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DIN? ISO? Laaaangweilig! Ich gebe zu: Auch mir klappen allein schon beim Gedanken an irgendwelches Normen-Blabla die Augen zu. Ja, DIN/ISO-Normen sind meistens schwierig zu lesen, da sachlich-nüchtern und sehr technisch verfasst. Andererseits ist der Informationsgehalt in der Regel extrem hoch. 

Taucheruhren sind der mit Abstand beliebteste Uhrentyp. Leider gibt es viele falsche Aussagen im Internet zu den offiziellen Taucheruhren-Normen ISO 6425 bzw. DIN 8306, da offenbar alle falsch voneinander abschreiben. So wird zum Beispiel oft behauptet, dass eine Taucheruhr eine verschraubte Krone haben muss – falsch! Ferner ist in der ISO 6425 bzw. DIN 8306 auch nirgendswo explizit davon die Rede, dass eine Taucheruhr auf 20 bar bzw. 200 Meter Wasserdichtigkeit kommen muss – auch das wird ja oftmals behauptet. Vielmehr sagt die DIN 8306 – Zitat: “Taucheruhren für Tauchtiefen L, L = 100, 200, … m. Nur volle 100m Werte dürfen angegeben werden”. Und weiter: “Taucheruhren, die dieser Norm entsprechen, dürfen mit dem Wort Taucheruhr – verbunden mit der vorgesehenen Tauchtiefe in Metern, z.B. Taucheruhr T 200 m – gekennzeichnet werden.” Heißt im Klartext: Heute kaufbare Taucheruhren haben zwar meistens 200 Meter Wasserdichtigkeit, die DIN 8306 gibt aber implizit “nur” 100 Meter vor.

Dass viele Falschinformationen kursieren liegt sicher auch daran, dass die Originaldokumente der ISO-/DIN-Normen leider nicht “einfach so” kostenfrei im Netz nachgelesen werden können (die ISO 6425 kostet fast 60€).

Daher habe ich für diesen Artikel sowohl das Originaldokument der erstmalig 1982 eingeführten ISO 6425 (in der aktuellen Version 2018) als auch das Originaldokument der 1983 eingeführten DIN 8306 intensiv studiert und die Anforderungen an Spezifikationen und Tests mit vielen konkreten Beispielen für euch in einfacher Sprache aufbereitet

Citizen Promaster Automatik Erfahrungen NY0040
Die Citizen Promaster Automatik NY0040 gilt gemeinhin als Taucheruhr nach ISO 6425 – doch was heißt das eigentlich?

Taucheruhren nach ISO 6425 / DIN 8306: Wer steckt hinter den Normen?

Vorweg ein paar Worte zu DIN und ISO: Zunächst sollte man wissen, dass weder das Deutsche Institut für Normung (DIN), noch die International Standards Organization (ISO) selbst zertifizieren – diese machen “nur” die Regeln. Ein grundsätzliches Problem dabei ist, dass DIN/ISO-Normen teils maßgeblich von der Industrie beeinflusst werden, oft gefärbt von Lobbyismus – der Kunde steht dann unter Umständen nicht so im Mittelpunkt wie er sollte (auch ISO 6425 / DIN 8306 sind hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz kritisch zu hinterfragen, dazu aber später mehr).

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Um eine Taucheruhr “hochoffiziell” zertifizieren zu dürfen, benötigt es eine unabhängige Stelle, die vom ISO committee for conformity assessment (CASCO) akkreditiert ist. Die meisten Länder haben lokale Zertifizierungsstellen – in Deutschland ist das zum Beispiel die Prüforganisation, die sich auch um die Sicherheit der Autos auf unseren Straßen kümmert – der TÜV.

Exkurs: DIN vs. ISO
Die ISO bezieht sich auf – wie der Name schon sagt – internationale Normen. Die Organisation wurde im Jahr 1946 gegründet, um Industriestandards aufzustellen und technische Regeln zu vereinfachen sowie international vergleichbar zu machen.

