Vor kurzem erreichte mich die E-Mail eines Lesers, die mich zum Nachdenken gebracht hat – es ging um Allergien gegenüber typischerweise bei Uhren verbauten Materialien wie Edelstahl und Titan sowie Leder. Als absoluter Uhrenfreak bin ich zum Glück vor einer Kontaktallergie bzw. Kontaktdermatitis gegenüber Nickel oder dergleichen verschont geblieben – ich persönlich habe allerdings seit meiner Kindheit ein paar andere Allergien, weshalb ich die Einschränkungen im Alltag leider zu gut kenne. Welche Uhren eignen sich also für Allergiker? Inwiefern können Uhrenbänder bei Allergien helfen? Auf diese und weitere Fragen gehe ich in diesem Artikel umfangreich ein…
Bitte beachtet: Ich bin kein Arzt und sämtliche Tipps hier basieren auf meinen umfangreichen und unabhängigen Recherchen. Die Anwendung der Tipps erfolgt daher natürlich auf eigene Gefahr 🙂
INHALT
- 1 Uhren für Allergiker: Ursachen für Allergien
- 2 Idee: PVD- bzw. DLC-Beschichtungen zur Abschirmung vor allergieauslösenden Metallen
- 3 Durchzugsbänder & Co. für Allergiker: Nato-Bänder, Unterlagenbänder und Erika’s MN Straps schirmen den Gehäuseboden ab
- 4 Sonstige Allergiker-geeignete Materialien: Uhren aus Kunststoff, Titan, Keramik, Holz, Gold und Platin
Uhren für Allergiker: Ursachen für Allergien
Der Leser und ich diskutierten das Thema Allergien ausführlich. Hier zunächst seine E-Mail:
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Lieber Mario,
erst einmal Danke für diese gelungene Internet-Seite Chrononautix. Auch mich hat die Freude an schönen Uhren gepackt, auch wenn ich aus den unten beschriebenen Gründen zwar davon lesen aber sie leider nicht tragen/genießen kann.
Darf ich eine Frage stellen ?
Ich habe mir vor vielen Jahren, weil mir das Design so gut gefiel (Geschmackssache) als Anschaffung fürs restliche Leben bei Wempe aus besonderem Anlass und zur Erinnerung eine Rolex Explorer I gekauft.
Leider konnte ich die bereits nach drei Tagen nicht mehr tragen, weil ich eine heftige Allergie unter dem Gliederarmband und im Bereich der Schließe bekam. Laut Wempe wird bei den Uhren Chirurgenstahl verwendet, so daß Allergien in der Regel irrelevant sind. Bei mir scheinbar leider doch.
Als Alternative habe ich dann die damalige IWC-Taucheruhr aus Titan gekauft. Ich habe wenig später eine Allergie auf Titan entwickelt. Dasselbe Ergebnis. Die Uhr gefällt mir wegen des Looks so gut, daß sie bis heute bei mir ungebraucht in der Vitrine liegt.
In der dermatologischen Testung fand sich später überraschend eine Chrom-Nickel-Allergie und eine Allergie auf Titan.
Jetzt war ich auf der Suche nach einer Alternative, denn auch mir haben es die schönen Uhren angetan. Keramik kam nicht in Frage, denn das Material trifft meinen Geschmack nicht und auch bei Rado ist die Schließe aus „Blech“. Auch das Material Carbon trifft meinen Geschmack nicht.
Zur Zeit trage ich daher Plastik-Swatch.
Kannst Du mir aus Deinem reichen Fundus aus Erfahrung einen Rat geben ? Besonders angetan haben es mir die Marken Rolex, weniger IWC und schon erheblich weniger Omega.
Vielen Dank und viele Grüße
R. H.
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Der Leser spricht es bereits an: Eine Allergie (z.B. Nickelallergie) kann das Tragen einer Uhr zur Qual machen. Empfindliche Menschen reagieren auf anhaltenden Hautkontakt mit entsprechenden Gegenständen mit geröteter, entzündeter, schuppiger, juckender und brennender Haut. Ganz besonders Übel kann eine Nickelallergie an heißen Sommertagen werden: Schweiß fördert die Freisetzung von Nickel-Ionen und trägt dazu bei, dass sich ein Kontaktekzem entwickelt.
