Die Einfรผhrung der klassischen Breitling Aviator 8 Chronographen (damals noch unter dem alten Namen Breitling Navitimer 8), stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Denn es war ein bรถser Faux-Pas, den sich der frischgebackene CEO Georges Kern kurz nach Amtsantritt im Jahr 2017 mit dem Lieblingsmodell vieler Breitling-Fans geleistet hat: Das klassisch-schlichte Design der neu eingefรผhrten Navitimer 8/Aviator 8-Modelle hat nรคmlich optisch so rein gar nichts mit dem echten Navitimer-Design mit Rechenschieberlรผnette zu tun. Eingefleischte Breitling-Fans waren – gelinde gesagt – „not amused“. Eine Breitling Navitimer muss einfach randvoll sein mit Indizes und Ziffern. Punkt! ๐
Immerhin: Georges Kern hat sich einsichtig gezeigt und ruderte wieder zurรผck – der Breitling-Chef fรผhrte mit einer neuen Modellreihe (parallel zur Navitimer) eine klarere Trennung zwischen dem verspielten Navitimer-Design und dem neuen klassischeren Flieger-Chronographen-Design herbei, welches man nun in der „Aviator 8„-Modellreihe findet.
Schauen wir uns im Folgenden an, wie sich der Breitling Aviator 8 Chronograph 43 qualitativ schlรคgt und wie das Design mit Breitlings Huit Aviation Department aus den 50er Jahren zusammenhรคngt…
Eckdaten Breitling Aviator 8 Chronograph 43:
- Kaliber Breitling 13 (Basiskaliber ETA 7750), Qualitรคtsstufe Chronometer
- 30-Minuten- und 12-Stunden-Zรคhler auf der 12- bzw. 6-Uhr-Position sowie kleiner Sekundenzeiger auf der 9-Uhr-Position
- Durchmesser 43 mm
- Hรถhe 14,7 mm
- Saphirglas, bombiert und beidseitig entspiegelt
- Gewicht am Stahlband (mit allen Bandgliedern): ca. 200 Gramm
- Bandglieder verschraubt
- Wasserdichtigkeit bis 100 Meter / 10 bar (zum Schwimmen geeignet)
- Swiss Made
- Listenpreis 5300โฌ
INHALT
Breitling Aviator 8 – im Zeichen der Breitling 765 AVI
Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht ist es nachvollziehbar, dass man in Grenchen eine breitere Zielgruppe mit neuen, eher klassischeren Modellen wie der Aviator 8 oder den neuen SuperOcean-Taucheruhren ansprechen will. Seit der Breitling-รbernahme 2017 durch den Investor CVC Capital Partners, welcher Georges Kern als Geschรคftsfรผhrer eingesetzt hat, merkt man deutlich, wo die Reise hingeht. Denn auch, wenn man es als eingefleischter Uhren-Freak nicht wahrhaben mag: Breitling ist keine gemeinnรผtzige Organisation und will Geld verdienen (und das natรผrlich nicht erst seit der Kern-/CVC-รra).
Natรผrlich darf man trotzdem kritisch hinterfragen, ob eine „Kern“-Breitling wie die Aviator 8 noch echte Breitling-DNA in sich trรคgt – auch mir zog es zunรคchst fragend eine Augenbraue hoch. Auf der anderen Seite muss man den Schweizern zugutehalten, dass Georges Kern insbesondere klassische Designs aus der Firmenhistorie wiederbelebt und damit Breitling fรผr viele Uhrenfreunde zu einer deutlich zugรคnglicheren Uhrenmarke macht.
Insofern passt die Aviator 8 Modellreihe ins Bild: Das Fliegeruhren-Design ist deutlich schlichter als das der Navitimer und erinnert klar an die Breitling 765 AVI (AVI = Aviation) aus den 50er Jahren, auch bekannt als „Co-Pilot“. Die Breitling 765 AVI Co-Pilot wiederum war damals optisch angelehnt an die Borduhren, die in den 1930er- und 1940er-Jahren von Breitlings Huit Aviation Department entwickelt und hergestellt wurden.
Wer des Franzรถsischen mรคchtig ist, weiร jetzt auch, wie die „8“ in den Modellnamen Aviator 8 gekommen ist: „Huit“ heiรt „Acht“ und stellt einen Hinweis auf die 8-tรคgige Gangreserve von Borduhren dar, die damals in zivilien und militรคrischen Flugzeugen zum Einsatz kamen. Breitlings 1938 gegrรผndetes Huit Aviation Department feierte mit Borduhren fรผr Flugzeug-Cockpits enorme Erfolge, da sie qualitativ hochwertig, einfach zu installieren und extrem robust waren (Bestรคndigkeit gegen Temperaturschwankungen, Vibrationen etc.). Kein Zufall: Breitling war im einige Jahre spรคter aufflammenden Zweiten Weltkrieg Stammlieferant fรผr die Kampfflugzeuge der britischen Royal Air Force (RAF). Daher darf natรผrlich auch im 21. Jahrhundert eine Kooperation mit dem Kunstflugteam der RAF, dem Red Arrows Squad, nicht fehlen…
Breitling Aviator 8 und die gestutzten Flรผgel
Auch Kerns Logo-รnderung beim รผberwiegenden Teil der aktuellen Breitling-Modelle sorgte fรผr Kritik: Eine Breitling mit gestutzten Flรผgeln? Geht gar nicht! Oder?
