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Fliegeruhren sind (gleich nach Taucheruhren) wohl die beliebteste Uhrenkategorie รผberhaupt. Der Knackpunkt: Wรคhrend es eine weit verbreitete offizielle Norm gibt, die die Merkmale einer zum Tauchen geeigneten Uhr definiert, gibt es keine solche einheitliche Definition oder Norm fรผr Fliegeruhren – mit Ausnahme der DIN 8330 (frรผher: TESTAF), die von Sinn und anderen Firmen ins Leben gerufen wurde, die allerdings keine flรคchendeckende Bedeutung im Bereich analoger Uhren hat. Optische und technische Eigenschaften von Fliegeruhren sind also deutlich heterogener als bei Taucheruhren.

Grundlagen: Fliegeruhren

Mit dem technologischen Fortschritt wurden klassische Fliegeruhren รผber die Jahrzehnte langsam aber sicher weniger wichtig โ€“ unter anderem aufgrund von heute gรคngigen Mehrfach-Redundanzsystemen, die beim Ausfall eines Gerรคtes oder bei einer Stรถrung die Betriebssicherheit des Systems erhalten โ€“ also quasi wie ein Reserverad, das automatisch einen platten Reifen ersetzt.

Und so wandelten sich Fliegeruhren langsam zu Hilfs- bzw. Backupgerรคten โ€“ denn es gilt damals wie heute: Wenn die Borduhr ausgefallen ist, bleibt das Flugzeug am Boden.

Ausnahmen bestรคtigen die Regel: Es gibt auch heute noch Piloten, die darauf trainiert sind, komplett ohne moderne Hilfsmittel zu fliegen. Einige nutzten dabei auch klassische Armbanduhren. Ein Beispiel ist der sogenannte Zero-G-Turn, der mit oder ohne moderne Ausrรผstung durchgefรผhrt werden kann: Eine schรถne und sanfte Drehung eines Flugzeugs kann durch eine Drehung um drei Grad pro Sekunde erreicht werden (drei Grad pro Sekunde entsprechen nach Adam Riese 180 Grad pro Minute) โ€“ dafรผr kann man beispielsweise eine Uhr mit einem sehr deutlich sichtbaren Sekundenzeiger verwenden. Und da sind wir auch schon beim ersten, wesentlichen Merkmal, denn aus beschriebenem Grund verfรผgen โ€œwaschechteโ€ Fliegeruhren meistens รผber einen groรŸen zentralen Sekundenzeiger.

Fliegeruhren haben ferner normalerweise ein eher schlichtes, aufgerรคumtes und auf das Wesentliche reduzierte, funktionale Design und sind eher groรŸ – das macht sie in der Regel hervorragend ablesbar – auch bei schlechten Lichtverhรคltnissen.

Ausnahmen bestรคtigen aber wie immer die Regel: Einer der Fliegeruhren-Klassiker und das Flaggschiff von Breitling, die Navitimer, besticht zwar nicht grade durch gute Ablesbarkeit, hat aber eine fรผr Piloten durchaus sinnvolle Funktion an Bord: Eine Rechenschieber-Lรผnette (dazu gleich mehr).

Als die allererste Fliegeruhr wird oft diejenige Armbanduhr betrachtet, die Louis Cartier fรผr den Luftfahrtpionier Alberto Santos-Dumont gebaut hat. Mit seinen rรถmischen Ziffern und dem eckigen Blatt (und damit auch eckiger Minuterie) war die Ablesbarkeit nach spรคteren MaรŸstรคben allerdings alles andere als perfekt – anders als bei den im militรคrischen Kontext gefertigten Fliegeruhren im Zweiten Weltkrieg, die vor allem voll auf Ablesbarkeit und Funktionalitรคt abzielten, mit hohem Kontrast, perfekt ablesbaren Ziffern und viel Leuchtmasse (frรผher Radium). So entstanden, den militรคrischen Spezifikationen folgend, Klassiker wie die A-Muster-Beobachtungsuhren…

