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Fliegeruhren sind (gleich nach Taucheruhren) wohl die beliebteste Uhrenkategorie überhaupt. Der Knackpunkt: Während es eine weit verbreitete offizielle Norm gibt, die die Merkmale einer zum Tauchen geeigneten Uhr definiert, gibt es keine solche einheitliche Definition oder Norm für Fliegeruhren – mit Ausnahme der DIN 8330 (früher: TESTAF), die von Sinn und anderen Firmen ins Leben gerufen wurde, die allerdings keine flächendeckende Bedeutung im Bereich analoger Uhren hat. Optische und technische Eigenschaften von Fliegeruhren sind also deutlich heterogener als bei Taucheruhren.

Grundlagen: Fliegeruhren

Mit dem technologischen Fortschritt wurden klassische Fliegeruhren über die Jahrzehnte langsam aber sicher weniger wichtig – unter anderem aufgrund von heute gängigen Mehrfach-Redundanzsystemen, die beim Ausfall eines Gerätes oder bei einer Störung die Betriebssicherheit des Systems erhalten – also quasi wie ein Reserverad, das automatisch einen platten Reifen ersetzt.

Und so wandelten sich Fliegeruhren langsam zu Hilfs- bzw. Backupgeräten – denn es gilt damals wie heute: Wenn die Borduhr ausgefallen ist, bleibt das Flugzeug am Boden.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Es gibt auch heute noch Piloten, die darauf trainiert sind, komplett ohne moderne Hilfsmittel zu fliegen. Einige nutzten dabei auch klassische Armbanduhren. Ein Beispiel ist der sogenannte Zero-G-Turn, der mit oder ohne moderne Ausrüstung durchgeführt werden kann: Eine schöne und sanfte Drehung eines Flugzeugs kann durch eine Drehung um drei Grad pro Sekunde erreicht werden (drei Grad pro Sekunde entsprechen nach Adam Riese 180 Grad pro Minute) – dafür kann man beispielsweise eine Uhr mit einem sehr deutlich sichtbaren Sekundenzeiger verwenden. Und da sind wir auch schon beim ersten, wesentlichen Merkmal, denn aus beschriebenem Grund verfügen “waschechte” Fliegeruhren meistens über einen großen zentralen Sekundenzeiger.

Fliegeruhren haben ferner normalerweise ein eher schlichtes, aufgeräumtes und auf das Wesentliche reduzierte, funktionale Design und sind eher groß – das macht sie in der Regel hervorragend ablesbar – auch bei schlechten Lichtverhältnissen.

Ausnahmen bestätigen aber wie immer die Regel: Einer der Fliegeruhren-Klassiker und das Flaggschiff von Breitling, die Navitimer, besticht zwar nicht grade durch gute Ablesbarkeit, hat aber eine für Piloten durchaus sinnvolle Funktion an Bord: Eine Rechenschieber-Lünette (dazu gleich mehr).

Als die allererste Fliegeruhr wird oft diejenige Armbanduhr betrachtet, die Louis Cartier für den Luftfahrtpionier Alberto Santos-Dumont gebaut hat. Mit seinen römischen Ziffern und dem eckigen Blatt (und damit auch eckiger Minuterie) war die Ablesbarkeit nach späteren Maßstäben allerdings alles andere als perfekt – anders als bei den im militärischen Kontext gefertigten Fliegeruhren im Zweiten Weltkrieg, die vor allem voll auf Ablesbarkeit und Funktionalität abzielten, mit hohem Kontrast, perfekt ablesbaren Ziffern und viel Leuchtmasse (früher Radium). So entstanden, den militärischen Spezifikationen folgend, Klassiker wie die A-Muster-Beobachtungsuhren…

Ablesbarkeit: Dreieck mit zwei Punkten

Historisch betrachtet geht der Allzeitklassiker, das A-Muster-Zifferblatt, auf den Zweiten Weltkrieg zurück, als das Reichsluftfahrtministerium (RLM) Zeitmesser für die Navigatoren an Bord von Langstreckenflugzeugen wie beispielsweise der Heinkel He 111 herstellen ließ. Historische Hersteller dieser Beobachtungsuhren waren beispielsweise Laco, Stowa und IWC.

