Nach den Anfang 2020 lancierten Neuheiten, der Fliegeruhr Sinn 104 St Sa A B E und dem Bicompax-Chronographen Sinn 158 (mit optischer Ähnlichkeit zur geschichtsträchtigen Heuer 1550 – mehr dazu in meinem Artikel über Bundeswehr-Uhren), ergänzte der Frankfurter Spezialuhren-Hersteller sein Portfolio außerdem um die von vielen Fans heiß erwartete “geschrumpfte” Variante des Taucheruhren-Klassikers Sinn U1: die Sinn U50. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Sinn U50 mit schwarzer Lünette (“SDR”-Variante) und Tegimentierung – ist die Schlankheitskur gelungen?
INHALT
Sinn U50 SDR im Test
Die Sinn U1 gehört nicht ohne Grund zu den beliebtesten Modellen der Frankfurter und wird oftmals auch als (Neo-)Klassiker bezeichnet: Zum einen kommt die U1 in einem überaus charakteristischen und eigenständigen Design, was keine Selbstverständlichkeit im Meer an Taucheruhren ist, die sich teilweise doch stark ähneln. Mit der drölfmillionsten Submariner- oder Fifty Fathoms-Hommage hat die U1 jedenfalls so rein gar nichts zu tun.
Zum anderen ist die U1 eine Tool Watch durch und durch: Der Diver ist extrem massiv, kommt mit einem Durchmesser von immerhin 44 mm, knapp 15 mm Höhe und wiegt entsprechend über 210 Gramm (am Edelstahlband). Die U1 ist ein richtig fetter Brocken, bei der kein Zweifel darüber aufkommt, wofür man sein Geld ausgegeben hat. Um die U1 allerdings im Alltag tragen zu können, braucht man schon eher kräftigere Handgelenke (außer man macht gerne nebenher Bizeps-Curls mit der Uhr) – unter 18 cm Handgelenkumfang ist das Tragen der U1 eher grenzwertig (siehe Uhrengrößen-Leitfaden).
Und genau hier setzt die neue Sinn U50, der kleine Bruder der Sinn U1, an: Die Frankfurter haben das markant-charakteristische Design der U1 unangetastet gelassen (zum Glück!), darunter wesentliche Merkmale wie die Lünette mit ihren rot-weißen Indizes sowie eine schräg versetzte und damit handrückenschonende Krone. Besonders ins Auge stechen aber die Zeiger und Zifferblatt-Indizes, die ein bisschen an Lego-Bausteine erinnern und für optimale Ablesbarkeit sorgen. Auch eine (farblose) beidseitige Entspiegelung des Saphirglases ist wieder an Bord, wodurch man teilweise das Gefühl hat, dass gar kein Glas verbaut ist – auch das zahlt auf die perfekte Ablesbarkeit ein.
Sinn setzt nach meinen Recherchen auf Super-LumiNova in der Farbe C1. Die Leuchtkraft von C1 beträgt nur ca. ein Dirttel der Leuchtkraft von Super-LumiNova C3, die beispielsweise bei der Circula SuperSport zum Einsatz kommt (hier ein kleines Vergleichsvideo). Ich nehme an, dass Sinn auf C1 setzt, um einen reinweißen Indizes-Farbton bei Helligkeit zu erzeugen. Allerdings wäre meiner Meinung nach die Farbe BGW9 die bessere Entscheidung gewesen, die bei 95% der Leuchtkraft von C3 liegt und ebenfalls weiß im Hellen ist (und blau im Dunkeln).
Die wesentliche Änderung bei der U50 betrifft die Verschlankung des Durchmessers auf 41 mm – klingt nicht viel, macht sich im Alltag aber ohne Zweifel stark bemerkbar. Gut: Gleichzeitig wurde die Höhe auf knapp über 11 mm reduziert, um die Proportionen zu wahren. Auch das Band der U50 ist am Anstoß etwas schmaler geworden (20 mm anstelle 22 mm bei der U1). Das Gewicht der U50 beträgt (ohne Band) 74 Gramm und damit fast 40 Gramm weniger als bei der U1 (ohne Band 113 Gramm). Dieser Gewichtsunterschied ist bei mehrstündiger Tragezeit erfahrungsgemäß auf jeden Fall spürbar, der Tragekomfort wird deutlich erhöht.
Hier ein direkter Vergleich zwischen U50 und U1 – der Größenunterschied ist durchaus beachtlich.
