekommen. Ich bin sehr angetan, finde den Preis aber durchaus sportlich. Die im Review genannten Aspekte kann ich voll und ganz bestätigen, hinsichtlich der stufenlos drehbaren Lünette war ich irritiert und befürchtete sogar einen Defekt. Der Quercheck an einem anderen Exemplar zeigt: Nein, meine ist sogar strammer als bei der anderen. Somit also ok, aber unverständlich. Imagemässig ist das Geld deutlich besser angelegt als für eine Hommage wie Steinhardt. Aus technischer Sicht würde das Urteil nicht so klar ausfallen, da Seiko in der Preislage nicht immer den besten Gegenwert abliefert. Zumindest nicht beim Uhrwerk, dass den Charme einer überfahrenen Weissblechdose hat. Aber damit habe ich mich arrangiert. Besser als Quartz ist es allemal.
Danke für deinen Erfahrungsbericht 🙂
Mir gefallen die neuen Modelle, habe sie mir auch schon live angeschaut. Die Qualität finde ich sehr gut, überlege zur “einfachen” zu greifen (kann mich für keine Farbe entscheiden. Hier hätte ich weniger Auswahl besser gefunden – maximal 3-4 Varianten- , so wirkt sie noch mehr wie ein Massenprodukt…). Der Aufpreis für die GMT (brauche ich nicht) ist mir zu hoch, wenngleich – wie du schon schreibst – im Vergleich zu anderen GMT mehr als in Ordnung.