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Wenn man sich mal für eine Weile in einschlägigen Foren vergräbt und dem Tenor der meisten Uhrennerds lauscht, sind rein funktionale Eigenschaften wie eine perfekte Ablesbarkeit, hohe Wasserdichtigkeit, Kratzresistenz und dergleichen quasi indiskutable Eigenschaften bei einer Armbanduhr.

Bei dieser Debatte innerhalb des Uhrenfreundemikrokosmos wird aber schnell vergessen, dass Uhren doch vor allem Spaß machen sollen, oder? Denn seien wir mal ehrlich: Die Uhrzeit gibt es heutzutage an jeder Ecke, vor allem in digitaler Form am Smartphone, dem Backofen und dergleichen. Ein weiterer Aspekt ist, dass der allzu enge Blickwinkel auf pure Funktionalität innovative Designideen verhindern kann.

Okay, ich gebe zu, dass es bei Uhren, die sich selbst nicht zu ernst nehmen, häufig ein schmaler Grat ist zwischen wirkt irgendwie albern und so genial, dass es wieder cool ist.

Einen großen Sympathie-Bonus haben dabei beispielsweise die sehr beliebten Snoopy-Uhren, die es unter anderem von Timex oder (30 Preisetagen höher) von Omega gibt (siehe Omega x Snoopy – was macht der Comic-Beagle auf der Speedmaster?).

Die Preisspanne von Timex zu Omega ist euch noch nicht heftig genug? Nun, ein besonders extremes Beispiel für eine Ultraluxus-„Spaßuhr“ ist die Richard Mille RM 88, bei der ich mich zugegebenermaßen schon frage, welche Personen es dazu bewegt, über 1 Millionen Euro (!) für … so etwas … auszugeben (aber ich gehöre sicherlich auch nicht zur Zielgruppe der Marke):

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Es geht aber auch deutlich günstiger (ab 240€): Mit Mr Jones Watches gibt es einen Uhrenhersteller aus Großbritannien, der kaum daran interessiert zu sein scheint, Uhren herzustellen, die auch tatsächlich die Zeit anzeigen – dafür ist der Fun Factor umso höher…

Über Uhren von Mr Jones Watches

So viel vorweg: Uhrenfreunde, die Wert auf eine perfekte Ablesbarkeit einer Uhr legen, sollten einen großen Bogen um Mr Jones Watches machen: Fast alle Modelle des von Mr. Crispin Jones in London gegründeten Herstellers sind nicht wirklich intuitiv abzulesen. Die meisten haben nicht mal Ziffern oder klassische Zeiger. Man braucht schon mindestens eine ordentliche Portion „Eingewöhnungszeit“, um die Uhrzeit von Mr Jones-Uhren halbwegs schnell ablesen zu können (von einer präzisen Ablesbarkeit ganz zu schweigen). 

Und das ist auch beabsichtigt: Mr Jones Watches bewegt sich klar in einer Nische mit Uhren, die einfach nur gute Laune verbreiten sollen – oftmals gepaart mit einer Botschaft, die zum Nachdenken anregen soll (dazu gleich mehr). Dass sich Mr Jones Watches selbst nicht zu ernst nimmt, zeigt auch der Blick auf offizielles Bildmaterial auf der Mr Jones-Website wie dieses:

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Number Cruncher von Mr Jones Watches

Mr Jones Watches arbeitet dabei häufig mit unabhängigen Künstlern zusammen: Für das Modell „A Perfectly Useless Afternoon“ beispielsweise zeichnet sich der belgische Illustrator und Kinderbuchautor Kristof Devos verantwortlich, der hauptberuflich mit Uhren eigentlich nichts (zumindest nicht direkt) am Hut hat.

Unabhängig von der Herkunft des Designs werden alle Mr. Jones-Uhren in London produziert, sprich alle Komponenten wie Gehäuse, Zifferblatt und Werk zusammengefügt. Durchaus eine Besonderheit ist, dass Mr Jones Watches alle Zifferblätter im sogenannten Tampondruckverfahren selbst vor Ort in London druckt. Im Tampondruckverfahren wird mit einem weichen Gummiballon (der sogenannte Tampon, der als eine Art Stempel fungiert) die Farbe von einer Druckplatte (sog. Klischee) aufgenommen und anschließend auf die Zifferblattoberfläche gedruckt.