In Deutschland ist die Abgabe von Nickel bei Produkten, die körpernah getragen werden, durch die Euro-Norm 1811 geregelt. Letztendlich werden in dieser Norm aber nur Grenzwerte bestimmt.
Nickel ist das mit Abstand häufigste Kontaktallergen – schätzungsweise sind in Europa 65 Millionen Menschen von einer Nickelallergie betroffen. Ursache dafür ist, dass beim menschlichen Rezeptormolekül an zwei Stellen die Aminosäure Histidin eingebaut ist. Sie bindet Nickel und löst dann, ähnlich wie beim Angriff durch Krankheitskeime, eine Abwehrreaktion aus.
Das Problem für Uhrenfans: Es gibt keinen Edelstahl ohne Nickel und Edelstahl ist nun mal das mit Abstand meistverbaute Material bei Uhren. Selbst der so genannte Chirurgenstahl (316-L-Edelstahl) enthält einen gewissen Nickelanteil, der freigesetzt werden kann und zu unangenehmen Rötungen der Haut führen kann.
Mit Blick auf obigen Leserbrief scheinen selbst sehr geringe Mengen Nickel Kontaktallergien zu verursachen. Das gilt natürlich grundsätzlich auch für “Spezialstahl” wie Rolex 904L mit ca. 25% Nickelanteil gegenüber ca. 10-15% Nickelanteil beim 316L-Edelstahl – allerdings gibt der Rolex-904L-Stahl nach meinen Recherchen aufgrund der speziellen Legierung weniger Nickel nach außen hin ab, da er innerhalb des Stahls “gebunden” ist. Am Ende des Tages dürfte es für Personen, die sensibilisiert sind, keinen großen Unterschied machen.
Problematisch für Personen mit Nickelallergie sind insbesondere dünne Stellen der Haut – konkret die Handgelenkunterseite: Insbesondere, wenn es an heißen Sommertagen dort zu Schweißbildung und Reibung kommt (z.B. bei Bürotätigkeit am PC). Mein Leser hat im weiteren E-Mail-Verlauf geschrieben:
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Hauptproblem sind bei mir wie bei allen Allergikern nicht die Außenseite des Unterarms, da dort die Haut relativ dick ist, so daß für die Allergie verantwortliche Zellen dort nur in sommerlichem Hitzeschweiß hingeraten bzw Allergene aufgrund der robusten Haut schwerer ausreichend tief die Haut durchdringen.
Medizinisch gesehen (ich bin aus diesem Bereich) sind Kontaktallergien in der Regel nur oder besonders an Areale mit dünner Haut gebunden bzw dort relevant. Dort brauchen sie ausreichendes Schwitzen wie im Sommer. Daher sind fast nur oder vor allem die Areale des Uhrarmbands betroffen, da dort die Haut am feinsten ist. Am meisten betroffen weil am allerfeinsten ist die Haut im Bereich der Schließe an der Innenseite des Handgelenks.
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Kunststoff- und Klebereste als Auslöser für Allergien?
UPDATE September 2019: Ich hatte noch mal Kontakt mit meinem Leser und er hat von einem Juwelier die folgende Hypothese hinsichtlich Kontaktallergien mit auf den Weg bekommen, die ich euch nicht vorenthalten möchte:
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Zu Allergien bei Uhren hat sich für mich eine völlig unerwartete und witzige neue Information ergeben. Ich habe mich bei einem Kollegen in eine Rolex Hulk verguckt, ich weiß, diese Uhr ist Geschmackssache. Bei einem kleinen Konzessionär in Mannheim und ebenso bei einem großen habe ich noch nicht einmal einen Platz auf der Warteliste bekommen. Aus Anlass der Verkaufsberatung habe ich von meiner Allergie erzählt. Bei dem kleinen Konzessionär kam nun eine sehr interessante Information rüber. Das Thema war dort für Rolex gut bekannt, allerdings teilte man mir mit, dass die dort bekanntgewordenen Kontaktekzeme meist nichts mit dem Stahl zu tun gehabt hätten und auf eine Ultraschall-Reinigung des Armbands verschwunden seien! Die Spekulation des erfahrenen Konzessionärs: Womöglich spielten Kosmetika oder Klebereste von der Original-Kunststoffverklebung des Originalzustands in Verbindung mit dem Hautschweiß eine Rolle als Ursache der Hautreaktionen und nicht der Stahl.