Jedes europäische Land hat dabei seine eigenen Normen. In Deutschland ist das die DIN-Norm. Irre: Heute gibt es mehr als 24.000 DIN-Normen – ein Fest für jeden Bürokraten 😉
Allerdings sind Normen grundsätzlich nicht verpflichtend. Das heißt, sie können angewendet werden, müssen es aber nicht. 
Gleichzeitig gelten Normen gemeinhin als “Stand der Technik”, sodas Ausführung nach DIN die entsprechende Firma weitgehend von der Haftung freistellen.
Neue Normen werden heute direkt auf europäischer Ebene verabschiedet – gut erkennbar an der Abkürzung “EN”, also zum Beispiel “DIN EN 12345”.

Mit Blick auf diese Hintergründe bzw. der Abgrenzung von DIN und ISO ist es natürlich auch kein Zufall, dass die deutsche Taucheruhrennorm DIN 8306 ein Jahr nach der ISO 6425 erschienen ist und im Wesentlichen der ISO 6425 entspricht.

Wichtig ist darüber hinaus zu wissen, dass eine offiziell nach ISO 6425 oder DIN 8306 zertifizierte Taucheruhr etwas anderes ist als eine Uhr, die lediglich die technischen Anforderungen der ISO 6425 erfüllt (z.B. mit Hinweis „getestet gemäß…“).

Nach der ISO 6425 dürfen die meisten Anforderungen und Tests, auf die wir gleich näher eingehen, tatsächlich anhand einer Musteruhr bestimmt oder anhand von Stichproben durchgeführt werden. Hinsichtlich der Wasserdichtigkeit muss der Hersteller aber eigentlich jede einzelne Uhr testen, damit eine ISO-Zertifizierung bestätigt werden kann – Zitat:

4.1.6.2 100 % single watch testing
In the production process, every watch shall undergo the test resistance at a water overpressure, according to 4.7.4.

Dass es natürlich teuer ist, jede Uhr einzeln erstmal an irgendeine Zertifizierungsstelle zu schicken, bevor sie verkauft werden kann, versteht sich von selbst. Und wohl kaum ein Endkunde wird bereit sein, die Kosten für dieses Prozedere mitzutragen. Dazu aber später mehr.

Das sagt die ISO 6425 / DIN 8306 für Taucheruhren

Im Folgenden konzentriere ich mich auf die internationale Norm, also die ISO 6425, die sich in den meisten Punkten mit der DIN 8306 deckt. Bei wesentlichen Abweichungen gehe ich aber auch auf die DIN 8306 ein.

Geforderte Spezifikation: 100 Meter Wasserdichtigkeit

Die ISO 6425 sagt einleitend, dass die Norm für Uhren ausgelegt ist, die

  • für das Tauchen in Wassertiefen von mindestens 100 m ausgelegt sind und
  • die mit einem gesicherten Messsystem zur Anzeige der Tauchzeit ausgestattet sind, das in der Dunkelheit sichtbar ist (sogenannte Tauchzeitanzeige – dazu gleich mehr).

Im Wortlaut: “It applies to divers’ watches designed to withstand diving in water at depths of at least 100 m“. 100 Meter Wassertiefe – klingt erstmal wenig oder? Schließlich bekommt quasi jeder Taucheruhr locker auf 200 Meter Wasserdichtigkeit!

Hierzu eine Einordnung von 100 Metern Wassertiefe: Damit ein Taucher für 30 Minuten in 100 Metern Tiefe bleiben kann, müsste er viele Stunden auf dem Weg nach oben dekomprimieren. Denn Gase wie Stickstoff oder Helium, die der Taucher über sein Atemgemisch aufnimmt, lösen sich unter Druck im Körper. Wer zu schnell auftaucht, riskiert Lähmungen oder Schlimmeres, denn das Gas perlt dann aus und kann Blut- und Nervenbahnen blockieren – ein Effekt wie bei einer Sprudelflasche, die zu schnell geöffnet wird.

