Retro-Uhren erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit: Das zeigen Dauerrenner wie die Omega Speedmaster Moonwatch, aber auch viele aktuelle Retro-Neuauflagen wie zum Beispiel die TAG Heuer Autavia. Retro-Uhren kann man definieren als Neuauflagen von Klassikern bzw. klassischen Designs. Oder mit anderen Worten: Während Vintage-Uhren tatsächlich viele Jahrzehnte auf dem Buckel haben, kann man sich mit einer Retro-Uhr einen fabrikneuen bzw. aktuell im Handel erhältlichen Klassiker um das Handgelenk schnallen. Der große Vorteil: Man muss sich keine Gedanken um Service-Kosten (Werks-Revision) oder möglicherweise verbaute Ersatzteile machen, die nicht original sind.
Viele aktuelle Retro-Modelle kosten allerdings schnell Tausend Euro oder deutlich mehr. In diesem Artikel stelle ich euch daher einige günstige Retro-Uhren vor, die kein Loch in den Geldbeutel reißen und eine echte Modell-Historie aus den 40er, 50er, 60er und 70er Jahren bieten. Mit dabei: Casio, Hamilton, Laco, Seiko, Bulova, TUW Ruhla, Junghans, Seagull u.v.m.!
In dem Sinne: It’s Retro Time!
INHALT
- 1 Robust, günstig, und beliebt: Casio Retro-Digitaluhren
- 2 Militärisch angehauchte Retro-Uhren von Seiko und Hamilton
- 3 Retro-Fliegeruhren von Laco 1925 und Seagull
- 4 Retro im Weltraum: Quarz-Uhren von Bulova (Moonwatch, Accutron) und TUW Ruhla (Interkosmos)
- 5 Sportliches und puristisches Retro-Design von Junghans und Bulova
Robust, günstig, und beliebt: Casio Retro-Digitaluhren
Casios Retro-Kollektion dürfte bei vielen das Herz höher schlagen lassen: Gefühlt hat so gut wie jeder als Jugendlicher schon ein mal eine Digitaluhr von Casio besessen. Aus dem Klassenzimmer der 80er Jahre war das Modell kaum wegzudenken. Den Startschuss für die funktionalen Digitaluhren gab es bereits in den 70ern mit steigender Beliebtheit von Quarz-Uhren im allgemeinen, was letztendlich auch die Krise für Hersteller mechanischer Uhren (Quarzkrise) ausgelöst hat.
Abgespacete Modelle wie die Hamilton Pulsar (die mittlerweile auch als Neuauflage wieder erhältlich ist)…
…oder natürlich von Casio (die Casiotron) läuteten damals wegen ihrer fast schon Science-Fiction-artigen Anmutung und aufgrund attraktiver Preise die Erfolgsgeschichte von Digitaluhren ein ein. Insbesondere die Retro-Kollektion von Casio ist nach wie vor beliebt und erlebt eine echte Renaissance, verstärkt auch bei jungen Leuten.
Das Erfolgsrezept: Casios Modelle gelten als robust, haben eine Menge Funktionen zum Rumspielen (Stoppuhr, Alarm, Beleuchtung etc.), eine lange Batterielebensdauer (circa 7 Jahre) und nach wie vor einen unschlagbar guten Preis: Los geht’s bei Casios Retro-Digitaluhren schon ab 10 bis 20 Euro…
Auch ausgefallene Uhren wie zum Beispiel Casio Taschenrechner-Uhren werden noch produziert. Im Zeitalter von Smartphones bietet das vielleicht nicht den allzu großen Nutzen, ist aber auf eine nerdige Art irgendwie auch wieder cool…
Militärisch angehauchte Retro-Uhren von Seiko und Hamilton
Seiko Turtle Automatik-Taucheruhr: Einstieg in die Welt der mechanischen Retro-Taucheruhren
Die japanische Marke Seiko hat vor nicht allzu langer Zeit einen Klassiker neu aufgelegt: Die Seiko „Turtle“ Prospex Diver, welche ein eigenständiges Design und eine Historie mitbringt, die bis in die 60er Jahre zurückreicht: Damals war das Ursprungs-Modell Seiko 6105 aufgrund seines hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnisses eine beim US-Militär äußerst beliebte Uhr, die später auch von niemand geringerem als dem genialen Martin Sheen im Blockbuster Apocalypse Now getragen wurde…
Das charakterischschste Merkmal der Seiko Turtle ist definitiv die Gehäuseform, die an einen Schildkrötenpanzer erinnert, gepaart mit einer schräg hängenden Krone…
Eine modernere Variante ist die Seiko Turtle „PADI“, die zwar etwas teurer ist als die „normale“ Turtle, dafür aber ein wunderschön blaues Ziffernblatt bietet.
