In der Geschichte der Bundeswehr-Uhren im Allgemeinen stechen ein paar Modelle heraus, die auch bei Sammlern heißbegehrt sind – darunter zu Luft der allererste Fliegerchronograph (Hanhart 417 ES) oder zu Wasser die IWC Ocean 2000, eine komplett antimagnetische Uhr für die Minentaucher des Bundeswehr-Seebataillons. Von der IWC Ocean 2000 AMAG wurden allerdings ab 1984 nur 50 Stück produziert und an die Bundeswehr geliefert. Das Modell ist schon lange ausgemustert. Doch was war der Nachfolger?
Etwas stirnrunzelnd saß ich ja schon vor dem Laptop, als mich im November 2022 eine Email von einem Herren erreichte, der einen Herren mit Kontakten zur Bundeswehr kennt, der angeblich den kompletten Bestand derjenigen Minentaucheruhren erworben hatte, die der IWC Ocean 2000 AMAG nachfolgten. Nach ein paar aufschlussreichen Telefonaten übersendete mir der Eigentümer einen Prototypen und ein Serienmodell der vollkommen antimagnetischen Poseidon/Fricker-Minentaucheruhr, die 2008 entwickelt und offiziell an die Minentaucherkompanie ausgegeben wurde – mit NATO Stock Number und allem drum und dran.
In diesem Artikel schauen wir uns im Detail zunächst den Job eines Minentauchers an, um zu verstehen, warum AMAG-Eigenschaften für die komplette Minentaucher-Ausrüstung (also natürlich auch inklusive der Taucheruhr) absolut überlebenswichtig sind. Anschließend werfen wir einen ausführlichen Blick auf Produkteigenschaften, Kosten und Technik des Prototypen und des Serienmodells der Poseidon/Fricker-Minentaucheruhr…
INHALT
Über Minentaucher: Ruhige Hände, klarer Kopf, gute Ausdauer
Besonders auffällig an der Minentaucheruhr ist das große Logo auf “12 Uhr”, ein Schwertfisch und dahinter eine sogenannte Ankertaumine. Ein solch präsentes Logo ist nicht unbedingt typisch für offizielle militärische Ausrüstungsgegenstände – normalerweise wird komplett auf unnötige Designelemente verzichtet, um nicht vom Wesentlichen, nämlich dem Ablesen der Uhrzeit bzw. der verstrichenen Tauchzeit mit Hilfe der klassischen Taucherlünette abzulenken.
Beim Logo handelt sich um das Kompanieabzeichen der Minentaucherkompanie, eine rund 100 Mann starke Spezialeinheit der Bundeswehr auf Kompanieebene der Marine. Die Einheit wurde 1964 aufgestellt und ist heute Teil des zum 1. April 2014 neu aufgestellten Seebataillons mit Standort im Marinestützpunkt Eckernförde, Schleswig-Holstein.
Gut zu wissen: Unter der Nummer 015022098 ist das Logo auch u.a. für Uhren durch die PD² Technology GmbH aus Hamburg geschützt (siehe EUIPO). Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind etwas undurchsichtig, nach meinen Recherchen ist PD² Technology die Dachgesellschaft für Poseidon und weitere Marken wie Kowalski Tauchlampen. Uhren mit dem Logo gibt es beispielsweise bei Bombfrog – sicher kein Zufall: Kopf hinter Bombfrog ist Dirk Assmann, seines Zeichens selbst Minentaucher bei der Bundeswehr.
Minentaucher beseitigen und entschärfen Sprengkörper – oder wie man im “Militärsprech” sagt: sie kümmern sich um die Kampfmittelbeseitigung. Und das ist, wie man sich sicherlich vorstellen kann, ein knochenharter und explosiver Job: Die Minentaucher sind eine Art Lebensversicherung für ihre Kameraden, denn sie kontrollieren Gebiete auf Sprengkörper und bahnen so nachrückenden Truppen den Weg.