Geforderte Spezifikation: Tauchzeitanzeige

Die ISO 6425 verlangt, dass eine Taucheruhr mit einer Tauchzeitanzeige ausgestattet sein muss, die das das Ablesen der verstrichenen Tauchzeit ermöglicht, und zwar mit einer Aufteilung in einer Granularität von mindestens 1 Minute über insgesamt mindestens 60 Minuten. Weitere Anforderung an die Tauchzeitanzeige bei analogen Uhren betreffen zusätzliche 5-Minuten-Markierungen, die sich deutlich von den Minutenmarkierungen abheben.

Klingt abstrakt, ist bei Taucheruhren in Form von (außenliegenden), drehbaren Lünetten mit entsprechenden Indexen gängiger Standard (die DIN 8306 spricht von einem “Skaleneinstellring”). Eine Abwandlung davon, die aber denselben Zweck erfüllt, ist ein innenliegender Drehring, der sich über eine zusätzliche Krone ansteuern lassen – so zu finden bei der Circula SuperSport Super Compressor-Uhr.

Mehr: Uhren-Lünette: Das große 1×1, Funktionsweise und Materialien

Wellen Zifferblatt Omega Seamaster Diver 300m
Die Lünette der Omega Seamaster 300m kommt mit der geforderten Minuten-Einteilung auf der Lünette
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traser P67 SuperSub
Circula-Uhren-Aquasport-Supersport
Circula SuperSport mit innenliegendem Drehring

Spannend: Viele Lünetten heute erhältlicher Taucheruhren haben keine Minuteneinteilung über die vollen 60 Minuten, sondern oftmals nur für die ersten 15 oder 20 Minuten. Danach folgen nur noch Markierungen in Fünf-Minuten-Schritten – so wie bei der Rolex Submariner oder der Tudor Black Bay 58. Streng genommen erfüllen diese Uhren also nicht die ISO-Norm.

Warum grade die ersten 15 oder 20 Minuten? Das liegt vermutlich daran, dass ein durchschnittlicher Tauchgang rund 40 Minuten dauert und es somit nach rund 20 Minuten langsam Zeit wird wieder aufzutauchen. Oder kurz gesagt: die Minuteneinteilung der ersten 15 oder 20 Minuten bei Taucheruhren markiert Pi mal Daumen die Hälfte des Tauchgangs und ist damit ein zusätzliches visuelles Hilfsmittel für Taucher, um die Gefahr zu minimieren, dass das Atemgas nicht mehr für den Rückweg an die Wasseroberfläche reicht.

Tudor Black Bay 58 Blue
Circula-Uhren-Aquasport-Supersport
Titoni Seascoper 300 Test Erfahrungen 19
Titoni Seascoper 300

Die ISO fordert außerdem, dass die Tauchzeitanzeige gegen “versehentliche Handhabung” geschützt sein muss. Das wird in der Praxis in aller Regel durch eine einseitige Drehbarkeit der Lünette umgesetzt, d.h. die Lünette ist gegen das Drehen im Uhrzeigersinn gesperrt. Warum ist das wichtig? Dafür schauen wir auf den funktionalen Sinn einer Taucher-Lünette: Die zentrale Markierung einer Lünette stellt man zum Start des Tauchgangs auf den Minutenzeiger ein, um die unter Wasser verstrichene Zeit im Blick behalten zu können.

Da nun nicht jeder Taucher gemütlich ein paar Korallen an der Urlaubsdestination erforschen will, sondern auch was zu schaffen hat (zum Beispiel Berufstaucher an einer Ölbohrplattform), kann es auch mal hektisch zugehen. Und in der Hektik des Berufstaucher-Alltags wäre es irgendwie ungeschickt, wenn sich die Lünette versehentlich im Uhrzeigersinn vorbewegt – denn dann könnte der Taucher fälschlicherweise annehmen, dass ihm mehr Zeit (bzw. Atemluft) unter Wasser zur Verfügung steht – es droht Lebensgefahr. Ein versehentliches Verstellen gegen den Uhrzeigersinn hingegen würde nur bewirken, dass der Taucher von weniger Zeit ausgeht, obwohl er eigentlich mehr Zeit hat – das ist aber im Vergleich zu ersterem Fall natürlich nicht lebensbedrohlich, sondern einfach nur ärgerlich.

