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Uhrenmarken gibt es fast wie Sand am Meer – wirklich gute dabei herauszufiltern ist oft schwierig. In diesem Zusammenhang taucht auch oft der Begriff Uhrenmanufaktur auf, um (vermeintlich) besonders hochwertige Marken von anderen abzugrenzen. Doch was ist überhaupt eine Uhrenmanufaktur und welche Uhrenhersteller dürfen sich Uhrenmanufaktur nennen?

In diesem Artikel zeige ich auf, warum man den hochtrabenden Begriff “Uhrenmanufaktur” nicht auf die Goldwaage legen sollte und was man beim Uhrenkauf beachten sollte.

 

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Was ist eine Uhrenmanufaktur?

Tippt man bei Google “Uhrenmanufaktur” ein, so landet man recht schnell bei allen möglichen Auflistungen sämtlicher gehobenerer Uhrenmarken aus Glashütte, Deutschland, und der Schweiz.

Per definition ist eine Manufaktur (von lat. manus „Hand“ und facere „herstellen“) v.a. durch Arbeitsschritte gekennzeichnet, die mit viel Handarbeit unter Verwendung von Werkzeugen erledigt werden. Sind also alle Uhren von Luxusherstellern wie Breitling & Co. so teuer, weil es sich um Manufakturen mit viel Handarbeit handelt? Natürlich sind einige Fertigungsschritte auch bei diesen Herstellern nicht ohne Handarbeit zu erledigen:

Breitling Chronométrie - Emboitage Manufacturing
Bild: Breitling

 

Dennoch: Diese historische Definition ist mit Blick auf die Uhrenindustrie weniger treffend – auch bei etablierten Luxusuhren-Herstellern wie Rolex, deren Modelle man kaum unter dem Preis eines Kleinwagens bekommt, gibt es hochautomatisierte Prozesse unter Zuhilfenahme von Beschichtungsanlagen, Werkzeugmaschinen (z.B. Fräsmaschinen), Prüfgeräten etc.

Nomos Glashütte drückt es auf seiner Website relativ nüchtern aus:

Traditionelles Handwerk hier, Hightech-Fertigungsmethoden da: Beides zusammen macht unsere Uhren zu individuellen Stücken höchster Präzision.

Hier ein paar Impressionen aus der Fertigung von Rolex, TAG Heuer und Breitling:

Rolex Werkstatt Biel
Rolex-Werkstatt, Bild: Rolex

 

TAG Heuer Halbautomatische Fertigung
Halbautomatische Fertigungslinie bei TAG Heuer zur Produktion der Kaliber 1887 und Heuer 01, bestehend aus 320 Einzelkomponenten, Bild: TAG Heuer

 

Bild: Breitling
Bild: Breitling
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Der Uhrenmanufaktur-Begriff der Schweizerischen Uhrenindustrie FH

Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie FH (Fédération Horlogère) hat eine alte Definition aus dem Jahre 1961 parat:

In der schweizerischen Uhrenindustrie bezeichnet man damit jene Fabriken, die beinahe die ganze Uhr herstellen, im Gegensatz zu den Fertigstellungsbetrieben, die nur das Aufrichten, Feinstellen, Zeigersetzen und Einschalen besorgen.

Interessant in diesem Zusammenhang: Ab Januar 2017 gilt, dass mindestens 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen müssen, um ein Produkt Swiss Made taufen zu dürfen – das ist im Schweizer Markenschutzgesetz festgehalten.

Für Uhren Made in Glashütte ist die Regelung eher unpräzise in der sogenannten Glashütte-Regel festgehalten. Diese besagt, dass

der überwiegende Teil der Wertschöpfung in Glashütte erfolgen muss.

Allein der Hahnenkampf zweier Glashütter Hersteller um die Herkunftsbezeichnung Made in Glashütte zeigt, dass diese vage, ungeschriebene Glashütte-Regel recht viel Interpretationsspielraum zulässt und daher sogar die Gerichte beschäftigt.
Ist nun jeder Uhrenhersteller, der die Auflagen für Swiss Made oder Made in Glashütte erfüllt eine Uhrenmanufaktur? Wenn man sich die Kriterien zur Erfüllung anschaut, sicher nicht – vielmehr ist die Wertschöpfungsquote, die in der Schweiz bzw. in Glashütte erfüllt werden muss, als eine Grundvoraussetzung dafür zu sehen, damit ein Hersteller überhaupt irgendwann mal zu einer echten Uhrenmanufaktur mutieren kann.
Alles in allem zeigt sich, dass man mit offiziellen Begriffen und Definitionen nicht viel weiter kommt.
Dennoch ist der gängige Begriff “Einschaler” wichtig, um Uhrenmanufakturen von anderen Herstellern abzugrenzen. Bei Einschalern handelt es sich um Unternehmen – oftmals im günstigeren Preissegment – , die die Uhrenwerke etablierter Hersteller “von der Stange” kaufen und in die Gehäuse “einschalen”. Dabei stammen auch die Gehäuse, Zeiger, Ziffernblätter etc. oftmals aus fernöstlicher Produktion.