Ablesbarkeit: Dreieck mit zwei Punkten

Historisch betrachtet geht der Allzeitklassiker, das A-Muster-Zifferblatt, auf den Zweiten Weltkrieg zurรผck, als das Reichsluftfahrtministerium (RLM) Zeitmesser fรผr die Navigatoren an Bord von Langstreckenflugzeugen wie beispielsweise der Heinkel He 111 herstellen lieรŸ. Historische Hersteller dieser Beobachtungsuhren waren beispielsweise Laco, Stowa und IWC.

Bei genauerem Hinsehen entdecken wir bei den schlichten A-Muster-Beobachtungsuhren ein klassisches Merkmal, das sich heute bei vielen Fliegeruhren wiederfindet: ein zentrales Dreieck mit zwei Punkten – ein charakteristisches Merkmal, das aus Grรผnden der besseren Ablesbarkeit statt der arabischen โ€ž12โ€œ zum Einsatz kommt. Das Dreieck sorgt (damals wie heute) dafรผr, dass der Trรคger der Uhr auch im hektischen Alltag und bei schlechten Sichtverhรคltnissen selbst mit einem flรผchtigen Blick die Stellung der Zeiger zur โ€ž12โ€œ erkennen kann. 

Das Dreieck ist auch in รคhnlicher Form beim Baumuster B an Bord, nur dass statt der arabischen Zahlen 1 bis 11 die Sekunden/Minuten in 5er-Schritten aufgedruckt sind. Die klassische Stunden-Einteilung von 1 bis 12 wiederum befindet sich in einem zusรคtzlichen Innenring.

Die genaue Funktionsweise dieser Uhren ist sehr schรถn vom Sammler und Experten Konrad Knirim zusammengefasst. Die Piloten selbst schnallten sich รผbrigens in der Regel Chronographen ums Handgelenk, z.B. von Hanhart oder Tutima, als Reserve, falls eine Borduhr ausfallen sollte (dazu gleich mehr).

Fliegeruhren mit Chronographen-Komplikation

Atlantikรผberquerungen waren in den Anfรคngen der Luftfahrt offenbar ein Magnet fรผr tollkรผhne Pilotinnen und Piloten: Nach John Alcock und Arthur Whitten Brown (1919) sowie Charles Lindbergh (1927) wirbelte eine Dame diese von Mรคnnern dominierte Domรคne ordentlich durcheinander: Die US-amerikanische Pilotin Amelia Earhart war โ€“ fรผnf Jahre nach Lindbergh โ€“ die erste Frau, die allein รผber den Atlantik flog: von Kanada auf eine Kuhwiese in Irland, wo Earhart entgegen aller Gerรผchte bei der Landung aber keineswegs eine Kuh umgemรคht hat โ€“ โ€œauรŸer sie ist vor Angst gestorbenโ€, wie sie mit ihrem trockenen Humor damals zu Protokoll gab.

Zusรคtzliche Stoppuhrenfunktionen in Form von Chronographen setzten sich damals allmรคhlich durch – mit dabei bei Earharts Ausflug daher: ein 35 mm kleiner Longines Eindrรผcker-Chronograph mit dem Handaufzugskaliber 13.33Z, welcher sie unter anderem bei der Navigation unterstรผtzte.

Mehr: Uhren mit Chronograph-Komplikation einstellen, Definition und technische Funktion

Mechanische Flieger-Chronographen gibt es heute von vielen Anbietern, beispielsweise von den historisch spannenden Herstellern Laco, Fortis oder IWC – darunter auch Varianten mit Fliegerdrehring…