Für ihren Job brauchen die Minentaucher ruhige Hände, einen klaren Kopf und gute Ausdauer – Fähigkeiten, die während der vierjährigen Ausbildung trainiert werden, die als eine der physisch und psychisch herausforderndsten Ausbildungen in den deutschen Streitkräften gilt. Die Hürden auf dem Weg zum Minentaucher sind hoch: Viele scheitern, wenn sie beispielsweise ohne Hilfsmittel unter anderem zwei Minuten am Stück unter Wasser bleiben müssen.
Wie wir später in diesem Artikel noch sehen werden, waren die antimagnetischen Eigenschaften eine entscheidende Anforderung bei der Entwicklung der hier gezeigten Minentaucheruhr im Jahre 2008 – um zu verstehen, warum dem so ist, schauen wir uns zunächst das an, womit es Minentaucher am meisten zu tun haben: Seeminen (wer hätt’s gedacht).
Seeminen – ein unkalkulierbares Risiko
Seeminen sind ein unkalkulierbares Risiko: Sie können in 80 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund einer vielbefahrenen Route der Handelsschifffahrt liegen – oder in flachen Küstengewässern, Flussmündungen und Hafeneinfahrten. Kaum vorstellbar, aber in der Nord- und Ostsee befinden sich bis heute noch viele Minen aus dem Zweiten Weltkrieg, die entschärft werden müssen.
Hierzu auch noch ein aktuelles Beispiel: Anrainerstaaten des Schwarzen Meers haben 2022 treibende Seeminen entdeckt und unschädlich gemacht. Eine der Minen wurde in der Nähe des Bosporus neutralisiert und die Meerenge kurzzeitig für die Schifffahrt gesperrt. Russland und die Ukraine haben sich gegenseitig beschuldigt, die Minen gelegt zu haben.
Und noch ein Beispiel aus 2008: Vier Minentaucher aus Eckernförde schützten damals die deutschen UN-Marineschiffe vor Terroranschlägen im Mittelmeer. Sie waren im Hafen von Limassol auf Zypern stationiert, von wo aus die Schiffe während ihrer UN-Mission in Richtung Libanon ausliefen.
Werden Seeminen im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr entdeckt, rücken Minentauchereinsatzboote an, um die Seewege freizuräumen. Eines davon ist beispielsweise das Minenjagdboot „Bad Rappenau“, bei denen stets Minentaucher an Bord sind.
Ein typischer Minentaucher-Einsatz sieht dabei wie folgt aus: Wenn Seeminen in einem Gebiet vermutet werden oder das Sonar des Minenjagdboots ein Signal empfängt, wird eine autonome, kabellose Unterwasserdrohne ausgeschickt, um ein vorher programmiertes Gebiet selbständig mittels Sonar abzusuchen. Hat die Drohne den Ablageort eines Sprengsatzes identifiziert, macht sich ein Minentaucher zur Analyse dorthin auf den Weg. Zurück an Bord wird eine passende Sprengladung geformt, die der Minentaucher wiederum an der Mine platziert und später per Fernsteuerung zündet.
Spannende bewegte Bilder zu den Minentauchern gibt es in diesem Video:
Die Bundeswehr fasst die Tätigkeit der Minentaucher auf ihrem Karriereportal wie folgt zusammen:
Als Minentaucherin bzw. Minentaucher sorgen Sie für die Sicherheit von Seewegen, Küsten und Schiffen. Sie stellen sich als Spezialistin bzw. Spezialist für Minentauchereinsätze physischen und psychischen Höchstbelastungen. Sie tauchen mit modernsten Spezialausrüstungen bis in große Tiefen. Sicher setzen Sie verschiedene Schwimmtechniken mit oder ohne Flossen sowie Tauchtechniken ein. Sie meistern herausfordernde Situationen im und unter Wasser sowie an Küsten. Mit Ihrer Risikobereitschaft, Fachkenntnis und flexiblen Reaktionsfähigkeit tragen Sie entscheidend dazu bei, Minen aufzuspüren und zu entschärfen. Sie unterstützen Sprengeinsätze unter Wasser und setzen Ihre Spezialkenntnisse überall dort ein, wo gefährliche Waffen unschädlich gemacht werden müssen.