Aber es kommt noch besser: Ich war wenig später auf den Malediven in Urlaub. Aus Langeweile habe ich einen Fitness-Kurs im Robinson-Club besucht. Zu einer Übung gehörte der Gebrauch einer Kunststoff – Nackenrolle. Danach war mein ganzer Nacken mit Quaddeln von einer Kontaktallergie übersät. Ich führte das möglicherweise auf ein Desinfektionsspray zur Reinigung von Nutzer zu Nutzer zurück. Das war aber nicht der Fall: Bei der Physiotherapeutin zu Hause in Deutschland bekam ich dieselben Quaddeln von einer Knierolle und sie mußte peinlicherweise zugeben, daß die nie desinfiziert wird. Also liegt es am Kunststoff selbst. Welches Material das auslöst habe ich nicht rausgefunden. Das würde die Hypothese des Mannheimer Konzessionärs jedenfalls stützen, daß gar nicht so sehr das Gehäuse- und Bandmaterial für das allergische Kontaktekzem bei mir verantwortlich ist (trotz nachgewiesener Ni-Chrom-Titan-Allergie), sondern Klebe- und Kunststoffreste etc.
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Wie Allergien ausgelöst werden können, sollte nun klar sein 🙂 Ich möchte nun auch noch einige Ideen aufführen, die – natürlich je nach Stärke und Art der Allergie – es trotzdem ermöglichen können eine Uhr zu tragen…
Idee: PVD- bzw. DLC-Beschichtungen zur Abschirmung vor allergieauslösenden Metallen
Bei Uhren trefft ihr häufig auf die Begriffe DLC oder PVD. PVD (Physical Vapour Deposition) beschreibt dabei das Beschichtungsverfahren selbst, während DLC (= „Diamond like Carbon“) ein mögliches Beschichtungsmaterial ist. Ich bin kein allzu großer Fan von beschichteten Gehäusen, da Kratzer in der Beschichtung einfach immer noch eine Spur unschöner aussehen als in unbeschichteten Edelstahlgehäusen. Dennoch sind DLC- bzw. PVD-Beschichtungen in aller Regel ziemlich robust (natürlich insbesondere bei hochpreisigeren Uhren). So kommen solche Beschichtungen zum Beispiel auch im industriellen Umfeld als Verschleißschutz zum Einsatz. Und das Beste: DLC- bzw. PVD-Beschichtungen sind nach meinen Recherchen nickelfrei und schirmen den Edelstahl logischerweise ab, sodass keine allergischen Reaktionen zu befürchten sind. Aber Achtung: Es gibt auch viele PVD-Uhren mit normalem Stahlboden – achtet also darauf, dass auch die Unterseite beschichtet ist. Das ist zum Beispiel bei der traser P68 Pathfinder oder der FORMEX TS3100 der Fall.
Tipp am Rande: Generell kann unter Umständen auch ein Glasboden, der sehr große Teile der Uhren-Unterseite bedeckt, allergische Reaktionen reduzieren:
Schwarz beschichtete Uhren kommen in aller Regel mit Leder-, Kautschuk, oder Textilbändern. Hin und wieder findet man aber auch Modelle mit schwarz beschichteten Stahlbändern. So oder so: Achtet darauf, dass die Uhr insbesondere mit mit einer (komplett!) beschichteten Schließe kommt, da – wie bereits oben erwähnt – die Handgelenkunterseite in aller Regel deutlich empfindlicher gegenüber Kontaktallergien ist als die Oberseite.
Im Zweifelsfall kann man sich natürlich auch entsprechende Schließen nachkaufen, z.B. DLC-Schließen bei Corrigia.
Wer eine gut gefüllte Uhrenkasse hat, der kann sich zum Beispiel auch an Uhren-Tuner wenden, um Uhren nachträglich zu beschichten. Eines der berühmtesten Beispiele ist sicherlich das Bamford Watch Department, welcher zum Beispiel auch mit TAG Heuer zusammenarbeitet.