Fรผr Kursรคnderungen & Co.: Fliegerdrehring

Viele Fliegeruhren kommen mit einem Drehring bzw. einer Lรผnette, die in der Regel (anders als bei Taucheruhren) bidirektional drehbar ist, d.h. in beide Richtungen. Historisch betrachtet ermรถglicht(e) eine solche Fliegeruhren-Lรผnette die Unterstรผtzung des Piloten bei der Navigation. Zwar hat der Pilot natรผrlich in der Regel schon vor dem Start eine ziemlich genaue Vorstellung รผber die geplante Flugstrecke, am Ende des Tages muss er aber natรผrlich irgendwie berechnen, wo denn nun in welchem Winkel โ€žabgebogenโ€œ werden muss. Insbesondere bei Kursรคnderungen รผber dem Meer konnte sich der Pilot schlieรŸlich an keinen visuellen Anhaltspunkten am Boden orientieren (Fliegen โ€žauf Sichtโ€œ, z.B. anhand des Kรผstenverlaufs). Heute ermรถglicht die moderne Satellitennavigation (GPS, GLONASS oder Galileo) eine auf wenige Meter genaue Positionsbestimmung, weshalb eine drehbare Lรผnette aus funktionaler Sicht in der Regel nicht mehr notwendig ist โ€“ aber zu einer analogen Fliegeruhr natรผrlich irgendwie dazu gehรถrt und sicherlich von dem einen oder anderen Hobbypiloten auch noch entsprechend genutzt wird.

Eher ein Exot ist die heutige Sinn 717 mit innenliegendem (!) Drehring, die auf der Grundlage eines militรคrischen Bordchronographen lanciert wurde. Der Hintergrund: Damals, bei der Ausschreibung zur Ausstattung des Panavia 200 (PA-200) Tornado mit Bordchronographen, hatte sich รผberraschenderweise nicht Junghans, sondern die im Jahre 1961 vom Piloten Helmut Sinn gegrรผndete und seit je her auf Fliegerchronographen spezialisierte Sinn Spezialuhren GmbH durchgesetzt. 

Bis heute sind Borduhren des Typs Sinn NaBo 17 ZM in Tornado-Mehrzweckkampfflugzeugen der Bundeswehr im Einsatz. Darรผber hinaus wird der NaBo 17 ZM im Starfighter F-104, im Seefernaufklรคrer Breguet Atlantic sowie in Bundeswehr-Hubschraubern wie dem Bรถlkow Bo 105 eingesetzt.

Charakteristisch fรผr die Sinn 717: Das Gehรคuse des Modells kommt mit einem innenliegenden Fliegerdrehring, welcher mitsamt des Saphirglases stufenlos und bidirektional am AuรŸendurchmesser der Uhr bedienbar ist. Da die Skala innen lรคuft, hat sie eine grรถรŸere Nรคhe zur Skala auf dem Zifferblatt und zu den Zeigern โ€“ das soll die Justierung des Drehrings und die Ablesbarkeit verbessern.

Abrutschsicher: Geriffelte Lรผnette mit roter Markierung

Einige Fliegeruhren kamen und kommen mit einem kannelierten, griffigen Drehring mit einem roten Markierungsstrich, der sich stufenlos in beide Richtungen drehen lรคsst.

Die rote Markierung auf der geriffelten Drehlรผnette von solchen Fliegeruhren kann als Count-Up- oder Countdown-Lรผnette verwendet werden, um beispielsweise die Navigation oder Bombenangriffe zu รผberwachen. Die Piloten verlieรŸen sich auf Karten, um die Zeit zu bestimmen, zu der sie bestimmte Orientierungspunkte erreichen wรผrden. Wenn sie die rote Markierung am Minutenzeiger setzten, konnten sie die verstrichenen Zeiten schnell ablesen. Die Kerben an der Lรผnette ermรถglichen eine prรคzise, rutschfeste Bedienung.