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Zentrale Lünettenmarkierung der Titoni Seascoper 300

Tests im Rahmen der ISO 6425: Typprüfung vs. Einzeltests

Die ISO 6425 schreibt verschiedene Testverfahren vor, die einen mehrstündigen Tauchgang simulieren sollen. Die meisten sind eine sogenannte Bauartprüfung bzw. Typprüfung (Homologation), d.h. nicht jede einzelne Uhr muss getestet werden, sondern nur die Serie, zum Beispiel anhand einer Musteruhr.

Wie bereits oben beschrieben verlangt die ISO 6425 für eine offizielle Zertifizierung aber auch eine Einzelprüfung hinsichtlich der Wasserdichtigkeit (Prüfwiderstand bei einem Wasserüberdruck; “100 % single watch testing”).

Die folgenden Tests müssen für eine Typprüfung, zum Beispiel anhand einer Musteruhr, durchgeführt werden:

  1. Ablesbarkeit
  2. Magnetischer Widerstand
  3. Temperaturwechsel
  4. Salzsprühtest (mit Armband)
  5. Stoßfestigkeitseigenschaften (am Uhrenkopf)
  6. Wasserdichtigkeit
  7. Stoßfestigkeitseigenschaften (freier Fall)
  8. Widerstandsfähigkeit von Anbauteilen

Diese schauen wir uns nun erst mal im Detail an.

1. Ablesbarkeit…

…im Hellen

Ein Nobrainer: Die oben beschriebene Tauchzeitanzeige muss im Hellen bei 50 Lux ablesbar sein. Das entspricht in etwa einer durchschnittlichen Wohnzimmerbeleuchtung.

…im Dunkeln

180 Minuten nach dem letzten Kontakt mit einer Lichtquelle muss die Ablesbarkeit folgender Uhren-Elemente in einem Abstand von 25 cm im Dunkeln gegeben sein:

  • Die Uhrzeit (wer hätt’s gedacht). Die Minutenanzeige muss dabei deutlich von der Stundenanzeige unterscheidbar sein ➡ Bei Taucheruhren hebt sich klassischerweise der Stundenzeiger optisch ab, siehe zum Beispiel der Rolex “Mercedes”-Zeiger mit seinen drei “Kammern”. Gängige Leuchtfarben wie Super-LumiNova, Lumibrite oder Chromalight (früher: Tritium oder Radium) wiederum sorgen für eine Ablesbarkeit über mehrere Stunden. Eine Ausnahme sind Tritium-Gas-Elemente (siehe: Tritium-H3-Uhren).
  • Die Tauchzeit auf der Tauchzeitanzeige (Lünette), inklusive der Markierungen ➡Auch hier kommen normalerweise Leuchtfarben zum Einsatz
  • Die Anzeige, dass die Uhr überhaupt läuft ➡ Bei Taucheruhren in aller Regel über die Wahrnehmung der Bewegung des Sekundenzeigers
  • Bei einer batteriebetriebenen Uhr muss eine Anzeige vorhanden sein, die das Ende der Batterielebensdauer anzeigt (das ETA F06 z.B. hat einen End of Life (EOL)-Indikator, der einen anstehenden Batteriewechsel ankündigt, indem der Sekundenzeiger nicht mehr im Sekundentakt seinen Bahnen zieht, sondern alle 4 Sekunden springt.)
Rolex Mercedes Stunden-Zeiger
Aquatico Super Ocean Diver Test 6
Aquatico-Uhr mit Tritium-Röhrchen und Super-LumiNova

2. Magnetischer Widerstand

Die ISO 6425 verweist hinsichtlich der Einhaltung eines magnetischen Widerstandes einfach nur auf die ISO 764:2002. Die ISO 764:2002 wiederum besagt, dass Uhren als antimagnetisch gelten, wenn sie Magnetfeldern von 4800 A/m standhalten und anschließend die vor dem Test gemessene Genauigkeit von ±30 Sekunden/Tag einhalten. Diese Richtwerte gelten für Kaliber mit Durchmessern >20 mm (das Sellita SW200-1 beispielsweise hat rund 25 cm). Das DIN-Pendant, die DIN 8309, spricht im Wortlaut von einer “Prüflage Zifferblatt oben […] jeweils 60s einem homogenen Magnetfeld mit einer Feldstärke von 4800 A/m ausgesetzt”.