Bei genauerem Hinsehen entdecken wir bei den schlichten A-Muster-Beobachtungsuhren ein klassisches Merkmal, das sich heute bei vielen Fliegeruhren wiederfindet: ein zentrales Dreieck mit zwei Punkten – ein charakteristisches Merkmal, das aus Gründen der besseren Ablesbarkeit statt der arabischen „12“ zum Einsatz kommt. Das Dreieck sorgt (damals wie heute) dafür, dass der Träger der Uhr auch im hektischen Alltag und bei schlechten Sichtverhältnissen selbst mit einem flüchtigen Blick die Stellung der Zeiger zur „12“ erkennen kann. 

Das Dreieck ist auch in ähnlicher Form beim Baumuster B an Bord, nur dass statt der arabischen Zahlen 1 bis 11 die Sekunden/Minuten in 5er-Schritten aufgedruckt sind. Die klassische Stunden-Einteilung von 1 bis 12 wiederum befindet sich in einem zusätzlichen Innenring.

Die genaue Funktionsweise dieser Uhren ist sehr schön vom Sammler und Experten Konrad Knirim zusammengefasst. Die Piloten selbst schnallten sich übrigens in der Regel Chronographen ums Handgelenk, z.B. von Hanhart oder Tutima, als Reserve, falls eine Borduhr ausfallen sollte (dazu gleich mehr).

Fliegeruhren mit Chronographen-Komplikation

Atlantiküberquerungen waren in den Anfängen der Luftfahrt offenbar ein Magnet für tollkühne Pilotinnen und Piloten: Nach John Alcock und Arthur Whitten Brown (1919) sowie Charles Lindbergh (1927) wirbelte eine Dame diese von Männern dominierte Domäne ordentlich durcheinander: Die US-amerikanische Pilotin Amelia Earhart war – fünf Jahre nach Lindbergh – die erste Frau, die allein über den Atlantik flog: von Kanada auf eine Kuhwiese in Irland, wo Earhart entgegen aller Gerüchte bei der Landung aber keineswegs eine Kuh umgemäht hat – “außer sie ist vor Angst gestorben”, wie sie mit ihrem trockenen Humor damals zu Protokoll gab.

Zusätzliche Stoppuhrenfunktionen in Form von Chronographen setzten sich damals allmählich durch – mit dabei bei Earharts Ausflug daher: ein 35 mm kleiner Longines Eindrücker-Chronograph mit dem Handaufzugskaliber 13.33Z, welcher sie unter anderem bei der Navigation unterstützte.

Mehr: Uhren mit Chronograph-Komplikation einstellen, Definition und technische Funktion

Mechanische Flieger-Chronographen gibt es heute von vielen Anbietern, beispielsweise von den historisch spannenden Herstellern Laco, Fortis oder IWC – darunter auch Varianten mit Fliegerdrehring…

Für Kursänderungen & Co.: Fliegerdrehring

Viele Fliegeruhren kommen mit einem Drehring bzw. einer Lünette, die in der Regel (anders als bei Taucheruhren) bidirektional drehbar ist, d.h. in beide Richtungen. Historisch betrachtet ermöglicht(e) eine solche Fliegeruhren-Lünette die Unterstützung des Piloten bei der Navigation. Zwar hat der Pilot natürlich in der Regel schon vor dem Start eine ziemlich genaue Vorstellung über die geplante Flugstrecke, am Ende des Tages muss er aber natürlich irgendwie berechnen, wo denn nun in welchem Winkel „abgebogen“ werden muss. Insbesondere bei Kursänderungen über dem Meer konnte sich der Pilot schließlich an keinen visuellen Anhaltspunkten am Boden orientieren (Fliegen „auf Sicht“, z.B. anhand des Küstenverlaufs). Heute ermöglicht die moderne Satellitennavigation (GPS, GLONASS oder Galileo) eine auf wenige Meter genaue Positionsbestimmung, weshalb eine drehbare Lünette aus funktionaler Sicht in der Regel nicht mehr notwendig ist – aber zu einer analogen Fliegeruhr natürlich irgendwie dazu gehört und sicherlich von dem einen oder anderen Hobbypiloten auch noch entsprechend genutzt wird.