Tutima war einer der historischen Hersteller solcher Chronographen im Zweiten Weltkrieg: Die Geschichte von Tutima beginnt im sรคchsischen Glashรผtte mit der Grรผndung der Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashรผtte AG (UROFA) und der Uhrenfabrik Glashรผtte AG (UFAG). In den 1920ern startet der erst 27-jรคhrige Dr. Ernst Kurtz die Produktion der ersten Glashรผtter Armbanduhren. Bald wurden die Uhren unter der Marke Tutima (vom lateinischen tutus fรผr sicher, geschรผtzt) vertrieben. Zum Meilenstein der Markengeschichte avanciert 1941 die letzte Entwicklung der UROFA-UFAG: der Zwei-Drรผcker-Fliegerchronograph โ€žTutimaโ€œ mit geriffelter Lรผnette.

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Pittigrilli, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Damit’s schneller geht: Flyback-Fliegeruhren

Die Heuer 1550 SG ist der offizielle Bundeswehr-Fliegerchronograph der 60, 70er und 80er Jahre (mehr dazu im Artikel รผber Bundeswehr-Uhren). Der Flieger-Chronograph folgte damals den vorher zum Einsatz kommenden, deutschen Modellen Hanhart 417 und Junghans J88. Die heute bei Vintage-Sammlern extrem beliebte Heuer 1550 SG kam unter anderem beim fliegenden Personal von Heer, Marine und Luftwaffe (z.B. Starfighter-Piloten) sowie bei den Fernspรคhtruppen zum Einsatz. Die Besonderheit: Eine Flyback-Funktion.

Ein Flyback-Chrono zeichnet sich dadurch aus, dass er im laufenden Betrieb zurรผckgesetzt werden kann und dann wieder sofort weiterlรคuft, ohne dass man ihn vorher stoppen muss โ€“ und das ist insbesondere in der Fliegerei eine wertvolle Funktion, denn dort gibt es oftmals die Herausforderung, dass die Lรคnge von mehreren, unmittelbar aufeinander folgenden Zeitintervallen separat (also nicht additiv) gemessen werden muss. So muss ein Pilot beispielsweise mit einer bestimmten Geschwindigkeit zunรคchst 20 Sekunden in eine bestimmte Richtung fliegen und anschlieรŸend 45 Sekunden lang in eine andere.

Mit anderen Worten ist der Flyback-Mechanismus nรผtzlich, um das sofortige, verzรถgerungsfreie Messen eines neuen Zeitintervalls durch die Betรคtigung des Reset-Drรผckers zu ermรถglichen (bei einem โ€œnormalenโ€ Chronographen ohne Flyback-Funktion passiert beim Betรคtigen des Reset-Drรผckers einfach gar nichts, solange die Zeitmessung lรคuft).

Genauer:

  • das Stoppen der laufenden Messung,
  • die Rรผckstellung des zentralen Chronographen-Zeigers und
  • das erneute Auslรถsen einer neuen Messung

โ€ฆlassen sich โ€œin einem Abwaschโ€ erledigen, d.h. der zentrale Chronographen-Zeiger kann mit einer einzigen Drรผckerbetรคtigung in die Nullstellung zurรผckgebracht werden, ohne dabei die Messung zu unterbrechen.

Ein weiteres historisches Beispiel fรผr einen Flyback-Chrono ist die Breguet Type 20 Fliegeruhr. Diese ersten Modelle wurden vom Valjoux 222 angetrieben, einem Flyback-Chronographenkaliber mit einer Frequenz von 2,5 Hertz. Das Modell wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren von der franzรถsischen Marine bei Breguet in Auftrag gegeben.

Lesetipp: Bundeswehr Uhren: Historische Klassiker und aktuelle Armbanduhren deutscher Soldaten und Offiziere

Fliegeruhren-Bedienbarkeit: Diamant- und Zwiebelkrone

In den Pioniertagen der Luftfahrt flogen Piloten in ungeheizten Cockpits. Da sie starker Kรคlte ausgesetzt waren, wurden sie mit dicken Handschuhen ausgestattet. Eine markante Krone war ein entscheidendes Merkmal, um die Uhr auch mit behandschuhten Hรคnden leicht bedienen zu kรถnnen. Ein Beispiel: Um die exakte Uhrzeit einstellen zu kรถnnen, waren die Uhrwerke von Fliegeruhren in der Regel in der Lage, den zentralen Sekundenzeiger durch Ziehen an der Krone zu stoppen (sogenannte “Hacking”-Funktion).

