Die Preisspirale im Bereich Uhren dreht sich unaufhรถrlich weiter. Auch schon vor der derzeit vorherrschenden extremen Inflation, setzten Uhrenhersteller vor allem auf hรถherpreisige Modelle oder Preiserhรถhungen im Allgemeinen. Die in Singapur ansรคssige Microbrand RZE schwimmt in dieser Hinsicht gegen den Strom und bringt mit der Valour 38 eine gรผnstige Automatik-Field Watch im (zu?) klassisch-schlichten Design auf den Markt. RZE-typisch wieder mit dabei: Ein Titan-Gehรคuse mit vielen Ecken und Kanten sowie Hรคrtebeschichtung…
- Gehรคuse aus Titan mit ULTRAHex-Beschichtung (Hรคrte bis zu 1200Hv)
- Massiver Titanboden, verschraubt
- Krone verschraubt
- Japanisches Automatikkaliber Seiko SII NH38A, 41 Stunden Gangreserve, Handaufzug, Sekundenstopp, 21600 bph
- Wasserdichtigkeit 100 Meter (330ft) / 10 bar
- Zifferblatt mit LumiNova
- Nato-Band mit Titan-Hardware (hรคrtebeschichtet)
- Saphirglas mit Antireflexbeschichtung auf der Innenseite
- Durchmesser 38mm, Bandanstoร 20mm, 11mm Hรถhe, 45mm Horn-zu-Horn
- Gewicht: 58g (am Nato Strap)
- Tarpaulin Reiseetui
- Preis: 329โฌ, direkt bei eu.rzewatches.com
INHALT
RZE Valour 38 im Test – weniger ist mehr?
RZE setzt bei der Valour 38 getreu dem Motto weniger ist mehr vor allem auf ein schnรถrkelloses Design und klassische Merkmale von Field Watches der 60er und 70er Jahre, die beispielsweise offiziell per Regierungsauftrag von Timex, Hamilton und anderen Herstellern an die US-Bodentruppen im Vietnamkrieg geliefert wurden.
So orientiert sich insbesondere das Zifferblatt der Valour 38 im Dunstkreis militรคrischer Spezifikationen wie beispielsweise die MIL-W-3818B mit charakteristischen Merkmalen wie den perfekt ablesbaren Stundenziffern in Verbindung mit einem inneren „Ring“ mit den Ziffern 13 bis 24. Dieser dient als eine Art „รbersetzungshilfe“, da in Lรคndern wie beispielsweise den USA im zivilen Bereich eine Unterscheidung in Vor- und Nachmittag nur รผber den Zusatz „AM“ (ante meridiem) bzw. „PM“ (post meridiem) erfolgt. Beim Militรคr ist das allerdings anders: Dort ist beispielsweise von „Three hundred“ (0300 = 3 Uhr Nachts) und Fifteen hundred (1500 = 15 Uhr = 3 Uhr Nachmittags) die Rede.
Die Field Watch-typische Umsetzung bei RZE ist aufgerรคumt, kommt ohne Experimente aus und ist (anders als bei der Circula ProTrail) vรถllig schnรถrkellos, d.h. das Zifferblatt der Valour 38 kommt ohne Vertiefungen, Schallplattenmuster oder dergleichen aus. Sogar das Logo hat RZE versteckt – unter der Stundenziffer „6“. Trotz der eher simplen Machart des Zifferblattes, habe ich die Qualitรคt als sehr wertig wahrgenommen – so sind mir insbesondere die extrem knackscharfen Drucke positiv aufgefallen. Sogar auf Makroaufnahmen sind die Ziffern und Indizes absolut perfekt – das kriegen hรคufig nicht mal Hersteller bei Uhren jenseits der 1000โฌ hin. Top!
Die meisten der sechs RZE Valour 38-Varianten kommen in eher gedeckten bzw. gedรคmpften Farbtรถnen wie „spruce green“ (fichtengrรผn) oder „vervain blue“ (eisenkraublau). Die hier gezeigte Farbvariante „arrowleaf yellow“ (wie die gelbe Blume, die vor allem in Nordamerika wรคchst), die nur direkt รผber RZE bezogen werden kann (Boutique-Version), fรคllt in der Hinsicht deutlich aus dem Rahmen: Der Gelbton ist stark gesรคttigt und geht fast schon ins Orange. Was ganz streng genommen eigentlich dem Geiste einer Field Watch widerspricht (Stichwort: Tarnung), passt thematisch dennoch gut, denn Militรคr- und Outdoor-Equipment hat erstaunlich oft gelbe oder orange „Farbkleckse“.