Bamfords Konzept: Das Unternehmen kauft brandneue Uhren bekannter Luxusuhrenhersteller (Rolex, TAG Heuer, Zenith etc.) und modifiziert diese beispielsweise mit speziellen Beschichtungen, Zifferblattfarben und dergleichen. Als Kunde kann man sich die Invidiualisierungen der Uhren in einem umfangreichen Konfigurator zusammenstellen (“Build your own”). Natürlich kann man seine Uhr auch zwecks Tuning einschicken. Günstig ist der Spaß allerdings nicht: das Doppelte des regulären Kaufpreises kommt schnell zusammen – je nach Umfang der Individualisierungswünsche natürlich.
So bietet Bamford zum Beispiel die Möglichkeit schwarz beschichtete Rolex-Modelle inklusive beschichteter Stahlbänder zu konfigurieren – von Rolex selbst gibt es Stand 2022 kein schwarz beschichtetes Modell.
Das deutsche Pendant zu Bamford heißt übrigens Blaken, die ebenfalls auf nachträgliches Beschichtungs-Tuning spezialisiert sind. Aber auch bei Blaken haben es die Preise in sich. Zum Vergleich: Die aktuelle Rolex Submariner No-Date in der regulären Variante kostet 6800€, während Blaken saftige 16300€ aufruft. Durch das Tuning erlischt die Herstellergarantie, diese übernimmt dann allerdings der Veredler.
In diversen Foren stolpert man über eine Low-Budget-Alternative: Man solle die kritischen Stellen einer Uhr einfach mit Nagellack bepinseln und das Metall somit von der Haut abschirmen. Das ist allerdings keine gute Idee – mein Leser hat dies schon ausprobiert:
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Die Lösung mit dem Nagellack und anderen Lackierungen habe ich damals ausprobiert. Sie erwies sich leider als nicht sehr alltagstauglich und praktikabel, da sich der Lack schnell wieder abgearbeitet hat und als Dauerlösung etwas mühselig wurde. Sah auch nicht schön aus, wenn er dann teils ab und teils noch dran war. Das passt nicht zu einer hochwertigen Uhr.
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Also: Finger weg vom Nagellack – zieht lieber die folgenden Ideen in Betracht…
Durchzugsbänder & Co. für Allergiker: Nato-Bänder, Unterlagenbänder und Erika’s MN Straps schirmen den Gehäuseboden ab
Auch, wenn der Gehäuseboden aufgrund der dickeren Haut an der Handgelenkoberseite vielleicht nicht das Hauptproblem hinsichtlich Allergien ist, möchte ich an dieser Stelle auf Bänder eingehen, die den Gehäuseboden abschirmen und das Risiko für allergische Reaktionen (insbesondere an schweißtreibenden Sommertagen) somit minimieren…
Nato-Bänder von Miro’s Time und Watchbandit
Schauen wir uns zunächst kurz die Geschichte des NATO-Bandes (auch: Nato Strap) an: Das NATO-Band wurde in den 1970ern vom NATO-Mitbegründer Großbritannien eingeführt und bekam dementsprechend eine sogenannte NATO-Lagernummer (NATO Stock Number, NSN 6645-99-124-2986 bzw. 6645-99-527-7059). Namensgebend für den bis heute gängigen Begriff “NATO-Band” für die beliebten und robusten Durchzugsarmbänder war ausschließlich diese NATO-Lagernummer – das Verteidigungsbündnis NATO (North Atlantic Treaty Organization) hat mit der Schöpfung des Bandes nichts am Hut gehabt.
Die britischen Soldaten konnten die beliebten und robusten Bänder mit dem dem Formular G10 beantragen – mit 20mm Durchmesser in der Farbe grau hatten die Tommys allerdings keine große Auswahl. Es ist natürlich kein Zufall, dass auch heute noch viele NATO-Bänder mit dem Zusatz „G10“ verkauft werden.
Nato-Bänder gibt es in allen möglichen Farbvarianten und haben eines gemeinsam: Sie sind einteilig und werden ganz einfach “eingefädelt” (daher auch der synonyme Name “Durchzugsbänder”), wodurch die Unterseite einer Uhr in der Regel größtenteils durch Textil abgeschirmt wird:
Sehr empfehlenswert für Nato-Bänder in vielen Größen, Farben und unterschiedlichen Qualitätsstufen ist der deutsche Online-Shop Miro’s Time. Und auch mit Nato-Bändern von Watchbandit in sogenannter „Seatbelt“-Qualität habe ich schon gute Erfahrungen gemacht.