Auch zum Einkommen gibt die Bundeswehr Auskunft: Das Monatsgehalt im Minentaucherdienst liegt je nach Laufbahn und persönlicher Lebenssituation zwischen 2.045€ und 3.474€ netto (Stand Februar 2023) – nicht viel, wenn man die knochenharte Ausbildung und die Gefährlichkeit des Jobs bedenkt…
Magnetismus: Ein grundsätzliches Problem für Minentaucher
Die meisten Seeminen reagieren entweder auf akustische oder magnetische Signale oder Druck. Geräusche kann die Besatzung reduzieren, nicht aber das Magnetfeld eines Schiffes: Ist dessen magnetische Signatur groß genug, um den Zünder der Seemine zu aktivieren, explodiert sie. Oder anders gesagt: Seeminen zünden bei magnetischen Veränderungen in ihrem Umfeld.
“Normale” Fregatten und Korvetten sind aus magnetischem Stahl, d.h. sie haben eine ausgeprägte magnetische Signatur. Minenjagdboote wie die oben genannte Bad Rappenau werden hingegen überwiegend aus amagnetischem Stahl gefertigt. Nur Komponenten wie der Dieselmotor oder Generatoren sind aus magnetischem Stahl. Ihre magnetische Signatur ist bauartbedingt also deutlich niedriger – jedoch nicht niedrig genug, um gefahrlos ein Minenfeld zu durchfahren. Und hier kommen die Minentaucher ins Spiel.
Magnetismus ist natürlich auch für Minentaucher eine große potentielle Gefahr. Die Taucherausrüstung der Minentaucher, die auf Tauchereinsatzbooten wie der „Bad Rappenau“ tätig sind, wird daher alle zwei Jahre in der Wehrtechnischen Dienststelle 71 vermessen. Der jeweilige Ausrüstungsgegenstand bekommt, wenn er die Prüfung besteht, u.a. einen minzgrün-weißen AMAG-Aufkleber mit Datum spendiert (Monat/Jahr) – quasi wie der TÜV-Aufkleber auf dem Auto, der auf die Gültigkeit der Prüfung hinweist. “NM” steht dabei für “NICHT MAGNETISIERBAR”. Unten im Bild sieht man das Band der Fricker/Poseidon Minentaucheruhr sowie exemplarisch Poseidon-Tauchblei mit NM-Aufkleber.
Dabei wird die komplette Minentaucher-Ausrüstung wie beispielsweise Messer, Tarierwesten, Schwimmkragen, elektronische Geräte, Kreislaufgeräte oder Taucheruhren geprüft – und zwar nicht nur stichprobenartig, sondern zu einhundert Prozent. Und sogar auch Bekleidung, bei der man gar keine magnetische Störung vermuten würde wie Neoprenanzüge, Stiefel oder Flossen werden vermessen. Denn: Schon eine abgebrochene Nähnadel im Neopren mag nicht spürbar sein, kann aber in unmittelbare Nähe einer Seemine den Magnet-Zünder auslösen und den Taucher gefährden.
Grundlage für die Tests ist die NATO STANAG 2897. STANAG ist die Abkürzung für Standardization Agreement, ein Standardisierungsübereinkommen der NATO-Vertragsstaaten über die Anwendung standardisierter Verfahren oder ähnlicher Ausrüstung; die STANAG 2897 gibt den Rahmen zur Überprüfung amagnetischer Werkzeuge zum Einsatz im Rahmen der Kampfmittelräumung vor (EOD – explosive ordnance disposal). Das Prüfverfahren beruht auf einer Messung des magnetischen Restfeldes mittels Absolutfeld- oder Gradienten-Magnetometer.
Hier auch noch ein sehenswertes Video zur Arbeit der Minentaucher:
Vorgänger: IWC Ocean 2000
Spätestens jetzt sollte klar sein, dass auch militärisch genutzte Taucheruhren, mit der ein Minentaucher u.a. die verstrichene Tauchzeit im Blick behalten kann, absolut antimagnetisch sein müssen, um nicht das Leben des Soldaten zu gefährden.