Aus diesem Grund waren die meisten Fliegeruhren mit รผbergroรŸen Kronen ausgestattet (sogenannte “Big Crown”-Uhren). Durchgesetzt haben sich zwei Formen: Zwiebel (abgerundet) und Diamant (konisch).

Die Longines Type A-7 1935 beispielsweise basiert auf dem gleichnamigen Eindrรผcker-Chronographen, der von Longines in den 1930er Jahren fรผr das U.S. Army Air Corps produziert wurde. Das Auslรถsen der Chronographen-Funktion ist hier integriert in die groรŸe Zwiebelkrone. Und nein, ihr habt keinen Knick in der Optik: Die โ€žschiefeโ€œ, um 45ยฐ versetzte Zifferblatt-Konstruktion wurde exakt so in einem umfangreichen Pflichtenheft gefordert, damit die US-Kampfpiloten die Informationen von der Uhr ablesen konnten, ohne die Hรคnde vom Steuerknรผppel nehmen zu mรผssen.

IWC wiederum hat sich beispielsweise bei der Big Pilot fรผr die schรคrfere, konische “diamantfรถrmige” Krone entscheidet (inspiriert von denen der Beobachtungs-Uhren). Anzumerken ist, dass IWCs Fliegeruhren-Geschichte schon vor dem 2. Weltkrieg startete: Die erste 1936 bei IWC gebaute Fliegeruhr, die Spezialuhr fรผr Flieger, verfรผgte bereits รผber stabiles Glas, eine Drehlรผnette mit Registrierzeiger fรผr Kurzzeitablesung, ein antimagnetisches Kaliber sowie stark kontrastierende, nachleuchtende Zeiger und Zahlen.

Prรคzision zรคhlt: Weicheisenkรคfig bei Fliegeruhren

Auch Genauigkeit und Prรคzision sind bei Fliegeruhren hoch im Kurs, Magnetfeldabschirmung ist daher durch die historische Brille betrachtet stets ein relevantes Thema in der Geschichte der Aviatik gewesen. So sind beispielsweise die Ablenkspulen von Radarschirmen, die sich in Flugzeugcockpits und Bodenstationen befinden, magnetisch und kรถnnen einen negativen Einfluss auf die Ganggenauigkeit einer mechanischen Uhr ohne speziellen Magnetfeldschutz haben. Auch Stromkreise in Flugzeugen erzeugen Magnetfelder. Der Einsatz eines abschirmenden Weicheisenkรคfigs in einer Fliegeruhr ist also absolut sinnvoll.

Schon Beobachtungsuhren im Zweiten Weltkrieg wie jene von Laco kamen mit solch einem Schutz: Im Inneren des mit 55mm รผbergroรŸen Gehรคuses war das Uhrwerk von einem Eisenkern umgeben, was die B-Uhr antimagnetisch machte. Ein weiteres Beispiel ist die IWC Mark XI mit Weicheisenkern, die bei der britischen RAF (Royal Air Force) und der FAA (Fleet Air Arm) ab 1949 und bei der RAAF (Royal Australian Air Force) ab 1950 zum Einsatz kam.

Mit dem Aufkommen antimagnetischer Materialien sind moderne Fliegeruhren immer weniger mit solch schweren, platzraubenden Kรคfigen ausgestattet. Denn: Mechanische Uhrwerke kommen zunehmend mit amagnetischen Komponenten wie Silizium, weshalb ein solcher Weicheisenkรคfig nicht mehr ganz so groรŸen Nutzen hat. Dennoch kommen auch heute noch Fliegeruhren mit diesem Merkmal, so wie die IWC Mark XX oder die Laco Hamburg (GMT) DIN 8330: Der Weicheisenkรคfig setzt sich hier zusammen aus Zifferblattunterseite, Werkhaltering und Zwischenboden aus reinem Eisen, wodurch typischerweise Magnetismus von bis zu 1000 Gauss weggesteckt werden kann (entspricht 100 Millitesla (mT) 0der 80.000 Ampere pro Meter (A/m)).

