• Beitrags-Kategorie:Tests
  • Beitrags-Kommentare:6 Kommentare
  • Beitrags-Autor:
  • Lesedauer:14 min Lesezeit

Die Aquatimer ist für die meisten Uhrenfreunde sicherlich nicht die erste Uhr, die einem in den Sinn kommt, wenn man auf der Suche nach einem hochwertigen Luxus-Diver ist: Die Taucheruhren-Modellreihe von IWC steht im langen Schatten von beliebten Klassikern wie der Omega Seamaster. Sogar Tudor dürfte mit Black Bay und Pelagos längst hinsichtlich Umsatz und Absatz davongezogen sein. Allein schon die Suchanfragen bei Google (deutschsprachig) zeichnen ein deutliches Bild: „IWC Aquatimer“ wird monatlich nur 1300 mal gesucht – weit abgeschlagen hinter „Omega Seamaster“ (33.100), „Tudor Pelagos“ (4.400), „Tudor Black Bay“ (14.800), „Rolex Submariner“ (60.500) und sogar „TAG Heuer Aquaracer“ (9.900). Im englischsprachigen Raum ist das Bild sehr ähnlich.

Mit dieser Situation wird IWC sicherlich alles andere als zufrieden sein, zumal Taucheruhren nach wie vor das beliebteste Uhrensegment überhaupt darstellen. Das Problem ist aber auch ein Stück weit hausgemacht: IWC hat die Aquatimer in den letzten Jahren ziemlich stiefmütterlich behandelt, von dem Modell gibt es Stand Ende 2024 nur 10 Varianten, während es in der „Pilot’s Watches“- und der „Portugieser“-Kollektion immerhin 71 respektive 56 sind.

Die aktuelle Aquatimer ist über 10 Jahre alt, das letzte (vor allem technische) Update gab’s 2022. Insgesamt hat es IWC in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft, einen stringenten Designkurs zu fahren und so einen Klassiker zu etablieren.

Eine überarbeitete bzw. komplett neu gestaltete Aquatimer ist daher wohl nur eine Frage der Zeit – denn trotz (berechtigter) Kritik an der neuen Ingenieur 40, zeigt das Beispiel doch, dass IWC durchaus dazu in der Lage ist, ein historisch bedeutendes Design wieder zu Erfolg zu verhelfen. Und von der Aquatimer gibt es, wie wir durch die geschichtliche Brille betrachtet in diesem Artikel sehen werden, durchaus interessante Designs, die als Grundlage für eine Neuauflage herhalten könnten.

Geschichte der IWC Aquatimer: Ocean 2000 als Basis für eine Neuauflage?

IWC und Taucheruhren – da kommt den meisten Uhrenfreunden intuitiv wohl am ehesten die Ocean 2000 in den Sinne, die das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen IWC und Porsche Design war. In Form der Ocean 2000 AMAG ging das Modell sogar als komplett antimagnetische Variante an die Minentaucher des Bundeswehr-Seebataillons. Die antimagnetischen Eigenschaften hat IWC beispielsweise durch die Verwendung von Titan als Gehäusematerial sichergestellt. Aber auch das tickende Innere durfte natürlich nicht magnetisch sein: So existieren von der IWC Ocean 2000 zwar auch Ausführungen mit Quarzwerk (Ref. 3314 und 3315, NATO Versorgungs-Nr. 6645-12-199-5644 und -5070), die Minentaucher erhielten allerdings mit der Einführung 1984 eine spezielle STANAG 2897-konforme Variante mit dem mechanischen AMAG-Kaliber 3755 (Ref. 3519, Vers.-Nr. 6645-12-199-3530 und -3503). Denn: Der Magnetismus der Schrittmotoren eines Quarzwerkes verbietet den Einsatz beim Minensuchen, da der Zündmechanismus von Seeminen ansprechen könnte.

Mehr: IWC Ocean 2000 AMAG-Nachfolger: STANAG-konforme Minentaucher-Uhr von Poseidon und Fricker

IWC GST Aquatimer

Als die rund zwei Jahrzehnte andauernde Partnerschaft mit Porsche Design endete, musste eine Lücke in der IWC-Kollektion geschlossen werden. Und die wollte IWC mit der GST schließen, kurz für „Gold, Stahl, Titan“. Bekannt sind vor allem die Deep One Ref. 3527 und die (deutlich dezentere, aber dennoch bis 200 bar wasserdichte) GST Aquatimer Ref. 3536, die 1998 auf den Markt kam und sowohl in Titan als auch Edelstahl erhältlich war.