Im Gegensatz dazu wird häufig von Uhrenmanufaktur gesprochen, wenn das Uhrwerk einer Uhr eine Eigenkreation des Herstellers ist (sogenannte Manufakturkaliber)…

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Uhrenmanufakturen: Eigenschaften, Vorteile und Nachteile von Manufakturkalibern

An sich ist es nicht verwerflich eine Einschaler-Uhr zu kaufen: Die Standard-Automatikwerke von ETA, Sellita & Co. wie z.B. das millionenfach produzierte ETA 7750 sind bewährt, relativ günstig und können von fast jedem Uhrmacher gewartet werden. Auch die in Quarzuhren sehr häufig verwendeten batteriebetrieben Werke der Firma Ronda beispielweise basieren auf grundsolider Technik, mit der man wenig Probleme haben dürfte.

Der Knackpunkt ist häufig ein psychologischer: Auch wenn das Innere einer Uhr den Otto-Normal-Bürger in der Regel noch weniger interessiert als die Uhrenmarke selbst, so argumentieren Hardcore-Uhren-Fans häufig, dass bei einem eingeschalten Uhrwerk einfach das Besondere bzw. das gewisse Etwas fehlt – Unter Berücksichtigung der Investition von oftmals mehreren Tausend Euro in eine Uhr durchaus nachvollziehbar.

Durch ein Manufakturkaliber wird in der Regel (im Vergleich zu Standard-Werken) ein Mehrwert geschaffen, z.B. durch eine höhere Gangreserve, bessere Robustheit, weniger Wartungsbedarf und bessere Ganggenauigkeit. Ein gutes Beispiel ist die Co-Axial-Hemmung von Omega, die in dessen 8500er Manufaktur-Kalibern zum Einsatz kommt. Würde dieser Manufakturkaliber-Mehrwert fehlen, hätte das Werk keine Daseinsberechtigung im Vergleich zu einem (modifizierten) Standard-Werk. Dazu aber gleich mehr.

Oftmals ist der durch ein Manufakturkaliber geschaffene Mehrwert aber auch weniger technischer, sondern eher optischer Natur. Der Glashütte Original Senator Chronometer z.B. hat die

typische Dreiviertelplatine mit Glashütter Streifenschliff, verschraubte Goldchatons, eine Schwanenhals-Feinregulierung und ein von Hand gravierter Unruhkloben. Viel handmade in Germany also, was auch den Preis von 27.200 Euro erklären soll.

Meine persönliche Meinung: Sieht natürlich schick aus, wenn man mal die Uhr abnimmt und in das Innere der Uhr durch den Glasboden blickt. Mir erschließt sich aber nicht wirklich der Sinn, warum man für derartigen optischen Schnick-Schnack einen Aufpreis im dreistelligen Bereich bezahlen sollte.

Der Mehrwert von Manufakturkalibern hat so oder so seinen Preis, egal ob vorrangig optischer oder technischer Natur: Uhren mit Manufakturkaliber sind meistens (deutlich) teurer als vergleichbare Modelle. Das Modell Black Bay der Rolex-Tochter Tudor beispielweise hat ein modifiziertes ETA 2824 an Bord und kostet 2900€ (UVP) am Lederarmband. Der Preis für die 2016er Neuauflage mit MT5602 (“Mouvement TUDOR”) Manufakturwerk liegt bei 3140€ (UVP) am Lederarmband. Ein Aufschlag von unter 10%, der mehr als fair ist, wenn man die Haben-Seite betrachtet:

  • Die Gangreserve hat sich mit 70 Stunden gegenüber 38 Stunden bei der alten Version fast verdoppelt
  • Eine ihn überspannende Brücke garantiert zusätzliche Robustheit.
  • Das Uhrwerk wurde vom Schweizer Prüfinstitut Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres (COSC) offiziell zertifiziert. Das garantiert eine hohe Präzision der getesteten Werke.

