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Ich besitze seit kurzem ein Wasserdichtigkeitsprüfgerät. Marke Eigenbau. Nein, kein filigranes Laborinstrument, sondern eher eine Mischung aus zylindrischer Tauchkammer, Sechskantschrauben, Manometer und eine Prise Größenwahn. Es macht genau das, was der Name verspricht: Es prüft, wie wasserdicht eine Uhr ist – und zwar, wenn man es übertreibt, so lange, bis sie es nicht mehr ist. Denn: Das Gerät ist arbeitet nicht mit Druckluft, sondern tatsächlich mit Wasser und viel Druck. Zur Erläuterung: Uhrmacher arbeiten in der Regel mit Druckluft-Testgeräten, um beispielsweise die Wasserdichtigkeit nach einer Revision zu prüfen. Und da es irgendwie ungeschickt ist eine frisch revidierte Uhr zu fluten, gibt es Testgeräte im Überdruckverfahren wie das unten gezeigte. Das Problem: Die packen „nur“ bis 10 bar (und günstig sind die mit mehreren Tausend Euro auch nicht grade).

Gebaut hat mir das wahnwitzige Gerät Marke Eigenbau übrigens Jannik Dräger von Dräger Zeittechnik – als er seine Eigenkonstruktion in unserem ChronoBros-Livestream präsentierte, juckte es mich dann doch zu sehr – ich musste auch eines haben, um damit „rumzuspielen“!

Dabei geht es selbstverständlich nicht darum, ob eine Uhr die Dusche übersteht oder den Sprung ins Schwimmbecken. Bei mir wird’s durchaus ernst: Ich simuliere Tiefen, die teilweise deutlich über den Herstellerspezifikationen liegen.

Warum ich das mache? Nicht aus Bosheit. Meistens jedenfalls. Sondern weil mancher Hersteller viel verspricht – und wenig hält. Und weil es einfach faszinierend ist zu sehen, wie lange eine Uhr dem Druck tatsächlich standhält. Spoiler: Tatsächlich hat eine Uhr nicht mal im Ansatz die angegebene Spezifikation gepackt und ist jetzt nur noch ein Haufen Schrott.

Tipp: Bewegte Bilder zu diesem Experiment gibt’s hier:

Formex Stratos UTC (10 bar) – 30 bar für 10 Minuten

Das Vorgehen ist denkbar einfach:

1. Uhr in den Zylinder legen (das Band habe ich vorher jeweils demontiert)

2. Behälter bis ca. 3-4mm unter die Kante mit (destilliertem) Wasser füllen

3. Deckel mit integriertem Manometer auflegen

4. Die sechs M6 Muttern gleichmäßig über Kreuz anziehen bis der gewünschte Druck erreicht ist.

Ich wollte mich zunächst mal langsam herantasten und habe die bis 10 bar wasserdichte Formex Stratos UTC im Zylinder versenkt. Durch das Zudrehen der Schrauben habe ich den Druck im Inneren langsam erhöht.

Man beachte: Beim Manometer schauen wir auf die schwarze Skalierung, wobei ein Strich bereits 20 bar entspricht (20-40-60-80-100 etc.). D.h. theoretisch hätte ich bei der Stratos nur bis zur Hälfte des ersten Striches drehen dürfen – nur diese Wasserdichtigkeit garantiert Formex.

Nun, ich wollte es wissen und habe den Druck auf circa 30 bar erhöht und für circa 10 Minute bestehen lassen – und das hat die Stratos UTC (anscheinend) problemlos überstanden! Mehr habe ich mich dann aber ehrlich gesagt nicht getraut, da es sich ja um keinen Diver handelt, sondern um eine GMT-Uhr mit zwei (unverschraubten) Drückern für die Einstellung des GMT-Zeigers (Traveller/True GMT). Außerdem wollte ich noch weitere Erfahrungen sammeln, schließlich war die Stratos mein erstes Versuchsobjekt. Spoiler: Gleich werde ich noch deutlich wagemutiger.

