Vor einigen Monaten habe ich die in Singapur ansässige Microbrand RZE Watches und die Titan-Field Watch RZE Resolute bereits ausführlich vorgestellt und unter die Lupe genommen. Damals habe ich mich ehrlich gesagt allerdings gefragt, warum RZE-Chef Travis Tan zunächst auf eine Field Watch gesetzt hat, die so rein gar nichts mit den luftigen Höhen zu tun hat, in denen Travis in seinem Hauptberuf als Pilot eigentlich unterwegs ist. Das soll nun mit der neuen RZE Fortitude Titan-Fliegeruhr anders werden…
- Gehäuse aus Titan Grad 2 mit Hartbeschichtung
- Antimagnetisch bis 20.000A/m
- Saphirglas mit Antireflexbeschichtung auf der Innenseite
- Gewicht: ca. 120 Gramm (am Titanband)
- Durchmesser 41 mm
- Höhe 12,45 mm
- Horn-zu-Horn 48 mm
- Bandanstoß 20 mm
- Seiko NH35A Automatikwerk
- Wasserdichtigkeit 100 Meter / 10 bar
- Verschraubte Krone
- Zifferblatt mit „Sand“-Textur, Stunden-Indizes im Sandwich-Stil
- Indizes und Zeiger mit Super-LumiNova BGW9 (Grade A)
- Titanband mit Edelstahlschließe, hartbeschichtet
- Verschraubter Gehäuseboden aus Titan mit Viton-Dichtung
- Vorbesteller-Preis: 499€, direkt bei RZE Watches Europe
Titan-Flieger im Test: RZE Fortitude
Zunächst noch ein paar Worte zu RZE: Die Marke wurde zwar erst 2020 gegründet, an Know-How und Industriekontakten dürfte es aber nicht mangeln: Der ausgebildete Ingenieur Travis Tan ist hauptberuflich zwar seit 2012 als Senior First Officer in einer Airbus A350 für Singapore Airlines unterwegs, hat aber gleichzeitig viele Jahre Erfahrung als Co-Founder der bekannten Microbrand BOLDR auf dem Buckel. Der Hauptsitz von RZE ist dabei in Singapur. Der Stadtstaat südlich vor Malaysia mit fast 6 Millionen Einwohnern hat sich in den letzten Jahren zu sowas wie dem Mekka der Microbrands entwickelt – dort befinden sich gestandenen Marken wie beispielsweise Gruppo Gamma, Venturo, Audric, Zelos oder eben BOLDR.
Die neue RZE Fortitude kommt mit einer Reihe von charakteristischen, toolig wirkenden Designmerkmalen: Ins Auge sticht insbesondere die gefräste Lünette, die an die Turbinen von Flugzeugen erinnert. Fliegeruhren-typisch ist auch die Krone großzügig dimensioniert – dieses Merkmal geht auf die Anfangszeiten von Fliegeruhren zurück, als am Handgelenk getragene Zeitmesser noch ein unabdingbares Tool für Piloten waren und die Kronen auch bei klirrender Kälte mit dicken Handschuhen bedienbar sein mussten.
Das von einem entspiegelten Saphirglas geschützte Zifferblatt der RZE Fortitude kommt mit einer körnigen, sandartigen Textur, die in Abhängigkeit des Lichteinfalls sehr unterschiedliche Nuancen zeigt und im Falle der hier gezeigten Nimbusgrey-Variante teilweise silbrig wirkt. Die Textur wird von einem zentralen „Fadenkreuz“ durchbrochen.
Die graue und die grüne Variante der Fortitude kommen ferner mit einem Dégradée- bzw. Farbverlaufseffekt – von einem helleren Grau in der Mitte bis zu einem dunklen Anthrazit am Rande. Schön: Das Datumsfenster wurde auf „6 Uhr“ untergebracht, um das Zifferblatt perfekt symmetrisch zu halten.
Die Stundenindizes sind im Sandwich-Stil gehalten, d.h. sie sind ausgeschnitten, um die darunter liegende Super-LumiNova BGW9-Schicht freizugeben. Dadurch wirkt das Zifferblatt plastischer. Auch der Zeigersatz ist üppig mit Super-LumiNova in der Farbe BGW9 belegt. BGW9 weist bei Tageslicht einen weißen Farbton auf, bei Dunkelheit wiederum färben sich die Elemente zu einem sportlichen blauen Farbton. Die Leuchtintensität liegt bei ca. 95 Prozent im direkten Vergleich mit der stärksten, gelbgrünen Super-LumiNova C3. Die Leuchtdauer von BGW9 liegt über der von C3.