Ein Nachteil hat die neue, kleinere Gehäusekonstruktion allerdings – der ist aber nur theoretischer Natur: Die Wasserdichtigkeit beträgt bei der U50 – wie der Name bereits andeutet – “nur” noch 50 bar bzw. 500 Meter. Zum Vergleich: Die U1 kommt mit 100 bar bzw. 1000 Meter. Das dürfte aber wohl 99,9999% der U50-Interessierten nicht wirklich jucken – denn für professionelle Tauchgänge ist auch die U50 natürlich bedenkenlos einsetzbar.
Das Gehäuse der U50: U-Boot-Stahl Made in Glashütte
Das Gehäuse der U50 stammt (wie bei der U1 und anderen Sinn-Modellen) von der Sächsischen Uhrentechnologie GmbH Glashütte (SUG), gut erkennbar am dezenten „SUG“-Logo zwischen den Hörnern, wenn man das Stahlband demontiert. Der Mitgründer von SUG ist Sinn-Chef Lothar Schmidt. Sinn und SUG sind also indirekt miteinander “verbandelt”.
Das Gehäuse der Sinn U50 ist aus U-Boot-Stahl. Die Wahl des Materials ist ein Thema, das unter Uhrenfreunden regelmäßig für Diskussionen sorgt, da viele den Alltagsnutzen anzweifeln und nur “marketinggetriebene Preistreiberei” sehen. Bringen wir aber etwas Licht ins Dunkel: Es handelt sich bei U-Boot-Stahl um Spezialstahl, der eigentlich bei der Außenhülle der U-Boot-Klasse 212 zum Einsatz kommt, einem der leisesten U-Boote der Welt, das für die Deutsche Marine und die italienische Marina Militare in See sticht. Für die Entwicklung der Legierung zeichnet sich ThyssenKrupp verantwortlich.
Der Vorteil des U-Boot-Stahls ist eine höhere Resistenz gegenüber Kratzern (Härte nach Vickers ca. 340 HV gegenüber ca. 220 HV bei “normalem” Edelstahl) sowie eine geringere Empfindlichkeit gegenüber Rost bzw. eine höhere Seewasserbeständigkeit (denn merke: Edelstahl ist niemals gänzlich rostfrei – mehr dazu in meinem Artikel über die Sinn U1). Das sind beides meiner Meinung nach auch für Uhrenfreunde durchaus nützliche Vorteile, weshalb der gewählte U-Boot-Stahl als Gehäusematerial aus meiner Sicht mehr als nur ein “Marketinggag” ist.
Wie auch bei der U1 ist die Gehäuseoberfläche der U50 durchgängig perlgestrahlt und damit reflexionsfrei und schnörkellos. Auf “Schnickschnack” wie polierte Fasen hat Sinn gänzlich verzichtet – so wie es sich für eine Tool Watch gehört.
Der klassische, unidirektionale Taucherdrehring der Sinn U50 kommt standardmäßig mit einer “Tiefenhärtung”, der sogenannten Tegimentierung – und das ist durchaus sinnvoll für eine solch exponierte Komponente, die gerne mal Türrahmen & Co. knutscht. Die Tegimentierung des gesamten Gehäuses und des Stahlbandes der U50 ist aufpreispflichtig ebenfalls möglich.
Es handelt sich bei der Tegimentierung um ein Oberflächenhärteverfahren, welches die Härte des (ohnehin schon härteren) U-Boot-Stahls auf satte 1200 bis 1300 HV erhöht – der tegimentierte Stahl der U50 ist also über fünf mal so hart wie “normaler” Edelstahl.
Tegimentierung ist am Ende des Tages nichts anderes als das sogenannte Kolsterisierungs-Verfahren, das beispielsweise im Maschinenbau zum Einsatz kommt. Bei dieser Technologie wird der Stahl zunächst mehrmals mit einem Kohlenstoff-Gasgemisch erwärmt. Dies führt zur Diffusion der Kohlenstoff-Atome in das Metall, wodurch es zu Druckspannungen an der Oberfläche kommt, die letztendlich eine erhöhte Oberflächenhärte bewirken – und das macht sich auch im Alltag bemerkbar, denn hässliche Kratzer werden so deutlich minimiert. Ich möchte daher aus meiner Erfahrung heraus jedem dringend nahelegen – trotz des Aufpreises von 250€ – die Option auf eine Tegimentierung des Gehäuses und des Stahlbandes zumindest in Erwägung zu ziehen.
Man beachte: Durch die perlgestrahlte Oberfläche und die Tegimentierung wirkt die Farbe des Stahls deutlich dunkler, sogar noch etwas dunkler als Titan – das muss man mögen, unterstreicht aber den tooligen Charakter der U50.
