Leser fragen – CHRONONAUTIX antwortet! Heute geht es aufgrund eines Leserbriefes um einen essentiellen Bestandteil jeder Uhr: Die Lünette (abgeleitet aus dem Französischen lunette für „Brille“ oder auch “Fernrohr”). Doch was ist eine Lünette bei einer Uhr überhaupt? Wie funktioniert die Uhren-Lünette? Und welche Vor- und Nachteile haben die verschiedenen Lünetten-Materialien wie beispielsweise Aluminium, Titancarbid oder Keramik?
INHALT
- 1 Uhren-Lünette – was ist das eigentlich?
- 2 Wie funktioniert die drehbare Taucheruhren-Lünette von Rolex Submariner, Omega Seamaster & Co.?
- 3 Wie funktioniert die GMT-Uhren-Lünette?
- 4 Wie funktioniert die Chronographen-Lünette mit Tachymeter-Skala von Omega Speedmaster Moonwatch, TAG Heuer Carrera & Co.?
- 5 Exot: Die Rechenschieber-Lünette der Breitling Navitimer Fliegeruhr
- 6 Exot Numero 2: Die Kompass-Uhren-Lünette
- 7 Lünetten-Inlay: Acryl, Saphirglas, Titancarbid, Aluminium oder Keramik / Cerachrom?
Uhren-Lünette – was ist das eigentlich?
Es handelt sich bei der Uhren-Lünette zunächst einmal “nur” um die Umrandung des Zifferblatt mit dem ursprünglichen Zweck das Uhrglas zu tragen, damit Zifferblatt und Zeiger geschützt sind. Bei vielen eher schlichten Uhren ist der Übergang zwischen Gehäuse und Lünette fließend – so beispielsweise bei der Rolex Explorer I, deren Lünette eher unauffällig ist und keinerlei zusätzliche Funktion bietet.
Es gibt aber natürlich auch bestimmte Typen von (drehbaren und nicht drehbaren) Lünetten, die eine Uhr um zusätzliche Funktionen erweitern, ohne dass das Uhrwerk um sogenannte Komplikationen erweitert werden muss (was natürlich teurer wäre). Gleichzeitig prägen solche Uhren-Lünetten, darunter beispielsweise die Taucher- oder die GMT-Lünette (hergestellt aus verschiedenen Materialien wie Keramik oder Aluminium), die gesamte Optik einer Uhr maßgeblich.
Konkret sind die folgenden Uhren-Lünetten-Arten weit verbreitet:
- Die unidirektionale Taucherlünette / Taucherdrehring
- die bidirektionale GMT-Lünette
- Die nicht drehbare Chronographen-Lünette
- Die bidirektionale Rechenschieber-Lünette
Auch bei den Lünetten-Materialien und -Beschichtungen gibt es große Unterschiede – gängig sind beispielsweise:
- Aluminium (eloxiert)
- Keramik
- Titancarbid
- Saphirglas
- Acrylglas
- “Voll”-Edelstahl
Stein des Anstoßes für diesen umfangreichen Artikel war – wie Eingangs erwähnt – ein Leserbrief von Chrononautix-Leser Michael:
Hallo Mario,
ich lese deinen Blog immer gerne und freue mich über deine ausführlichen und klasse Tests bzw. Recherchen.
Nun habe ich mich entschlossen, mir 2020 eine Steinhart GMT zuzulegen. Allerdings noch recht unentschlossen welche genau. Die Pepsi würde mir gefallen, aber auch eine simple Schwarze. Allerdings gibts die Schwarze sowohl mit Alu- als auch mit Keramiklünette. Während sie Pepsi nur in Alu erhältlich ist.
Was ist den nun der Unterschied der Materialien? Keramik ist wohl kratzfester als Alu. Aber gibts sonst noch Besonderheiten?
Ich besitze eine Marcello C in blau und hatte nach drei Monaten einen fetten Kratzer auf der Lünette, der mich immer gestört hatte. Daher frage ich nun nach ob sich Keramik lohnt bzw. ich bin meinen ursprünglichen Wunschmodell besser auf das zweite umschwenken soll.