Erika’s Originals MN Strap (Marine Nationale)
Die patentierten und handgefertigten Nylon-Bänder der Holländerin Erika op den Kelder sind extrem beliebt – aus gutem Grund! Das für die Bänder verwendete Textilgemisch ist zwar relativ dünn, gleichzeitig aber robust und elastisch. Dadurch ist der Tragekomfort sehr hoch. An meiner Hamilton Khaki Field trage ich das Erika’s Originals Vintage MN Strap, welches – anders als die anderen MN Straps – aus echtem Militär-Fallschirmgurtmaterial aus den 1960ern gemacht ist (sog. NOS, New Old Stock).
Erika orientiert sich mit ihrem Konzept an einer einfachen, aber genialen Idee der französischen Marine (daher auch der Name „MN Strap“ für Marine Nationale): Die Marine Nationale bekam in den 1970er Jahren ihre Dienstuhren von Tudor, Doxa, Triton und Z.R.C. ohne Bänder geliefert, weshalb sich die Marinetaucher einfach selbst beholfen haben, indem sie oftmals Fallschirm-Gurtbänder zurechtschnitten und diese als Bänder nutzten. Erika hat dieses Konzept mit einer passenden Hardware verbessert, die es ermöglicht das Band in einem gewissen Rahmen (ca. 3 cm) anzupassen. Für die Band-Montage muss man allerdings– anders als bei normalen Nato-Durchzugsbändern – die Federstege entfernen.
Mit Preisen ab 50€ zzgl. Versand (zollfrei innerhalb der EU) sind die Nylon-Bänder von Erika’s Originals zwar kein günstiger Spaß, Optik und Tragekomfort sind aber exquisit und sie erfüllen für Allergiker denselben zweck wie Nato-Bänder. Allergiker sollten bei Erika’s Originals auf jeden Fall – aus oben genannten Gründen – die schwarz DLC-beschichtete Schließe wählen.
Unterlagenbänder aus Leder
Piloten und Soldaten setzten häufig auf sogenannte Unterlagenbänder aus Leder. Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit sind die Bundeswehr-Uhren der Firma Tutima, namentlich die Tutima Boccia Titanium BUND-Uhr bzw. der Tutima Military Titan Fliegerchronograph – beide kommen mit einem unterlegten Lederband des deutschen Herstellers EULIT (mit eigener Versorgungsnummer der Bundeswehr). Auch die Heuer 1550 SG „BUND“ kam mit einem solchen Unterlagenband:
Über den historischen Hintergrund der Unterlagenbänder wird viel spekuliert – sicher ist eigentlich nur, dass diese Lederbänder ihren Ursprung im militärischen Bereich haben. Die wahrscheinlichste Variante unter den Mutmaßungen: Materialschonung! Denn: Im rauen Soldatenalltag konnte eine Kombination aus Schweiß, Schmutz & Co. einer Uhr ganz schön zusetzen, insbesondere, wenn die Dichtigkeit nicht 100% gegeben oder das Material gar rostanfällig war – Uhren wurden schließlich nicht immer aus Edelstahl hergestellt. Eine Lederunterlage zwischen Uhr und Haut hatte dementsprechend schon vor Jahrzehnten einen schützenden Charakter, damit die Uhr nicht im Einsatz den Geist aufgibt.
Neue Uhren mit einem Unterlagen-Lederband muss man schon recht lange suchen – und ich muss zugeben, dass die Optik Geschmackssache und eher sportlicher Natur ist. Uhren mit solchen Unterlagenbändern bekommt man aus meiner Sicht aber leider viel zu selten und wenn, dann fast ausschließlich bei Fliegeruhren. Zu nennen wäre da die Hanhart 417 ES. Ein wissenswerter Nebeneffekt ist, dass ein Unterlagenband die Optik der Uhr außerdem in der Regel vergrößert…
Wer seine Uhr mit einem Unterlagenband aus Leder nachrüsten möchte, um zum Beispiel gegen eine Nickelallergie gewappnet zu sein, für den habe ich folgenden Tipp: Christian Ahrend von der Ledermanufaktur Greenpilot-Watchstraps kann solche Unterlagenbänder passgenau für jede Uhr individuell herstellen – in Kombination mit einer DLC-Schließe (siehe oben) sind keine Kontaktallergien mit Stahl, Titan oder dergleichen zu befürchten.