Noch ein paar Worte zum Stahlband und zur Schließe: Grade das Stahlband ist mit seinen sauber verschraubten Gliedern im H-Link-Stil absolut klapperfrei, schön massiv und haptisch sehr wertig. Da kann die Schließe allerdings bei Weitem nicht mithalten: Sinn hat die Chance leider verpasst der U50 eine verbesserte Schließe mit einer zeitgemäßen werkzeugfreien Feinjustierung mitzugeben (anstelle einer für die meisten Uhrenfreunde völlig sinnfreien Taucherverlängerung; siehe zum Beispiel Formex REEF GMT). So bleibt einem leider nur das “Rumgepopel” in den seitlichen Schließenbohrungen mit einem Bandwechselwerkzeug (oder notfalls einer Büroklammer), um die Feinjustierung vorzunehmen – flexibel ist das aber naturgemäß nicht, zum Beispiel, wenn sich im Sommer der Handgelenkumfang stark ändert. Mit Blick auf den allgemein sehr hohen Tragekomfort der U50 wird dieser Nachteil bei der Schließe zwar etwas relativiert – trotzdem muss ich sagen: Schade!, vor allem mit Blick auf den doch nicht grade günstigen Preis, den Sinn aufruft.
Eine nennenswerte Änderung der U50 gegenüber der U1 betrifft das Innenleben: Während die U1 mit einem Schweizer Sellita SW200-1 kommt, ist die U50 mit einem Sellita SW300-1 ausgestattet. Das SW300-1 ist quasi baugleich mit dem ETA 2892-2 und mit 3,6 mm etwas flacher konstruiert als das SW200-1, wodurch auch das Gehäuse der U50 im Zusammenspiel mit einer reduzierten Wasserdichtigkeit (wie bereits erwähnt) flacher daher kommen kann – eine gute Entscheidung, denn eine Reduzierung des Durchmesser unter Beibehaltung der beachtlichen Höhe der U1 hätte die U50 einfach zu pummelig wirken lassen. Ansonsten nehmen sich das SW200-1 und das SW300-1 technisch fast nichts – erwähnt sei aber noch die etwas höhere Gangreserve des SW300-1.
Die Qualitätsstufe ist beim verbauten SW300-1, wie man es von Sinn gewohnt ist, Premium/Top (+/-4 Sekunden pro Tag, Incabloc-Stoßsicherung). Die Sinn-Uhrmacher regeln alle Sinn-Uhren außerdem leicht ins Plus (Feinregulierung). Wie bei der U1 ist auch bei der U50 das Kaliber hinter einem massiven, schnörkellosen, verschraubten Stahlboden versteckt:
Fazit zur Sinn U50 SDR
Wer denkt “kleinere Uhr = kleinerer Preis“, der irrt: U1 und U50 sind (mittlerweile) genau preisgleich und starten bei 1990€ (am Lederband). Mit Gehäuse-Tegimentierung und tegimentiertem Stahlband landet man bei 2540€. Es stehen auch etwas teurere Varianten mit schwarz beschichteter Lünette (U50 SDR) und eine voll-beschichtete Variante (U50 S) zur Verfügung. Unter Berücksichtigung des Standings von Sinn und der qualitativen Anmutung der U50, ist der Preis in einem akzeptablen Rahmen, wenngleich nicht schnäppchenverdächtig.
Wer einen sehr hochwertigen Vollblut-Tool-Diver aus deutschen Landen sucht, der noch einigermaßen erschwinglich ist, der kommt um die U50 (oder die U1) aus Frankfurt in der Summe aber kaum vorbei – die Lieferzeiten sind allerdings (je nach Variante) zum Stand August 2022 jenseits von Gut und Böse. Das liegt einerseits vermutlich an der allgemein vorherrschenden Komponentenknappheit bzw. Lieferkettenproblematik, andererseits aber auch sicher an der (nachvollziehbaren) Beliebtheit des Modells.
Dennoch gibt es auch Alternativen: Mit dem Mühle SAR Rescue Timer (ab 1950€) sei abschließend noch ein ebenfalls sehr tooliger Diver aus Glashütte genannt, der mehr als nur einen Blick wert ist.
Hier alle Varianten der U50 in der Übersicht:
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Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Sinn betreibt unter dem Aspekt meiner Meinung nach eine moderate Preispolitik
Hi, mal eine ganz andere Frage: Hast Du für das Victorinox Tinker HC Warthog eine aktuelle Bezugsquelle in Deutschland? 🙂
Danke für den Test.
Sie ist aktuell ganz oben auf meiner Liste,.. und wird wahrscheinlich bald gestrichen werden, zugunsten der Uhrbox.
Ich habe lange gebraucht um Gefallen an ihr zu finden, aber letztlich hat mich ihre (v.a. optische) Eigenständigkeit überzeugt.