Grüße
Michael
Starten wir nun zunächst mit den verschiedenen Lünetten-Typen (Taucherlünette etc.) bevor wir die verschiedenen Lünetten-Materialien (Keramik etc.) behandeln, um Michaels Fragen zu beantworten…
Wie funktioniert die drehbare Taucheruhren-Lünette von Rolex Submariner, Omega Seamaster & Co.?
Seit den 50er Jahren, mit dem Aufkommen des professionellen Gerätetauchens, ist sie aus der Uhrenwelt nicht mehr wegzudenken: Die meistens recht breite Lünette, die Taucheruhren wie Rolex Submariner oder Omega Seamaster ihre charakteristische, sportliche Optik verleiht und Taucher bei der Bestimmung der restlichen noch möglichen Tauchzeit unterstützt.
Die Taucheruhren-Lünette ist in aller Regel einseitig (unidirektional) mit 60 Klicks drehbar – ein Klick für jede Minute einer Stunde. Und das aus einem ganz einfachen, funktionalen Grund: Bevor der Taucher ins kühle Nass absteigt stellt er die zentrale Markierung der Lünette (in der Regel eine Leuchtperle samt Dreieck) einfach auf die aktuelle Position des Minutenzeigers ein. Oder mit anderen Worten: Mit der Taucherlünette markiert man den aktuellen Stand des Minutenzeigers und damit den Beginn des Tauchgangs.
So kann der Taucher für 60 Minuten exakt nachvollziehen, wie lang er schon unter Wasser ist – im Hinterkopf wie lange das Atemgas-Gemisch in seiner Druckluftflasche insgesamt hält. Ganz praktisch, oder? 😉
Ein Ausschnitt aus einer Anleitung des Uhrenherstellers Citizen bringt es auf den Punkt:
Um unbeabsichtigtes Zurückstellen der Lünette während des Tauchgangs zu verhindern ist diese in der Regel nur einseitig (gegen den Uhrzeigersinn) drehbar – so kann der Taucher die Lünette höchstens unbeabsichtigt vorstellen und die maximale Tauchzeit nur verkürzen (umgekehrt wäre es schlicht lebensgefährlich für den Taucher, da er dann fälschlicherweise denken könnte, dass er noch genügend Atemgas zur Verfügung hat).
Heute nehmen Taucher für die Bestimmung der restlichen Tauchzeit in der Regel einfach einen elektronischen Tauchcomputer. Dennoch: klassische Taucheruhren sind wegen der sportlich-robusten Optik der mit Abstand beliebteste Uhrentyp – auch im Büro, fernab des Ozeans 😉
Wie funktioniert die GMT-Uhren-Lünette?
Uhrenaffine Meilensammler haben vielleicht schon mal mit einer GMT-Uhr geliebäugelt oder besitzen längst eine: Eine GMT-Uhr hat neben dem “normalen” Stunden- und Minutenzeiger noch einen zusätzlichen GMT-Zeiger, der – in Kombination mit der GMT-Lünette – genutzt wird, um die Uhrzeit in der Heimat, das heißt eine zweite Zeitzone, einzustellen.
In der Regel läuft der GMT-Zeiger halb so schnell wie der „normale“ Stundenzeiger, sprich: Er dreht nur eine Runde alle 24 Stunden. Bezugspunkt (Index) für den GMT-Zeiger ist – wie sollte es auch anders sein – die in der Regel beidseitig drehbare GMT-Lünette mit 24-Stunden-Einteilung.
Auch das Einstellen einer dritten Zeitzone ist mit einer GMT-Lünette lösbar – die Anleitung der Tudor GMT gibt Aufschluss:
Nice-to-know: GMT-Lünetten sind häufig zweifarbig gestaltet, damit man auf einen Blick sehen kann, ob in der Heimat grade Tag oder Nacht ist. So sind beispielsweise die folgenden GMT-Lünetten-Designs entstanden:
- das beliebte Pepsi-Design in den Farben des gleichnamigen flüssigen Dickmachers (blau-rot),
- das Coke-Design (schwarz-rot) und
- das Batman-Design (schwarz-blau)
Insbesondere das von Rolex geprägte Pepsi-Design ist quasi ubiquitär und wurde von etlichen Herstellern und Hommagen-Anbietern in den letzten Jahren aufgegriffen (Timex, Meccaniche Veneziane, Glycine etc.).