4800 A/m entsprechen ca. 6000 Mikrotesla. Zum Vergleich: Eine handelsübliche TV-Soundbar kann Magnetfelder von bis zu 5000 μT abgeben.

Mehr / Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag

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3. Temperaturschwankungen

Die Musteruhr wird in diesem Test starken Temperaturschwankungen ausgesetzt. Los geht’s mit einer Luft (!)-Temperatur von -20°C für 60 Minuten. Es folgen 30 Minuten Lagerung bei Raumtemperatur, dann weitere 60 Minuten bei einer Lufttemperatur von +60°C. Dann geht es noch für eine weitere Stunde in ein kaltes Wasserbad (2°C).

Die DIN 8306 weicht hier deutlich von der ISO 6425 ab: Die DIN verlangt, dass die Uhr in 0,3 Meter Wassertiefe für 10 Minuten bei 40 °C Wassertemperatur, dann direkt anschließend 10 Minuten bei 5 °C und dann wieder 10 Minuten bei 40 °C ausgesetzt werden muss.

Für DIN und ISO gilt: Die Uhr muss nach dem Test normal funktionieren und einen Kondensationstest bestehen. Der Kondensationstest wiederum verlangt, dass die Uhr erst mal auf einer Heizplatte bei 40 °C bis 45 °C “angegrillt” wird. Auf das Glas der (warmen) Uhr wird dann ein Tropfen Wasser, ein feuchtes Filz-Tuch oder ein feuchtes Kissen mit einer Temperatur zwischen 18 °C und 25 °C gelegt. Nach etwa 1 Minute wird das Glas wieder trocken gewischt.

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Bildet sich kein Kondenswasser auf der Innenseite der Uhr, gilt der Test als bestanden. Der Effekt, der hier ausgenutzt wird, kann beispielsweise an kalten Winter-Tagen bei Fenstern beobachtet werden: Ist die Temperaturdifferenz zwischen Innen und Außen sehr groß, so bildet sich Kondenswasser.

So sieht es übrigens aus, wenn sich Beschlag an der Innenseite einer Uhr bildet – so mir passiert vor etwa 1 Jahr als ich bei eiskalten Temperaturen wieder ins Haus bin:

Uhrenglas beschlagen – was tun? Beispiel Wasserschaden einer alten Rolex

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4. Salzsprühtest (mit Armband)

Die Korrosionsbeständigkeit der Uhr soll durch einen Sprühnebeltest mit einer isotonischen Kochsalzlösung getestet werden – 48 Stunden nach dem Einsprühen dürfen weder Uhr noch Band nennenswerte optische oder haptische Änderungen aufweisen. Bewegliche Teile dürfen nicht durch Korrosion eingeschränkt sein.

Auch hier weicht die DIN übrigens recht deutlich ab: Sie verlangt keinen Salzsprühnebel, sondern, dass die Uhr für 24 Stunden in eine 3%-NaCl-Lösung bei 23 Grad Celsius gelegt wird. Anschließend dürfen keinerlei bleibende Veränderungen in Funktion und Aussehen erkennbar sein.

Hierzu eine kleine Anekdote: Ich habe mal beim Strandurlaub eine Uhr nach dem Baden im Meer in den Tresor gelegt – und offenbar nicht ordentlich genug mit Süßwasser abgespült, denn es zeigten sich bereits nach rund 12 Stunden im Tresor kleinere Rostflecken am Stahlband. Ärgerlich!