Mr Jones Watches Uhr Erfahrungen Test 2

Mr Jones Watches setzt auf Uhrwerke von der Stange: die Marschrichtung ist ein „Low Budget“-Mischmasch aus nicht näher definierten Quarzwerken (wie bei der „A Perfectly Useless Afternoon“), Schweizer Ronda-Quarzwerken (z.B. Modell Vingt Mille), chinesischen Mechanikwerken (z.B. Seagull ST1721 bei der „Number Cruncher“), aber auch Schweizer Automatikkalibern (z.B. der günstige ETA-Klon STP1-11 in der XL-Variante der „A Perfectly Useless Afternoon“)

Nicht wirklich nachvollziehbar ist, warum Mr Jones Watches die Modelle versucht in „Mens“ und „Womens„-Schubladen zu verfrachten: Bis auf wenige Ausnahmen mit floralen Mustern, sind fast alle Mr Jones-Modelle meines Erachtens nach unisex, also für beide Geschlechter tragbar. Ebenfalls nicht so richtig nachvollziehbar ist, dass die Standardgröße für die allermeisten Modelle bei 37 mm liegt – was für ein durchschnittliches Herrenhandgelenk ziemlich mickrig ist (die oben genannte XL-Variante wiederum kommt konträr dazu mit ziemlich wuchtigen 45 mm). Wenn schon eine Trennung nach Damen und Herren – dann bitte wenigstens auch mit nachvollziehbarer Größenunterscheidung (zum Beispiel 35 mm vs. 40 mm).

Mr Jones Watches „A Perfectly Useless Afternoon“

Eines der bekanntesten Modelle von Mr Jones ist „A Perfectly Useless Afternoon“ – auf deutsch: „Ein vollkommen nutzloser Nachmittag“. Das von einem Saphirglas geschützt Zifferblatt zeigt dabei aus der Vogelperspektive eine Person in Shorts, die auf einem Schwimmreifen im Pool chillt und dabei ein Buch liest. Am Rand schwimmt eine Quietscheente. Klassische Zeiger oder Indizes? Fehlanzeige!

Mr Jones Watches Uhr Erfahrungen Test 10

Bei diesem Modell, das ich mir im Rahmen des 2022er Black Friday Deals mit nettem Rabatt erworben habe, fragt man sich auf den ersten Blick, wie man überhaupt die Uhrzeit ablesen soll – die Idee hinter „A Perfectly Useless Afternoon“ ist aber auf den zweiten Blick ziemlich genial: Anstelle klassischer Zeiger für Minuten und Stunden hat das Modell zwei transparente Scheiben, die mit Grafiken (die Person im Schwimmreifen und die Ente) bedruckt sind. Dabei fungiert das ausgestreckte Bein der Person im Schwimmreifen als „Stundenzeiger“ und die Quietscheente als „Minutenzeiger“. Der Antrieb der beiden Scheiben erfolgt, wie man es von einer analogen Uhr kennt, aus dem Zentrum heraus.

Der Hintergrund des Zifferblatts zeigt einen hellblauen Beckenboden mit sich kreuzenden, Pool-typischen Linien, die durch das Wasser „verzerrt“ sind. Die Linien tragen nicht nur dazu bei den Leerraum auf dem Zifferblatt zu reduzieren, sondern sie dienen auch funktional als Stundenmarkierungen – und zwar im Übergang zum Rehaut.

So viel zur Theorie – Beispiel gefällig? In diesem Bild ist es (circa) 8 Minuten vor 9 Uhr:

Mr Jones Watches Uhr Erfahrungen Test 5

Das Modell steht laut Mr Jones Watches im Zeichen eines Zitates des chinesischen Philosophen und Schriftstellers Lin Yutang, der gesagt haben soll: „Wenn du einen vollkommen nutzlosen Nachmittag auf vollkommen nutzlose Weise verbringen kannst, hast du gelernt, wie man leben sollte.“ Die Uhr ist damit quasi das Gegenkonzept zur Smartwatch, welche (neben der Uhrzeit) die nervige Dauerbeschallung mit Nachrichten und etliche weitere Sonderfunktionen ans Handgelenk bringt (ich hänge schon viel zu oft an meinem Smartphone und brauche das nicht auch noch – wirklich nicht).

