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Ein wirklicher Geheimtipp sind Uhren des traditionsreichen Uhrenherstellers Grand Seiko spรคtestens seit der Einfรผhrung auf westlichen Mรคrkten im Jahre 2010 nicht mehr. Und trotzdem haben die Uhren aus der japanischen Luxusuhren-Manufaktur nicht den Status bekannter, hochpreisiger Schweizer Uhren-Hersteller – zumindest noch nicht. Denn insbesondere mit Erfolgsmodellen wie der Grand Seiko Snowflake SBGA211, welches mit dem innovativen, ultraprรคzisen Spring Drive-Manufakturkaliber kommt, holt Grand Seiko mรคchtig auf und erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Mit Blick auf die extrem hohe Fertigungstiefe in den Grand Seiko-Manufakturen und der beispiellosen Detail-Qualitรคt verwundert das auch kaum. Aber der Reihe nach…

Eckdaten der Grand Seiko Snowflake SBGA211:

  • Spring Drive-Manufakturkaliber 9R65 (Handaufzugsmรถglichkeit, Gangreserve 72 Stunden, Gangabweichung +/- 1 Sekunde pro Tag, Energiereserve-Anzeige, Magnetischer Widerstand bei 4800 A/m)
  • Gehรคuse aus High-Intensity-Titanium
  • 41 mm Gehรคusedurchmesser
  • 12,5 mm Gehรคusehรถhe
  • Gewicht 100g
  • Band aus High-Intensity-Titan, FaltschlieรŸe mit Sicherheitsdrรผcker
  • Doppelt gewรถlbtes und entspiegeltes Saphirglas
  • Thermisch geblรคuter Sekundenzeiger
  • Verschraubte Krone
  • Verschraubter Boden mit Saphirglas-Sichtfenster
  • Wasserdicht bis 10 bar
  • Preis 6000โ‚ฌ

Entstehung von Grand Seiko – kleine Geschichtsstunde

Die Geschichte von Grand Seiko und das Spring Drive-Kaliber geht zurรผck auf den Uhrenhersteller Seikosha (็ฒพๅทฅ่ˆŽ, deutsch โ€žPrรคzisionsarbeitengebรคudeโ€œ), den “Vorgรคnger” der Firma Seiko, wie wir sie heute kennen. Seikosha produzierte Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem Wanduhren, Taschenuhren und Wecker, zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgten die ersten Armbanduhren wie das Modell “Laurel” (1913).

Im Jahre 1937 wurde die Armbanduhrenproduktion in die Firma Daini Seikosha (โ€ž2. Prรคzisionsarbeitengebรคudeโ€œ), die spรคtere Seiko Instruments Inc, abgespalten. Daini Seikosha zeichnete sich wรคhrend des Zweiten Weltkriegs unter anderem fรผr die Produktion von Uhren fรผr die Cockpits der japanischen Kampfflugzeuge verantwortlich. Ungewรถhnlich: Die Cockpituhren konnten von den Piloten entnommen und um den Hals getragen werden (siehe Bild unten rechts). Daini Seikosha produzierte auรŸerdem Armbanduhren fรผr Kampfpiloten, unter anderem das Modell Seikosha Tensoku (= Abkรผrzung fรผr tentai kansoku, deutsch โ€žastronomische Beobachtungโ€œ). Unter Sammlern ist das Modell auch bekannt als Seikosha Kamikaze-Uhr.

Wรคhrend des Zweiten Weltkrieges musste Daini Seikoshas Firmensitz in Tokio aufgrund mehrerer Bombenangriffe an Standorte auรŸerhalb der Hauptstadt evakuiert werden. Einer der Evakuierungsstandorte, das Seikosha-Werk Suwa in der Prรคfektur Nagano in Zentraljapan (heute Seiko Epson), war nach dem Zweiten Weltkrieg treibende Kraft bei der Entwicklung des ersten Grand Seiko-Kalibers 3180 sowie der Spring Drive-Kaliber.

Seikosha, circa 1916

Im Jahre 1960 galten Schweizer Uhren aus qualitativer Sicht als das Nonplusultra. Uhren aus Japan wurden in hiesigen Gefilden hรถchstens mรผde belรคchelt. Sowohl Daini Seikosha als auch Suwa Seikosha knobelten daher gemeinsam aus wie man dem begegnen kรถnne – und so entstanden die ersten High End-Modelle unter dem Markennamen Grand Seiko bei Suwa Seikosha. Daini wiederum produzierte ebenfalls qualitativ hochwertige Uhren – allerdings unter dem Namen King Seiko.

