Die Taucheruhren-Geschichte des 1881 gegründeten, japanischen Traditionsherstellers Seiko ist überaus reichhaltig – kein Zufall, dass Taucheruhren in Form der Seiko Prospex Diver’s-Modellreihe heute zweifellos der Eckpfeiler des Seiko-Sortiments sind. Den Startpunkt für diese Erfolgsgeschichte markierte das Jahr 1965 mit der Einführung von Japans allererster Taucheruhr: der Seiko 62MAS mit den Referenznummern 6217-8000 bzw. 6217-8001. Doch Obacht: Bei Vintage-Modellen der 62MAS, die heute für mehrere Tausend Euro den Besitzer wechseln, gibt es einige Dinge zu beachten. Wer eher (neuen) Reissues zugeneigt ist, für den bietet Seiko auch etwas an: Eine moderne Interpretation der 62MAS ist unter anderem unter der Referenz Seiko SPB143J1 erhältlich…
Geschichte der Seiko 62MAS – Japans erste professionelle Taucheruhr
In den 50er und 60er Jahren kam der Markt für Taucher-Ausrüstung ordentlich in Schwung, denn das professionelle Tauchen mit Drucklufttauchgeräten (SCUBA) und Kreislauftauchgeräten (Rebreather) im militärischen und im zivilen Bereich gewann wesentlich an Bedeutung. Das lag insbesondere an Vordenkern wie Jacques Cousteau, der zusammen mit dem Techniker Emile Gagan im Jahre 1946 den „Aqualunge“-Atemregler erfunden hat, welcher bis heute beim Sporttauchen Anwendung findet. Tauchsportvereine schossen damals wie Pilze aus dem Boden – im Jahre 1967 wurde beispielsweise die Tauchausbildungsorganisation PADI ins Leben gerufen, die allein im Gründungsjahr über 3.200 Taucher ausbildete.
Dass auch die Zeitmessung bei Tauchgängen eine wesentliche Rolle spielt, versteht sich von selbst: analoge Taucheruhren galten damals als überlebenswichtiges Instrument bei Tauchgängen – denn heute gängige, digitale Tauchcomputer gab es schließlich noch nicht.
Mit einer Taucheruhr konnte der Taucher damals über die drehbare Taucherlünette den Startzeitpunkt des Tauchgangs markieren und entsprechend zur zeitlichen Planung nutzen – es wäre ja auch irgendwie ungeschickt, wenn das Atemgas in Hundert Metern Tiefe plötzlich aufgebraucht ist, oder?
Schweizer Uhrenhersteller bemühten sich viele Jahre um innovative Ansätze, um die Wasserdichtigkeit von Uhren zu erhöhen und damit Tauchern das Leben zu vereinfachen. Das mündete beispielsweise in Schweizer Uhrenklassikern wie der ersten Rolex Submariner (1953) oder der Blancpain Fifty Fathoms, die Im Jahre 1953 im Auftrag des französischen Militärs für die Kampfschwimmereinheit Les Nageurs de combat entwickelt wurde.
Aber auch in Fernost wusste man um die hohe Bedeutung von Taucheruhren – und Seiko wollte dieses Feld natürlich nicht komplett der Schweizer Konkurrenz überlassen. In Japan war man allerdings vergleichsweise spät dran: Erst rund 10 Jahre nach den Schweizern konnten die Japaner ihre allererste Taucheruhr präsentieren: die Seiko 6217-8000 bzw. 6217-8001 – besser bekannt als Seiko 62MAS.
Der Ursprung der Bezeichnung 62MAS ist dabei nicht besonders intuitiv: “62” steht für die ersten beiden Ziffern der Referenznummer, “MAS” für “AutoMAtic Selfdater” (= Automatikkaliber mit Datum). Anders als heute gängige Uhren-Spitznamen wie Seiko “Turtle” oder Seiko “Arnie”, wurde die Modellbezeichnung “62MAS” in damaligen Katalogen und Werbeanzeigen übrigens – zumindest teilweise – ganz offiziell benutzt:
Vintage pur: Merkmale der original Seiko 62MAS
Die Seiko 62MAS kam damals mit einem – für heutige Verhältnisse – kleinen Durchmesser von 37 mm, gewölbtem Plexiglas, grau-grünem Zifferblatt, und einer ordentlichen Wasserdichtigkeit von 15 atm (15 bar, 150 Meter). Der Seiko-Schriftzug und die rechteckigen, mit Chrom umrandeten Indizes waren appliziert (nicht gedruckt).