Man beachte: Die weiße Variante der RZE Fortitude ist ein sogenannter „Leuchtkeks„: Das bedeutet, dass nicht die Zeiger und Indizes mit Super-LumiNova belegt sind, sondern das Zifferblatt selbst. Die Zeiger und Indizes wiederum sind aus Gründen des Kontrastes tiefschwarz lackiert:
Ein weiteres, charakteristisches Merkmal der RZE Fortitude ist eine rote Beschichtung des Kronen-Tubus in Anlehnung an die „Remove before Flight“-Fähnchen, die in der Regel an Bremsschuhen, Motorteilen und dem Flugzeug-Propeller befestigt sind und durch kleine Verschlussstopfen verhindern sollen, dass sensible Teile oder Öffnungen an stehenden Flugzeugen verschmutzen oder verstopfen. In Analogie dazu ist das Rot bei der RZE Fortitude ein visuelles Hilfsmittel, um zu verhindern, dass die Krone vor dem Sprung ins Kühle Nass nicht korrekt verschraubt ist und somit die Wasserdichtigkeit (10 bar) gefährdet wäre.
Auf funktionaler Seite ist insbesondere das Titangehäuse hervorzuheben, das in der Preisklasse der RZE Fortitude alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist und für ein deutlich geringeres Gewicht sorgt (zum Vergleich: Edelstahl = 8g/cm³, Titan = 5g/cm³). Das Gehäuse unterstreicht durch seine perlgestrahlte und satinierte Oberfläche den Toolwatch-Charakter des Modells, die Satinierung an den Flanken könnte aber meiner Meinung nach etwas feiner ausfallen.
Konkret handelt es sich übrigens um Titan Grad 2, das (genau wie Edelstahl) mit rund 200 Härte nach Vickers (HV) zwar kratzempfindlicher als das ebenfalls häufig in der Uhrenherstellung verwendete Titan Grad 5 (350 HV), auf der anderen Seite aber korrosionsbeständiger ist. So wird Titan Grad 2 typischerweise in anspruchsvollen industriellen Bereichen eingesetzt, in denen es darauf ankommt, dass das Material eine Passivschicht (Oxidschicht) ausbildet und dadurch Korrosion verhindert wird (zum Beispiel in der chemischen Industrie).
RZE gleicht den Nachteil der geringeren Härte außerdem ein Stück weit mit einer Hartbeschichtung namens UltraHex aus, die für bis zu 1200 HV sorgen soll – eine solche Beschichtung ist sicherlich nicht mit einer „Tiefen“-Härtung des Metalls an sich zu vergleichen (so wie das beim Kolsterisieren der Fall ist, siehe DEKLA und Sinn U1), aber dennoch ein nettes und durchaus sinnvolles „Gutsel“.
Auch der (verschraubte und mit Viton-Dichtungen ausgestattete) Gehäuseboden ist aus Titan, was aufgrund der nickelfreien Legierung Uhren-Freunde freuen dürfte, die Probleme mit Nickel-bedingten Allergien haben.
Schön: RZE bietet auch ein dreireihiges Band aus Titan an, das ebenfalls hartbeschichtet ist und sich gestalterisch von Standard-Bändern in dieser Preisklasse abhebt. Die Schließe ist (nicht ganz nachvollziehbarerweise) aus Edelstahl, lässt sich in sechs Stufen feinjustieren (leider nicht werkzeugfrei) und verfügt außerdem über einen zusätzlichen Flip Lock-Mechanismus, um versehentliches Öffnen zu verhindern.
Gehäusedurchmesser (41 mm) und -Höhe (12,45 mm) der RZE Fortitude stehen in einem wohlproportionierten Verhältnis zueinander. In jedem Fall ist der Tragekomfort – auch am Titanband – ganz hervorragend, was insbesondere am vergleichsweise geringen Gewicht liegt (120 Gramm am Titanband).
Das Gehäuse der RZE Fortitude ist mit einem Magnetschutz bis 20.000 Ampere/Meter (entspricht ca. 25.000 Mikrotesla bzw. μT) ausgestattet. Historisch gesehen ist ein Magnetfeldschutz bei Uhren in einem Cockpit aufgrund der magnetischen Ablenkspulen von Radarschirmen unabdingbar gewesen, damit die Uhren am Handgelenk des Piloten präzise laufen.