Eher ein Exot ist die heutige Sinn 717 mit innenliegendem (!) Drehring, die auf der Grundlage eines militärischen Bordchronographen lanciert wurde. Der Hintergrund: Damals, bei der Ausschreibung zur Ausstattung des Panavia 200 (PA-200) Tornado mit Bordchronographen, hatte sich überraschenderweise nicht Junghans, sondern die im Jahre 1961 vom Piloten Helmut Sinn gegründete und seit je her auf Fliegerchronographen spezialisierte Sinn Spezialuhren GmbH durchgesetzt. 

Bis heute sind Borduhren des Typs Sinn NaBo 17 ZM in Tornado-Mehrzweckkampfflugzeugen der Bundeswehr im Einsatz. Darüber hinaus wird der NaBo 17 ZM im Starfighter F-104, im Seefernaufklärer Breguet Atlantic sowie in Bundeswehr-Hubschraubern wie dem Bölkow Bo 105 eingesetzt.

Charakteristisch für die Sinn 717: Das Gehäuse des Modells kommt mit einem innenliegenden Fliegerdrehring, welcher mitsamt des Saphirglases stufenlos und bidirektional am Außendurchmesser der Uhr bedienbar ist. Da die Skala innen läuft, hat sie eine größere Nähe zur Skala auf dem Zifferblatt und zu den Zeigern – das soll die Justierung des Drehrings und die Ablesbarkeit verbessern.

Abrutschsicher: Geriffelte Lünette mit roter Markierung

Einige Fliegeruhren kamen und kommen mit einem kannelierten, griffigen Drehring mit einem roten Markierungsstrich, der sich stufenlos in beide Richtungen drehen lässt.

Die rote Markierung auf der geriffelten Drehlünette von solchen Fliegeruhren kann als Count-Up- oder Countdown-Lünette verwendet werden, um beispielsweise die Navigation oder Bombenangriffe zu überwachen. Die Piloten verließen sich auf Karten, um die Zeit zu bestimmen, zu der sie bestimmte Orientierungspunkte erreichen würden. Wenn sie die rote Markierung am Minutenzeiger setzten, konnten sie die verstrichenen Zeiten schnell ablesen. Die Kerben an der Lünette ermöglichen eine präzise, rutschfeste Bedienung.

Tutima war einer der historischen Hersteller solcher Chronographen im Zweiten Weltkrieg: Die Geschichte von Tutima beginnt im sächsischen Glashütte mit der Gründung der Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG (UROFA) und der Uhrenfabrik Glashütte AG (UFAG). In den 1920ern startet der erst 27-jährige Dr. Ernst Kurtz die Produktion der ersten Glashütter Armbanduhren. Bald wurden die Uhren unter der Marke Tutima (vom lateinischen tutus für sicher, geschützt) vertrieben. Zum Meilenstein der Markengeschichte avanciert 1941 die letzte Entwicklung der UROFA-UFAG: der Zwei-Drücker-Fliegerchronograph „Tutima“ mit geriffelter Lünette.

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Pittigrilli, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Damit’s schneller geht: Flyback-Fliegeruhren

Die Heuer 1550 SG ist der offizielle Bundeswehr-Fliegerchronograph der 60, 70er und 80er Jahre (mehr dazu im Artikel über Bundeswehr-Uhren). Der Flieger-Chronograph folgte damals den vorher zum Einsatz kommenden, deutschen Modellen Hanhart 417 und Junghans J88. Die heute bei Vintage-Sammlern extrem beliebte Heuer 1550 SG kam unter anderem beim fliegenden Personal von Heer, Marine und Luftwaffe (z.B. Starfighter-Piloten) sowie bei den Fernspähtruppen zum Einsatz. Die Besonderheit: Eine Flyback-Funktion.

Ein Flyback-Chrono zeichnet sich dadurch aus, dass er im laufenden Betrieb zurückgesetzt werden kann und dann wieder sofort weiterläuft, ohne dass man ihn vorher stoppen muss – und das ist insbesondere in der Fliegerei eine wertvolle Funktion, denn dort gibt es oftmals die Herausforderung, dass die Länge von mehreren, unmittelbar aufeinander folgenden Zeitintervallen separat (also nicht additiv) gemessen werden muss. So muss ein Pilot beispielsweise mit einer bestimmten Geschwindigkeit zunächst 20 Sekunden in eine bestimmte Richtung fliegen und anschließend 45 Sekunden lang in eine andere.