Seikosha stellte seit jeher groรŸe Bemรผhungen an, um fรผr Uhren der Marke Grand Seiko eine mรถglichst hohe Ganggenauigkeit auf die Zeitwaage zu bringen. Die erste Grand Seiko war das Modell mit der Referenz 3180 und dem gleichnamigen Handaufzugskaliber 3180, welches mit -3/+12 Sekunden pro Tag fรผr damalige Verhรคltnisse sehr genau lief. Der Preis damals, anno 1960: Stolze 25.000 Yen (heute fast 3.000โ‚ฌ) – ganz schรถn knackig und deutlich teurer als andere Seikosha-Modelle zu der Zeit.

Das Kaliber 3180 der ersten Grand Seiko. Man beachte auch die “Seikosha”-Gravur

Heute erhรคltliche Modelle der Grand Seiko Heritage-Kollektion weisen nach wie vor wesentliche Elemente der allerersten Grand Seiko-Modelle auf, darunter die Dauphine-fรถrmigen, spitzen Zeiger und die schlichten, applizierten Indizes (dazu spรคter mehr).

Grand Seiko: Der Weg zum hochprรคzisen Spring Drive-Kaliber

Eine hohe Ganggenauigkeit ist seit jeher das Credo von Grand Seiko: Wie im Bild der ersten Grand Seiko 3180 oben zu sehen ist, ziert das Zifferblatt stolz der “Chronometer”-Schriftzug, um auf die hohe Ganggenauigkeit auf Basis strenger, hauseigener Prรผfverfahren hinzuweisen. Schon Mitte der 60er fรผhrte Grand Seiko einen internen Standard fรผr eine beachtliche Ganggenauigkeit von -3 bis +5 Sekunden pro Tag ein – das war noch mal eine ordentliche Schippe prรคziser als die offizielle Schweizer Chronometer-Norm, die damals wie heute -4 bis +6 Sekunden Abweichung pro Tag erlaubt.

Very Fine Adjusted: Die mechanische V.F.A.-Uhr von Grand Seiko mit einer noch bessere Ganggenauigkeit von ยฑ1 Minute im Monat

Dass Grand Seiko den Chronometer-Schriftzug benutzte, schmeckte den Schweizern allerdings gar nicht, weshalb ein erboster Brief aus der Alpenrepublik Richtung Japan geschickt wurde – mit dem Hinweis, dass ein Chronometer nur als Chronometer bezeichnet werden darf, wenn das Werk von einer unabhรคngigen externen Stelle geprรผft wird (das macht bis heute die Schweizer COSC). Seiko gab nach und benutzte den Schriftzug zunรคchst nicht mehr. Mit einer neu gegrรผndeten, externen japanischen Chronometer-Stelle wurden zwar ab 1968 die Prรผfungen mechanischer Uhrwerke durchgefรผhrt – mit dem Aufkommen ohnehin sehr prรคziser Quarzuhren schloss die Organisation allerdings nach kurzer Zeit wieder ihre Tore.

Aber Schwamm drรผber – die Schweizer waren offenbar nicht nachtragend: Im Jahre 1964 wurde Grand Seiko erstmals fรผr den Chronometriewettbewerb des Schweizer Observatoriums in Neuchatel zugelassen. Die fรผr den Ganggenauigkeits-Wettbewerb vorgesehenen “High Beat”-Kaliber 45 kamen dabei mit einer bemerkenswert hohen Frequenz von 36000 bph, welche fรผr eine besonders hohe Prรคzision sorgen sollten. Gebracht hat das: Nix! Suwa Seiko landete auf einem desastrรถsen 144. Platz, Daini Seiko sogar noch dahinter auf dem 153. Platz. Autsch!

Das konnten die Japaner natรผrlich nicht auf sich sitzen lassen: Nur drei Jahre spรคter nahmen sie einen neuen Anlauf – und belegten mit ihren Kalibern die hervorragenden Plรคtze vier, fรผnf, sieben, acht und zwรถlf.