Eine erfrischende Ausnahme zur klassischen, außenliegenden, zweifarbigen GMT-Lünette bildet die kugelgelagerte, innenliegende Lünette der Laco Frankfurt GMT, die über eine separate Krone einstellbar ist. Den umfangreichen Test zur Laco GMT gibt’s hier.
Wie funktioniert die Chronographen-Lünette mit Tachymeter-Skala von Omega Speedmaster Moonwatch, TAG Heuer Carrera & Co.?
Die Lünette, die klassischerweise bei Chronographen zum Einsatz kommt, ist normalerweise nicht drehbar und meistens deutlich schmaler als bei Taucheruhren. Eines der berühmtesten und klassischsten Beispiele ist sicherlich die Omega Speedmaster Moonwatch mit einer Tachymetre-Skala auf der schwarzen Außenlünette:
Mit der Tachymeter-Skala (auch: Tachymetre-Skala oder Tachometer-Skala) lassen sich Einheiten pro Stunde (Units per Hour) messen, indem der zeitliche Abstand zwischen zwei Einheiten gemessen wird. Eine historisch relevante Anwendung ist die Messung der Durchschnittsgeschwindigkeit auf einem definierten Streckenabschnitt.
Hierzu ein Beispiel: Nehmen wir als Bezugsgröße eine 1 km lange Rennstrecke an – löst man die Zeitmessung beim Start aus und fährt der Rennwagen nach 30 Sekunden wieder ins Ziel ein, so kann man auf der Tachymeterskala direkt die Durchschnittsgeschwindigkeit in Höhe von 120 km/h ablesen. Die Berechnung dahinter ist keine Raketenwissenschaft, die Lünette vereinfachte damals den nicht-digitalen Alltag an den Rennstrecken dieser Welt aber natürlich deutlich.
Ein weiteres berühmtes Chronographen-Beispiel ist die TAG Heuer Carrera: Im Jahre 1964 brachte der Schweizer Uhrenhersteller mit der Carrera den ersten speziell für die Zeitmessung von Autorennen entwickelten Chronographen heraus. Bekannt wurde das Modell durch den fünffachen Formel 1-Weltmeisters und Heuer-Partner Juan Manuel Fangio bei der Carrera Panamericana in Mexiko. Auch heute noch pflegt TAG Heuer die Carrera-Modellreihe intensiv…
Ausnahmen bestätigen die Regel: Es gibt natürlich auch Chronographen, bei denen die Tachymeter-Skala nicht auf einer außenliegenden Lünette (wie bei Carrera und Moonwatch), sondern auf dem Rehaut (der über das Zifferblatt hinaus erhöhte Rand einer Uhr) oder einfach am Rand des Zifferblattes aufgedruckt ist. Beim Catorex Krono Classic ist dies beispielsweise der Fall – die Lünette ist hier natürlich trotzdem vorhanden, aber deutlich unauffäliiger, da sie mit dem Gehäuse eine Einheit bildet. Die Optik des Chronographen wirkt dadurch deutlich edler und weniger sportlich als bei Chronographen mit außenliegender Tachymeter-Skala auf der Lünette.
Der Maurice Lacroix Aikon Chronograph verzichtet gar komplett auf die Tachymeter-Skala – die charakteristische Lünette prägt die Optik des Modell dennoch maßgeblich:
Im Jahre 1952 erblickte die allererste Breitling Navitimer, eine Wortneuschöpfung aus Navigation und Timer, das Licht der Welt. Mit der (innenliegenden) Rechenschieber-Lünette der Navitimer war es erstmals – neben Dreisatzrechnungen, Mulitplikation und Division – auch möglich speziell in der Luftfahrt relevante Kalkulationen durchzuführen.