Die kontrastreich-schwarzen Zeiger sind, genau wie die Leuchtpunkte zu jeder vollen Stunde, mit LumiNova aus dem japanischen Hause Nemoto gefรผllt. Das klingt erst mal exotisch, da die allermeisten Uhrenmarken aus hiesigen Gefilden auf Schweizer Super-LumiNova setzen. Bringen wir daher etwas Licht ins Dunkel: Tatsรคchlich geht die Erfindung der nicht-radioaktiven Leuchtmasse auf die japanische Firma Kenzo Nemoto in den 40er Jahren zurรผck. Die Anforderungen dafรผr kamen aus dem militรคrischen Umfeld wรคhrend des Zweiten Weltkrieges, da Instrumententafeln und Messgerรคte damals auch ohne den Einsatz von Radium im Dunkeln durch beispielsweise Piloten ablesbar sein sollten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Nemoto auch nach zivilen Geschรคftsfeldern gesucht und รผber die Jahrzehnte weiter an der Verbesserung der Rezeptur getรผftelt. Und so wurde Anfang der 90er die Leuchtfarbe mit dem Namen LumiNova patentiert. LumiNova wird seit den 90ern nicht nur in Japan, sondern in Form von Super-LumiNova auch in der Schweiz produziert und den vielen Uhrenherstellern zugรคnglich gemacht – รผber die Nemoto-Niederlassung RC Tritec. Kurzum: Die heute weit verbreiteten Leuchtfarben Super-LumiNova, LumiNova und auch LumiBrite (Seiko) haben die identische chemische Basis.
Field Watches sind klassischerweise ziemlich klein dimensioniert. Die eben bereits erwรคhnten Uhren der offiziellen militรคrischen Spezifikation MIL-W-3818B hatten beispielsweise einen Gehรคusedurchmesser von grade mal 34 mm – eine Uhrengrรถรe, die heute eher in die Kategorie Damenuhr fรคllt. Die Valour 38 ist – wie der Name schon sagt – mit 38 mm ebenfalls eher kleiner, aber deutlich zeitgemรครer und fรผr schmalere Herrenhandgelenke geeignet (zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang betrรคgt in etwa 19 cm). Mit 11 mm Hรถhe ist das Gehรคuse auรerdem angenehm flach, die Gehรคuseflanken sind relativ schmal und lassen Gehรคuse noch flacher wirken.
Man beachte aber, dass das standardmรครig mitgelieferte, thematisch sehr gut passende Nato Strap im Single Pass-Stil das Gehรคuse naturgemรคร noch etwas weiter anhebt (ich messe am Nato ungefรคhr 13 mm) – im Zweifel, falls man es lieber etwas flacher mag, hilft nur der Griff zu einem Lederband oder einem zweiteiligen Nato Strap.
Als Material fรผr das mitgelieferte RZE-Nato Strap kommt hochglรคnzendes Nylon (sogenannter Seat Belt-Stil) zum Einsatz, die Hardware (Schlieรe, Keeper) ist lรถblicherweise ebenfalls aus Titan und kommt – wie das Gehรคuse – mit einer Hรคrtebeschichtung (dazu gleich mehr).
Titan trifft ULTRAHex-Hรคrtebeschichtung
Als Material fรผr das Gehรคuse kommt Titan Grade 2 zum Einsatz. RZE hat sich von Beginn an auf Titangehรคuse spezialisiert und zieht dies auch konsequent durch, was in der Welt der Microbrands durchaus eine kleine Besonderheit ist. Titan ist vor allem besonders leicht – die Valour 38 kommt so auf grade mal 58 Gramm am Nato Strap. Faktisch vergisst man im Alltag mit der Valour 38 hรคufig, dass man รผberhaupt eine Uhr am Handgelenk trรคgt.
Eine funktionale Besonderheit ist auch die sogenannte „ULTRAHex“-Beschichtung, welche die Hรคrte auf 1200 Vickers (HV) erhรถhen soll (zum Vergleich: Normaler 316L-Edelstahl liegt bei ca. 220 HV). Ich habe ganz gute Erfahrungen mit solchen Hรคrtebeschichtungen gemacht (siehe z.B. auch Direnzo DRZ04), da vor allem kleinere Kratzer, die typischerweise beim Desk Diving entstehen, reduziert werden. Mit kolsterisierten/tegimentierten Gehรคusen, die beispielsweise bei der Dekla Turbulenz, Sinn U50, Sinn U1 oder der Circula ProTrail zum Einsatz kommen, kann eine solche Beschichtung aber (und das liegt in der Natur der Sache) nicht mithalten, wenn es doch mal deutlich ruppiger zugeht und die Uhr beispielsweise Vollspann gegen eine Tรผr klatscht.
Von der funktionalen Seite mal abgesehen, hat das Gehรคuse der Valour 38 aber auch optisch was zu bieten: Das Design ist sehr eigenstรคndig, die Form ist RZE-typisch kantig-maskulin und hebt sich deutlich von anderen Field Watches ab. Die matte, perlgestrahlte Oberflรคche wird durch angewinkelte Kanten mit sehr feiner Satinierung durchbrochen. Die Hรถrner sind durchbohrt, wodurch sich die Federstege leichter und kratzerfrei entfernen lassen (was beim Wechsel auf ein anderes Nato Strap aber gar nicht notwendig ist). Alles in allem ist die Gehรคuseverarbeitung รผberdurchschnittlich gut fรผr diese Preisklasse und auf einem Top-Niveau.
NoDate-Kaliber von SII
Keine Experimente beim Innenleben: Hinter einem massiven, verschraubten und allergikerfreundlichen Titanboden (mehr รผber Uhren-Allergien) befindet sich das Automatikkaliber NH38A, aus dem japanischen Hause Seiko Instruments Inc. (SII).