Im Jahre 1975 war’s das dann erstmal mit Grand Seiko – ironischerweise wegen einer Konkurrenztechnologie aus eigenem Hause: Durch die aufkommende Quarztechnologie, bei der unter anderem Seiko federfรผhrend war, um die Uhrenmรคrkte dieser Welt zu erobern und die traditionelle Schweizer Konkurrenz ins Tal der Trรคnen zu stรผrzen, sah man intern keinen Bedarf mehr an Uhren mit mechanischen Kalibern. Erst viele Jahre spรคter, mit der Anmeldung diverser Patente fรผr die innovativen Spring Drive-Kaliber, hauchte Seiko der Marke Grand Seiko wieder neues Leben ein…

Kleiner historischer Abriss zu Grand Seiko

Grand Seiko heute – Shizukuishi und Shinshu Watch Studio

Ein halbes Jahrhundert war Grand Seiko tatsรคchlich nur dem japanischen Markt vorbehalten – wie ein gut behรผtetes Geheimnis. Erst mit der internationalen Markteinfรผhrung im Jahre 2010 sind Grand Seiko-Uhren offiziell auch auf westlichen Mรคrkten erhรคltlich. Umso bemerkenswerter, dass die Seiko-Luxusmarke in nur 10 Jahren an durchaus beachtlicher Beliebtheit gewonnen hat.

Grand Seiko Snowflake – das beliebteste Modell von Grand Seiko

Im Jahre 2017 ging Seiko sogar noch einen Schritt weiter: Die Japaner fรผhren Grand Seiko seither als eigenstรคndige Marke innerhalb des Seiko-Konzerns. Das applizierte Grand Seiko-Logo auf “12 Uhr”, die Buchstaben “GS” im gotischen Stil, sind mittlerweile das charakteristische Merkmal einer jeden Grand Seiko-Uhr.

Bemerkenswert an Grand Seiko ist vor allem die รผberaus hohe Fertigungstiefe: Fast alles wird im eigenen Hause hergestellt. Das gilt sowohl fรผr Komponenten wie Gehรคuse, Zifferblatt und Indizes, als auch fรผr sรคmtliche, feinmechanische Teile fรผr die hauseigenen Manufakturkaliber (Mechanik-, Spring Drive- und Quarz-Werke).

CEO Shinji Hattori. Seiko ist seit jeher in der Hand der Familie Hattori

Grand Seiko hat dabei zwei Fertigungsstรคtten: Das brandneue, im Juli 2020 erรถffnete Shizukuishi Watch Studio, welches die mechanischen Uhrwerke der 9S-Reihe und alle anderen Grand Seiko-Komponenten fertigt sowie das Shinshu-Uhrenstudio in Shiojiri, welches sรคmtliche Quarz- und Spring-Drive-Kaliber produziert.

Das Shizukuishi Watch Studio ist innerhalb der hochmodernen Produktionsstรคtte Morioka Seiko Instruments Inc. beheimatet, welche sich auf satten 30.000 mยฒ Produktionsflรคche mit 550 Mitarbeitern der Produktion von mehreren Millionen Uhren pro Monat beschรคftigt. Im Shizukuishi Watch Studio tut sich allerdings eine echte Parallelwelt auf – von Massenproduktion keine Spur. Tatsรคchlich ist das Atelier eine waschechte Manufaktur mit einer Fertigungstiefe von fast 100%.

Mit anderen Worten wird so gut wie jede einzelne Komponente einer Grand Seiko-Uhr im eigenen Hause produziert – sogar die schwierig zu fertigenden Spiralfedern fรผr die mechanische Kaliberreihe 9S aus der Legierung SPRON werden in-house gefertigt. Und sogar die Grundlage der Grand Seiko-Quarzwerke (9F), die sogenannten Schwingquarze, werden durch Heranzรผchten von Quarzkristallen im eigenen Hause produziert. Eine der wenigen Ausnahmen sind die Lederbรคnder und die Saphirglรคser, die von externen Lieferanten stammen.

Bewegte Bilder und Einblicke in die Produktion der Grand Seiko-Manufaktur gibt’s in diesem Video:

Test: Grand Seiko Snowflake SBGA211

Als Teil der Heritage-Modellreihe orientiert sich die Grand Seiko Snowflake SBGA211 im Wesentlichen am Modell 44GS aus dem Jahre 1967. Das Design ist auf den ersten Blick sehr zurรผckhaltend und ziemlich schlicht gehalten. Bei genauem Hinsehen reflektiert das Zifferblatt mit all seinen liebevollen Details aber – ohne auch nur einen Hauch zu รผbertreiben – hรถchste Uhrmacherkunst.