Die Anforderung an die Minentaucheruhr klingt in der Summe erstmal so einfach: Alle (!) Teile der Taucheruhr (inklusive des Uhrwerks), die ein messbares magnetisches Feld erzeugen, müssen durch amagnetische Teile ersetzt werden. Punkt.
Dass das keine banale Aufgabe ist, zeigt die auf Basis eines 30-seitigen Pflichtenheftes über vier Jahre dauernde Entwicklung der IWC Ocean 2000 AMAG, der unter Uhrenfreunden überaus bekannte Vorgänger der hier vorgestellten Poseidon/Fricker-Minentaucheruhr.
Die antimagnetischen Eigenschaften hat IWC beispielsweise durch die Verwendung von Titan als Gehäusematerial sichergestellt. Aber auch das tickende Innere darf natürlich nicht magnetisch sein: So existieren von der IWC Ocean 2000 zwar auch Ausführungen mit Quarzwerk (Ref. 3314 und 3315, NATO Versorgungs-Nr. 6645-12-199-5644 und -5070), die Minentaucher erhielten allerdings mit der Einführung 1984 eine spezielle STANAG 2897-konforme Variante mit dem mechanischen AMAG-Kaliber 3755 (Ref. 3519, Vers.-Nr. 6645-12-199-3530 und -3503). Denn: Der Magnetismus der Schrittmotoren eines Quarzwerkes verbietet den Einsatz beim Minensuchen, da der Zündmechanismus von Seeminen ansprechen könnte.
Nur 50 Stück der IWC Ocean 2000 AMAG-Uhr wurden an die Minentaucher der Bundeswehr ausgegeben. Die IWC-Uhren waren hinsichtlich Ganggenauigkeit allerdings ziemlich dürftig. So dürftig, dass als “Running Gag” bei den Minentauchern der Bundeswehr von “Real Time” und “IWC Time” die Rede war. Ähnlich äußerte sich auch der Minentaucher Dirk Assmann vor ein paar Jahren in einem Interview.
Hier einige Bilder der AMAG-Variante
Minentaucheruhr von Poseidon/Fricker im Detail
Deutlich weniger bekannt als die IWC Ocean 2000 AMAG ist der Nachfolger: Die Minentaucheruhr von Poseidon und Fricker, die angeblich die AMAG-Eigenschaften der IWC um Längen übertraf.
Die Fricker GmbH & Co. KG aus Pforzheim war ein auf Gehäusefertigung für Armbanduhren in Edelstahl, Titan, Gold und Platin spezialisierter Hersteller, der insolvenzbedingt anno 2019 die Pforten schließen musste. Poseidon wiederum ist ein heute zur PD² Technology Gruppe gehörender Spezialist für Tauchausrüstung – so beliefert Poseidon die Bundeswehr seit vielen Jahrzehnten beispielsweise mit Tauchmasken, Tauchmessern, Tarierjacken & Co..
Aufgrund der langjährigen Beziehungen zur Bundeswehr gehe ich davon aus, dass Poseidon der Haupt-Auftragnehmer für die Minentaucher-Uhren war, welche die IWC Ocean 2000 ersetzen sollte. Fricker wiederum war vermutlich eher im Hintergrund aktiv und für die Komponenten und die Montage verantwortlich.
Auftraggeber seitens des Bundes waren die Spezialisierten Einsatzkräfte Marine (SEK M), ein infanteristischer Verband der Deutschen Marine in Bataillonsstärke, welcher in Eckernförde stationiert war. Das Bataillon wurde 1997 aufgestellt und zum 1. April 2014 aufgelöst – ihre Aufgaben wurden durch die zum 1. April 2014 neu aufgestellten Verbände Seebataillon und Kommando Spezialkräfte der Marine fortgeführt.
Genau wie die IWC Ocean 2000 AMAG kam auch die Poseidon/Fricker-Minentaucheruhr zunächst einmal mit einem 44 mm großen und bis 30 bar wasserdichten Gehäuse aus amagnetischem (Rein-)Titan.