Mit anderen Worten ist der Flyback-Mechanismus nützlich, um das sofortige, verzögerungsfreie Messen eines neuen Zeitintervalls durch die Betätigung des Reset-Drückers zu ermöglichen (bei einem “normalen” Chronographen ohne Flyback-Funktion passiert beim Betätigen des Reset-Drückers einfach gar nichts, solange die Zeitmessung läuft).

Genauer:

  • das Stoppen der laufenden Messung,
  • die Rückstellung des zentralen Chronographen-Zeigers und
  • das erneute Auslösen einer neuen Messung

…lassen sich “in einem Abwasch” erledigen, d.h. der zentrale Chronographen-Zeiger kann mit einer einzigen Drückerbetätigung in die Nullstellung zurückgebracht werden, ohne dabei die Messung zu unterbrechen.

Ein weiteres historisches Beispiel für einen Flyback-Chrono ist die Breguet Type 20 Fliegeruhr. Diese ersten Modelle wurden vom Valjoux 222 angetrieben, einem Flyback-Chronographenkaliber mit einer Frequenz von 2,5 Hertz. Das Modell wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren von der französischen Marine bei Breguet in Auftrag gegeben.

Lesetipp: Bundeswehr Uhren: Historische Klassiker und aktuelle Armbanduhren deutscher Soldaten und Offiziere

Fliegeruhren-Bedienbarkeit: Diamant- und Zwiebelkrone

In den Pioniertagen der Luftfahrt flogen Piloten in ungeheizten Cockpits. Da sie starker Kälte ausgesetzt waren, wurden sie mit dicken Handschuhen ausgestattet. Eine markante Krone war ein entscheidendes Merkmal, um die Uhr auch mit behandschuhten Händen leicht bedienen zu können. Ein Beispiel: Um die exakte Uhrzeit einstellen zu können, waren die Uhrwerke von Fliegeruhren in der Regel in der Lage, den zentralen Sekundenzeiger durch Ziehen an der Krone zu stoppen (sogenannte “Hacking”-Funktion).

Aus diesem Grund waren die meisten Fliegeruhren mit übergroßen Kronen ausgestattet (sogenannte “Big Crown”-Uhren). Durchgesetzt haben sich zwei Formen: Zwiebel (abgerundet) und Diamant (konisch).

Die Longines Type A-7 1935 beispielsweise basiert auf dem gleichnamigen Eindrücker-Chronographen, der von Longines in den 1930er Jahren für das U.S. Army Air Corps produziert wurde. Das Auslösen der Chronographen-Funktion ist hier integriert in die große Zwiebelkrone. Und nein, ihr habt keinen Knick in der Optik: Die „schiefe“, um 45° versetzte Zifferblatt-Konstruktion wurde exakt so in einem umfangreichen Pflichtenheft gefordert, damit die US-Kampfpiloten die Informationen von der Uhr ablesen konnten, ohne die Hände vom Steuerknüppel nehmen zu müssen.

IWC wiederum hat sich beispielsweise bei der Big Pilot für die schärfere, konische “diamantförmige” Krone entscheidet (inspiriert von denen der Beobachtungs-Uhren). Anzumerken ist, dass IWCs Fliegeruhren-Geschichte schon vor dem 2. Weltkrieg startete: Die erste 1936 bei IWC gebaute Fliegeruhr, die Spezialuhr für Flieger, verfügte bereits über stabiles Glas, eine Drehlünette mit Registrierzeiger für Kurzzeitablesung, ein antimagnetisches Kaliber sowie stark kontrastierende, nachleuchtende Zeiger und Zahlen.