In Japan gibt es sogenannte Washi-Experten, spricht Experten fรผr handgeschรถpftes, durchscheinendes Papier aus Japan (auch: Reispapier). In einem Mรผnchener Museum beispielsweise gab es 2019 eine Sonderausstellung, die sich den japanischen Papierinstallationen im Spiel mit Licht und Schatten widmet. Warum ich das erzรคhle? Nun, das Beispiel soll zeigen, wie wichtig Licht und Schatten in der japanischen Kultur sind – kein Zufall, dass dies auch der Leitgedanke fรผr die Optik von Grand Seiko-Uhren ist.

Wenden wir den Blick daher zunรคchst auf die applizierten Indizes und die spitz zulaufenden “Dauphine”-Zeiger der Grand Seiko Snowflake: Ich habe schon einige Uhren vor meiner Kamera bzw. meinem Makro-Objektiv gehabt, aber eine solch unfassbar hohe Prรคzision ist mir noch nie untergekommen. Die dank Diamantschnitt extrem scharfen Kanten der Zeiger und Indizes sind beispiellos in dieser Preisklasse und รผbertrumpfen so manchen gestandenen Schweizer Hersteller mรผhelos. Insbesondere die Zeiger wirken so, als kรถnne man sie bedenkenlos einem Samurai als Schwert in die Hand drรผcken ๐Ÿ˜‰ .

Ein wesentlicher Baustein fรผr die knackscharfe Optik von Zeigern und Indizes ist auch die sogenannte Zaratsu-Politur, die von sehr erfahrenen Grand Seiko-Mitarbeitern hรคndisch mit Hilfe einer rotierenden Scheibe durchgefรผhrt wird, um eine gleichmรครŸig spiegelnde, verzerrungsfreie Oberflรคche zu erzeugen.

Fun Fact am Rande: Der Name “Zaratsu-Politur” ist nicht etwa auf ein japanisches Wort zurรผckzufรผhren, sondern auf ein deutsches. Und das kam so: In den Anfangszeiten von Grand Seiko kamen die Gehรคuse von der Firma Hayashi Seiki, die mit Poliermaschinen arbeiteten, auf welche “GEBR. SALLAZ” eingraviert war – ein Hinweis auf den Maschinenbauer Prรคzisionsmaschinenfabrik Gebr. Sallaz AG aus dem Schweizer Grenchen. “Zaratsu” leitet sich demnach schlicht und ergreifend von “Sallaz” ab.

Auch das strahlend weiรŸe Zifferblatt, welches der Grand Seiko SBGA211 den Beinamen “Snowflake” verleiht, ist nicht minder beeindruckend: Es ist fein strukturiert und mit einer hauchdรผnnen Silberschicht plattiert. Das Snowflake-Zifferblatt erinnert von der Struktur her tatsรคchlich an feinen Neuschnee, der unangetastet irgendwo auf einem japanischen Berg liegt. Allerdings kommt es stark auf das Licht an, wie sehr der dezente und zurรผckhaltende Oberflรคcheneffekt รผberhaupt wahrgenommen werden kann. Aus wenigen Metern Entfernung ist von der Struktur quasi nichts zu sehen.

Abgerundet wird das Zifferblatt von einer Gangreserveanzeige auf “8 Uhr”. Auch hier ist die Detailverarbeitung phรคnomenal: man beachte die applizierten Indizes fรผr “Leer” und “Voll” und die feine Struktur, die an eine aufgehende Sonne erinnert. Es gibt auch kritische Stimmen, welche die Gangreserveanzeige als “deplatziert” betiteln. Ich sehe das allerdings nicht so: Das Zifferblatt der Snowflake ist ohnehin schon sehr unaufgeregt und schlicht, da ist die Gangreserveanzeige meiner Meinung nach ein willkommener Blickfang (der zumal sehr dezent umgesetzt ist)

Das Gehรคuse der Grand Seiko Snowflake ist aus einer hauseigenen Legierung aus Titan, Niobium und Eisen. Titan ist naturgemรครŸ etwas kratzfester als Edelstahl (Edelstahl hat eine Vickers-Hรคrte von ca. 200 HV, wรคhrend Titan auf ca. 350 HV kommt). Titan ist auรŸerdem grundsรคtzlich korrosionsbestรคndiger als Edelstahl und unter Umstรคnden eine gute Option fรผr Menschen mit einer Nickelallergie.

Grand Seiko spricht auch von “High Intensity”-Titan, allerdings sehe ich keine Anhaltspunkte dafรผr, dass die von Grand Seiko verwendete Titan-Legierung signifikant kratzfester ist als das Titan anderer Hersteller – letztendlich ist der Begriff “High Intensity”-Titan eine werbewirksamer Umschreibung im Stile des Rolex’schen “Oystersteel”.

