Vor kurzem habe ich mich ausführlich mit der Wasserdichtigkeit von Uhren beschäftigt. Dort habe ich nur kurz das Thema Prüfgeräte bzw. Prüfschritte geschnitten, weshalb ich gerne noch etwas detaillierter darauf eingehen möchte – konkret am Beispiel der Glashütte Original Taucheruhr SeaQ, eine Retro-Neuauflage der Spezimatic Typ RP TS 200 aus dem Jahre 1969. Wusstet ihr beispielsweise, dass jede einzelne SeaQ-Taucheruhr zunächst erhitzt und dann mit einem getränkten Filz-Stück abgetupft wird? Warum dem so ist, erfahrt ihr in diesem Wissenshäppchen!
Die Prüfschritte zur Taucheruhren-Norm DIN 8306 bzw. ISO 6425 im Hause Glashütte Original (Modell SeaQ)
In einem internen Prüfverfahren nach Taucheruhren-Norm DIN 8306 bzw. ISO 6425 wird jede einzelne Uhr begutachtet und getestet – das sind die einzelnen Schritte bei Glashütte Original:
- Test auf Feuchtigkeit in der Uhr
- Ermittlung der Dichtigkeit bei Unter- und Überdruck
- Messung der durchfließenden Luftmasse
- Prüfung der Wasserdichtigkeit
- Außentrocknung
- Test auf Feuchtigkeit in der Uhr
- Ganggenauigkeitsprüfung und Feinregulierung unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Temperatur), visuelle Inspektion
Schauen wir uns die Prozedur nun etwas genauer an:
1. Test auf Feuchtigkeit in der Uhr: Glashütte Original heizt der SeaQ zunächst ordentlich ein – die Taucheruhr wird im allerersten Schritt für 30 Minuten auf einer Heizplatte auf 40 bis 45 °C erwärmt…
… und dann mit einem nass-kalten Stück Filz bedeckt. Der Effekt, der hier ausgenutzt wird, kann beispielsweise an kalten Winter-Tagen bei Fenstern beobachtet werden: Ist die Temperaturdifferenz zwischen Innen und Außen sehr groß, so bildet sich Kondenswasser.
Sollte sich Feuchtigkeit innerhalb der Uhr befinden, würde sich diese nun als Kondenswasser an der Innenseite des Glases zeigen. Wenn dem (hoffentlich) nicht so ist, darf die Uhr weiter zum nächsten Test…
2. Ermittlung der Dichtigkeit bei Unter- und Überdruck (Luftdruck-Prüfung): Die Glashütte Original SeaQ wird als nächstes in einer kleinen Kammer eines Sigma Electronic Prüfgerätes eingesperrt und einem Unterdruck von 0,2 bar ausgesetzt. Dies simuliert eine Verwendung der Uhr in großer Höhe (wie beispielsweise im Flugzeug) und führt zu einem Überdruck in der Uhr.
Anschließend wird die SeaQ einem Überdruck von 125 % ausgesetzt, um große Wassertiefen zu simulieren. Modelle wie die SeaQ, die per Spezifikation eine Wasserdichtigkeit von 20 bar mitbringen, werden also beispielsweise mit 25 bar geprüft. Oder kurz gesagt: Der Prüfdruck ist immer höher als die Spezifikation der Uhr besagt.
Im Prüfgerät kommt Luftdruck zum Einsatz, denn es wäre ja auch irgendwie ungeschickt eine möglicherweise undichte Uhr direkt am Anfang der Testreihe mit echtem Wasser zu fluten, oder? 😉
Juweliere prüfen die Wasserdichtigkeit ebenfalls mit solchen Luftdruck-Prüfgeräten. Gängig ist beispielsweise der Witschi Proofmaster.
3. Messung der durchfließenden Luftmasse: Im nächsten Schritt wird in einem Prüfgerät von Deltarox mit Hilfe von Luft ein Überdruck von 2 bar erzeugt. Dabei wird automatisch gemessen, wie viel Luft in die Uhr diffundiert, d.h. eindringt. Die Messung erfolgt hier auf das 5-Millionstel-Gramm genau.