Die Mr Jones Watches „A Perfectly Useless Afternoon“ hat meiner Meinung nach einen wunderbaren Gute Laune-Charakter, gepaart mit innovativem Design – und ich gehe wirklich sparsam mit dem Begriff „innovativ“ um, denn das Wort wird von vielen inflationär benutzt, ohne dass wirklich viel dahinter steckt.

Mit Preisen ab 240€ sind Mr Jones Watches meiner Meinung nach den Spaß absolut Wert, wenngleich ich mir mehr Stringenz und höhere Qualität bei den verbauten Uhrwerken wünschen würde (z.B. Sellita-Kaliber).

Was denkt ihr über wenig funktionale „Spaßuhren“ wie beispielsweise von Mr Jones Watches? Hinterlasst gerne auch einen Kommentar!

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6 Kommentare
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Samir A.
1 Jahr zurück

Hallo Mario, ich verfolge deinen Blog jetzt schon länger und du bist immer eine meiner ersten Anlaufstellen wenn ich was über Uhren wissen will! Ich möchte an dieser Stelle mal Danke sagen dass du dich auch immer wieder mit Uhren beschäftigst die nicht dem „Mainstream“ alá Rolex, Omega und Co. entsprechen! Bin gerade erst auf MJW aufmerksam geworden und wiedermal bei dir fündig geworden 🙂
Gleich mal mit Black Friday Rabatt bestellt, bringt sicher frischen Wind in meine Uhrensammlung!

Lg Samir

Andreas
1 Jahr zurück

Nach den eher negativen Vorkommentaren muss ich nun doch eine Lanze für Mr. Jones Watches brechen: Ich selbst habe „A perfectly useless afternoon“ in meiner Sammlung und es ist wirklich die perfekte Sommer-Uhr!
Auch ist die Ablesbarkeit nach kurzer Eingewöhnung nicht unbedingt schlechter als bei anderen Uhren, die nicht gerade Einsatzzeitmesser-Zifferblätter haben. Jedoch bringt hier ein Blick auf das Ziffernblatt wirklich gute Laune und versetzt einen gleich in eine entspanntere Stimmung; bislang ist es auch die einzige Uhr in meiner Sammlung, auf die ich regelmäßig angesprochen werde, wenn ich sie trage – und die Reaktionen sind überwiegend positiv. Sogar meine Frau, die ansonsten absolut nichts mit (meinen) Uhren am Hut hat, fand sie so gut, dass ich ihr das Gegenstück „A perfectly useless morning“ schenkte, die sie nun auch gerne und oft trägt.
Seit über einem Jahr habe ich die Uhr in meiner Sammlung und mittlerweile eine echte Zuneigung zu dem mit Abstand billigsten Stück in meinem Uhrenkasten entwickelt, so dass ich die Krämerseelen, die sie rein als Wertanlage oder unter Wiederverkaufsgesichtspunkten betrachten, nicht mehr verstehen kann. Nun, aber auf solche Leute zielt Crispin Jones mit seinem Kunstverständnis und seinen Uhren auch nicht ab; immerhin entstand seine ganze Uhrenfirma eher zufällig aus einem Kunstprojekt. Interessant dazu ist ein Interview mit ihm hier https://www.ablogtowatch.com/superlative-creating-functional-and-wearable-art-with-crispin-jones/ (falls Links auf andere Blogs hier erlaubt und erwünscht sind).

Peter
1 Jahr zurück

Das ist etwas, das kann man höchstens auf dem Flohmarkt wieder loswerden. Rausgeworfenes Geld.

Christian
1 Jahr zurück

Mittlerweile kostet Deine erworbene Uhr 240 bzw. über 600 Euro. Und für diesen Preis erhalte ich für mich persönlich Besseres.
Und dazu kommt noch, dass so gut wie jede Uhr ausverkauft ist

Last edited 1 Jahr zurück by Christian
Ulrich Dittmann
1 Jahr zurück

Ich bevorzuge einen zuverlässigen Zeitmesser am Armgelenk – und keine Spielzeuge.
Aber wem´s gefällt – „jedem Tierchen sein Pläsierchen“!