Magnetfelder befinden sich aber natürlich nicht nur in Cockpits: In unserem modernen Alltag treffen wir beispielsweise auf Permanentmagnete und Elektromagnete in Lautsprechern oder Mixern, Magnet-Schließen in Fliegengittertüren oder Taschen etc. – all diese Dinge erzeugen Magnetfelder, die bei entsprechendem Kontakt einen negativen Einfluss auf die Ganggenauigkeit einer mechanischen Uhr haben können.
Wie ich in einem konkreten Experiment über den Einfluss von Magnetismus auf Uhren festgestellt habe, gehen von einer handelsüblichen Soundbar beispielsweise 5000 μT aus. Bei einem Handmixer sind es 2500 μT. Bei einem iPad oder einem Fön immerhin noch 1500 μT. Im Experiment hat eine Magnetisierung von nicht besonders gegen Magnetfelder geschützte Uhren für extreme Gangabweichungen von +26 Sekunden pro Tag geführt (gegenüber vorher +1,7 Sekunden pro Tag). Der Magnetfeldschutz in der RZE Fortitude, der bis zu 25.000 μT abdeckt, ist vor diesem Hintergrund sinnvoll und bietet einen gewissen Alltagsnutzen.
In der RZE Fortitude tickt das Automatikkaliber NH35A vom japanischen Hersteller Seiko TMI, das als zuverlässig und robust gilt, mit einer Frequenz von 21600 bph allerdings kein Ganggenauigkeitswunder ist – praktisch läuft die mir vorliegende RZE Fortitude mit -5,5 Sekunden pro Tag locker innerhalb der (großzügigen) Seiko-Spezifikation, ein leichter Vorgang wäre aber natürlich schöner gewesen.
Mit Blick auf die Preisklasse, in der sich die RZE Fortitude bewegt, ist die Wahl des Kalibers aber noch vertretbar – da man das Seiko NH35 gefühlt in jeder Microbrand-Uhr ticken sieht, steht dennoch ein (vielleicht optional bzw. aufpreispflichtig erhältliches?) Upgrade auf ein Schweizer Kaliber auf meiner Wunschliste (so wie das Sellita SW200 oder auch gerne das japanische Miyota 9015, das dem Sellita in Nichts nachsteht).
Fazit zur RZE Fortitude
Die RZE Fortitude hebt sich gestalterisch und technisch wohltuend vom Gros der Microbrands ab – dank liebevoller Details wie dem roten Kronentubus, der Turbinen-Lünette, der Zifferblatt-Textur sowie der Hartstoffbeschichtung auf dem Titangehäuse und dem Magnetfeldschutz. Preislich ist die RZE Fortitude – auch mit Blick auf das verbaute Kaliber – allerdings kein klassischer Microbrand-Schnapper.
Die RZE Fortitude kommt, neben der hier gezeigten Farbe Nimbusgrey, auch noch in den Varianten NightHawk, Cruiser White und Turbo Teal. Der Preis liegt bei 499€ im Rahmen der Vorbestelleraktion (danach lassen sich 30€ auf den regulären Preis i.H.v. 599€ mit dem Rabatt-Code chrononautix30 sparen). Bei Bestellung über die offizielle europäische RZE-Niederlassung eu.rzewatches.com fallen keine weiteren (Zoll-)Gebühren an.
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Hallo Mario,
ersteinmal Dank für deinen kurzweiligen, interessanten, aber auch „gefährlichen“ Uhrenblog.
Die Infos zu Uhren, Marken, usw. sind immer wieder lesenswert.
Ich schaue schon länger immer mal wieder bei dir vorbei.
Zur Fortitude: Diese Uhr würde gut in meine kleine Sammlung passen,
bisher fehlt eine Fliegeruhr und die Daten schauen recht gut aus.
Aktuell gelingt es mir aber nicht deinen Rabatt-Code chrononautix30 auf die Uhr anzuwenden.
Ist da etwas schief gelaufen?
Hi Jens, der Discount Code funktioniert bei ohnehin rabattierten Vorbestelleraktionen wie der Fortitude leider nicht.
Hallo,
wieviel wiegt die Fortitude denn?
Danke für die Frage – es sind ungefähr 115 Gramm (am Titanband)
Vielen Dank für die Auskunft, die für meine Entscheidung hilfreich ist!