Besonders markant ist die unidirektionale, klassische 60-Klick-Taucherlünette – die gezackte Machart soll dabei sicherlich (vor allem beim Prototypen) an das Kompanieabzeichen der Minentaucher erinnern. Die Rast- und Haltefedern der Lünette sind dabei aus einer speziell gehärteten Kupferberyllium-Legierung und dadurch seewasserfest und – na klar – antimagnetisch.
Für Fricker war die Produktion eines solchen antimagnetischen Gehäuses sicherlich noch eine der einfacheren Aufgaben bei der Entwicklung der Minentaucheruhr. Hier die technische Zeichnung des Prototypen aus dem Hause Fricker, die Aufschluss über weitere Spezifikationen gibt (z.B. Saphirglas, innen antireflexbeschichtet):
Darüber hinaus liegen mir auch die Dokumente über die Kosten für Forschung und Entwicklung in Höhe von 184.000€ vor.
Die Prototypen-Kosten schlugen noch mal mit fast 30.000€ netto zu buche – für einen einzigen Prototypen wohlgemerkt (insgesamt gab es fünf):
Auch die Prototypen wurden hinsichtlich der antimagnetischen Eigenschaften vermessen, und zwar bei der bei der Vermessungsstelle des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) in Firnau. Der bestandene AMAG-Test galt dann wiederum als Voraussetzung für die Fortführung des Projektes.
Von der Poseidon/Fricker-Minentaucheruhr sollten ursprünglich 200 Stück von der Bundeswehr geordert werden, faktisch waren es aber (aus unbekannten Gründen) nur 100 Stück zu einem Stückpreis von rund 5000€.
Die Serienuhr hatte dabei auch eine offizielle NATO Stock Number bekommen (6645-12-368-1567) und wurde offiziell an die Minentaucher ausgegeben. Heute ist keine von den 100 Minentaucheruhren mehr offiziell im Einsatz: Der Rücklauf nach Ausmusterung beträgt rund 70 Stück. Die 70 Stück wurden aus der Insolvenzmasse von Fricker von einer Privatperson herausgekauft, d.h. sie sind kein Bundeseigentum mehr. Die Bundeswehr musste dem Verkauf damals zustimmen.
Ausgeliefert wurden die Serienuhren – wie man es auch von Uhren für “normale” Endkunden kennt – ganz klassisch mit Bedienungsanleitung, Echtheitszertifikat und Wartungsheftchen:
Minentaucheruhr von Poseidon/Fricker: Prototyp vs. Serie
Neben den 100 Serienuhren wurden wie bereits erwähnt fünf Prototypen produziert, die sich optisch durch eine deutlich markanter gezackte Lünette und eine Leucht-“Perle” (anstelle Leuchtdreieck) von der Serien-Minentaucheruhr unterscheiden. Ferner ist die kleine Sekunde beim Serienmodell deutlich weiter in die Mitte gerutscht. Kleinere Änderungen aus der Kategorie “muss man mit der Lupe suchen” betreffen auch den Zeigersatz und das “MINENTAUCHER”-Logo.
Im Prototypen kam dabei zunächst ein Serienkaliber zum Einsatz, das bekannte Schweizer ETA Unitas 6498 Handaufzugswerk, das durch den Tausch diverser Komponenten antimagnetisch war. In der Serie-Minentaucheruhr tickt wiederum ein leider unbekanntes Kaliber – dazu aber später mehr.
Fun Fact am Rande: Mühle-Glashütte hatte bis vor einigen Jahren eine Kampfschwimmeruhr im Sortiment, deren gezackte Lünette und auch das sonstige Gehäusedesign sehr stark an die Minentaucheruhr von Fricker erinnern. Diese wurde zum 50-jährigen Bestehen der Kampfschwimmerkompanie ausgegeben. Sicherlich kein Zufall dabei ist, dass Fricker früher Mühle beliefert hat.
Aber zurück zur Minentaucheruhr von Poseidon/Fricker, denn auch beim Gehäuse gibt es einige Unterschiede: So kam der Prototyp mit seitlichen Gravuren der Seriennummer “000/205” (alle Prototypen hatten die 000) sowie “BUND I/9” (für Januar 2009).