Ins Auge sticht auch die besonders große Krone der 62MAS, damit die Uhrzeit auch mit Handschuhen leicht eingestellt werden konnte. Die Krone war allerdings nicht verschraubt, was heute Standard bei Taucheruhren ist, um ein versehentliches Öffnen und damit Eindringen von Wasser unmöglich zu machen.
Die Seiko 62MAS kam mit dem mechanischen Kaliber 17J 6217A mit 17 Steinen – kein Zufall: die ersten zwei Stellen der Seiko-Referenzen haben damals auch immer auf das Kaliber hingewiesen. Das 17J 6217A brachte ein Datum samt Schnelleinstellung mit, auf einen Sekundenstopp bei gezogener Krone (“Hacking”-Funktion) musste man allerdings verzichten.
Der Preis der 62MAS damals, anno 1965, betrug 150 US-Dollar. Zum Vergleich: Das entspricht exakt dem Preis der Rolex Submariner “No-Date” im Jahre 1957.
Interessanterweise sind Design-Merkmale der 62MAS wie beispielsweise die Lünettenbeschriftung bis heute in Modellen der Seiko Prospex-Modellreihe zu finden. Die charakteristische, auf “4 Uhr” versetzte Krone, die beispielsweise bei der aktuellen Seiko Turtle und der Seiko 5 Sports Automatik zum Einsatz kommt, kam aber tatsächlich erst im Nachfolgemodell der Seiko 62MAS zum Einsatz (dazu gleich mehr).
Übrigens: Um die Robustheit der Seiko 62MAS auf die Probe zu stellen, war das Modell fester Bestandteil der Ausrüstung des 8. Japanischen Antarktis-Forschungsteams. Größere Wassertiefen hat die 62MAS dabei zwar sicherlich nicht gesehen, man darf dem Modell nach einer solchen Expedition aber durchaus eine gewisse Zuverlässigkeit attestieren.
Alles in allem verwundert es nicht, dass Seiko die internationale Taucheruhrennorm ISO 6425 in Teilen maßgeblich mitgeprägt hat. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Seiko 62MAS zwar mit einer Lünette im bis heute gängigen Taucher-Design kam, diese war allerdings tatsächlich bidirektional, d.h. in beide Richtungen drehbar. Heute kommen Taucheruhren standardmäßig mit unidirektionalen (einseitig drehbaren) Lünetten – aus Sicherheitsgründen: Wie bereits erwähnt wird eine Taucherlünette genutzt, um den Start des Tauchgangs zu markieren (durch Drehen der zentralen Lünettenmarkierung, im Falle der 62MAS eine Leuchtperle, auf den Minutenzeiger). Nun ist es aber bei einer beidseitig drehbaren Lünette natürlich theoretisch möglich, dass die Markierung versehentlich gegen den Uhrzeigersinn verstellt wird. Wenn das passiert, würde der Taucher fälschlicherweise annehmen, dass er mehr Zeit für den Tauchgang zur Verfügung hat, als es faktisch der Fall ist – und das kann logischerweise lebensbedrohliche Folgen haben. Aus diesem Grund wurde bei Taucheruhren später eingeführt, dass die Lünetten nur im Uhrzeigersinn einstellbar sind (unidirektional) – denn so kann die Zeit, die der Taucher für den Tauchgang annimmt, höchstens verkürzt werden.
Nachfolger der Seiko 62MAS
Die Seiko 62MAS wurde nicht besonders lange produziert: nur zwei Jahre später kam der optisch recht ähnliche Nachfolger, die Seiko 6215-7000 auf den Markt. Auch diese war natürlich eine waschechte Taucheruhr, die mit einer höheren Wasserdichtigkeit (30 bar), Hardlexglas und einem einschaligen, sogenannten Monoblockgehäuse, ordentlich aufgebesserte wurde.