Die Rechenschieber-Lünette ermöglicht zum Beispiel die Berechnung von Treibstoffverbrauch, zurückgelegter Wegstrecke, Steig- und Sinkflugrate etc. etc.! Oder kurz gesagt: Berechnungen, die insbesondere für Piloten damals einen großen Nutzen boten, im digitalen Zeitalter nunmehr aber für wahrscheinlich 99,9999% der Navitimer-Träger bloße Spielerei sind 😉Dennoch ist die Funktionsweise der Rechenschieberlünette nach wie vor so genial wie spannend – hier einige konkrete Beispiele (Bilder aus dem Breitling-Chronolog 06):
Die Möglichkeiten der Rechenschieber-Skala kamen damals bei Piloten ziemlich gut an: Die weltweit größte Pilotenvereinigung AOPA (Aircraft Owners and Pilots Association) ging noch im Erscheinungsjahr der Navitimer eine Kooperation mit dem Schweizer Uhrenhersteller ein, woraufhin das Logo der AOPA auf der Breitling Navitimer 806 verewigt wurde. Der Erfolg brach nicht ab: Als offizieller Lieferant großer Airlines und Flugzeugbauer (KLM, Lockheed etc.) ritt Breitling in den folgenden Jahren auf einer beachtlichen Erfolgswelle und nannte sich in Werbeanzeigen sogar selbstbewusst „Lieferant der Weltluftfahrt“.
Exot Numero 2: Die Kompass-Uhren-Lünette
Ein weiterer, ziemlich selten anzutreffender Lünetten-Typ ist die sogenannte Kompasslünette mit Indizes für die Himmelsrichtungen (Nord, Nord-West etc.), die beispielsweise in der traser P68 Pathfinder zum Einsatz kommt. Das Funktionsprinzip ist ganz einfach:
1.) Man stellt zunächst die aktuelle, lokale Uhrzeit ein (im Bild unten ist es 9.20 Uhr am Vormittag),
2.) Dann richtet man den Stundenzeiger auf die Sonne aus (natürlich ohne die Uhrzeit zu verstellen – man dreht nur die Uhr):
3.) anschließend halbiert man gedanklich den Winkel zwischen Stundenzeiger und 12 Uhr-Position – und genau auf dieser Position markiert man über die Kompass-Lünette dann “Süden”:
Man beachte: Diese Anleitung gilt für die Winterzeit. In der Sommerzeit muss der Winkel zur Ziffer „1“ anstelle zur „12“ halbiert werden, um Süden zu finden.
Ich habe das Ergebnis mit einem echten Kompass verglichen: Die Präzision einer Kompassnadel wird mit dieser Methode natürlich nicht erreicht – eine Kompass-Lünette eignet sich maximal zur groben Orientierung, wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten wie zum Beispiel Smartphone oder ein echter Kompass ausfallen…
Lünetten-Inlay: Acryl, Saphirglas, Titancarbid, Aluminium oder Keramik / Cerachrom?
Kommen wir nun ganz konkret zum Leserbrief am Anfang des Artikels: Zunächst muss man vorweg sagen, dass Uhrenfreunde im täglichen Sprachgebrauch von “der” Lünette sprechen. Tatsächlich muss man aber zwischen der eigentlichen Lünette und dem Lünetten-Inlay (Lünetteneinlage) unterscheiden: Das Inlay ist in die Lünette eingelassen und besteht in der Regel aus Aluminium, Keramik oder (in selteneren Fällen) aus einem Material mit Titancarbid, Acrylglas- oder Saphirglas-Überzug…
Keramik- / Cerachrom- vs. Aluminium-Lünette
Lünetten mit Aluminium-Inlay sind mit vergleichsweise wenig Aufwand herstellbar und in der Regel eloxiert. Das sogenannte Eloxal-Verfahren ist eine elektrochemische Oberflächentechnik zur Veredelung von Aluminium (unter Anwendung von Schwefelsäure), wodurch sich eine Oxidschicht an der Oberfläche ausbildet. Mit anderen Worten wird keine Schutzschicht aufgetragen, sondern die oberste Schicht der Lünette wird umgewandelt. In die Poren der Eloxalschicht können anschließend noch Farbpigmente integriert werden. Da die Farbe nicht von außen aufgetragen wird ist sie vergleichsweise gut vor Beschädigungen oder Abrieb geschützt.