Mehr: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag

Fliegeruhren-Rechenhilfe: Rechenschieber-Lรผnette von Breitling

Wรคhrend des zweiten Weltkriegs, im Jahre 1942, gelang Breitling ein Durchbruch mit dem Breitling Chronomat, eine Wortschรถpfung aus Chronograph und Mathematik. Man braucht jetzt kein Genie zu sein, um festzustellen, dass mit dem Chronomat damals schon Kalkulationen รผber den integrierten Rechenschieber mรถglich waren. Der Chronomat kam beispielsweise bei der United States Air Force (USAF) zum Einsatz.

Im Jahre 1952 war es endlich soweit: Die erste Breitling Navitimer kam auf den Markt, angetrieben vom Handaufzugswerk Venus 178. Das Modell, dessen Name eine Wortneuschรถpfung aus Navigation und Timer ist, ist eine Weiterentwicklung des Breitling Chronomat: Mit der Rechenschieber-Lรผnette der Navitimer war es nun โ€“ neben Dreisatzrechnungen, Mulitplikation und Division โ€“ auch mรถglich speziell fรผr die Luftfahrt benรถtigte Kalkulationen durchzufรผhren.

Die Rechenschieber-Lรผnette ermรถglichte zum Beispiel das Umrechnen von Kilometer in Meilen oder die Kalkulation von Treibstoffverbrauch, zurรผckgelegter Wegstrecke, Steig- und Sinkflugrate etc. โ€“ oder kurz gesagt: Berechnungen, die insbesondere fรผr Piloten damals einen groรŸen Nutzen boten, im digitalen Zeitalter nunmehr aber fรผr wahrscheinlich 99,9999% der Navitimer-Trรคger bloรŸe Spielerei sind. Was bleibt ist aber die charakteristische Optik der Navitimer.

Dennoch ist die Funktionsweise der Rechenschieberlรผnette nach wie vor so genial wie spannend โ€“ hier einige konkrete Beispiele (Bilder aus dem Breitling-Chronolog 06):

รœbrigens: Aus Frankfurt kommt eine vergleichsweise gรผnstige Alternative zur Breitling Navitimer: Die Sinn 903. Die Sinn 903 ist aber keine bloรŸe Designkopie, sondern hat einen geschichtlichen Hintergrund: Als Breitling in den 70ern infolge der Quarzkrise die Pforten schlieรŸen musste, wurden etliche Uhrenkomponenten von Helmut Sinn aufgekauft. Sinn baute also quasi in Frankfurt die Navitimer unter dem Namen Sinn 903 weiter. Als die alten Teile von Breitling aufgebraucht waren, hat Sinn die Produktion nach dem Vorbild der Navitimer fortgefรผhrt. Erst in den 80ern lieรŸ Breitling die Navitimer wieder aufleben und musste sich dem selbst geschaffenen neuen Navitimer-Wettbewerber stellen.

Fliegeruhren fรผr Zeitzonen-Hopper: GMT-Komplikation

Die Rolex GMT-Master wurde erstmalig 1955 in Form der Referenz 6542 lanciert. Historisch betrachtet ist das kein Zufall: Die zivile Luftfahrt im Allgemeinen und Transatlantikflรผge im Speziellen erlebten in den 50ern einen immensen Aufschwung: Frรผher war die Reise รผber den Ozean ein fรผr die breiten Massen unerschwinglicher Luxus. Das รคnderte sich erst in den 1950er-Jahren allmรคhlich, als das US-Luftfahrtunternehmen Pan Am eine Vorreiterrolle einnahm und 1958 mit Boeings vierstrahligem Langstrecken-Flieger 707 den tรคglichen Verkehr zwischen USA und Europa aufnahm.