Die 6215-7000 war außerdem die erste Seiko mit der charakteristischen „hängenden“ Krone, die man auch heute noch bei den meisten Modellen der Seiko Prospex Diver’s-Reihe findet. Ein Jahr später wurde die 6215-7000 abermals weiterentwickelt, indem ein hochfrequentes, besonders präzises Automatikkaliber mit 36.000 Halbschwingungen pro Minute verbaut wurde: Die Seiko 6159-7001 war geboren…
Seiko 62MAS – Hinweise für Vintage-Sammler
Halbwegs gut erhaltene Vintage-Seiko 62MAS wechseln heute locker für 2000 bis über 4000€ den Besitzer – je nach Zustand natürlich. Beim Auktionshaus Bonhams beispielsweise wurde im Jahre 2020 die Seiko 62MAS für vergleichsweise günstige 2000€ versteigert – längst nicht so viel wie heute beispielsweise für gut erhaltene Vintage-Submariner auf den Tisch gelegt werden, aber immerhin 😉
Tatsächlich müssen Vintage-Sammler bei der 62MAS einige Dinge beachten, wenn sie sich für das Modell interessieren: Die Kronendichtungen der 62MAS sind vergleichsweise anfällig und heute nur sehr schwer zu reparieren, eine Vintage-62MAS ist also mit recht hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr für den ursprünglichen Anwendungszweck, das Tauchen, geeignet. Zifferblatt und Zeiger zeigen außerdem oftmals starke Alterungserscheinungen. Die Leuchtmasse neigt darüber hinaus dazu einen schwarzen Farbton anzunehmen. Aus diesen Gründen der allgemeine Hinweis: Möchte man eine 62MAS im original Vintage-Zustand erwerben, so muss man aufpassen, dass man keine “verbastelte” Version angedreht bekommt, denn Zifferblatt und Zeigersatz wurden bei der 62MAS über die Jahre gerne mal getauscht.
Das Kaliber 17J 6217A in der 62MAS gilt grundsätzlich als recht einfach zu revidieren, Ersatzteile sind aber teilweise schwer zu bekommen (hier lohnt sich ggf. der Anruf bei einem der wenigen noch aktiven Furnituristen).
Man beachte auch den Unterschied zwischen der Seiko 62MAS mit der Referenz 6217-8000, die nur zwei Monate produziert wurde, und der anschließend produzierten Referenz 6217-8001: Die Seiko 62MAS (6217-8000) wurde in den Anfangsmonaten zunächst mit einer deutlich kleineren Krone produziert. Auch die Gravuren auf dem Stahlboden unterscheiden sich zwischen den Referenzen: Die 6217-8000 kommt mit einem Delphin, bei der 6217-8001 wurde dieser durch den nüchternen “SEIKO”-Schriftzug ersetzt. Die Seiko 62MAS 6217-8000 ist logischerweise aufgrund des sehr kurzen Produktionszeitraumes deutlich schwieriger zu bekommen als die 6217-8001.
Bilder: Bonhams
Seiko Prospex 62MAS Reissue (2020 / 2021)
Seiko hat es sich in den letzten Jahren nicht nehmen lassen, immer wieder Neuauflagen geschichtsträchtiger Seiko-Taucheruhren auf den Markt zu bringen (sogenannte Reissue-Uhren). Im Jahre 2017 beispielsweise lancierte Seiko das originalgetreue, limitierte Modell SLA017 mit dem auch von Grand Seiko genutzten Kaliber 8L35. Die SLA017 wurde dabei mit Blick auf den Listenpreis von 3800€ als qualitativ hochwertige Hommage an die 62MAS positioniert.
Die Seiko SLA017 ist mittlerweile überall ausverkauft und nur noch gebraucht zu bekommen. Macht aber nix! Eine etwas moderner anmutende und unlimitierte Alternative, die sich optisch sehr nah an der Seiko 62MAS bewegt, gibt’s für einen Listenpreis von 1250€: Die Seiko SPB143J1. Die Taucheruhr kommt mit dem hochwertigen Automatikkaliber 6R35, gewölbtem und entspiegeltem Saphirglas, schickem grauen Zifferblatt, 20 bar Wasserdichtigkeit und einem Durchmesser von 40 mm (Höhe: 13 mm).
Das auf 5500 Stück limitierte Pendant mit blauem Zifferblatt (Referenz SPB149J1) ist ebenfalls noch teilweise erhältlich – hier ein paar bewegte Bilder:
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Herzlichen Dank für Ihre ausführliche und spannende Erklärung. Ich werde mir bestimmt die representative Seiko SPB143J1 kaufen.
Freundliche Grüsse
Eine Bilderreihe mit den inzwischen vorhandene „Fantastischen Vier“
SLA017
SLA037
SLA043
Seiko Beams
wäre ein Traum.
Das sind die authentischen Nachfahren der 62mas von 1965.
Jede eine Besonderheit. Jede limitiert. Nicht unbegrenzt zu haben. Vielleicht aber auch der Anfang von folgenden Generationen in dieser High End Ausführung.
Jede hat ein Portrait verdient.