Anders schaut es bei Omega aus: Der UVP für die aktuelle Omega Seamaster Planet Ocean in 42mm mit Edelstahlarmband und 8500er Manufakturwerk beträgt 5000€, während die alte 2500er Variante mit modifiziertem ETA-Werk bei knapp unter 3000€ lag. Das entspricht einem Aufschlag von fast 70%. Fairerweise muss man aber sagen, dass nicht nur das Innenleben des Modells verbessert wurde: So ist das Ziffernblatt des neuen Modells aufwendiger gestaltet (aufgesetzte Zahlen und aufgesetzter Omega-Schriftzug anstelle eines Prints) und die Lünette ist aus kratzfester Keramik anstatt aus Aluminium. Unterm Strich lässt sich Omega das Manufakturkaliber dennoch fürstlich bezahlen.

Darüber hinaus können Manufakturkaliber in aller Regel nur offiziell von Herstellerseite aus gewartet werden, allein schon wegen der Ersatzteilbeschaffung. Das ist normalerweise deutlich teurer als z.B. die Revision eines ETA-Standardwerkes vom Uhrmacher um die Ecke.

Knifflig: Viele Standard-Werke wie das ETA 7750 werden nicht nur von Marken im niedrigeren Preissegment verbaut, sondern auch von Unternehmen, die im allgemeinen als Luxusuhrenhersteller angesehen werden.

Ein Beispiel: Die beiden Chronographen TAG Heuer Carrera Day-Date Cal. 16 und die Hamilton Khaki X-Wind nutzen beide Varianten des beliebten ETA 7750 Automatikwerkes.

UVP der TAG Heuer: 4.650€

UVP der Hamilton: 1.345€

Natürlich darf man das Preis-Leistungs-Verhältnis einer Uhr nicht nur auf das Innenleben beschränken. Auch bei der Gehäuseverarbeitung, beim Armband etc. gibt es natürlich Qualitätsunterschiede. Das Edelstahlarmband der TAG Heuer Carrera Day Date ist zum Beispiel hervorragend verarbeitet – da kann die Hamilton nicht mithalten (logisch bei dem Preisunterschied).

Dennoch fies: Die Hersteller tarnen die eingeschalten Standard-Werke oftmals mit eigenen Bezeichnungen, z.B. TAG Heuer Calibre 16 Day-Date Automatikwerk. Die Beschreibung auf der Website von TAG Heuer lautet nüchtern:

TAG Heuer Calibre 16 Swiss Made.
Automatikwerk.
Durchmesser: 30,4 mm (13 ¼’’’) — 25 Rubine.
Schnelle Datums- und Wochentagskorrektur.

Frequenz der Unruh: 28.800 Halbschwingungen pro Stunde (4 Hz).
Gangreserve: etwa 42 Stunden.

Kein einziger Hinweis auf die Herkunft des Werkes – in dem Fall die Swatch Group mit dem ETA 7750. Für einen eher uninformierten Kunden keine schöne Situation, auch wenn man mit etwas Google-Recherche schnell hinter die genutzten Basiswerke kommt.

Auch bei Automatikuhren mit Sichtboden ist die Herkunft des Werkes in aller Regel nicht auf den ersten Blick erkennbar: Die Schwungmasse, die eine Automatikuhr aufzieht, ist quasi immer individuell mit dem Markennamen versehen:

Hamilton Automatikwerk H-10
Hamilton Automatikwerk H-10 (modifiziertes ETA 2824), Bild: Hamilton

Der Teufel steckt darüber hinaus im Detail: Die Automatikwerke von ETA & Co. gibt es in verschiedenen Qualitätsstufen, die Preise variieren stark. Beim ETA 7750 sind das z.B. die drei Stufen Elaborè, Top und Chronometè. Die Einkaufspreise für Schweizer Standard-Automatikwerke dürften bei Abnahmemengen im vierstelligen Bereich nach meinen Recherchen teilweise bei deutlich unter 100€ pro Stück liegen – je nach Qualitätsstufe mehr. Dazu heißt es in einer Pressemeldung bzgl. eines Rechtsstreits zwischen Nomos und Mühle Glashütte:

In dem Uhrwerk, welches Mühle [Glashütte] für 22,95 Euro (das entspricht 43 Prozent) fertig in der Schweiz einkauft, werden laut Gutachten Arbeiten für insgesamt 30,45 Euro (57 Prozent) dazu gerechnet. Allerdings stecken darin vor allem Kosten für Geschäftsführung, Fahrzeuge und Rechnungswesen, also die so genannten „Verwaltungsgemeinkosten“ – mehr als 17 Euro. Ganze 8,39 Euro – also nur 15,7 Prozent – sind laut dieser Aufstellung Leistungen an der Uhr, also Glashütter Fertigungskosten, die bei der Bearbeitung entstanden sind. 