Präzision zählt: Weicheisenkäfig bei Fliegeruhren

Auch Genauigkeit und Präzision sind bei Fliegeruhren hoch im Kurs, Magnetfeldabschirmung ist daher durch die historische Brille betrachtet stets ein relevantes Thema in der Geschichte der Aviatik gewesen. So sind beispielsweise die Ablenkspulen von Radarschirmen, die sich in Flugzeugcockpits und Bodenstationen befinden, magnetisch und können einen negativen Einfluss auf die Ganggenauigkeit einer mechanischen Uhr ohne speziellen Magnetfeldschutz haben. Auch Stromkreise in Flugzeugen erzeugen Magnetfelder. Der Einsatz eines abschirmenden Weicheisenkäfigs in einer Fliegeruhr ist also absolut sinnvoll.

Schon Beobachtungsuhren im Zweiten Weltkrieg wie jene von Laco kamen mit solch einem Schutz: Im Inneren des mit 55mm übergroßen Gehäuses war das Uhrwerk von einem Eisenkern umgeben, was die B-Uhr antimagnetisch machte. Ein weiteres Beispiel ist die IWC Mark XI mit Weicheisenkern, die bei der britischen RAF (Royal Air Force) und der FAA (Fleet Air Arm) ab 1949 und bei der RAAF (Royal Australian Air Force) ab 1950 zum Einsatz kam.

Mit dem Aufkommen antimagnetischer Materialien sind moderne Fliegeruhren immer weniger mit solch schweren, platzraubenden Käfigen ausgestattet. Denn: Mechanische Uhrwerke kommen zunehmend mit amagnetischen Komponenten wie Silizium, weshalb ein solcher Weicheisenkäfig nicht mehr ganz so großen Nutzen hat. Dennoch kommen auch heute noch Fliegeruhren mit diesem Merkmal, so wie die IWC Mark XX oder die Laco Hamburg (GMT) DIN 8330: Der Weicheisenkäfig setzt sich hier zusammen aus Zifferblattunterseite, Werkhaltering und Zwischenboden aus reinem Eisen, wodurch typischerweise Magnetismus von bis zu 1000 Gauss weggesteckt werden kann (entspricht 100 Millitesla (mT) 0der 80.000 Ampere pro Meter (A/m)).

Mehr: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag

Fliegeruhren-Rechenhilfe: Rechenschieber-Lünette von Breitling

Während des zweiten Weltkriegs, im Jahre 1942, gelang Breitling ein Durchbruch mit dem Breitling Chronomat, eine Wortschöpfung aus Chronograph und Mathematik. Man braucht jetzt kein Genie zu sein, um festzustellen, dass mit dem Chronomat damals schon Kalkulationen über den integrierten Rechenschieber möglich waren. Der Chronomat kam beispielsweise bei der United States Air Force (USAF) zum Einsatz.

Im Jahre 1952 war es endlich soweit: Die erste Breitling Navitimer kam auf den Markt, angetrieben vom Handaufzugswerk Venus 178. Das Modell, dessen Name eine Wortneuschöpfung aus Navigation und Timer ist, ist eine Weiterentwicklung des Breitling Chronomat: Mit der Rechenschieber-Lünette der Navitimer war es nun – neben Dreisatzrechnungen, Mulitplikation und Division – auch möglich speziell für die Luftfahrt benötigte Kalkulationen durchzuführen.

Die Rechenschieber-Lünette ermöglichte zum Beispiel das Umrechnen von Kilometer in Meilen oder die Kalkulation von Treibstoffverbrauch, zurückgelegter Wegstrecke, Steig- und Sinkflugrate etc. – oder kurz gesagt: Berechnungen, die insbesondere für Piloten damals einen großen Nutzen boten, im digitalen Zeitalter nunmehr aber für wahrscheinlich 99,9999% der Navitimer-Träger bloße Spielerei sind. Was bleibt ist aber die charakteristische Optik der Navitimer.

Dennoch ist die Funktionsweise der Rechenschieberlünette nach wie vor so genial wie spannend – hier einige konkrete Beispiele (Bilder aus dem Breitling-Chronolog 06):

Übrigens: Aus Frankfurt kommt eine vergleichsweise günstige Alternative zur Breitling Navitimer: Die Sinn 903. Die Sinn 903 ist aber keine bloße Designkopie, sondern hat einen geschichtlichen Hintergrund: Als Breitling in den 70ern infolge der Quarzkrise die Pforten schließen musste, wurden etliche Uhrenkomponenten von Helmut Sinn aufgekauft. Sinn baute also quasi in Frankfurt die Navitimer unter dem Namen Sinn 903 weiter. Als die alten Teile von Breitling aufgebraucht waren, hat Sinn die Produktion nach dem Vorbild der Navitimer fortgeführt. Erst in den 80ern ließ Breitling die Navitimer wieder aufleben und musste sich dem selbst geschaffenen neuen Navitimer-Wettbewerber stellen.