5. Stoßfestigkeit / freier Fall

Die Stoßfestigkeit wird u.a. mit Schlägen mit einem 3 kg schweren Hammer mit einer Aufprallgeschwindigkeit von 4,43 m/s getestet (Pendelschlaggerät) – das entspricht der Geschwindigkeit eines Körpers bei einem freien Fall nach einer Fallstrecke von einem Meter.

Es versteht sich von selbst, dass die Uhr trotz der Schläge nach wie vor funktionsfähig sein muss (es dürfen keine Zeiger oder Kronen abfallen, das Werk muss intakt sein etc.). Bis zu +/-60 Sekunden Gangabweichung pro Tag sind nach den Schlägen im Toleranzbereich.

Mehr / Experiment: Saphirglas vs. K1 Mineralglas/Hardlex vs. Hesalitglas im Bruch- und Kratz-Test

Rechts oben Saphirglas links K1 unten Mineralglas

6. Wasserdichtigkeit: Prüfung beweglicher Teile im flachen Wasser

Die Musteruhr wird zunächst rund 30 cm tief in Wasser eingetaucht. Alle unter Wasser bedienbaren Elemente, insbesondere die drehbare Lünette, müssen einwandfrei unter Wasser bedienbar sein – auch nach 48 Stunden.

Komponenten, die für die Verwendung im Wasser eigentlich nicht vorgesehen sind, können von der Prüfung ausgenommen werden (z.B. verschraubte Krone und Drücker).

Anschließend wird die Uhr aus dem Wasser genommen, abgewischt und erneut dem Kondensationstest unterzogen (siehe oben). Nach all diesen Schritten sollte die Uhr natürlich immer noch einwandfrei funktionieren.

7. Widerstand bei Belastung der Krone und anderer Drücker

Die Taucheruhr muss erneut ins Wasser – dieses mal aber bei einem Überdruck von mindestens 25 % über dem angegebenen Wasserdichtigkeitswert der Uhr.

Auf Krone und sonstige Drücker wird dann für 10 Minuten eine Kraft von 5 Newton (rund ein halbes Kilogramm) ausgeübt – und zwar von oben.

Es folgt wieder – was auch sonst – ein Kondensationstest.

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Die Krone einer Taucheruhr – meistens gut durch einen Kronenschutz geschützt.

8. Widerstandsfähigkeit von Anbauteilen

Neben der Widerstandsfähigkeit von Kronen und Drückern muss auch das Armband der Uhr malträtiert werden: Im geschlossenen Zustand muss das Band einer Kraft von 200 Newton (ca, 20 kg) standhalten. Die Kraft muss dabei in beide Richtungen von der Uhr wegziehend wirken. Dabei dürfen die Stege nicht verbiegen, die Schließe darf nicht brechen etc.

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Seiko Taucheruhren und das gewellte Kautschukband – Zweck und Geschichtliche Hintergründe

Einzelprüfung: Wasserdichtigkeit bzw. Überdruck-Test

Noch mal zur Erinnerung: Punkt 4.7.4 in der ISO 6425, den ich im folgenden ausführe, darf – anders als die vorherigen Tests – nicht nur an einer Musteruhr ausgeführt werden; der Test ist für jede einzelne Uhr notwendig, um die Zertifizierung zu erhalten.

Die ISO-Norm verlangt dabei das folgende Vorgehen:

  • Die Uhr muss in Wasser versenkt werden (danke, Captain Obvious)
  • Es wird ein Überdruck von 25 % über dem angegebenen Nennwert der Uhr aufgebaut (Δp = (L + 0,25·L), mindestens aber 10 bar. Wenn beispielsweise eine Taucheruhr auf 200 Meter (20 bar) ausgelegt ist, beträgt der angewandte Test-Druck 25 bar. 
  • Dieser Druck muss innerhalb von 10 Minuten nach dem Eintauchen der Uhr aufgebaut und 120 Minuten lang aufrechterhalten werden.
  • Der Überdruck muss dann innerhalb von 10 Minuten auf 0,3 bar reduziert werden und 60 Minuten lang aufrecht erhalten werden.