Durch das Eloxieren wird auch die Oberflächenhärte erhöht – zwischen 200 und 350 HV (“Härte nach Vickers”) können erreicht werden. Zum Vergleich: Gängiger 316L Edelstahl, der bei Uhrengehäusen eingesetzt wird, kommt auf 200-240 HV. Alles in allem basieren eloxierte Alu-Lünetten auf einem pfiffigen Verfahren, welches natürlich nicht nur bei Uhren-Lünetten, sondern auch in etlichen anderen Lebensbereichen zum Einsatz kommt – zum Beispiel als Korrosionsschutz bei Teilen, die in Autos eingebaut werden.
Trotzdem sind eloxierte Alu-Lünetteneinlagen sicherlich nicht das Nonplusultra: Sie sind kaum härter als Edelstahl und recht empfänglich für Kratzer. Und Kratzer sehen auf farbigen Oberflächen einfach immer extrem unsexy aus…
Keramik-Inlays hingegen sind deutlich weniger kratzanfällig: im Uhrenbau beträgt die Härte nach Vickers satte 1250 HV (Quelle: Longines)! Keramik ist außerdem hitzeresistent, korrosionsbeständig und besitzt eine sehr feine Haptik. Die Produktion und Verarbeitung von Keramik-Lünetten ist allerdings aufwendiger. Der Schweizer Uhrenhersteller Omega nutzt beispielsweise einen Laser zum präzisen eingravieren von Skalen in die Keramik-Einlage.
Insbesondere zweifarbige Keramik-Einlagen, die typischerweise bei GMT-Uhren zum Einsatz kommen, sind aufwendig in der Produktion – ein hässlich-verwaschener Farbübergang würde ja auch irgendwie doof aussehen, oder? 😉 Alles in allem gilt die Faustregel: Uhren mit Alu-Inlay sind in der Regel günstiger als solche mit Keramik-Inlay.
Rolex GMT Master II “Batman”, Bilder: Rolex
Übrigens: Deutlich seltener sind Uhren, die eine Lünette aus Voll-Keramik haben, d.h. es ist kein Keramik-Inlay in eine Stahl-Fassung eingelassen, sondern die ganze Lünette besteht aus Keramik. Das ist beispielsweise bei der FORMEX Element der Fall:
Die praktischen Vorteile, insbesondere mit Blick auf Kratzfestigkeit, liegen also sonnenklar bei der Keramik – nur ein Nachteil sei genannt: theoretisch kann Keramik bei starken Stößen brechen, während sich eine Alu-Lünette naturgemäß eher verbiegen würde. Praktisch müsste man seine Uhr aber schon sehr strapazieren, um ein Brechen des Keramik-Inlays heraufzubeschwören 😉
Kommen wir zur Optik: Aluminium-Lünetten sind in der Regel deutlich matter als die Keramik-Pendants. Meine persönliche Meinung: Uhren mit Keramik-Inlay sehen meistens hochwertiger aus, letztendlich ist die Optik aber natürlich Geschmackssache.
Hier ein Vergleichsbild der einfarbigen Steinhart GMT-Lünetten:
An dieser Stelle noch ein weiterer Vergleich der Lünetten der Rolex Submariner und der Submariner-Hommage Invicta 8926OB: Das Design der Lünetten ist fast identisch, hier macht die Keramik-Lünette der Rolex (“Cerachrom”) mit den gefrästen bzw. vertieften und mit einer Platinschicht im PVD-Verfahrenen überzogenen Ziffern allerdings den merkbar höherwertigeren Eindruck als die Alu-Lünette der Invicta. Mit Blick auf den extremen Preisunterschied ist das aber auch kein Wunder 😉
Es gibt aber auch noch einen anderen optischen Aspekt: Viele Hersteller setzen bewusst auf Aluminiumeinlagen – auch im hochpreisigen Bereich. Das Ziel ist es dabei in der Regel die Retro-Optik eines Modells zu unterstreichen. Könntet ihr euch beispielweise die klassische Omega Speedmaster Moonwatch (Hesalitglas-Variante) mit einer hochglänzenden Keramik-Lünette vorstellen? Ich eher nicht!