Fliegeruhren für Zeitzonen-Hopper: GMT-Komplikation

Die Rolex GMT-Master wurde erstmalig 1955 in Form der Referenz 6542 lanciert. Historisch betrachtet ist das kein Zufall: Die zivile Luftfahrt im Allgemeinen und Transatlantikflüge im Speziellen erlebten in den 50ern einen immensen Aufschwung: Früher war die Reise über den Ozean ein für die breiten Massen unerschwinglicher Luxus. Das änderte sich erst in den 1950er-Jahren allmählich, als das US-Luftfahrtunternehmen Pan Am eine Vorreiterrolle einnahm und 1958 mit Boeings vierstrahligem Langstrecken-Flieger 707 den täglichen Verkehr zwischen USA und Europa aufnahm.

Berufspiloten und Flugpersonal äußerten damals zunehmend den Wunsch nach einer zuverlässigen Armbanduhr mit der Anzeige von Orts-und Heimatzeit, um beim transatlantischen Zeitzonen-Hopping nicht den Überblick zu verlieren – und so kam es schließlich zur Entwicklung der Rolex GMT-Master mit GMT-Komplikation. Das charakteristischste Merkmal der Rolex GMT-Master, die bidirektionale blau-rote “Pepsi”-Lünette, sollte dabei in Kombination mit dem 24-Stunden-Zeiger die Unterscheidung zwischen Tag und Nacht in der heimatlichen Zeitzone erleichtern.

Die GMT-Komplikation wird heutzutage von verschiedenen Herstellern auch gänzlich unterschiedlich gelöst (gut so, denn Pepsi-Uhren gibt es wie Sand am Meer): Bei der Laco Frankfurt GMT beispielsweise fungiert eine zusätzliche Krone zum Einstellen der Zeiger bzw. der lokalen und der Heimat-Uhrzeit, die andere zum Einstellen des innenliegenden Drehrings mit 24-Stunden-Skalierung.

Bei der Zulu Time GMT wiederum verzichtet der Schweizer Hersteller Longines auf eine zweifarbige Lünette:

Exot: Stundenwinkel von Longines

Eine von Longines ersten Uhren, die speziell für die Luftfahrt entwickelt wurde, war alles andere als gewöhnlich: eine vom amerikanischen Kommandant und Navigationslehrer Philip van Horn Weems im Jahr 1927 entwickelte Navigationsuhr ermöglicht eine sekundengenaue Synchronisierung mit dem amtlichen Radio-Zeitzeichen ohne die Zeiger neu ausrichten zu müssen – dank einer speziellen Lünette und einem zentralen, drehbaren (!) Hilfszifferblatt. Dem Radio-Zeitzeichen entsprechend konnten Piloten dank der Uhr eventuelle Abweichungen korrigieren und für weitere Kursberechnungen berücksichtigen.

Man bedenke dabei, dass mechanische Uhren zur damaligen Zeit natürlich längst nicht so präzise liefen wie heute. Auch die in den Cockpits vorherrschenden, teilweise extrem eisigen Temperaturen, konnten die mittlere Gangabweichung einer Uhr stark in Mitleidenschaft ziehen. Und da bei der Langstreckennavigation selbst wenige Sekunden Abweichung signifikante Fehler in der Kursberechnung verursachen konnten, galt Weems Erfindung als echte Innovation von hohem praktischen Nutzen.