Es folgt, neben dem allgemeinen Funktiontest, – na klar – ein abschließender Kondenswassertest.

Und nochmal: Wie eingangs erwähnt, ist hier nicht explizit davon die Rede, dass eine Taucheruhr auf 20 bar bzw. 200 Meter Wasserdichtigkeit kommen muss.

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Testapparat für die Wasserdichtigkeit bei Glashütte Original

Über den (Un)sinn der ISO 6425 bzw. der der DIN 8306

Wie bereits Eingangs erwähnt, wurde die ISO 6425 im Jahre 1982 eingeführt – also viele Jahrzehnte nach dem Durchbruch wasserdichter Uhren, die professionell von Tauchern genutzt wurden (die erste speziell für Taucher konzipierte Uhr war die Blancpain Fifty Fathoms anno 1953).

Der Schritt war also längst überfällig, denn quasi jeder Uhrenhersteller hatte in den 80ern eine Taucheruhr im Sortiment. Bei einem Ausrüstungsgegenstand, das seinen Beitrag dazu leistet wieder lebend an die Wasseroberfläche zu kommen, ergibt eine Norm von offizieller Stelle absolut Sinn.

Nur wenige Jahre später brach allerdings auch das Zeitalter digitaler Tauchcomputer an. Und diese bringen einfach deutlich mehr Funktionen mit einfache mechanische Uhren. Die ISO 6425 und die DIN 8306 haben also wenige Jahre nach Erscheinen schon wieder an Wichtigkeit verloren.

Und wie wichtig ist die ISO 6425 im Jahre 2022? Tauchcomputer sind natürlich auch heute noch das Maß aller Dinge. Und genauso könnte man fragen wie wichtig es ist, dass eine Uhr von der NASA „flight qualified for all manned space missions“ ist, wenn man als Otto Normalo sowieso niemals auf einen Ausflug zur iss oder zum Mond starten will/kann/darf (es geht – na klar – um die Omega Speedmaster Professional Moonwatch). Oder anders gesagt: Die allermeisten Uhrenfreunde werden wahrscheinlich nie im Leben die Qualität benötigen, die durch die strengen Tests der hier vorgestellten Normen für Taucheruhren vorgegeben werden.

10 bar Wasserdichtigkeit Tauchen mit Ausrüstung Outdooruhr
Blogger beim Tauchgang

Sicherlich auch wegen der relativ geringen Relevanz lassen nur die wenigsten Hersteller ihre Taucheruhren heute offiziell nach ISO 6425 zertifizieren – allein schon wegen der Kosten für die Prüfung jeder einzelnen Uhr (wie oben ausgeführt). Das gilt sogar für populäre Luxus-Modelle wie Rolex Submariner, Omega Seamaster oder Blancpain Fifty Fathoms. Aber obwohl sie nicht zertifiziert sind, können sie den technischen Standards von ISO 6425 entsprechen (!), zum Beispiel durch Tests, die der Uhrenhersteller in Eigenregie in Anlehnung an die Normen durchführt.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Omega hat ein Modell im Sortiment, die Seamaster Planet Ocean Ultra Deep, die vom Eidgenössischen Institut für Metrologie METAS nach ISO 6425 zertifiziert ist: So heißt es bei Omega: “Nach ihrer Reise zum tiefsten Punkt der Erde im Jahr 2019 erscheint die bahnbrechende Ultra Deep nun als 45,5-mm-Kollektion für die breite Öffentlichkeit. Die […] Taucheruhr ist bis zu einer Tiefe von 6.000 Metern (20.000 Fuß) wasserdicht und wurde entsprechend der Norm ISO 6425 zertifiziert.” Mit fast 13.000€ ist der Preis des Modells aber auch alles andere als ein Pappenstiel…

Mehr: Rolex Deepsea Challenge: Die Marianengraben-Pioniere

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In der Summe ist (wenn man ehrlich ist) die ISO 6425-Zertifizierung von Taucheruhren ziemlich sinnbefreit, vor allem wegen der praktisch kaum sinnvoll abbildbaren, vorgeschriebenen Einzeltests (gleiches gilt für die DIN 8306, die sogar noch mehr Einzeltests fordert, darunter einen der oben unter 7. beschriebene Belastungstest von Kronen, Drücker etc.).