Hier wird auch nochmal deutlich, dass Standard-Werke “von der Stange” oftmals weiter von den Herstellern modifziert werden, so z.B. das Werk, das in der Hamilton Khaki X-Wind zum Einsatz kommt: Unter der Bezeichnung H-21 hat Hamilton das Werk modifiziert, um 60 Stunden Gangreserve zu gewährleisten. Das ist deutlich mehr als bei der TAG Heuer Carrera Day-Date – und das obwohl die TAG Heuer deutlich teurer ist. Das Beispiel zeigt, dass also auch mit einem Standard-Werk ein Mehrwert geschaffen werden kann – dafür ist nicht unbedingt ein Manufakturkaliber nötig…

 

Uhrenmanufakturen und Manufakturkaliber: Die wichtigsten Hersteller und Fazit

Letztendlich wird der Begriff Uhrenmanufaktur gerne von Marketing-Kommunikationsabteilungen eingeführt, um die eigene Marke in den Olymp der Top Uhrenhersteller zu heben – Verbindlichkeit hat er keine. Salopp gesagt, kann sich fast jeder “gehobenere” Uhrenhersteller den Begriff Uhrenmanufaktur auf die Fahne schreiben – der Knackpunkt ist hier eher die Glaubwürdigkeit der Kommunikation dieses sehr dehnbaren Begriffs.

Anders formuliert: Mit dem Begriff Uhrenmanufaktur verhält es sich wie mit nicht geschützten Berufsbezeichnungen, die als Amtsbezeichnungen missdeutet werden können und alles andere als offizieller Natur sind (z.B. Vermögensberater, Coach, Übersetzer).

Was übrig bleibt, um eine Uhrenmanufaktur von einschalenden Unternehmen zumindest ein wenig abzugrenzen, ist die Fertigung eigener Werke und eine deutlich höhere Fertigungstiefe als für Swiss Made oder Made in Glashütte mindestens nötig ist.

Ein “hartes” Kriterium, um eine Uhrenmanufaktur als solche betiteln zu können gibt es trotzdem nicht.

Auf Basis meiner Recherchen, sind z.B. Patek Philippe und Glashütte Original im “engeren” Kreis der Uhrenmanufakturen anzusiedeln, d.h. hier wird noch recht viel Wertschöpfung mit Handarbeit getätigt und die Werke werden in Eigenregie gefertigt. Der Blick in die Preislisten dieser Hersteller zeigt aber auch ganz klar, dass diese sich ihre Handarbeit auch kräftig bezahlen lassen.

Bei anderen Herstellern sollte man als Käufer einfach aufpassen, was sich hinter dem hochtrabenden Begriff Uhrenmanufaktur wirklich versteckt – man sollte sich keine Illusionen machen und davon ausgehen, dass jede Uhr jenseits der X-Tausend Euro automatisch mit viel Handarbeit geschaffen wurde.

Wenn man das Preis-Leistungs-Verhältnis einer Uhr abschätzen möchte, ist es also beispielsweise auch empfehlenswert zu recherchieren, ob in der Uhr ein Manufakturkaliber oder ein (modifiziertes) Standard-Werk verbaut ist.

Ich persönlich kann mich sowohl mit Standard-Werken als auch mit Manufakturkalibern anfreunden – solange die Preise der Uhren im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Natürlich kann es einen gewissen Charme haben, wenn Werke mit Handarbeit verziert werden, mir persönlich ist der technische Aspekt aber wichtiger. Und technische Verbesserungen werden in vielen Fällen auch von modifizierten Standard-Werken erreicht, was das obige Hamilton-Beispiel verdeutlicht.

Eine umfangreiche Liste an Uhrenmanufakturen und weiteren Uhrenherstellern findet sich in diesem Artikel über Uhrenmarken.

 

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