Hier ein Beispiel-Band mit Lederunterlage am Seagull 1963 Fliegerchronographen.
Einen ähnlichen Effekt haben natürlich auch die Leder-Nato-Bänder, die Greenpilot-Watchstraps ebenfalls individuell auf die Uhren abstimmen kann:
Grundsätzlich kann bei Allergikern auch der Kontakt von Leder auf der bloßen Haut unliebsame Folgen haben. Die Ursache sind Chrom-Salze, die häufig bei der Gerbung von Leder eingesetzt werden – weltweit sind bis zu 90 Prozent aller Bekleidungs- und Schuhoberleder chromgegerbt. Einmal sensibilisiert, kann die Haut mit juckenden Ausschlägen reagieren, wenn sie mit belasteten Lederwaren in Berührung kommt – Heilungsmöglichkeiten existieren nicht, die Allergie bleibt lebenslang bestehen. Schweiß begünstigt die allergischen Reaktionen obendrein. Insbesondere bei einem Uhrenband, welches man normalerweise viele Stunden pro Tag trägt, sollte man daher dringend darauf achten, dass das verwendete Leder chromfrei und pflanzlich gegerbt ist. Fragt im Zweifelsfall beim Kauf also auf jeden Fall nach bzw. lasst euch beraten!
Eine weitere Alternative ist natürlich auch auf Leder zu verzichten. “Normale” Kautschukbänder oder Canvas-/Textilbänder (zum Beispiel von Miro’s Time) sind allerdings in aller Regel zweiteilig und schirmen wiederum den Gehäuseboden nicht ab. Kautschuk-Nato-Bänder, die den Boden abschirmen, sind eher selten, der Hersteller Meyhofer bietet aber solche an – die Schließe müsstet ihr allerdings gegen eine beschichtete DLC-Schließe (siehe oben) tauschen. Ansonsten lohnt sich natürlich aber – wie beschrieben – der Blick auf normale Nato-Bänder bzw. die MN-Straps von Erika’s Originals.
Sonstige Allergiker-geeignete Materialien: Uhren aus Kunststoff, Titan, Keramik, Holz, Gold und Platin
Kunststoff-Uhren für Allergiker
Denkt man an Uhren mit Kunststoffgehäuse, kommt bei den meisten sicherlich reflexartig die Casio G-Shock in den Sinn. Das Problem: Die gängigen G-Shock-Modelle haben in aller Regel einen Boden aus Edelstahl. Hier hilft bei Allergien ggf. ebenfalls nur die Abschirmung der Unterseite, z.B. durch ein Nato-Band.
Die Breitling Endurance beispielsweise wiederum hat (wie der Rest der Uhr) auch einen Gehäuseboden aus einem Kunststoff mit geheimer Rezeptur, welcher “Breitlight” getauft wurde. Breitlight hat durch die feine Marmorierung eine sehr spezielle Optik, das Material ist außerdem sehr leicht und hat nur ein Drittel des Gewichts von Titanium, im Vergleich zu Stahl ist es sogar fast 6-mal leichter…
Uhren aus Titan (Grade 5) für Allergiker
Das typischerweise in der Uhrenproduktion verwendete Titan Grade 5 ist nickelfrei – das Fraunhofer IFAM schreibt über Titan: “[…] höchste Biokompatibilität, mechanische Belastbarkeit und Korrosionsbeständigkeit und […] damit ideal für beanspruchte medizinische Komponenten”. Knieprothesen können beispielsweise aus Titan sein, insbesondere natürlich, wenn der Patient eine Nickelallergie hat…
Aber auch Titanallergien sind möglich, wenngleich deutlich weniger verbreitet als Nickelallergien. Mein Leser schreibt:
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Als Alternative habe ich dann die damalige IWC-Taucheruhr aus Titan gekauft. Ich habe wenig später eine Allergie auf Titan entwickelt. Dasselbe Ergebnis. Die Uhr gefällt mir wegen des Look so gut, daß sie bis heute bei mir ungebraucht in der Vitrine liegt.
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Titan-Uhren sind grundsätzlich teurer als Uhren aus Edelstahl. Die Optik unterscheidet sich außerdem deutlich – sie ist merkbar gräulicher. Es gibt aber auch günstige Titan-Modelle von Micro-Brands, zum Beispiel die RZE Valour 38.