Allerdings begann die Taucheruhrengeschichte von IWC schon lange vor Ocean 2000 und GST, aber auch rund ein Jahrzehnt nach den Pionieren Rolex, Omega oder Blancpain: Die erste Taucheruhr von IWC war die Aquatimer Ref. IW812 AD, angetrieben vom Kaliber 8541, lanciert anno 1967. Die nur 37mm messende Uhr im „Dual Crown“- bzw. „Supercompressor“-Gehäuse mit 20 bar Wasserdichtigkeit von Ervin Piquerez SA (EPSA) und innenliegendem Taucherdrehring richtete sich an eine wachsende Zahl von Sporttauchern. IWC produzierte das Modell lange, aber nicht in großen Stückzahlen: Über einen Zeitraum von über 20 Jahren verließen nur rund 2.000 Stück die Manufaktur.

iwc aquatimer 812 1967 2
IWC 812

IWC Aquatimer 2014/2022 bis heute (Ref. IW328801/IW328802/IW328803)

Die aktuelle Stahl-Basisvariante der Aquatimer Automatic mit der Referenz IW328801 (blau) bzw. IW328802 (schwarz/Kautschuk) bzw. IW328803 (schwarz/Stahlband) wurde 2022 als Update der 2014er-Referenz IW329001 lanciert. Das Gehäuse blieb mit einem Durchmesser von 42 mm (Horn-zu-Horn 50mm) und 14,1mm Höhe gleich. Das grundlegende Design bliebt unverändert und so hat das Zifferblatt weiterhin ein paar Designelemente der Ocean 2000 und der allerersten IWC-Taucheruhr 812 an Bord.

Mechanischer Aussen-Innen-Drehring mit SafeDive-System

Das wesentliche Merkmal der aktuellen Aquatimer ist die bidirektionale Lünette, die die unidirektionale innere Tauchskala bewegt (sic!). Dieses SafeDive getaufte System sorgt für eine Optik, die etwas an die Dual Crown-IWC 812 erinnert, aber die zweite Krone unnötig macht: Wenn man die Lünette gegen den Uhrzeigersinn dreht, rastet sie in die innere Lünette ein. Wenn man die Lünette jedoch im Uhrzeigersinn dreht, hat dies keinen Einfluss auf den inneren Drehring – das verhindert (wie bei einer klassisch-außenliegenden, unidirektionalen Taucherlünette), dass man die Markierung des Tauchstarts versehentlich vorstellt und so fälschlicherweise annimmt, dass man noch genügend Atemluftgemisch zur Verfügung hat. Der SafeDive-Mechanismus ist technisch ziemlich pfiffig gelöst und funktioniert ähnlich wie eine Ratsche bzw. Knarre. Der größte Vorteil: die Tauchzeit kann so sehr schnell und ohne Umgreifen markiert werden.

Der Mechanismus unterstreicht das durch die Ingenieur geprägte, technikverliebte Image der Schaffhauser – und nicht zuletzt funktioniert der Mechanismus auch praktisch ganz hervorragend und butterweich. Probiert ihn unbedingt mal bei eurem Konzi um die Ecke aus!

Ein weiteres charakteristisches Merkmal der bis 300m wasserdichten Uhr ist die Ausbuchtung auf der linken Gehäuseseite: Intuitiv würde man wohl denken, dass es sich dabei um ein Heliumauslassventil handelt – ist es aber nicht: Die kleine Ausbuchtung beherbergt einen Teil des SafeDive-Mechanismus.

Böse Zungen sprechen allerdings auch von einer Quasimodo-Ausbeulung oder einem Salzstreuer, denn optisch sorgt der Mechanismus an der linken Gehäuseseite für ein Ungleichgewicht – warum IWC nicht auch einen ähnlichen, mit Sechskantschrauben befestigten Kronenschutz auf der rechten Seite verbaut hat, um eine optische Symmetrie herzustellen, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel (siehe Formex REEF).

IWC-„Quasi“-Manufakturkaliber 32111

Das Update der IWC Aquatimer anno 2022 bezog sich vor allem auf die Technik: Während im Inneren der 2014er Aquatimer noch das automatische Kaliber 30120 auf Basis von ETA bzw. Sellita mit einer Gangreserve von 42 Stunden arbeitete, tickt in der 2022er Aquatimer das Kaliber 32111: Dieses kommt mit einem bidirektionalen Klinkenaufzugssystem und eine Gangreserve von deutlich aufgebohrten 120 Stunden – und zwar ohne dabei als „Tradeoff“ Abstriche bei der Frequenz machen zu müssen. Das 32111 verwendet außerdem ein Hemmungsrad und einen Anker aus Silizium für das Extraplus an Korrosionsfestigkeit, Stoßfestigkeit und eine Unempfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern.