Erwรคhnenswert ist aber, dass High Intensity-Titan optisch wie Edelstahl wirkt und nicht grรคulich-matt wie รผblicherweise vorzufindende Gehรคuse aus Titan. Das ist am Ende des Tages zwar Geschmackssache, allerdings passt die Edelstahl-Optik meiner Meinung nach deutlich besser zu einer eher feinen Uhr wie die Snowflake, wรคhrend ein grรคuliches Titan eher zu funktionalen Toolwatches passt.

Auch das Band ist aus High Intensity-Titan. Die Glieder sind fein aufeinander abgestimmt und “quietschfrei”. Allerdings empfinde ich es als ziemlich kurios, dass die Bandglieder nicht verschraubt, sondern nur verstiftet sind. In dieser Preisklasse ist das eigentlich ein “No-Go”.

Das Gewicht der Grand Seiko Snowflake betrรคgt dank Titan-Gehรคuse und -Band grade mal 100 Gramm. Der Tragekomfort ist dadurch phรคnomenal, da man die Uhr kaum am Arm spรผrt und schon mal nachschauen muss, ob sie รผberhaupt noch da ist ๐Ÿ˜‰ . Zum Vergleich: Eine รคhnlich dimensionierte Uhr mit Stahl-Gehรคuse und -Band bringt locker das doppelte oder mehr auf die Waage, was sich im Alltag durchaus bemerkbar macht.

Grand Seiko Spring Drive

Uhrenhersteller benutzen das Wort “innovativ” fast schon inflationรคr in ihrer Marketingkommunikation. In vielen Fรคllen ist dieser Begriff aber nur eine reine Worthรผlse und schlich und ergreifend nicht zutreffend. Das Spring Drive-Kaliber aber darf man zweifellos als echte Innovation bezeichnen.

Werfen wir kurz einen Blick in den Rรผckspiegel: In den 80er Jahren ging natรผrlich auch der Quarz-Trend, der insbesondere von japanischen Uhrenherstellern wie Seiko befeuert wurde, nicht an Grand Seiko vorbei. So wurde 1993 das Kaliber 9F lanciert, dessen hochprรคzise Basis von +-/10 Sekunden pro Jahr bis heute der Antrieb in einem Teil der Grand Seiko-Kollektion ist (Modelle mit dem Werk 9F85).

Gleichzeitig tรผftelte Grand Seiko in den 80er und 90er Jahren auch an einer echten Kaliber-Innovation, welche die Prรคzision eines Quarzwerkes erreichen, dabei allerdings keine Batterie als Energiequelle nutzen sollte – die grundlegende Idee Hinter Spring Drive. Das erste Spring Drive-Kaliber mit Handaufzug kam im Jahre 1999 – nach satten 17 Jahren Entwicklungszeit – auf den Markt und wurde kurioserweise zunรคchst fรผr die Hauptmarke Seiko verwendet. Erst 2004 zog das Spring Drive-Kaliber mit Automatik-Aufzug in die Grand Seiko-Kollektion ein.

Heute produziert Grand Seiko nach wie vor klassische mechanische Uhrwerke (Kaliberreihe 9S), Quarzwerke (9F) und natรผrlich Springe Drive-Kaliber (9R)…

So funktioniert Grand Seiko Spring Drive

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Spring Drive-Technologie nicht von klassischen, mechanischen Kalibern: durch den Saphirglas-Sichtboden kann man den Aufzugsrotor und mechanische Komponenten wie feine Zahnrรคder erblicken:

Die Spring Drive-Technologie nutzt den Aufzug รผber einen Rotor, wie man ihn von einer “normalen” Automatikuhr kennt, um eine Feder als Antriebsquelle aufzuziehen (sogenannte Aufzugsfeder). Mit anderen Worten wird die Aufzugsfeder gespannt und die Kraft, die die Feder beim Entspannen abgibt, treibt die Zeiger auf dieselbe Weise an, wie bei einer mechanischen Uhr. So weit, so “normal”.