Das Weems-Patent, eingereicht im Jahre 1929

Niemand geringeres als der US-amerikanische Pilot Charles Lindbergh, der 1927 in seiner Propellermaschine The Spirit of St. Louis mit einer 33-stündigen Nonstop-Atlantiküberquerung für Schlagzeilen sorgte, zeichnete sich für eine Weiterentwicklung der beschriebenen Weems-Navigationsuhr verantwortlich – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Bei seinem Atlantik-Trip verwendete Lindbergh zur Navigation den Geschwindigkeitsmesser seines Flugzeugs, einen Kompass sowie seine Armbanduhr. Allerdings war er mit den Informationen, die seine Uhr damals anzeigen konnte, nicht zufrieden – weshalb er selbst drauf los kritzelte und die Grundlage für die sogenannte Stundenwinkel-Uhr schuf.

Nicht schön, aber selten: Die Skizze der Stundenwinkeluhr

Die Stundenwinkeluhr (englisch Hour Angle Watch) mit der Referenz 3210 unterschied sich mit ihrem charakteristischen Zifferblatt und der ungewöhnlichen Lünette grundlegend von anderen Fliegeruhren. Die Idee hinter der Uhr war dabei, die Längengradbestimmung (der Greenwich-Stundenwinkel und damit die Positionsbestimmung in der Luft) unter zusätzlicher Verwendung eines Sextanten, einem Radiosignal und einer Sternenkarte zu erleichtern.

In diesem Video wird das Funktionsprinzip anschaulich erklärt.

Lindbergh verschaffte sich 1931 Gehör für seine Idee bei John Heinmüller, Präsident der Federation International of Aviation (F.I.A.) in New York und – kein Zufall – eines der Longines-Oberhäupter. Heinmüller brachte noch im selben Jahr Lindberghs Idee mit nach St. Imier, wo diese auch nach nur wenigen Monaten umgesetzt wurde.

Exot: Hamilton Khaki X-Wind mit Seitenwind-Kalkulation

Als die Luftfahrt noch in den Kinderschuhen steckte, entwickelte Hamilton bereits die ersten Borduhren für Flugzeuge. Später kamen dann auch Fliegeruhren-Modelle hinzu. Ein heute sehr beliebtes Fliegeruhren-Modell von Hamilton ist die Hamilton Khaki X-Wind (ausgesprochen: Crosswind), welche ihren Leinwand-Auftritt im Film Independence Day: Wiederkehr hatte.

Aus der Kategorie „Dinge, die 99,99999% der Uhrenkäufer nicht brauchen, aber irgendwie geil klingen“ hat die Hamilton Khaki X-Wind einen Driftwinkelrechner zur Kurskorrektur bei Seitenwinden an Bord.

So befinden sich auf der rechten Gehäuseseite zwei große, verschraubte Kronen. Diese können abgeschraubt werden, um den zweistufigen Innendrehring zu bedienen. Der untere Drücker steuert den oberen Drehring und der obere Drücker die vertiefte Ebene. Diese beiden Blenden helfen dann dabei, das Flugzeug bei starken Seitenwinden zu landen. Dazu benötigt man aber logischerweise noch weitere Informationen wie die Windgeschwindigkeit.

Wie dieses (meines Wissens nach Hamilton-exklusive System) genau funktioniert ist in diesem Video anschaulich dargestellt:

All dies hört sich für natürlich toll an, doch für Leute ohne Pilotenschein ist dies höchstens ein nettes optisches Gimmick, das der Hamilton Khaki X-Wind ein technisch-tooliges Aussehen ähnlich der Breitling Navitimer verleiht…

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Bild: Hamilton

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THOR
5 Monate zurück

…Ich schließe mich nahtlos an die positiven Kommentare an!
(wenn auch etwas spät!) :-/
LG
THOR

Knut
6 Jahre zurück

Vielleicht sollte man noch die Firma Damasko erwahnen, die sehr robuste Uhren im Fliegeruhrendesign herstellt. Ihre Uhren werden von der deutschen Eurofighterstaffel in Manching eingesetzt. Eine der wenigen Uhrenmarken, die in aktuellen Jetflugzeugen genutzt werden.

H. A.
6 Jahre zurück

Ich konnte garnicht aufhören zu lesen, soetwas findet man nur an einem Glückstag, die links werde ich wohl noch nächstes Jahr abarbeiten….fastzinierende Arbeit

C. C.
7 Jahre zurück

Sehr interessanter, kurzweilig unterhaltend lesenswerter mit Hintergrundwissen gespickter Bericht.
Liest man gewiss nicht überall so fundiert.