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Sie kursiert wie ein hartnäckiger Zombie seit vielen Jahren durch Uhr-Foren und Social Media – und auch ich wurde schon öfters nach meiner Meinung dazu befragt: Die ominöse “Schwarze Liste Uhren” (Black List Watches), die auch im Jahre 2021 noch von vielen Uhrenfreunden als Anlaufstelle genutzt wird, um (vermeintlich) böse Uhren-Marken zu identifizieren, um die man einen großen Bogen machen sollte.

Über 200 als “verdächtig” bezeichnete Marken werden auf der Website blacklistwatch.wordpress.com gelistet – mit der eindringlichen Warnung des Autors, dass “nahezu alle diese Uhren […] in Fernost gefertigt” werden und “die hier aufgeführten Uhren sich meist durch minderwertige Qualität und schlechten bzw. gar keinen Kundenservice” auszeichnen. Denn es werde bei den gelisteten Marken nur die “die Ahnungslosigkeit der gutgläubigen Kunden” ausgenutzt.

Der Autor der Liste zeigt dabei eine breite Brust: “falls ihre Uhrenmarke auf unserer Liste zu finden ist, freuen wir uns auf die Schreiben ihrer Rechtsanwälte”. Kurios: Mangels Impressum bleibt der Autor allerdings anonym. Aus gutem Grund…

Was taugt die Schwarze Liste Uhren (Black List Watches)?

Kürzlich bin ich mal wieder beim Online-Outlet brands4friends (eine ehemalige eBay-Tochter) über eine Uhren-Verkaufsaktion mit dem verheißungsvollen Namen “Bestseller Watches” gestolpert. Dort wurden verschiedene Marken mit absurden Rabatten von über 80% auf Listenpreise jenseits der 1000€ angeboten. Schnäppchenalarm?

Mal völlig unabhängig davon, dass die allermeisten der in der Verkaufskampagne “Bestseller Watches” offerierten Uhren bei mir Augenkrebs verursachen, handelt es sich tatsächlich um Marken, vor denen man nur warnen kann. Das Rezept hinter diesen ist im Prinzip immer dasselbe: Man nehme einen klangvollen bzw. adelig klingenden Markennamen, der Historie suggeriert, Billigproduktion aus Fernost, einen extrem hohen Listenpreis aus dem Reich der Fantasie und einen absurden Rabatt jenseits der 80% – fertig ist die Uhr, die einen Kaufreflex bei eher unerfahrenen Uhren-Käufern auslösen soll.

Tatsächlich tauchen sehr viele Marken wie die beschriebenen auch auf der schwarzen Liste auf meiner Meinung nach zurecht, was auch mit Blick auf die vielen Erfahrungsberichte in einschlägigen Foren klar wird (siehe beispielsweise hier und hier). Interessiert man sich für diese Uhren, kann man genauso gut direkt bei China-Portalen wie Aliexpress oder Wish stöbern und sogar noch eine Menge Kohle sparen (mehr über Uhren von Wish).

Also alles paletti mit der Schwarzen Liste Uhren?

Ist die schwarze Liste für Uhren also doch ein seriöser Anhaltspunkt? Nein, keineswegs – dort tauchen nämlich auch einige Namen auf, die scheinbar willkürlich und entgegen jeder Logik in die Liste aufgenommen wurden – so wie beispielsweise Marc & Sons. Unter den (deutschen) Micro-Brands ist Marc & Sons eine feste Größe – seit über 15 Jahren ist Geschäftsführer Marco Heimrich mit seinem Team in Altdorf (bei München) aktiv. Marc & Sonst war früher (genau wie Steinhart) auf Hommagen-Uhren und Designkopien im Dunstkreist von Rolex spezialisiert. Mittlerweile gehen die Bayern einen eigenständigen Design-Weg, zuletzt mit dem überaus erfolgreichen Navy Pilot Chronographen, und liefern dabei tadellose Made in Germany-Qualität zu fairen ab. Das Innenleben stammt aus der Schweiz (Sellita oder ETA), die Produktion findet in Deutschland statt. Dass Marc & Sons also auf der Liste auftaucht ist einfach *pardon* Bullshit hoch Tausend.

Marc-Sons-Eleganz-Test
Marc & Sons Modell “Eleganz”

Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Jahren hakte ein verunsicherter User im Uhrforum nach, warum die Marke DELMA auf der schwarzen Liste steht. Natürlich darf man den primären Vertriebsweg des Schweizer Herstellers DELMA (Shopping-TV-Sender wie 123tv) natürlich kritisch hinterfragen – wirklich ernst nehmen kann man das leere Geblubber und von … sagen wir mal … “gedehnter Wahrheit” durchzogener Moderation auf Shopping TV-Sendern nicht nehmen. Das Gebaren der Moderatoren auf 123tv & Co. färbt unter Kennern zweifellos negativ auf das Image von Uhrenmarken ab, die dort angeboten werden. Das ändert aber nichts daran, dass DELMA ein Hersteller ist, der gute Swiss Made-Qualität mit Schweizer Innenleben von ETA und Sellita abliefert. Insbesondere DELMA-Taucheruhren haben einen guten Ruf. Was also hat die Marke auf der schwarzen Liste zu suchen? Antwort: nichts!