Spring Drive-Kaliber 9R65. Auf dem Saphirglasboden ist eine Art “Wasserzeichen” zu erkennen – der gotische “Grand Seiko”-Schriftzug und der Grand Seiko-Lรถwe

Der entscheidende Unterschied zu einer klassischen mechanischen Uhr liegt in der Baugruppe, welche die Geschwindigkeit, mit der die Kraft von der Aufzugsfeder abgegeben wird, reguliert bzw. hemmt – denn schlieรŸlich muss eine Uhr ja irgendwoher “wissen”, wie schnell sich die Zeiger bewegen dรผrfen, um die Uhrzeit mit einer mรถglichst hohen Prรคzision anzuzeigen: Wรคhrend der Mechanismus zur Steuerung der Geschwindigkeit (also zur Ganggenauigkeit) bei einer klassischen mechanischen Uhr aus Unruh und Unruhspiralfeder besteht, so findet man bei der Spring Drive-Technologie stattdessen eine elektronische Baugruppe.

Spring Drive-Kaliber – die elektronische Baugruppe ist hier gut zu sehen

Technisch gesprochen: Der Rotor in einem Spring Drive-Kaliber erzeugt รผber Drehbewegungen elektrischen Strom fรผr einen Kristalloszillator und den integrierten Schaltkreis. Die exakten Schwingungen des Kristalloszillators werden im integrierten Schaltkreis mit der Drehgeschwindigkeit des Rotors abgeglichen und ein elektromagnetischer Kraftimpuls reguliert die Drehgeschwindigkeit des Rotors. Grand Seiko spricht von einem “Tri-Synchro-Regulationssystem”.

Derzeit gibt es die folgenden Spring Drive-Kaliber:

  • Handaufzug-Kaliber 9R01 mit 8 Tagen Gangreserve
  • Automatik-Kaliber 9R65 mit 3 Tagen Gangreserve
  • Automatik-Kaliber 9R66 mit 3 Tagen Gangreserve und GMT-Funktion
  • Automatik-Kaliber 9R86 mit 3 Tagen Gangreserve und Chronograph-Funktion

Die Vorteile der Spring Drive-Technologie gegenรผber “normalen” mechanischen Uhren in der รœbersicht:

  • Durch die Spring Drive-Technologie wird eine monatliche (!) Ganggenauigkeit von ยฑ15 Sekunden erreicht – das entspricht der sehr guten Ganggenauigkeit einer gรคngigen Quarzuhr.
  • Die Gangreserve ist mit 72 Stunden รผberdurchschnittlich (zum Vergleich: รœbliche ETA-Kaliber kommen mit rund 40 Stunden Gangreserve)
  • Der Sekundenzeiger lรคuft perfekt flรผssig – im Vergleich wirken Automatikkaliber wie das Schweizer Powermatic 80 fast schon wie grob tickende Quarzer ๐Ÿ˜‰
  • Resistenz gegenรผber Temperaturรคnderungen: Bei einer “normalen” mechanischen Uhr wird die Ganggenauigkeit von der Unruhfeder gesteuert, welche die Geschwindigkeit im Uhrwerk reguliert. Die Unruhfeder kann die Ganggenauigkeit aber nur bis zu einem gewissen Grad gewรคhrleisten, da sie aus Legierungen besteht, die sich naturgemรครŸ bei ร„nderungen der Temperatur zusammenziehen oder ausdehnen. Kein Zufall: Die Schweizer Uhrenindustrie hat in den letzten Jahren schon einige Rappen in die Entwicklung neuartiger Legierungen fรผr Unruhspiralfedern investiert, um genau diesen Nachteil zu kompensieren – zum Beispiel die Silicium-Spiralfeder, die teilweise im Powermatic 80-Kaliber zum Einsatz kommt. Die Ganggenauigkeit von Spring Drive-Kalibern wird hingegen von einem Kristalloszillator gesteuert und deshalb deutlich weniger von Temperaturschwankungen beeinflusst.
  • Ganggenauigkeit unabhรคngig von unterschiedliche Lagen: Bei mechanischen Uhren wird die Ganggenauigkeit von der Ausrichtung beeinflusst, da die Unruh auf bestimmte Lagen “empfindlicher” reagiert. Da bei Spring Drive-Kalibern keine Unruh, sondern ein Kristalloszillator genutzt wird, wird die Ganggenauigkeit nicht von Unterschieden in der rรคumlichen Lage beeinflusst.
  • StoรŸfestigkeit: Mechanische Uhren sind naturgemรครŸ recht empfindlich gegen StรถรŸe. Wenn eine mechanische Uhr StรถรŸen ausgesetzt wird, รคndert sich die Amplitude und auch die Form der Unruhfeder kann sich รคndern. Auch in dieser Hinsicht sind Spring Drive-Werke mechanischen Kalibern รผberlegen, weil sie einen Kristalloszillator anstelle einer Unruh mitbringen.