Die Seiko Turtle bietet mit einem Einstiegspreis von unter 300€ ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und damit einen hervorragenden Einstieg in die Welt der mechanischen Uhren. Hier geht’s zu meinem umfangreichen Review der Seiko Turtle in der Variante mit schwarz-blauer Lünette:
Retro-Militäruhr im klassischen Mil-Spec-Design: Hamilton Khaki Field-Modellreihe & Neuauflage 2018
An das Militär gelieferte Güter wie zum Beispiel Uhren folgen in der Regel klar und exakt definierten Spezifikationen (z.B. Größe, Farbe), um die Qualität konstant hoch zu halten, selbst wenn ein Auftrag an verschiedene Lieferanten vergeben wird (beim US-Militär spricht man auch von sogenannten „Mil-Specs“).
Anfang 2018 erscheint eine brandneue Variante der Hamilton Khaki Field, die optisch meiner Meinung nach eine Menge her macht: Das Retro-Design der sehr gut ablesbaren Militäruhr basiert auf der Mil-Spec MIL-W-3818B aus den 60er Jahren, an die sich damals bei der Produktion neben Hamilton auch weitere Hersteller wie zum Beispiel Benrus oder Timex halten mussten…
Und so sieht eine aktuelle Variante von Hamilton aus: Originalgetreu und dank brauner Leuchtmasse und militärgrünem Nato-Band Retro pur!
Weitere Modell-Varianten aus Hamiltons Khaki Field Modell-Reihe sind ab 300€ (mit Quarzwerk, teurere Varianten mit mechanischem Werk) zu bekommen. Ich empfehle allerdings eher den Blick auf die mechanischen Modelle, z.B. die Hamilton Khaki Field Mechanical (H69429931) für knapp über 400€ – was in Anbetracht des verbauten ETA 2801 Handaufzugswerkes ein wirklich guter Preis (sofern man sich mit der relativ kleinen Uhrengröße von 38 mm anfreunden kann).
Retro-Fliegeruhren von Laco 1925 und Seagull
Historische Beobachtungsuhren vom Traditionshersteller Laco
Im Bereich der militärischen Uhren dürfen auch die sogenannten Beobachtungsuhren in dieser Liste nicht fehlen. Das Deutsche Reichsluftfahrtministerium (RLM) formulierte in den 1940ern im Dokument Fl. 23883 exakte Spezifikationen zur Herstellung der Beobachtungsuhren, darunter z.B. zur Größe, zum Lederband, zum Ziffernblattdesign etc.
Das Pforzheimer Unternehmen Laco wurde damals (neben Stowa, IWC, Wempe und Lange & Söhne) per Beschluss in die Pflicht genommen die Beobachtungs-Uhren nach genau diesen Vorgaben für die deutsche Luftwaffe zu produzieren. Eingesetzt wurden die Uhren von den Navigatoren zur Standortbestimmung auf Langstreckenflügen. Mehr über Beobachtungsuhren gibt es in meinem Review zur Laco Erbstück B-Muster Beobachtungsuhr.
Das Beobachtungsuhren-Design (A-Muster und B-Muster) wird auch heute noch von vielen Herstellern umgesetzt: Zum einen von den klassischen Herstellern wie Laco, aber auch von Micro-Brands wie zum Beispiel Steinhart. Die historisch korrekten Vorgaben aus der Spezifikation Fl. 23883 werden dabei bei neueren Modellen in der Regel nicht 1:1 eingehalten – allein die Größe wäre mit 55 mm auch schlicht nicht alltagstauglich, wie ich auf der Baselworld 2017 anhand einer Originaluhr aus dem zweiten Weltkrieg feststellen konnte:
Laco hat in der Modellreihe „Fliegeruhr Basis“ einige günstige Einsteiger-Beobachtungsuhren im Sortiment – die Quarz-Varianten liegen bei 240€, bieten allerdings nur Mineralglas. Ich empfehle eher die Automatik-Varianten mit Saphirglas und robustem Automatikwerk aus Miyotas 8er Baureihe.
Auch die Chinesen können’s: Seagull 1963 Retro-Flieger-Chronograph
Ein militärischer Flieger-Chronograph mit einer interessanten Geschichte kommt aus dem Reich der Mitte: Die Tianjin Watch Factory erhielt in den 1960ern den Zuschlag für die Produktion von Chronographen für die Luftwaffe der chinesischen Volksbefreiungsarmee PLA (Codename Projekt 304). Das Besondere: Parallel schlug Tianjin damals beim Schweizer Rohwerkehersteller Venus zu und kaufte die Anlagen zur Herstellung des komplizierten Schaltradchronographenkalibers Venus 175.