Ein weiteres gutes Beispiel ist die Tudor Black Bay GMT, die im gleichen Jahr wie die Rolex GMT Master II lanciert wurde und vom Mutterhaus Rolex in der Retro-Ecke platziert wird. Im folgenden ein Vergleich der Lünetten-Inlays der Rolex Submariner (links, “Cerachrom”-Keramiklünette wie bei der GMT Master II) mit der Tudor GMT (rechts, eloxiertes Aluminium).
Der optische Unterschied ist deutlich zu erkennen: Die Aluminium-Lünette der Tudor GMT „schluckt“ das Licht regelrecht, während die Keramik-Lünette der Rolex Submariner das Licht stark reflektiert. Die Keramik-Lünette der Submariner hat dadurch (und wegen der gefrästen Ziffern und Indizes mit Platin-Beschichtung) deutlich schmückenderen Charakter, während die Lünette der Tudor GMT eher “toolig-funktional” wirkt. Im Video unten wird der Einfluss des Lichts noch besser deutlich (zum Abspielen bitte klicken).
Auch die 2020er Bond-Seamaster in Retro-Optik wird – anders als das Basis-Modell – mit einem Alu-Lünetteninlay ausgeliefert:
Zwischenfazit: Ich persönlich würde mich aufgrund der genannten Vorteile (höherwertigere Optik, Kratzfestigkeit) sicherlich in den meisten Fällen für die Keramiklünette entscheiden. Eloxierte Alu-Lünetten haben aber insbesondere bei Retro-Modellen absolut eine Daseinsberechtigung…
Ausnahmen bestätigen die Regel: Uhren-Lünetten mit Überzug aus Acryl, Saphirglas, Titancarbid … oder aus Edelstahl
Manche Hersteller beschichten die Lünetten ihrer Modelle, um eine bestimmte Optik zu erzeugen und/oder die Kratzfestigkeit zu erhöhen. Ein gutes Beispiel ist die Steinhart Ocean Forty Four GMT Blue-Red, deren Lünette mit Saphirglas überzogen ist. Die Optik ähnelt dadurch – wegen der glänzenden Oberfläche – Keramik. Der größte Vorteil ist aber sicherlich, dass Saphirglas mit ungefähr 2000 HV sogar noch kratzfester ist als Keramik. Seltener kommt gehärtetes Mineralglas als Lünetten-Überzug zum Einsatz (ca. 800 bis 900 HV).
Hin- und wieder trifft man auch auf Lünetten-Inlays mit Acrylglas-Überzug – einige Retro-Tauchermodelle mit gewölbter Lünette setzen darauf (zum Beispiel bei Hommagen der Blancpain Fifty Fathoms wie die Spinnaker Fleuss). Die Optik ist glänzend und passt sehr gut zu diesem Uhrentyp. Die Vickershärte ist mit rund 500 HV allerdings nicht grade überragend. Man kann natürlich versuchen Kratzer ggf. mit Polywatch rauszupolieren…
Ein ebenfalls beliebtes Mittel zum Härten von Lünetteneinlagen ist Titancarbid. Titancarbid ist mit einer Vickershärte von 3200 (auf dem Papier) der absolute Spitzenreiter hinsichtlich Kratzfestigkeit – letztendlich handelt es sich aber “nur” um eine nachträglich aufgebrachte Beschichtung und nicht um ein Material an sich. Daher würde ich Voll-Keramik immer einer Lünette mit Titancarbid-Überzug vorziehen. Der japanische Hersteller Seiko setzt bei diversen Modellen auf Titancarbid, zum Beispiel bei der Seiko 5 (2019er Modell) oder bei der Seiko Turtle. Die Optik ist im Vergleich zu Keramik eher matt.