Es handelt sich beim 32111 übrigens um ein „Quasi-Inhouse“-Kaliber. Warum quasi? Nun, der Richemont-Konzern lässt mechanische Werke vorrangig bei der hauseigenen Manufacture Horlogère ValFleurier SA (ebenfalls eine Richemont-Tochter), um Know-How und Produktionskapazitäten aus Prozess- und Kostenoptimierungsgründen zu bündeln. Und das ist auch beim Kaliber 32111 so.

Quo Vadis IWC Aquatimer?

Die aktuelle Aquatimer-Kollektion ist nun schon über 10 Jahre alt. Trotzdem fühlt sich die 2022 technisch überarbeitete Aquatimer Automatic meiner Meinung nach keineswegs veraltet an. Und qualitativ kann die Aquatimer meiner Meinung nach auch locker mit ähnlich bepreisten Konkurrenzmodellen wie Seamaster und Pelagos mithalten. Das Design ist ferner sehr eigenständig, was ich sehr begrüße (aber natürlich Geschmackssache). Gegen eine Fortführung des aktuellen Konzeptes mit SafeDive-Technik spricht aber vor allem sicherlich der eher magere kommerzielle Erfolg.

Ist es also Zeit für etwas gänzlich Neues? Oder darf es dann doch lieber die Neuauflage eines historischen Modells sein? Die GST Aquatimer von 1998 drängt sich auf den ersten Blick auf: Genau wie die 2023 neu aufgelegte Ingenieur könnte eine Aquatimer-Neuauflage in Stahl und Titan sowie mit unterschiedlichen Zifferblattvarianten durchaus funktionieren. Allerdings würde eine solche Neuauflage im hart umkämpften Diver-Markt optisch nicht besonders herausstechen – zu ausgeprägt sind die „klassischen“ Diver-Merkmale und zu groß die Ähnlichkeiten zu den Modellen von den Platzhirschen wie Omega Seamaster, Rolex Submariner & Co.

Da wäre eine Neuauflage der allerersten Aquatimer im Dual Crown-Design mit der Referenz 812 meiner Meinung nach schon sinnvoller, wenngleich Taucheruhren in diesem Design vor allem von Microbrands in den letzten Jahren ausgeschlachtet wurden. Mit der Longines Legend Diver gibt es darüber hinaus eine Alternative von einem gestandenen Hersteller in einem Preisbereich, den IWC verlassen hat und mit einer neuen Aquatimer sicherlich auch nicht mehr betreten wollen würde (die Ingenieur 40 hat gezeigt, in welchem Preisbereich sich IWC selbst sieht).

Bleibt zu guter Letzt noch eine Wiederbelebung des Designs der Ocean 2000 – und das würde ich persönlich ziemlich feiern, vor allem in der Variante mit schwarzer Lünette (Ref. 3314). Denn das Design ist eigenständig, zeitlos und gleichzeitig modern, vor allem am Titanband. Die Bundeswehr-Hintergrundgeschichte macht die Uhr ferner nicht uninteressanter – worauf wartet ihr also noch, liebe Schaffhauser? 😉

Was denkt ihr über die Zukunft der IWC Aquatimer? Hinterlasst mir gerne einen Kommentar!

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich über ein Like bei FacebookInstagram, YouTube oder

Auch über WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:

DSxOAUB0raA (1)

Darüber hinaus freue ich mich über Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprüft und freigeschaltet). Vielen Dank!

Abonnieren
Benachrichtige mich bei...
6 Kommentare
Neueste Kommentare
Älteste Kommentare Kommentare mit den meisten Votings
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Berni
17 Tage zurück

Beide Möglichkeiten sehe ich kritisch.
Die ältere Version hat mir zu viel Ähnlichkeit mit der Polaris Diver von JLC. Die zuletzt genannte Möglichkeit passt zum Mainstream a la Rolex und könnte einer größeren Käuferschicht gefallen.
Mir gefällt aber dieses „Mashup“ mit massiven Kosteneinsparungen bei der Richemont Gruppe und gleichzeitiger Preiserhöhung gar nicht.
Ausserdem sollte IWC erst einmal deren Probleme mit dem Schnellwechselsystem bei den Armbändern, u.a. bei der IWC Big Pilot 43 in den Griff bekommen.