Beim Serienmodell ist die Seitengravur (“BUND” etc.) verschwunden. Dafür ist auf dem Gehäuseboden – rund um die zentrale Gravur einer Seemine – deutlich mehr Informationsgehalt vorhanden, darunter Hinweise auf die Taucheruhren-DIN 8306, die NATO STANAG 2897 und die NATO Stock Number. Hier einige Detailbilder vom Serienmodell:
Gemeinsam haben die beiden Gehäuse aber zwei kryptische Symbole, die sich links und rechts vom Kronenschutz befinden: Es handelt sich dabei um die verschlüsselten Namen von zwei Menschen, die am Projekt beteiligt waren (vermutlich Projektleiter bei der Bundeswehr und Projektleiter bei Fricker oder Poseidon).
Das Band ist bei Serie und Prototyp weitgehend identisch – die Serie kam allerdings mit einer glänzenderen Optik, während das Band des Prototypen matt ist. Hersteller des Prototypen-Bandes war die HIRSCH GmbH aus Klagenfurt am Wörthersee (Hirsch Extreme Caoutchouc 24mm)
Augenscheinlich ist bei beiden Varianten vor allem die gezackte Machart des Bandes, die nicht nur optisch gut zur markanten Lünette passt, sondern auch noch zusätzliche Flexibilität bietet: Da ein Neoprenanzug unter Wasser komprimiert und somit den Handgelenkumfang “drückt”, kann man das Band der Minentaucheruhr vor dem Tauchgang einfach knackig-eng um’s Handgelenk schnallen – die Uhr schlackert dann im Verlauf des Tauchgangs nicht so stark rum.
Der Minentaucher kann den Kompressionseffekt aber auch anders vermeiden: Minentaucher führen üblicherweise ein Navigationsboard mit, dass eine extra Halterung für AMAG-Uhren mitbringt:
(Bekannte) Details zum AMAG-Kaliber
Sowohl das Kaliber in der Serienuhr als auch das Kaliber im Prototypen sind gemäß den Anforderungen der Bundeswehr – wie auch bei der IWC Ocean 2000 – hinsichtlich antimagnetischer Eigenschaften optimiert. Das erklärt auch die oben erwähnten recht hoch erscheinenden Kosten für den Prototypen (ca. 30.000€ netto pro Stück).
Beim Prototypen handelt es sich um ein ETA Unitas 6498 Handaufzugswerk, das modifiziert wurde, um die AMAG-Kriterien der Bundeswehr zu erfüllen. Das ETA Unitas 6498 hat es aus Kostengründen allerdings nicht in die Serienuhr geschafft.
Genauere Infos zum Rohwerk im Serienmodell liegen mir leider nicht vor – ich gehe aber davon aus, dass die Basis des Serien-Kalibers auf einer bestehenden Kaliberkonstruktion aufbaut und (wie beim ETA Unitas) “nur” eben gewisse Komponenten getauscht wurden.
Was ich faktisch beobachtet habe ist, dass man beim Aufziehen der Uhr bemerkt, dass das Serienkaliber deutlich satter und “gröber” aufzieht als das ETA Unitas. Anstelle der Frequenz von 18000 bph beim ETA Unitas 6498 (Proto), kommt das Kaliber der Serienuhr spannenderweise mit deutlich höheren 28800 bph.
In jedem Fall kann man auch festhalten, dass das Kaliber im Serienmodell mit rohen bzw. gänzlich unbearbeiteten Oberflächen ohne auch nur einen Hauch von Finissage kommt. Verbaut ist eine Breguet-Spirale mit Feinregulierungsmöglichkeit am Unruhreif. Bei den Federn in der Uhr handelt es sich um Titanfedern der Klasse AMAG A.
Schwarmwissen gefragt: Weitere Hinweise zum Serienkaliber sind mit Blick auf die Bilder unten höchstwillkommen – benutzt dafür gerne einfach den Kommentarbereich unter diesem Artikel!