Auch mit der Nennung der Marke Alpha auf der schwarzen Liste bin ich keineswegs d’accord: Alpha ist ein auf Hommagen und Design-Kopien spezialisierter Uhrenhersteller, der letztendlich nichts anderes macht als bekannte Uhrenmodell von Rolex, Omega & Co. bis ins Detail zu kopieren. Auch das muss man natürlich nicht gut finden. Die Marke Alpha gaukelt aber nicht vor, mehr zu sein, als sie ist (so wie oben beschriebene Marken mit absurden Listenpreisen und noch absurderen Rabatten). Alpha-Uhren kommen aus China, qualitativ gibt’s aber (mit Blick auf den Preis für meistens unter 100€) nicht viel zu meckern – der Tenor in einschlägigen Foren: Preis-Leistung = tiptop. Kein Wunder, denn auch die Chinesen wissen wie man Uhren baut. Die Behauptung in der schwarzen Liste, dass eine Produktion in Fernost pauschal zu verteufeln ist, ist schlicht Humbug (siehe auch mein Review zur beliebten Seagull 1963).

Und: Wenn Alpha auf der schwarzen Liste auftaucht, wo sind dann Marken wie San Martin, Heimdallr, Corgeut, Parnis, Steeldive, Phylida, Aquatico oder Pagani Design / Bersigar? Auch bei diesen Marken handelt es sich um 100% China-Uhren, die dank ihres oftmals tollen Preis-Leistungs-Verhältnisses aber eine große Fangemeinde in einschlägigen Communities haben. Nochmal: Die Chinesen können gute Uhren bauen. Punkt.

Pagani Design Uhren Test

Und noch ein Beispiel: Auch der französische Hersteller Yema taucht auf der schwarzen Liste auf – und das ist ebenfalls völliger Quatsch: Zwar wurde der im Jahre 1948 von Henry Louis Belmont gegründete Uhrenhersteller, der in den 60ern u.a. Fliegeruhren an die französische Luftwaffe lieferte, in den letzten Jahrzehnten ordentlich “durchgereicht” (Yema wurde Ende der 80er von Seiko geschluckt, Ende 2004 erfolgte der Verkauf an ein französisches Konsortium) – seit 2009 ist Yema aber konstant unter dem Dach der 1965 gegründeten französischen Groupe Ambre an der Grenze des Schweizer Jura. Yema konzentriert sich seitdem auf die Lancierung von Uhren-Klassikern aus der eigenen Unternehmenshistorie, liefert dabei gute Qualität und hat sogar hauseigene Manufakturkaliber in petto.

All diese Beispiele (und es gibt noch weitere) zeigen, dass die schwarze Liste für Uhren scheinbar willkürlich zusammengestellt und schlecht recherchiert wurde. Der ursprüngliche Gedanke hinter der Liste war vielleicht gut und löblich, denn es gibt tatsächlich viele Marken, vor denen man nur warnen kann. Aufgrund des Mangels an transparenten Bewertungskriterien, die zu einer Nennung in der schwarzen Liste führen, sowie ganz offensichtlicher Falschnennungen, kann man aber nur sagen: Die schwarze Liste gehört nicht ins Netz, sondern in die Tonne.

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5 Kommentare
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Hermann Robert Hubner
1 Jahr zurück

Natürlich ist so eine Liste nicht in Stein gemeißelt, das versteht sich von selbst. Ein Kriterium ist aber die Verfügbarkeit, oder besser gesagt die Nicht Verfügbarkeit von Ersatzteilen von Werk, Band und Gehäuse. Und das trifft auf die allermeisten gelisteten “Marken” zu. Das sich einige Hersteller seit Erstellung der Liste verbessert haben, freut mich als Uhrmachermeister. Dies wird dann aber auch in verschiedenen Foren kommuniziert, und mach nicht die gesamte Liste obsolet.

Steffen
2 Jahre zurück

Ich hab schon mehrfach versucht herauszufinden wer diese Liste erstellt hat.
Bisher ohne jeden Erfolg.
Wer steckt da dahinter oder wer hat da “genau” recherchiert und weiß wo diese Uhren produziert werden ?
Gibt es eine namentliche Redaktion mit Kontaktdaten der Verfasser dieser Liste, falls man Fragen zu bestimmten Uhrenmarken hat ?
Weiß da jemand eine Antwort ?
Was den Sevice betrifft, habe z.B. selbst mit dem Kundendienst von “Delma” in Lengnau/Schweiz gesprochen, ohne Probleme helfen die weiter. Das kanns also nicht sein.
Und fast jeder Uhrmacher repariert Kleinigkeiten, oder stellt beispielsweise eine Ganggenauigkeit ein.
Bleibt also nur der Aufwand während der Garantiezeit die Dinger nach Hamburg zu schicken.
Rechtfertigt das so eine Liste ?

Frank
2 Jahre zurück

Die Blacklist bezieht sich auch nicht ausschließlich auf eine minderwertige Qualität sondern auf einen nicht vorliegenden Kundenservice! Ich selbst habe eine Uhr von TAWATEC. Sieht gut aus, hochwertige Materialien, Schweizer Automaticwerk, gute Ganggenauigkeit. Aber, für eine Reparatur muss ich diese Uhr nach Hamburg senden, da dort der einzige Reparaturservice für ganz Deutschland ist. Mit einer Markenuhr kann ich zu fast jedem Uhrmacher gehen. Dies ist der Unterschied!

Walter F.
2 Jahre zurück

Danke für diesen Artikel!
Bin auch schon über diese dubiose Liste gestolpert und konnte nicht so richtig was damit anfangen.