Rolex Submariner (30 bar) – 40 bar für 10 Minuten und Tudor Pelagos LHD (50 bar) – 80 bar für 5 Minuten

Als nächstes habe ich meine bis 30 bar wasserdichte Rolex Submariner „NoDate“ 114060 bis 40 bar ausgesetzt. Da die Uhr schon lange keine Revision mehr genossen hat und ich mir nicht sicher bin, in welchem Zustand die Dichtungen sind, habe ich es dabei auch belassen. Die Rolex hat es auf den ersten Blick gut überstanden – dazu aber gleich mehr im Rahmen des Kondenswassertests.

Meine bis 50 bar wasserdichte Tudor Pelagos LHD nenne ich noch nicht so lange mein Eigen, die Dichtungen müssten also weitgehend in Ordnung sein. Bis auf 80 bar schraubte ich den Druck hoch – die Tudor zeigte sich unbeeindruckt.

Aquatico Super Charger (100 bar) – RIP

Nun wollte ich noch eine günstige Uhr, die mit erstaunlich viel Wasserdichtigkeit gesegnet ist, herausfordern: Die Aquatico Super Charger hat laut Spezifikation satte 100 bar an Bord. Los geht’s: 10 bzw. 20 bar sind schnell „hochgeschraubt“. 30 bar … und … BOOM. Ein gar nicht mal so leiser Knall und ein sofortiger Druckverlust laut Manometer lässt mich erschrecken. Ich löse die Verschraubung und ziehe die Uhr aus ihrer „Badewanne“…

Tipp: Der Knall ist hier in meinem Video zum Test gut zu hören:

Schadensbegutachtung

Sofort ist klar: Das Glas des Gehäusebodens hat den Druck nicht ausgehalten und ist in etliche, ziemlich kleine Scherben zersprungen. Die weggesprengten Glasscherben haben dabei sogar beachtliche Kratzer in der Beschichtung des Aquatico-Rotors hinterlassen. Etliche kleine Scherben haben sich außerdem in der Mechanik verteilt und blockieren den Aufzug. Zifferblattseitig ist deutlicher Wassereinschluss erkennbar, was logischerweise auch den plötzlichen Druckabfall erklärt, da das Wasser sich ja in die Uhr ausbreiten konnte. Totalschaden.

Technisch gesprochen handelte es sich übrigens um eine Implosion. Physikalisch gesehen bedeutet das: Der Außendruck ist so hoch, dass das Gehäuse dem Druckunterschied nicht mehr standhält. Besonders Glas und Gehäusedichtungen sind hier die Schwachstellen. Wenn das Gehäuse nicht perfekt verarbeitet oder das Glas nicht korrekt eingesetzt ist, wird’s dramatisch. Die Uhr knickt ein – nach innen und aus der Uhr wird, wie wir hier sehen, ein Schrotthaufen.

Circula ProTrail (15 bar) und HEINRICH Helicoprion (20 bar) – 60 bar für 60 Minuten

Ich habe mich von der zerstörten Aquatico nicht abschrecken lassen und noch zwei in Deutschland sehr beliebte Microbrands, Circula und HEINRICH, mit dem Wasserdichtigkeitsprüfgerät gequält. Beides sind robuste Stahluhren, aber keine Taucheruhren – trotzdem versuchte ich mein Glück drehte den Druck auf immerhin 60 bar hoch. Per Spezifikation sind die beiden Uhren übrigens „nur“ bis 15 bar (Circula ProTrail) bzw. 20 bar (HEINRICH Helicoprion Edelstein) ausgelegt. Um Zeit zu sparen, haben sich beide ihren Platz im Zylinder geteilt – denn: Ich habe den Druck für einen deutlich längeren Zeitraum aufrecht erhalten, insgesamt rund 60 Minuten… und beide haben immerhin 60 bar Wasserdruck auf den ersten Blick tadellos überstanden (vorbehaltlich des Kondenswassertests)!