Es gibt auch noch eine weitere Uhren-Lünetten-Variante: Manche Modelle wie beispielsweise Rolex Explorer II, Breitling Colt oder Avenger, Glycine Airman, Catorex Voyager GMT, Sinn U1 oder die alte Rolex Daytona kommen mit einer Lünette aus “Voll”-Edelstahl und haben gar kein Inlay in dem Sinne:
Selbiges gilt auch für das Modell Steinhart Apollon, welches sogar mit einer echten Besonderheit kommt: Die Lünette lässt sich über Sechskantschrauben ganz einfach selbst wechseln – da tut ein Kratzer in der Lünette auch nicht ganz so sehr weh, wenn der Austausch so einfach ist, oder? 😉
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Ich habe noch eine Lünette die hier gar nicht behandelt wurde.. Die Piloten Lünette. Die Beschriftung ist hier verkehrt herum. Fungiert dann als Counter. Heisst auf 2 Uhr steht die 50. Hab ich an meiner Revue Thommen Airspeed Titan Chrono. Ist so von diversen Staffeln gefordert worden. Seither schmunzle ich immer an “Fliegeruhren” die eine Taucheruhrenlünette haben. Die Uhr ist auch 1:1 der analogen Bordinstrumentenuhr nachempfunden. Revue Thommen resp Thommen als renomierter Bordinstrumente Hersteller weiss wie das muss.
https://thommen.aero/
https://www.eotwatches.com/preowned-watches/revue-thommen-airspeed-titanium-chronograph-watch-rare-version-with-lemania-5
p.s. Die Lunette mit Counterfunktion ist auch perfekt zum Kochen.
Hier ist noch eine weitere Lünetten-Funktion beschrieben:
https://www.citizenwatch-global.com/support/exterior/yacht_d.html
Leider ist der Text bei Citizen nicht besonders leicht verständlich. Vielleicht bekommst Du das besser hin 😉
Grüße,
Karlchen
Hier gibts noch eine Lünettenfunktion:
https://www.citizenwatch-global.com/support/exterior/yacht_d.html
Eine verständlichere Beschreibung wär mal was…. 😉
Puh das ist natürlich SEHR speziell 😀
Das ist ein schoener Artikel, danke!
Die Tauch-Luenette kann man sicher auch beim Kochen verwenden. Das war einer der Gruende fuer meine Entscheidung fuer eine Seiko SRPD71K1, die in naechste Woche eintreffen sollte. Tauchen war ich noch nie.
Am Rande bemerkt: Die Luenette der Spinnaker Fleuss sieht aus wie Bakelit-Ring. Ist das eine Art beabsichtigtes Retro-Design oder liegt das daran, dass die Designer zu jung sind, um sich an Bakelit zu erinnern? Oder warum macht man sowas?
Toller Artikel!
Als Ergänzung zu den klassischen Tachymeterskalen finde ich außerdem Telemeter (zur Ermittlung von Distanzen anhand der Differenz Licht-/ Schallgeschwindigkeit) und Pulsometer (äußerst praktisch in der ersten Hilfe) erwähnenswert.
Danke auch für den kleinen Exkurs in die Welt der Materialien, sehr informativ!
Danke dir Patrick!
Hallo Mario,
das ist enzyklopädisch. Dank dafür.
Leider fehlt die Kompasslünette!
Ich habe davon 3: Seiko Prospex, Vostok Komandirskie, und Tutima Pacific 300. Letztere mit 72 clicks (5° per click).
Wie wär’s mit einem Nachtrag?
Stimmt, habe ich ganz vergessen – dabei hatte ich mich mit diesem Lünettentyp sogar schon beschäftigt (traser P68 Pathfinder) 🙂
Hab’s ergänzt. Danke 😉
Hallo Mario, wie immer lehrreich und hilfreich. Allerdings braucht man an manchen Stellen ein Lexikon um alles zu verstehen. Aber zum Glück kann man deine Artikel ja immer wieder aufrufen. Mach 2020 einfach so weiter wie in den letzten Jahren
Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht. Wie gewohnt hat man mal wieder Dinge erfahren, die einem absolut unbekannt waren und einen weiterbringen. Absolut super! Herzlichen Dank!
Danke schön für das Feedback, Micha!