Uhren aus Keramik für Allergiker
Keramik ist aber auch vergleichsweise leicht und geeignet für alle, die eine Nickel-Allergie haben. Keramik hat mehrere vorteilhafte Eigenschaften, die das Material interessant für die Produktion von Uhren machen: Zum einen ist Keramik kratzfest, robust, hitzeresistent, korrosionsbeständig und besitzt eine sehr feine Haptik. Ein großer Vorteil gegenüber dunklen beschichteten PVD-Stahluhren ist außerdem, dass bei Keramik-Uhren keine Farbe abplatzen kann.
Dennoch: Allzu ruppig sollte man mit einer Keramik-Uhr nicht umgehen: Im Netz tauchen von Zeit zu Zeit Bilder zerbrochener oder angebrochener Keramik-Uhren auf – definitiv kein schöner Anblick und die Reparaturkosten gehen oftmals in den Bereich von 2/3 der Neuanschaffung oder mehr.
Auch der Preis ist bei Uhren mit Voll-Keramik-Gehäuse oftmals ziemlich knackig. Das liegt unter anderem daran, dass die Produktion recht anspruchsvoll ist: Keramik-Gehäuse schrumpfen während des Brennens um etwa ein Drittel. Die Herausforderung besteht somit darin, den Größenverlust bei der Produktion zu berücksichtigen, um z.B. nicht die Wasserdichtigkeit oder die exakte Passform von Krone bzw. Drückern zu gefährden.
Bei der Produktion der Omega Speedmaster Keramik-Variante Dark Side of the Moon sieht das konkret so aus (Quelle: Omega):
Mehr über Keramik-Uhren und einige Hersteller- bzw. Modell-Tipps gibt’s in diesem Artikel:
Uhren aus Gold und Platin für Allergiker
Platin ist zu 100% nickelfrei und auch Gold enthält meistens kein Nickel – eine Aufhellung von Gold wird heutzutage in der Regel über die Zugabe von Feinsilber erreicht. Dennoch sollte man sich beim Uhrenkauf beraten und bestätigen lassen, dass es sich um eine nickelfreie Goldlegierung handelt.
Auch, wenn Nickelallergiker nur sehr selten auch auf Platin reagieren, sind beispielsweise Kreuzallergien mit Palladium möglich – einem häufig verwendeten Legierungsbestandteil von Platin. Eine absolute Sicherheit haben Allergiker beim Tragen der hier genannten metallischen Alternativen also leider nie. Hinzu kommt natürlich auch der preisliche Faktor: Uhren aus Massivgold oder Platin sind sehr teuer. Beispiel gefällig? Die Rolex Daytona mit Platin-Gehäuse kostet rund das sechsfache des Stahl-Pendants!
Mehr: Rolex Preisliste
Holzuhren für Allergiker
Holzuhren sind seit einiger Zeit sehr beliebt – in meinem Freundes- und Bekanntenkreis tummelt sich das eine oder andere Modell, welches mit “nachhaltig” bzw. “umweltschonend” beworben wird (Mehr: Nachhaltige Uhren). Mir persönlich sagen Uhren aus Vollholz allerdings überhaupt nicht zu, weshalb ihr auf meinem Blog dazu auch nichts findet 😉 Zum einen mag ich die Optik nicht, zum anderen ist mir das Material grundsätzlich zu empfindlich gegenüber Kollisionen mit Tischen und dergleichen (und ich hasse Dellen und Kratzer an meinen Uhren).
Wem die Optik zusagt und Probleme mit Allergien gegenüber Metallen oder Leder hat, der findet allerdings zum Beispiel bei Amazon eine riesige Auswahl an Holzuhren. Achtet aber auch hier wieder darauf, dass der Uhren-Boden nicht aus Metall, sondern ebenfalls aus Holz ist. Auch die Schließen sind bei Holzuhren in der Regel aus Metall, weshalb hier gegebenenfalls ein Ersatzband her muss (z.B. Nato-Band mit DLC-/PVD-Schließe)…
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Top Recherche: Danke.
Meine tolle Sternglas Marus machte mir nach zwei Wochen Probleme. Ich kannte das vorher nicht.
Trage jetzt wieder die alte G-Shock (Unterseite St. Steel) und bin irgendwie ratlos.
Hat Casinos billiger Rückdeckel eine andere Nickelmenge oder liegt es an ???