Berufspiloten und Flugpersonal รคuรŸerten damals zunehmend den Wunsch nach einer zuverlรคssigen Armbanduhr mit der Anzeige von Orts-und Heimatzeit, um beim transatlantischen Zeitzonen-Hopping nicht den รœberblick zu verlieren โ€“ und so kam es schlieรŸlich zur Entwicklung der Rolex GMT-Master mit GMT-Komplikation. Das charakteristischste Merkmal der Rolex GMT-Master, die bidirektionale blau-rote โ€œPepsiโ€-Lรผnette, sollte dabei in Kombination mit dem 24-Stunden-Zeiger die Unterscheidung zwischen Tag und Nacht in der heimatlichen Zeitzone erleichtern.

Die GMT-Komplikation wird heutzutage von verschiedenen Herstellern auch gรคnzlich unterschiedlich gelรถst (gut so, denn Pepsi-Uhren gibt es wie Sand am Meer): Bei der Laco Frankfurt GMT beispielsweise fungiert eine zusรคtzliche Krone zum Einstellen der Zeiger bzw. der lokalen und der Heimat-Uhrzeit, die andere zum Einstellen des innenliegenden Drehrings mit 24-Stunden-Skalierung.

Bei der Zulu Time GMT wiederum verzichtet der Schweizer Hersteller Longines auf eine zweifarbige Lรผnette:

Exot: Stundenwinkel von Longines

Eine von Longines ersten Uhren, die speziell fรผr die Luftfahrt entwickelt wurde, war alles andere als gewรถhnlich: eine vom amerikanischen Kommandant und Navigationslehrer Philip van Horn Weems im Jahr 1927 entwickelte Navigationsuhr ermรถglicht eine sekundengenaue Synchronisierung mit dem amtlichen Radio-Zeitzeichen ohne die Zeiger neu ausrichten zu mรผssen โ€“ dank einer speziellen Lรผnette und einem zentralen, drehbaren (!) Hilfszifferblatt. Dem Radio-Zeitzeichen entsprechend konnten Piloten dank der Uhr eventuelle Abweichungen korrigieren und fรผr weitere Kursberechnungen berรผcksichtigen.

Man bedenke dabei, dass mechanische Uhren zur damaligen Zeit natรผrlich lรคngst nicht so prรคzise liefen wie heute. Auch die in den Cockpits vorherrschenden, teilweise extrem eisigen Temperaturen, konnten die mittlere Gangabweichung einer Uhr stark in Mitleidenschaft ziehen. Und da bei der Langstreckennavigation selbst wenige Sekunden Abweichung signifikante Fehler in der Kursberechnung verursachen konnten, galt Weems Erfindung als echte Innovation von hohem praktischen Nutzen.

Das Weems-Patent, eingereicht im Jahre 1929

Niemand geringeres als der US-amerikanische Pilot Charles Lindbergh, der 1927 in seiner Propellermaschine The Spirit of St. Louis mit einer 33-stรผndigen Nonstop-Atlantikรผberquerung fรผr Schlagzeilen sorgte, zeichnete sich fรผr eine Weiterentwicklung der beschriebenen Weems-Navigationsuhr verantwortlich โ€“ und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Bei seinem Atlantik-Trip verwendete Lindbergh zur Navigation den Geschwindigkeitsmesser seines Flugzeugs, einen Kompass sowie seine Armbanduhr. Allerdings war er mit den Informationen, die seine Uhr damals anzeigen konnte, nicht zufrieden โ€“ weshalb er selbst drauf los kritzelte und die Grundlage fรผr die sogenannte Stundenwinkel-Uhr schuf.