Citizen (20 bar) und MAS (20 bar) – 60 bar für 60 Minuten

Abschließend habe ich den Test noch auf eine Citizen Promaster JP2000 und eine Taucheruhr der Microbrand Matthew & Son (MAS) ausgeweitet. Die MAS-Uhr hat ein defektes Werk, daher bitte nicht wundern, wenn diese während des Tests nicht lief.

Spannender war ohnehin das Ergebnis im Zusammenhang mit der Promaster: Relativ schnell nach Beginn der Erhöhung des Drucks im Zylinder über die Schrauben, quittierte diese mein Tun mit einem PIEP – wie im Video zu hören. Ich dachte mir erst mal nichts dabei und habe weitergemacht und den Druck auf über 60 bar erhöht und ebenfalls für 60 Minuten bestehen lassen.

Während die MAS-Uhr offenbar unbeschadet aus der Badewanne kam, zeigte die Citizen in ihrem Display einen Fehler an (ER). Offensichtlich steht die Fehlermeldung mit Blick auf die Anleitung im Zusammenhang mit der Messung des linksseitig angebrachten Tiefenmessers, der mit der rapiden Druckerhöhung nicht klar kam. Später verschwand der Fehler wieder ohne mein Zutun.

image

Das Problem: Leider waren alle drei Drücker nicht mehr ansprechbar – sie reagierten schlicht nicht mehr, auch nicht nach mehreren Stunden. Ich habe daher den Reset laut Anleitung durchgeführt und die Drücker funktionierten dann (zum Glück!) wieder:

Haben die Uhren den Test wirklich unbeschadet überstanden? Kondenswassertest

Die Uhren von Formex, MAS, Tudor und Rolex, haben den Test scheinbar gut überstanden. Besonders überrascht haben mich die beiden Uhren der Microbrands Circula und HEINRICH, die trotz deutlich Überschreitung der Spezifikation über eine Stunde, den Wasserdruck scheinbar ohne Klagen überstanden haben. Doch sind alle vier Uhren wirklich dicht geblieben oder haben sich vielleicht kleinere Mengen Wasser ins Gehäuse gedrückt, an den Dichtungen vorbei?

Nun, das lässt sich zum Glück leicht herausfinden: Der Kondensationstest, gemäß DIN/ISO verlangt, dass die zu testenden Uhren erst mal auf einer Heizplatte bei 40 °C bis 45 °C „angegrillt“ werden. Ich habe zu diesem Zweck einfach eine handelsübliche Heißluftfritteuse benutzt (und vorsichtshalber meiner Frau Bescheid gegeben, dass ich mir grade kein Essen mache und eine Erhöhung der Temperatur nicht so geschickt wäre).

Auf das Glas der (warmen) Uhr wird dann ein Tropfen Wasser, ein feuchtes Filz-Tuch oder ein feuchtes Kissen mit einer Temperatur zwischen 18 °C und 25 °C gelegt. Ich habe dazu einfach ein feuchtes Zewa genommen. Nach etwa 1 Minute wird das Glas wieder trocken gewischt.

Bildet sich kein Kondenswasser auf der Innenseite der Uhr, gilt der Test als bestanden. Der Effekt, der hier ausgenutzt wird, kann beispielsweise an kalten Winter-Tagen bei Fenstern beobachtet werden: Ist die Temperaturdifferenz zwischen Innen und Außen sehr groß, so bildet sich Kondenswasser.

Gute Nachrichten: Alle Uhren haben den Wasserdruck offenbar unbeschadet überstanden, d.h. es war auch bei genauerem Hinsehen keinerlei Kondenswasser zu erkennen:

Zum Vergleich: So sah in das Gehäuse eingedrungenes Wasser nämlich mal bei meiner Vintage-Pepsi aus – das Glas ist auf der Innenseite (!) deutlich beschlagen, und zwar nicht nach der Behandlung der Uhr unter hohem Druck, sondern einfach nur nach dem Händewaschen. Das Kondenswasser zeigte sich deutlich, nachdem ich im Winter aus der Kälte ins kuschelig warme Heim kam – quasi der Kondenswassertest „in echt“.