Mit diesen Anlagen baute Tianjin zwischen 1961 und 1965 über Hundert Prototypen des georderten Luftwaffenchronographen für die Volksbefreiungsarmee. Nach der Abnahme erfolgte die Serienproduktion, die bis 1969 lief. Zwischen 1400 und 1700 Chronographen wurden an die Luftwaffe ausgeliefert.
Die Seagull 1963 ist der offizielle Nachbau des Prototypen der Luftwaffenuhr aus den 60er Jahren und kommt ebenfalls mit dem Schaltradchronographenkaliber auf Basis des Schweizer Venus 175. Es sind verschiedene Varianten erhältlich – die klassischste ist die recht kleine 37 mm-Version mit Plexiglas (Saphirglas ebenfalls erhältlich). Für stärkere Handgelenke gibt es auch eine 42 mm-Version, die allerdings leider nur mit gehärtetem Mineralglas kommt.
Preislich liegen alle Modellvarianten bei knapp unter 300€, zum Beispiel beim Händler Poljot24. Für diesen schicken Retro-Chrono mit aufwendigem Schaldtrad-Kaliber ist das ein fairer Preis. Mehr zur Uhr und zum Hersteller Seagull:
Retro im Weltraum: Quarz-Uhren von Bulova (Moonwatch, Accutron) und TUW Ruhla (Interkosmos)
Retro im Weltraum: Bulova Moon Watch und Accutron
Der 1875 gegründete, in New York ansässige Uhrenhersteller Bulova verfolgt mittlerweile eine klare (Neu-)Ausrichtung auf erschwinglichere Modelle mit Batterieantrieb – gut für alle, die klassische Designs des Herstellers zu guten Preisen bekommen möchten. Schlecht, wenn man sich nicht damit anfreunden kann, auf ein mechanisches Uhrwerk verzichten zu müssen.
Quarzwerk hin oder her: Ein echtes Rennerprodukt des US-amerikanischen Unternehmens ist die Bulova Moonwatch, die mit einem hauseigenen 262 khz-Quarzwerk ausgestattet ist. Die Beliebtheit kommt nicht von ungefähr: Der Chrono wurde im Rahmen einer Apollo-Mission tatsächlich als Ersatzuhr für eine defekte Omega Speedmaster Moonwatch auf dem Mond getragen und 2016 in einer etwas moderneren Variante und zu einem guten Preis neu aufgelegt (Ref. 96B258).
Hier geht’s zu meinem umfangreichen Review inklusive aller geschichtlichen Details:
Wer es noch etwas moderner mag: 2017 folgte auch eine schwarz beschichtete Variante der Bulova Moonwatch mit der Ref. 98A186, die (wie die unbeschichtete Variante) für knapp unter 500€ zu bekommen ist.
Bleiben wir bei Bulova: In den 50ern entwickelte der Schweizer Physiker Max Hetzel für Bulova die Stimmgabel-Technologie, welche damals als präziseste Möglichkeit die Zeit zu messen galt (daher kommt auch das Logo von Bulova – eine stilisierte Stimmgabel). Diese sogenannte Accutron-Technologie (eine Wortneuschöpfung aus Accuracy (Genauigkeit) und Electronic) kam auch auf NASA-Missionen zum Einsatz, fand Anfang der 60er in Form des Modells Bulova Accutron aber auch den Weg an die Handgelenke der breiten Masse. Das besondere: Ein skelettiertes Ziffernblatt, wie man es eigentlich nur bei mechanischen Uhren und nicht bei Quarz-Uhren antrifft…
Mit knapp über 300€ ist die 2014 erschienene, skelettierte Variante der Bulova Accutron (Ref. 98A155) eine leistbare und vor allem ziemlich ausgefallene Uhr. Schade: Es wird leider nur (gewölbtes) Mineralglas verbaut, was für eine Uhr in der Preisklasse eigentlich ein No-Go ist. Mehr über die Bulova Accutron gibt es in meinem Artikel über Weltraum-Uhren.
TUW Ruhla Interkosmos: Neuauflage der Armbanduhr des ersten Deutschen im Weltall, Sigmund Jähn (70er Jahre)
Mit der Bulova Accutron und der Bulova Moonwatch haben wir schon zwei Abstecher ins Weltraum gemacht. Es folgt aber noch ein dritter: Die (moderne) Neuauflage bzw. Neuinterpretation der Ruhla Interkosmos, welche der erste Deutsche im Weltall, Sigmund Jähn, im Jahre 1978 während der Sojus 31-Mission am Handgelenk trug.