Nicht schรถn, aber selten: Die Skizze der Stundenwinkeluhr

Die Stundenwinkeluhr (englisch Hour Angle Watch) mit der Referenz 3210 unterschied sich mit ihrem charakteristischen Zifferblatt und der ungewรถhnlichen Lรผnette grundlegend von anderen Fliegeruhren. Die Idee hinter der Uhr war dabei, die Lรคngengradbestimmung (der Greenwich-Stundenwinkel und damit die Positionsbestimmung in der Luft) unter zusรคtzlicher Verwendung eines Sextanten, einem Radiosignal und einer Sternenkarte zu erleichtern.

In diesem Video wird das Funktionsprinzip anschaulich erklรคrt.

Lindbergh verschaffte sich 1931 Gehรถr fรผr seine Idee bei John Heinmรผller, Prรคsident der Federation International of Aviation (F.I.A.) in New York und โ€“ kein Zufall โ€“ eines der Longines-Oberhรคupter. Heinmรผller brachte noch im selben Jahr Lindberghs Idee mit nach St. Imier, wo diese auch nach nur wenigen Monaten umgesetzt wurde.

Exot: Hamilton Khaki X-Wind mit Seitenwind-Kalkulation

Als die Luftfahrt noch in den Kinderschuhen steckte, entwickelte Hamilton bereits die ersten Borduhren fรผr Flugzeuge. Spรคter kamen dann auch Fliegeruhren-Modelle hinzu. Ein heute sehr beliebtes Fliegeruhren-Modell von Hamilton ist die Hamilton Khaki X-Wind (ausgesprochen: Crosswind), welche ihren Leinwand-Auftritt im Film Independence Day: Wiederkehr hatte.

Aus der Kategorie โ€žDinge, die 99,99999% der Uhrenkรคufer nicht brauchen, aber irgendwie geil klingenโ€œ hat die Hamilton Khaki X-Wind einen Driftwinkelrechner zur Kurskorrektur bei Seitenwinden an Bord.

So befinden sich auf der rechten Gehรคuseseite zwei groรŸe, verschraubte Kronen. Diese kรถnnen abgeschraubt werden, um den zweistufigen Innendrehring zu bedienen. Der untere Drรผcker steuert den oberen Drehring und der obere Drรผcker die vertiefte Ebene. Diese beiden Blenden helfen dann dabei, das Flugzeug bei starken Seitenwinden zu landen. Dazu benรถtigt man aber logischerweise noch weitere Informationen wie die Windgeschwindigkeit.

Wie dieses (meines Wissens nach Hamilton-exklusive System) genau funktioniert ist in diesem Video anschaulich dargestellt:

All dies hรถrt sich fรผr natรผrlich toll an, doch fรผr Leute ohne Pilotenschein ist dies hรถchstens ein nettes optisches Gimmick, das der Hamilton Khaki X-Wind ein technisch-tooliges Aussehen รคhnlich der Breitling Navitimer verleiht…

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Bild: Hamilton

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7 Kommentare
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THOR
9 Monate zurรผck

…Ich schlieรŸe mich nahtlos an die positiven Kommentare an!
(wenn auch etwas spรคt!) :-/
LG
THOR

Knut
6 Jahre zurรผck

Vielleicht sollte man noch die Firma Damasko erwahnen, die sehr robuste Uhren im Fliegeruhrendesign herstellt. Ihre Uhren werden von der deutschen Eurofighterstaffel in Manching eingesetzt. Eine der wenigen Uhrenmarken, die in aktuellen Jetflugzeugen genutzt werden.

H. A.
6 Jahre zurรผck

Ich konnte garnicht aufhรถren zu lesen, soetwas findet man nur an einem Glรผckstag, die links werde ich wohl noch nรคchstes Jahr abarbeiten….fastzinierende Arbeit

C. C.
8 Jahre zurรผck

Sehr interessanter, kurzweilig unterhaltend lesenswerter mit Hintergrundwissen gespickter Bericht.
Liest man gewiss nicht รผberall so fundiert.