Fazit zur Grand Seiko Snowflake SBGA211

Die Grand Seiko Snowflake ist Understatement pur – denn nicht wenige Leute, die sich nicht allzu sehr mit Uhren beschรคftigen, assoziieren mit der Marke Seiko eher erschwingliche Modelle wie die Seiko 5 Sports Automatic, aber wohl eher selten “japanische Haute Horlogerie” fรผr mehrere Tausend Euro. Zumindest noch – denn mit den millionenfach produzierten Seiko-Uhren haben Modelle aus der Manufaktur Grand Seiko so gar nix am Hut. Es verwundert daher kaum, dass Grand Seiko (spรคtestens seit der “Abkapselung” vom Mutterhaus) zunehmend an Markenbekanntheit und Akzeptanz als Luxusuhrenmarke in westlichen Gefilden gewinnt.

In der Summe bietet Grand Seiko mit Modellen wie der Snowflake eine in dieser Preisklasse von anderen Herstellern kaum erreichte Detail-Perfektion und dank Spring Drive eine innovative technologische Basis. Alternativen wie die optisch und preislich รคhnliche Rolex Oyster Perpetual 41 kรถnnen sich da die eine oder andere Scheibe von den Japanern abschneiden…

Hinweis / Reklame
Die Grand Seiko Snowflake wurde fรผr diesen Test von Juwelier Altherr zur Verfรผgung gestellt und anschlieรŸend zurรผckgesendet.

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16 Kommentare
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Fred
2 Jahre zurรผck

Hi Mario,
das ist der ausfรผhrlichste Bericht zur Snowflake, den ich bis dato gelesen habe. Der Text steckt voller Leidenschaft, trotz des sehr technischen Themas. Hat echt SpaรŸ gemacht, ihn zu lesen (ich sollte grad eigentlich arbeiten). Die schรถnen Fotos helfen รผbrigens nicht grade, diese Luxusuhr nicht noch noch mehr haben zu wollen. Also Danke dafรผr ๐Ÿ˜‰ Fรผr mich eine echte Traumuhr, die vielleicht irgendwann mal an meinem Handgelenk prangt. Bis dahin erfreue ich mich an meiner kleinen Sammlung “normaler” Seikos.

Andreas
2 Jahre zurรผck

Hi Mario,

die Uhr ist toll, keine Frage. Was mir jedoch komplett an dieser Uhr fehlt, ist die Ablesbarkeit bei schlechten Lichtverhรคltnissen oder in der Nacht. Das geht gar nicht fรผr den Preis. Und dann noch das gestiftete Armband…

Peter Rehm
3 Jahre zurรผck

Hallo Mario,
meine groรŸe Anerkennung fรผr deinen sehr ausfรผhrlichen und detaillierten Beitrag, der รผbrigens mit so wunderbaren Bildern in absolut phantastischer Detailgetreue verzaubert wurde.
Ich bin jetzt glaube ich nicht der absolute Uhrenfetischist, aber die Philosophie der Hingabe und Leidenschaft an eine so winzige technische Prรคzisionsleistung fasziniert mich.
Verglichen mit den althergebrachten schweizer Luxusmarken empfinde ich die GS als wahres Schnรคppchen.
Die grรถรŸte Anziehung รผbt jedoch die totale Handwerkskunst der Japaner auf mich aus, die mehr wie alle anderen die Nรคhe zur Perfektion suchen. Mein absoluter Respekt hierfรผr.
Wenn man bedenkt, dass aus quantenphysikalischer Sicht keine Zeit existiert, ist dies wohl der schรถnste Wiederspruch den GS
dieser Theorie entgegen setzt. Dieser Beitrag hat dies fรผr mich 100%ig dargestellt, rationaql wie emotional
Danke

Martin G.
3 Jahre zurรผck

Hi Mario, vielen Dank fรผr diesen ausfรผhrlichen Bericht (ein Grund, warum ich gerne hier lese und mich immer auf neue Texte freue!).
Schade aber, dass die Bilder relativ unscharf sind; gerade diese messerscharfen Zeiger und exakten Indizes auf dem โ€žSchneeโ€œ machen doch den Reiz der Snowflake aus…
LG Martin

Daniel.H
3 Jahre zurรผck

Eine spannende Technik. Und die Vorteile sind fรผr mich auch ein echter Mehrwert. Vielleicht nichts fรผr den “Das haben wir immer schon so gemacht” Onkel, aber fรผr einen technik affinen Menschen auf alle Fรคlle etwas!