Herbert
18 Tage zurück

Hallo Mario,

dieser Beitrag war überfällig. Da ich selbst eine Ocean 2000 der ersten Stunde besitze, habe ich mich lange gefragt, warum IWC auf diesem Modell keine Ocean-Serie aufgebaut hat. Etwas moderner designet, optimiertes Manufakturwerk, Chronometer-Zertifikat und eine größere Datumsanzeige. Auch die nicht relevante Wasserdichtheit bis 2000 Meter wäre immer noch ein schlagendes Verkaufsargument, auch wenn man kein Taucher ist (bin aber einer).
Hinsichtlich meiner Ocean 2000 gibt es zu berichten, dass die Revision mittlerweile bei 1200 € liegt und das Titan-Armband nur noch eingeschränkt in der Praxis Verwendung finden sollte, weil es an Ersatzteilen mangelt. Insbesondere am Titan-Verschluss.
Falls eine Nachfolgerin keiner unrealistischen Preisgestaltung unterliegen würde, wäre ich bereit, nochmal zu investieren.

VG Herbert

Lars
18 Tage zurück

Hallo zusammen,
ich glaube auch das eine Neuauflage der Ocean 2000 ein Erfolg werden könnte.
Das Design hebt sich von den Wettbewerben ab und wirkt aber trotzdem sehr gefällig.
Die GST war 1998 eine tolle Uhr, aber etwas profillos und meines Wissens auch noch teurer als eine Rolex Submariner.
Weshalb sich die GST auch nicht so gut verkaufte.
IWC hat in den letzten Jahren leider immer wieder Uhren verkaufen wollen, die eher als Sammler Stücke taugten als das man sie wirklich gut tragen konnte und das auch noch zu Preisen die den Kunden zur Konkurrenz schauen ließen.
😊

Lars
14 Tage zurück
Antworten...  Lars

Hallo Namensvetter.
Ich ging bisher davon aus, dass Rolex die Marke ist, die Sammler gleichermaßen anspricht wie Spekulanten. IWC ist aus meiner Sicht eher eine Marke mit Nischenpotenzial. Die mit Genta Design und der Kraft des Richemont Konzerns, der den Rotstift zwecks Gewinnmaximierung angesetzt hat, den Kopf über Wasser zu halten.
Da hilft es in den alten Schubladen zu graben und ein Reissue mit großem Marketingbudget zu reüssieren.

Georg
19 Tage zurück

Hallo zusammen,

optisch hebt sich der IWC Aquatimer angenehm von Omega Seamaster oder Rolex Submariner ab.

Allerdings frage ich mich grundsätzlich, ob 7.500,– € für die Aquatimer mit Edelstahl- bzw. 6.500,– € mit Kautschukarmband gerechtfertigt sind.

Zu Weihnachten habe ich mir für rund 360,– € (inkl. 50 % Weihnachtsrabatt, Versand, Einfuhrumsatzsteuer, Zoll und Bearbeitungsgebühr) von Aquatico-Watches aus China die folgende Taucheruhr gegönnt:

https://chrononautix.com/aquatico-aequorea-victoria/
https://www.aquaticowatch.com/de-at/collections/tritium-t100-automatic-watch/products/blue-dial-tritium-watch

Die Uhr mit dem blauen Zifferblatt gefällt mir persönlich sehr gut, ist wertig verarbeitet, hat eine perfekte Beleuchtung mit trigalight-Tritiumröhrchen und eine Gangabweichung von bisher +6 Sekunden. Auch die Anpassung des Stahlarmbandes war durch die Verschraubungen in weniger als 10 Minuten erledigt.

Warum sollte ich für eine sogenannte „Luxusuhr“ astronomische Summen ausgeben? Letztendlich definieren sich Premiummarken hauptsächlich über den Preis, was leider auch bei einer Revision der Fall ist. Für meine Omega Seamaster werden mittlerweile 750,– € aufgerufen. Dafür bekomme ich exakt 2 Aequorea-Uhren von Aquatico.

https://www.omegawatches.com/de-de/customer-service/interventions-and-prices/price-information

Beste Grüße

Georg

Lars
14 Tage zurück
Antworten...  Georg

Ein schwieriges Thema, Marken, Preise, Image und Wirkung nach Außen.
An sich finde ich die Sichtweise durchaus sympathisch, Luxusgüter in Frage zu stellen.
Die Entwicklung ist bei nahezu allen Schweizer Herstellern nicht mehr mit Kostensteigerungen zu erklären.
Wie in vielen anderen Bereichen auch, ist es aktuell offensichtlich schick, gierig zu sein.
Da werden Preiserhöhungen zum Jahresanfang schon als maßvoll gewertet.

Was die China Produkte betrifft, bin ich wirklich kein Freund dieser Produkte und das hat wenig mit Protektionismus o.ä. zu tun.
Wäre aber eher eine politisch, wirtschaftliche Diskussion. Hier also fehl am Platz.

Dennoch viel Freude mit den Uhren aus Fernost.