Als ich die Sternglas ablegt, war nach fünf Tagen alles gut. Schade um die tolle Automatikuhr.
Man könnte die Unterseite der Uhr mit Tesafilm bekleben.Meine Frau hat eine Allergie auf die Krone der Apple Watch, da wird’s mit Tesafilm schwierig. Auch lackieren mit Klarlack ist problematisch, da eventuell die Funktion der Krone beeinträchtigt wird.
Danke für die Ergänzung, Norbert
Was bei Frauen die Allergie beim Schmuck ist, ist wohl bei Männern die Allergie bei den Uhren. Ich selbst habe auch eine Allergie auf Nickel und muss bei den Uhren aufpassen. Wenn man weiß worauf man aufpassen muss, ist es natürlich leichter. Bei mir hilft es wenn ich auf Titanuhren zurückgreife. Ich habe viele Uhren von Botta Design. Deren Uhren gibt es auch in Titan-Ausführungen und dort wird auch nicht auf die Bandschließe vergessen. Wenn man eine Allergie auf Leder oder das Armband hat, kann man dort auch auswählen welches Band man haben möchte. Da gibt es viele Optionen.
Man muss halt mal wissen auf was man allergisch ist. Entweder man probiert es aus oder man lässt sich testen. Wenn man weiß woran man ist, fällt es leichter dem entgegenzuwirken. Möglichkeiten gibt es dann ja genug.
Danke für deine Gedanken, Markus!
Vielen Dank für den Beitrag zur Uhren-Allergie. Mein Bruder muss zum Hautarzt, da er durch seine neue Uhr einen Hautausschlag bekommen hat, der nicht mehr verschwindet. Gut zu wissen, dass ein schuppiger und juckender Ausschlag auf eine Nickelallergie hinweisen kann.
Hallo Mario,
…Ich wechsele am Tag bis zu Drei Mal die Uhren! ;-/
Dabei bekomme ich eine Allergie;weiss aber nicht von welchem Material??? (Titan,Stahl,Leder,Nylon)
Ein “Allergietest wäre Irrelevant,da es sich um alles Mögliche handeln könnte,auch um vielleicht überfälliges Lederfett mit Bienenwachs der Marke :”Footlocker!”
Ich versuche jetzt nur “Eine Uhr pro Tag zu tragen”,um die Möglichkeiten einzugrenzen!
Vielleicht kann dich die Epidermis nicht auf alle Materialien pro _Tag einstellen und reagiert deshalb so Allergisch!
Besonders extrem ist es im Sommer bei erhöhter Schweissbildung!
Danke für den Artikel;das Gefühl:”Leidensgenossen/in gleichen Problems zu haben hilft ja schon mental ungemein! 😉
liebe Grüße
Thorsten S.
Danke !! Enorm gut und umfassend recherchiert. Gibt es Empfehlungen, wo hypoallergische Lederarmbänder ohne Chrom eventuell nach Maß bezogen werden können ?
PS: Geht es den Schweizer Uhrenherstellern so enorm gut, daß sie das Thema des Marktes für die immer zahlreicheren Allergiker nicht interessiert ? Ich komme zu dem Schluß, daß es den Schweizer Herstellern völlig egal ist, wenn ich sehe, wie schwer eine Stahl-Rolex in Deutschland zu kaufen ist.
Danke schön Rolf! Für customized Bänder lege ich dir Greenpilot-Watchstraps ans Herz. Lass dich am besten mal von Christian beraten 🙂
Jawohl Herr Doctor. Wie immer sehr informativ. Weiter so, Die armen mit den Allergien. Schon tragisch. Ich habe auf jeden Fall heute eine Menge gelernt. Holzuhren sind auch für mich ein absolutes No Go.
Dankeschön Günter!
sehr informativer Beitrag, danke dafür. Als Nicht Allergiker habe ich mir nie darüber Gedanken gemacht.
Wenn es jemanden betrifft gibt es ja bestimmt viele Dinge des Alltäglichen Bedarfs, die sich als problematisch herausstellen können. Ich finde den Blog Klasse. Weiter so
Vielen lieben Dank 🙂
Ja – Danke sehr hilfreicher und lesenswerter Beitrag – habe das selbe Problem mit den Allergien – habe kürzlich eine Damasko Diver zurückgegeben!