Mark
3 Jahre zurรผck

Ich hatte die Uhr beim Juwelier bereits mal angelegt und vielleicht wird sie nรคchstes Jahr mein Handgelenk schmรผcken. Die Qualitรคt der Uhr als Ganzes sowie der flieรŸende Sekundenzeiger รผben eine auรŸergewรถhnliche Faszination aus. Und das Zifferblatt gehรถrt wohl zum Besten, was man in der Uhrenwelt finden kann. Des Weiteren hat die Snowflake mittlerweile einen ikonischen Charakter fรผr die Marke Grand Seiko. Herzlichen Dank fรผr Dein tolles Review.

Nikola
3 Jahre zurรผck

Ich werde nie verstehen, dass jemand eine Uhr bewundern kann, die ein Hybrid aus mechanischer und Elektro-quarz-technologie ist. Echte Uhrenliebhaber werden niemals eine solche Uhr tragen, denn fรผr einen echten Uhrenliebhaber ist die Ganggenauigkeit der Uhr nicht das Hauptkriterium fรผr den Kauf einer Uhr.

Konrad
3 Jahre zurรผck
Antworten...  Nikola

Lieber Nikola,
Dein in Deinem Kommentar geรคuรŸertes Unverstรคndnis kann ich in soweit nachvollziehen, dass auch ich heute, vor 20Jahren dachte ich anders, der Meinung bin, dass die Ganggenauigkeit fรผr einen Uhrenliebhaber nicht das MaรŸ seiner Leidenschaft darstellen sollte. Statt dessen sollte Mann/Frau auf das Gesamtpaket schauen. Hier muss man feststellen, dass das Studio von Shizukuishi mit der “Grand Seiko” Linie durchweg ganz “groรŸes Kino” abliefert: perfekte Politur, messerscharfe Kanten, รคuรŸerst prรคzis gesetzte Zeiger, Glรคser und Indizes, teilweise Zifferblรคtter in denen man beim Daraufschauen zu versinken scheint, zum Teil besondere Materialien wie Urushi Lack, auch im “Voll-Mechanik” Bereich sehr prรคzise und solide konstrierte Werke, …
Mir kommt die Diskussion รผber die Wertigkeit von “Grand Seiko” alles in allem merkwรผrdig bekannt vor: Mitte der 1960er Jahre vertrat praktisch jeder “ernsthafte Photograph” die Ansicht, dass Kameras nur dann ernstnehmen seien, wenn Zeiss oder Leitz eingraviert war und man รผber Nikon, Canon und Co. eigentlich nur die Nase rรผmpfen kรถnne. Das Ergebnis dieser Hochmรผtigkeit kennen wir alle.
Lass uns gelassen bleiben. Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft, die nicht dadurch geschmรคlert werden sollte, dass das Schwingungs- und Hemmungssystem aus Slicium, Nickel, Glucydur oder aus Quarz und Kupferdraht bestehen kann.

Crealto
3 Jahre zurรผck
Antworten...  Nikola

Hi Nikola,

Echte Uhrenliebhaber werten Uhren nicht ab sondern sind offen und interessiert an Details, Verarbeitungsqualitรคt und Technik an Uhren. Insofern ist Grand Seiko, insbesondere die Spring Drive Technologie, etwas ganz besonderes in der Uhrenwelt. Ich behaupte mal, dass wenn beispielsweise Rolex in der Lage wรคre, die Spring Drive Technologie herzustellen, und Uhren mit diesem Werk herausbringen wรผrde, das marketingtechnisch als Sensation dargestellt wรผrde und รผberall abgefeiert wรผrde. Die konservative Ansicht, dass nur mechanische Uhren mit Ankerrad und Hemmung “richtige” Uhren sind, spricht aus meiner Sicht dafรผr, dass man sich noch nicht konkret mit der (mechanischen) Funktionsweise und Vorteilen von Spring Drive Werken gegenรผber herkรถmmlichen mechanischen Werken befasst hat. Und hierbei rede ich nicht mal von der herausragenden Fertigungsqualitรคt in Verbindung mit dem fairen Preis von Grand Seiko Uhren.

VG Crealto

Stefan
1 Jahr zurรผck
Antworten...  Nikola

No true Scotsman…

randori01
3 Jahre zurรผck

Da hรคtte ich doch noch ein oder zwei Fragen: Wie lange hรคlt denn so ein Spring-Drive-Kaliber und was kostet dann eine ggf. erforderliche Revision?