Das NH38A basiert auf der identischen Architektur wie das seit รผber einem Jahrzehnt bewรคhrte, zuverlรคssige Seiko NH35. Die beiden einzigen Unterschiede sind, zum einen, dass das NH38A ursprรผnglich fรผr Uhren mit offener Unruh auf „9 Uhr“ konzipiert wurde – ein Designmerkmal, das RZE bei der Valour 38 (zum Glรผck!) nicht nutzt. Zum anderen hat das NH38A (anders als das NH35A) kein Datum – RZE hat sich daher sicherlich bewusst fรผr dieses Kaliber entschieden, um das perfekt aufgerรคumte Gesicht der Uhr nicht zu stรถren (das wรคre zwar auch mit dem NH35A mรถglich, allerdings gรคbe es dann eine sogenannte „Geisterposition“ fรผr das nicht genutzte Datum, was beim Einstellen der Uhrzeit etwas nerven kann).
Ab Werk sind die Seiko-Kaliber aus der NH-Reihe mit -20~+40 eher solala feinreguliert. Ein Ganggenauigkeitswunder darf man beim NH38A nicht erwarten, auch mit Blick auf die Frequenz von 21.600 bph, durch die das Kaliber auf dem Papier langfristig etwas weniger genau lรคuft, da all die kleinen Bewegungen und Stรถรe des Alltags schlechter kompensiert werden kรถnnen (die Seiko-eigene Diashock-Stoรsicherung hat das NH38A aber natรผrlich auch an Bord). RZE nimmt nach eigenen Aussagen auรerdem eine Feinjustierung vor, die mir vorliegende Valour 38 tickt daher in einem ordentlichen Bereich von +11 Sekunden pro Tag.
Fazit zur RZE Valour 38
Ich lasse zunรคchst mal Captain Obvious raushรคngen: Das Design der RZE Valour 38 sprรผht – gelinde gesagt – nicht grade vor Innovationen. Punkt. Und ja, man darf kritisch hinterfragen, warum RZE nicht den eigenstรคndigeren Weg weitergeht, den die Singapurer beispielsweise mit der RZE Fortitude eingeschlagen haben (wem die RZE Valour 38 in der Summe zu langweilig ist, der findet in der bereits genannten Circula ProTrail und der Formex FIELD Microbrand-Alternativen aus Deutschland bzw. der Schweiz mit vielen eigenstรคndigen Design-Ideen – preislich liegen diese aber doppelt so hoch wie die Valour 38).
Von der geringen Eigenstรคndigkeit mal abgesehen: Wer eine federleichte, schlichte Field Watch ohne Schnรถrkel oder einfach einen allgemeinen Einstieg in die Welt der mechanischen Uhren sucht, der findet in der der RZE Valour 38 eine gute Option. Der Preis in Hรถhe von 329โฌ mag auf den ersten Blick fรผr eine so schlichte Uhr von einer Microbrand eher hoch wirken, ist der Qualitรคt aber angemessen (siehe vor allem das Titan-Gehรคuse und das Zifferblatt im Detail).
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P.S.:โฆNicht bรถse sein Mario,vielleicht bin ich etwas:โOldschoolโ,
denn bei Taucheruhren sind ja Gelb oder Orange absolut sinnvoll!(Da kein Feindkontakt)
Felduhren und Beobachtungsuhren jedoch sind im KRIEG einzusetzen (gewesen!)
welhalb man beim Bau,jegliche Spiegelung peinlichst vermieden hatte! ๐
In einer Kuckucksuhr kommt auch nicht jede Stunde einโMainzelmรคnnchenโheraus,oder? ๐
LG
THOR
Authentische Farbe einerโField Watch!โ
Da weiร der Gegner genau,auf was er treffen muss! ๐
Wie wรคre es mit einer:โBeobachteruhr in NEON-ORANGE???โ ๐
Ich Frage fรผr einen Freund!
mfG
THOR
Schรถner Bericht, den ich nur unterschreiben kann. Ich habe die Valour standes-militรคrgemรคร in (rรคusper) gelb und in blau. Sie tragen sich bestens und auch die eigentlich von mir eher verschmรคhten NH-Werke tun, was sie kรถnnen.
Einzig beim Lume wรผrde ich Abstriche machen wollen. Da ist nicht viel zu holen. (Nettes Gimmick, das leuchtende Logo). Aber es ist ja eine Field und kein Diver.
In der Summe liefert RZE hier eine Menge kleine gute Uhr fรผrs Geld!
Und der Service ist bisher problemlos. Die erste Gelbe wollte nicht und wurde ohne Bla von RZE getauscht. Alles gut.
Mich hat die Beschreibung der RZE Valour 38 begeistert und ich habe mir das gute Stรผck gekauft. Das Natoband habe ich aus der erklรคrten Grรผnden gegen ein zweiteiliges Textilband getauscht.
Eine herrlich minimalistische Uhr – ganz mein Geschmack!
Doch ich verstehe auch: Der Geschmack ist bekanntlich verschieden ๐
Genau so!