Uhrenglas beschlagen – was tun? Beispiel Wasserschaden einer alten Rolex

Apropos ISO: Die ISO-Norm verlangt mit Blick auf den Überdruck-Test das folgende Vorgehen:

  • Die Uhr muss in Wasser versenkt werden (danke, Captain Obvious)
  • Es wird ein Überdruck von 25 % über dem angegebenen Nennwert der Uhr aufgebaut (Δp = (L + 0,25·L), mindestens aber 10 bar. Wenn beispielsweise eine Taucheruhr auf 200 Meter (20 bar) ausgelegt ist, beträgt der angewandte Test-Druck 25 bar. 
  • Dieser Druck muss innerhalb von 10 Minuten nach dem Eintauchen der Uhr aufgebaut und 120 Minuten lang aufrechterhalten werden.
  • Der Überdruck muss dann innerhalb von 10 Minuten auf 0,3 bar reduziert werden und wiederum 60 Minuten lang aufrecht erhalten werden.

Nun, das ist ein deutlich längerer Zeitraum als der, den wir hier gezeigt haben (bis zu 60 Minuten), allerdings habe ich dazu mit Uhrmacher Leon gesprochen und er bestätigte mir, dass aussagekräftige Ergebnisse natürlich auch schon nach kürzeren Zeiträumen möglich sind (und, das am Rande, ein durchschnittlicher Tauchgang geht ja nun auch nicht grade drei Stunden, sondern oftmals „nur“ unter eine Stunde).

Mehr: Taucheruhren nach DIN/ISO: Die Normen ISO 6425 / DIN 8306 leicht verdaulich erklärt

Limitationen

Natürlich sei auch noch mal erwähnt, dass der von mir durchgeführte Test natürlich etwas unfair ist. Denn: Wasserdichtigkeit ist keine bleibende Eigenschaft. Es kann also gut sein, dass die zerstörte Aquatico in irgendeiner Form „vorbelastet“ war. Und mit Blick auf die Aquatico sei auch noch erwähnt, dass der hier gezeigte Testaufbau mit sich bringt, dass der Druck eher stoßartig und nicht gleichmäßig erhöht wurde (bei der Taucheruhren-DIN/ISO: gleichmäßig innerhalb von 10 Minuten) – und das ist einfach eine zusätzliche Belastung für das Glas.

Davon mal abgesehen war es spannend zu sehen, dass nicht nur die „großen“ Marken wie Tudor und Rolex sich im Test tadellos geschlagen haben, sondern auch die kleineren, wobei ich insbesondere von der HEINRICH und der Circula beeindruckt war – diese haben ein vielfaches ihrer Spezifikation für immerhin eine Stunde standgehalten. Respekt!

Mehr:

Wasserdicht bis 10 atm & Co. – was bedeuten diese Angaben auf einer Uhr?

Rolex-Mythos: Die erste wasserdichte Uhr der Welt?


Prüfschritte und Prüfgeräte für die Wasserdichtigkeit in der Produktion am Beispiel der Glashütte Original SeaQ [Wissenshäppchen]


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Michael R.
23 Stunden zurück

Danke für diesen außergewöhnlich Selbsttest. Hast Du mal bei Arquatico nachgefragt, was sie dazu sagen?

Lord Cord
7 Tage zurück

Mal ab von der ernsten Botschaft und der Überraschung bei der Aquatico:

Weltklasse! Das ist ein Test nach meinem Geschmack – let´s all make a bomb! Herrlich! Ein Meilenstein der Uhrobloggerei! Und nein, dafür werde ich nicht bezahlt! Ich mag es halt, wenn es knallt und zischt und ich finde es sehr gut, wenn Herstellerangaben so überprüft werden! Großes Kino. Von dem Film hätte ich auch den Director´s Cut gern gesehen. Mit Outtakes! Spitze, danke Mario!!!