Die ISO 6425-Norm an sich ist aber durchaus nützlich, da sie insbesondere sinnvolle technische Eigenschaften und Testszenarien mitgibt, die für einen sicheren Tauchgang mit einer mechanischen Taucheruhr wichtig sind. Denn: viele Berufs- und Hobby-Taucher nehmen bis heute noch eine mechanische Taucheruhr als Backup für den Tauchcomputer mit – denn digitale Technik kann naturgemäß schneller den Geist aufgeben als “Old School”-Mechanik.

Kocht ein eigenes Süppchen: Beispiel Sinn Spezialuhren x DNV

Es gibt auch Uhrenhersteller, die ihr eigenes Süppchen kochen: Seit 2005 überprüft die Klassifikationsgesellschaft DNV (vormals DNV GL und Germanischer Lloyd, Hamburg) die Taucheruhren von Sinn Spezialuhren aus Frankfurt auf Wasserdichtigkeit und Druckfestigkeit. So ist beispielsweise die Sinn 50 bis 50 bar druckfest, die Sinn U1 sogar bis 100 bar.

Sinn U50 SDR Test Hands On 10
Sinn U50

Sinn sagt selbst, dass “die Prüfung in regelmäßigen Abständen an allen Serien dieser Uhren wiederholt wird, um die Konstanz der Qualität immer wieder zu dokumentieren.”

Mit Blick auf das DNV-Zertifikat für die U1 wird deutlich, dass die Frankfurter fünf Musteruhren nicht nach den hier vorgestellten DIN/ISO-Taucheruhrennormen hat testen lassen, sondern beispielsweise nach der europäischen Norm EN 250:2014, die eigentlich für Leichttauchgeräte mit Druckluft und ihre Baugruppen gedacht ist. Ob das nun tatsächlich besser ist, das bedarf eines separaten Vergleiches, der den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.

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Bild: Sinn

Mehr: Wasserdicht bis 10 atm & Co. – was bedeuten diese Angaben auf einer Uhr?

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Franz
11 Monate zurück

«Solche sogenannten dynamischen Druckspitzen, beispielsweise durch Schwimmbewegungen oder Strömungen, verursachen ein vielfaches der Belastung auf die Dichtungen einer Uhr als unter Laborbedingungen.»

Echt jetzt?
Die Mär von den dynamischen Druckspitzen hält sich leider immer noch und wird, ebenfalls leider, auch immer noch in Foren und Blogs verbreitet.
Um unter Wasser eine Steigerung des Drucks um nur ein bar zu erreichen, muss sich der Taucher mit etwa 50 km/h (27 kn) durchs Wasser bewegen. Z.Vgl.: Ein U-Boot vom Typ 212 A der Bundesmarine hat eine Höchstgeschwindigkeit unter Wasser von 20 kn (37 km/h). Durch Schwimmbewegungen kann keine für eine Uhr gefährliche Druckerhöhung erreicht werden und wenn ein Taucher oder Schwimmer in eine Situation gerät, in der er mit 50 km/h durchs Wasser schießt, dann hat er sicher ganz andere Probleme als die Dichtungen seiner Uhr.

Ansonsten ist der Artikel aber recht gut.

Riemenschneider
1 Jahr zurück

Ich muss schon sagen, wer sich die Mühe macht sich dieses feuchten/trockenen Themas einmal mit dieser Genauigkeit anzunehmen, dem zolle ich größten Respekt. Jetzt auch gut zu wissen, dass die meisten Taucheruhren mehr können/Reserven haben, als man gemeinhin geglaubt hat. Diese Infos sind immer wieder hervorragend und sehr gern gelesen.