Bei Sinn wird so oft auf die Preise geschimpft… Klar sind diese nicht günstig. Und Rolex zum Vergleich geht natürlich auch nicht. Aber wenn man die vermeintlich großen Marken anschaut und deren Preisentwicklung, ist diese bei Sinn auch nicht exorbitant stark gewesen.
Ein e Grafik dazu wäre mal interessant.
Außerdem hat Sinn den Vorteil – im Vergleich zu anderen Marken aus diesem Segment – Oris oder Tissot etc zum Beispiel, dass Sinn keine Rabatte gewährt. Der Werterhalt ist ergo recht gut und alle die eine Sinn bereits haben, können sich an steigenden Neupreisen freuen! Denn die Gebrauchtpreise steigen entsprechend idR auch mit. #Wertatabilität.
Und last but not least… Beachte ich auch die Kosten einer Revision. Bei einer Tudor bb mit Selitta-Werk zB zahle ich etwa das dreifache, was ich bei Sinn für das gleiche Werk zahle in Revision.
Hallo Mario, Danke für diesen Test.
-Darin steht, dass “der U1 bei 100 Bar oder 100 Meter ankommt“. Ich denke, dass es sich hierbei um einen Fehler handelt …
-Warum wird im Allgemeinen (glaube ich) nie die Qualität der Leuchtmasse bei Uhren angegeben? Dabei handelt es sich doch um ein wichtiges Merkmal. Zum Beispiel: SuperLuminova C3?
Mit freundlichen Grüßen, Belteky
Danke für den Hinweis! Es sind natürlich 1000 Meter 🙂
Es kommt SL C1 zum Einsatz.
Hallo Mario! Mit deiner Antwort hatte ich nicht gerechnet, danke. Wenn du sagst, dass die SL von U50 C1-Qualität hat, dann bitte ich dich, mir (und den anderen Kollegen) zu verraten, ob C1 “ausreichend” ist. Die LACO-Uhr, die ich besitze, hat die SL C3. Die Circula-Uhren haben die SL C3-X1! Ich wundere mich ein wenig über C1 bei der U50, einer Uhr, die mindestens doppelt so viel kostet. Der C1 ist viel schwächer als der C3 (siehe SuperLuminova-Diagramm). Was hältst du davon? Ich danke dir vielmals. Mit freundlichen Grüßen, Belteky
Moin moin,
ich habe mal ein kleines Video gemacht nach gleichmäßiger Betankung einer Circula SuperSport (C3 X1) und der Sinn U50 (C1) mit Sonne:
https://www.youtube.com/shorts/nwsJtkULmBM
Prima anschaulicher Vergleich. Sollte sich Sinn mal ansehen und dann im (dunklen) Kämmerlein überlegen, was da nicht stimmt…..
Danke für den Bericht, Mario! kleines Modell ganz groß! Thema fehlende werkzeuglose Schnellverstellung des Stahlbands: bitte schreib es in jeden Test, bis die Firmen das endlich lesen.Bei dem aufgerufenen Preis heutzutage ein MUSS. Bei 2500.-€ geht Opas Blechschließe nicht mehr. Christopher Ward etwa hat werkzeuglose Schnellverstellung in allen Stahlbändern, und die Uhren gibt es mit Schweizer Werk ab unter 1000 €. Und für angebliche Profitaucher: über den Taucheranzug bringt man die Uhr NUR mit Schnellverstellung…
Danke dir für deine ergänzenden Worte!
U-Boot Stahl klingt immer toll.
Aber dessen wesentliche Eigenschaften sind Dauerbeständigkeit gegen Salzwasser und Anti-Magnetismus. Beides braucht man bei einer Taucheruhr nicht wirklich, es sei denn man lebt ständig unter Wasser und will nicht von russischen Jagd-U-Booten aufgespürt werden.
Der 316L Stahl reicht völlig aus und wird so auch bei jedem Sportboot für die Beschläge verwendet. Auf meinem Boot habe ich da noch nie Rostprobleme gehabt.
Aber der Markt ist eben stark gesättigt und Alleinstellungsmerkmale sind rar.
Vergiss nicht die nicht unwesentlich höhere Härte des Stahls!
So sieht es aus! Der Stahl ist vor allem (und das ist der eigentliche Benefit für den Träger) deutlich härter als 316 L Edelstahl, auch schon ohne Kolsterisierung. Mit Kolsteriesierung dann nahezu unkaputtbar. Aber auch ohne diese ist die deutlich höhere Härte des U-Boot Stahls eindeutig spürbar.
Bei Sinn denke ich nun, dass die Preisgestaltung mittlerweile jeder Beschreibung spottet.
Und erst dann denke ich an die teilweise tollen Uhren. Sollte umgekehrt sein…