4. Prüfung der Wasserdichtigkeit (Wasserbad): Nun geht es zur Sache: Die Uhr wird erneut einem Überdruck von 125% ausgesetzt – dieses mal aber in destilliertem Wasser. Dieser Überdruck wird eine Zeit lang gehalten, laut ISO bzw. DIN sind mindestens 5 Minuten vorgeschrieben. Anschließend wird in einer zweiten Phase der Überdruck sukzessive auf 0,3 bar abgesenkt. Dieser Prüfschritt ist sehr ähnlich zu Schritt zwei, nur mit dem Unterschied, dass nun tatsächlich “echtes” Wasser zum Einsatz kommt…
5. Außentrocknung: Nach der Wasserdichtigkeitsprüfung im Wasserbad wird die SeaQ unter einem Luftvorhang rotierend äußerlich getrocknet. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich vor der abschließenden Kondenswasserprüfung keine Restfeuchtigkeit am Gehäuse der Uhr befindet.
6. Test auf Feuchtigkeit in der Uhr: Sicher ist sicher – die SeaQ wird abschließend nochmals 30 Minuten auf 40 bis 45 °C erhitzt. Danach wird erneut ein feuchtes Stück Filz für eine Minute auf die Oberseite des Glases gelegt. Wenn kein Kondensat an der Innenseite des Glases auftritt, hat die Uhr die gesamte Prüfstrecke erfolgreich absolviert.
7. Feinregulierung: Nach bestandenen Tests wird die Ganggenauigkeit der Uhr getestet und ggf. durch Feinregulierung auf Vordermann gebracht. Zum Einsatz kommt dabei zum Beispiel eine Art Karussell für Uhren, mit dem wechselnde Lagen simuliert werden können (sogenannter Alternating Position Test)…
… sowie ein Gerät mit dem die Uhren Temperaturschankungen ausgesetzt werden:
Die Ganggenauigkeit wird dann bei jeder einzelnen Uhr mindestens 100 Stunden lang geprüft. Tanzt eine Uhr mit schlechten Gangwerten aus der Reihe, so muss sie zur Feinregulierung. Nach der Feinregulierung muss die Uhr erneut alle Prüfschritte über sich ergehen lassen, da der Uhrmacher dafür den Boden der Uhr öffnen muss – er muss nämlich direkt am Werk einen kleinen „Hebel“, den sogenannten Rücker, betätigen, um die Ganggenauigkeit zu verbessern.
Was passiert technisch beim Betätigen des Rückers? Die Frequenz der Unruh, dem Herzen jeder mechanischen Uhr, lässt sich durch Änderung der wirksamen Federlänge einstellen. Durch Betätigen des Rückers wird die wirksame Länge der Unruh-Feder verändert – bei einer kürzeren Spirale schwingt die Unruhe schneller; eine länger wirksame Spirale lässt die Unruhe langsamer schwingen so lässt sich der Vor- bzw Nachgang regulieren. Mehr dazu in diesem Artikel.
Bevor die Uhren in den Verkauf gehen werden sie abschließend noch einer visuellen Inspektion unterzogen…
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Hallo
Zur Sache mit der Wasserdichtigkeit:
Einige Hersteller (u.a. Longines) geben auch Uhren, die für 5ATM getestet wurden, zum Schwimmen frei (vgl. https://www.longines.com/uploads/customerservice/userguide/technical/pdf/DE_screw-down-case-back-screw-in-crown.pdf).
Zweitens: Das Gerücht, dass man beim Schwimmen/Baden mehrere Bar über dem Umgebungsdruck auf die Uhrendichtungen aufbauen könne, scheint sich hartnäckig zu halten. Schon ein Bar mehr wären eine “Hausnummer”. Vorsichtig sollte man höchstens sein, wenn man vom Sprungbrett ins Wasser springt.
Ein anderes Problem sind die schnellen Temperatursprünge, wenn man mit einer Uhr bei Hitze an der Sonne war und anschliessend ins kühle Nass geht. Das kann sogar die Dichtungen von Taucheruhren überfordern.