Die TUW Ruhla Interkosmos weist im Vergleich zum Original einige Unterschiede auf, kommt aber mit vielen Details, die den Charme der Vorlage gut einfangen (z.B. Gehäuseboden, Interkosmos-Logo, Sonnenschliff). Das Innenleben ist mit einem Schweizer Ronda Quarzwerk eher unspektakulär. Der Durchmesser beträgt 40 mm, die Uhr ist damit also eher etwas für schmalere Handgelenke.
Drei Gehäuse- und zwei Ziffernblattvarianten (schwarz und silber) stehen zur Auswahl. Der Preis ist mit 249€ direkt bei TUW Ruhla in Anbetracht der guten Made in Germany-Qualität recht fair. Mehr über Sigmund Jähn und die Ruhla Interkosmos gibt’s in meinem umfangreichen Review:
Sportliches und puristisches Retro-Design von Junghans und Bulova
Junghans: Puristisches Bauhaus-Design der 50er und 60er Jahre / Max Bill Edition 2018
Ein paar Strichindizes, zwei Zeiger und höchstens noch ein paar Ziffern: Mehr braucht das minimalistische, sogenannte Bauhaus-Design nicht. Das Design stammt aus den 1950er Jahren als Junghans den Schweizer Künstler und Produktdesigner Max Bill mit der Gestaltung einer Küchenuhr beauftragte. Max Bill studierte am sogenannten Bauhaus in Dessau – das hat natürlich nichts mit der gleichnamigen Baumarktkette zu tun, sondern dabei handelt es sich um einen Leitgedanken aus der Architektur.
Ab 1961 hat Max Bill das Bauhaus-Design auch auf Junghans-Armbanduhren übertragen. Uhren in diesem puristischen Design erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Wer sich mit einem (Schweizer) Quarzwerk und Plexiglas anfreunden kann, findet in der Junghans Max Bill für knapp unter 500€ vielleicht seine Freude. Aber Obacht: Der Durchmesser ist mit 38 mm für die Einstiegsmodelle eher was für schmale Handgelenke.
Mehr über die lange und spannende Geschichte von Junghans inklusive aller Höhen und Tiefen gibt’s in meinem Review zur Junghans Meister Driver Day Date.
Wem die circa 500€ für das Original aus dem Hause Junghans zu viel sind, darf auf die junge Micro-Brand Sternglas schielen, die für knapp unter 200€ eine günstige Retro-Alternative mit gewölbtem Saphirglas, Schweizer Ronda Quarzwerk und dezentem 38 mm-Gehäuse bietet. Hier geht’s zu meinem Review.
Bulova Chronograph C: Sportlich-buntes 70er Jahre-Design
Dieser Bulova Retro-Chronograph kratzt hart an der 500€-Grenze: Der Bulova Chronograph C (96K101), welcher natürlich nicht zufällig auch „Stars & Stripes“ in Anspielung an die Farben der US-Amerikanischen Flagge genannt wird. Schön: Die aktuelle Variante ist ziemlich nah dran am Original aus den 70ern – hier eine Original Anzeige:
Und hier die Neuauflage:
Ein wuchtiger Durchmesser von 46 mm, gewölbtes Saphirglas und ein optisch nahtlos integriertes Meshband, welches die Retro-Optik des Chronos exquisit unterstreicht, zeichnen das Modell aus. Schade: Das Valjoux-Automatikwerk des Originals wurde in der Neuauflage durch ein Quarz-Werk ersetzt. Immerhin: Im Bulova Chronograph C kommt Bulovas im eigenen Haus entwickelte Quarz-Technologie zum Einsatz – das Werk tickt mit 262 khz besonders hochfrequent, wodurch der Chronograph C einen schleichenden Sekundenzähler-Zeiger bietet. Darüber hinaus beträgt die Ganggenauigkeit des Quarzwerkes wenige Sekunden pro Jahr – das schaffen „normale“ Quarzwerke nicht mal annähernd und mechanische Uhren natürlich noch weniger.
Mit einem UVP von 750 US-Dollar ist der Chrono in Anbetracht des Quarz-Antriebes nicht grade günstig, bei diversen Händlern aber rabattiert für knapp 500€ zu bekommen.
Eine optisch ähnliche Variante zum Bulova Chronograph C kommt übrigens von einer überaus beliebten Micro-Brand: Die Straton Syncro kommt ebenfalls in einem sportlichen 70er Jahre Design und mit einem eher exotischen Meca-Quarz-Werk. Hier geht’s zu meinem Review des Chronos mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis:
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…Wenigstens:“Meine Wenigkeit“dankt Dir lieber Mario für den liebevollen und informativen Bericht!!! 🙂
LG
THOR