Da die Minentaucher ein Messwerkzeug für einen sehr begrenzten Zeitraum benötigen, war die Präzision der Werke übrigens gar nicht “kriegsentscheidend” bei der Entwicklung: Die typische Einsatzdauer eines Minentaucher-Tauchgangs ist recht kurz (2 Stunden gelten schon als ziemlich lang), von da her hat die Bundeswehr einen naheliegenden “Tradeoff” bei der Gangabweichung zugunsten der antimagnetischen-Eigenschaften akzeptiert. Beim ETA Unitas des Prototyps habe ich daher wenig überraschend absolut zweckdienliche +21 Sekunden/Tag beim Prototypen und +55 Sekunden/Tag bei der Serienuhr gemessen (man bedenke hierbei zusätzlich, dass die Uhren, die mir vorliegen, wegen der Ausmusterung seit einigen Jahren nicht revidiert wurden).
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Vielen Dank für diesen Artikel, zu dieser Uhr schwirrten schon seit einiger Zeit Gerüchte und Vermutungen durchs Netz. Antimagnetische Werke scheinen eine besondere Herausforderung zu sein.
Hi Mario, keine Abmessungen, Daten zur Uhr? Oder habe ich auf die Schnelle was übersehen? Die Drehlünette erinnert direkt an die ehemalige MÜHLE NAUTISCHE. LG, Frank
Hi Frank, da es sich um kein klassisches Review handelt, habe ich den Artikel etwas anders aufgebaut 🙂
Die genauen Specs sind gut aus der technischen Zeichnung entnehmbar 🙂
Krone, Kronenschutz, Hörner, 24er Bandanschlag, selbst das HIRSCH Kautschukband (welches einen US YouTuber an ein Sex Toy erinnert *lol*) ähneln ferner der LACO Ocean/ Seven Seas. Sicher wird LACO hier bei FRICKER einkaufen.
Sehr interessanter Artikel. Danke dafür!
Die Sägefischlünette sieht gefährlich aus!
Ich finde es nicht OK, wenn Ihr Kommentare löscht, nur weil sie Euch nicht ins Konzept passen. Wenn Ihr schon die Leute dazu auffordert, mitzudiskutieren, dann ist es für mich logisch, dass ich nicht jedem nach dem Mund rede, soferne die Kritik berechtigt ist. Und eine Kritik betreffend einer halben Million Euro ist, so denke ich, durchaus ein berechtigter Punkt.
Wo habe ich denn einen Kommentar gelöscht?
Die Uhr gefällt und hat etwas. Kritik (wird hier ja nicht gerne gesehen) habe ich lediglich darin, dass ich es nicht einsehe, dass die Bundeswehr 500.000 Euro für solche Uhren ausgibt. Für mich ein Irrwitz, wenn man bedenkt, dass sich viele Menschen das Leben nicht mehr leisten können.
Wer sagt, dass hier Kritik nicht gern gesehen ist?
Wenn man bedenkt das ein einziges Kriegsboot 500 Millionen oder mehr kostet, so sind das wahrscheinlich nur Peanuts… Grundsätzlich kann ich Deinen Gedanken aber gut nachvollziehen.
Ein Irrwitz wäre es, wenn ein Minentaucher, der jedes Jahr scharfe Minen in der Ostsee sprengt, stürbe, weil man zu geizig wäre, eine antimagnetische Taucheruhr zu beschaffen.
Die typische kreative Kostenrechnung im deutschen Beschaffungswesen. Angesichts der Tatsache, dass die Deutsche Marine sehr begrenzt einsatzfähig ist, darf man wenigstens teure Uhren haben. Mit ziemlicher Sicherheit gibt es irgendwo ein gleichwertiges kommerzielles Produkt für einen Bruchteil dieser Kosten. Interessanter Artikel, wie immer, aber eben auch die totale Ausblendung der systemischen Probleme bei diesem Verein.
Sehr schöner Artikel, ich habe das Glück gehabt solch eine Uhr zu erwerben…
Moin moin,
hast du die noch von PD² oder aus Holland bekommen?
Man das hat Spaß gemacht den Artikel zu lesen 🙂
Vielen Dank und eine Tolle Uhr die ich ach gerne hätte.
Ein wirklich interessanter Artikel, und wie immer tolle Fotos.
Danke für Arbeit.