Nun, tatsรคchlich ist das flรผgellose, geschwungene Breitling-„B“, welches seit Beginn der Georges Kern-รra verstรคrkt in die Breitling-Kollektion eingezogen ist, schon ab den 1930er Jahren in alten Reklamen und auf Modellen aufgetaucht. Fรผr die aktuelle Kollektion hat Georges Kern das alte Logo quasi als neues Hauptlogo „reaktiviert“.
Das kann man gut finden, muss man aber nicht. Zum eher schlichten, retro-angehauchten Aviator 8 Chronographen passt das Logo meiner Meinung nach gut. Zur aktuellen Navitimer wollen die gestutzten Flรผgel meiner Meinung nach aber irgendwie รผberhaupt nicht passen…
Abschlieรend sei gesagt, dass Georges Kerns Strategie, historisch-klassische Designs aus den 50er Jahren und anderen Jahrzehnten aus der Schublade zu holen, sicherlich nicht jedem Breitling-Fan gefรคllt. Aber: Nicht jeder kann nun mal etwas mit dem Macho-angehauchten Image und den Testosteron-geschwรคngerten Uhren-Designs anfangen, die Breitling in den letzten Jahren auf den Markt gebracht hat (siehe z.B. die 50 mm XXL-Avenger Hurricane). Unter diesem Aspekt habe ich auch schon von vielen Uhrenfreunden gehรถrt, fรผr die Breitling nun deutlich attraktiver geworden ist.
Auรerdem muss man sagen, dass die Wiederbelebung von alten Designs in Form von Retro-Neuauflagen in den letzten Jahren verstรคrkt aufgekommen ist (bei vielen Uhrenherstellern in allen Preisklassen) – viele Uhrenfreunde feiern Retro-Modelle wie die TAG Heuer Autavia oder die Certina DS PH200M ab. Die Abneigung gegenรผber den Retro-Neuauflagen von Breitling ist unter diesem Aspekt schon etwas verwunderlich…
Breitling Aviator 8 Chronograph 43 im Test
Der Breitling Aviator 8 Chronograph 43 ist wahrlich keine zierliche Uhr und kommt – welch‘ รberraschung – in einem 43 mm groรen Gehรคuse. Optik und Haptik sind wertig und schwer. Ein massiver Klotz Stahl – so wie es sich fรผr eine Breitling gehรถrt ๐ Die Satinierung ist sehr fein und richtig gut umgesetzt. Der Flanke der Hรถrner wurde eine kleine Finesse, eine polierte Flรคche, spendiert.
Der verschraubte Gehรคuseboden hรคtte allerdings deutlich mehr Liebe vertragen kรถnnen – die oberflรคchlichen Gravuren wirken eher so als wollte Breitling die Kosten um ein paar Euro drรผcken. Da scheint man sich in Grenchen gedacht zu haben: Komm‘, hau ein paar Gravuren drauf und gut is‘, sieht eh keiner beim Tragen. Dabei zeigt beispielsweise der kleine Pforzheimer Uhrenhersteller Laco, dass ein geniales Relief auch bei deutlich gรผnstigeren Uhren drin ist und irgendwo auch das i-Tรผpfelchen darstellen kann – hier mal ein kleiner Vergleich, der eine deutliche Sprache spricht:
Eine schmale Lรผnette aus Edelstahl rundet das Gehรคuse ab. Die Lรผnette ist ziemlich schlicht gehalten – eine Tachymeter-Skala oder sonstigen Schnickschnack gibt’s hier nicht. Stattdessen ist ein Merkpunkt und eine 5-Minuten-Einteilung eingraviert. Die Lรผnette lรคsst sich beidseitig/stufenlos (ohne Klicks) drehen, wodurch sich Abfahrtszeiten oder Zeitlimits markieren lassen. Das funktioniert in der Praxis butterweich und sehr prรคzise.
Das Zifferblatt in Kombination mit dem beidseitig entspiegelten Saphirglas ist zweifellos eine Wucht: Der eigentlich eher dezente grau-blaue Farbton erstrahlt durch die blรคuliche Entspiegelungsschicht des Saphirglases auf geniale Art und Weise. Der feine Sonnenschliff und die quasi perfekte Detailverarbeitung tun ihr รผbriges, um eine รคuรerst hochwertige Optik zu erzeugen (siehe z.B. auf den Nahaufnahmen unten die brรคunliche Leuchtmasse, die Drucke, das applizierte Breitling-„B“). Tolle Zifferblรคtter und grandiose Entspiegelung – das hat Breitling schon eine ganze Weile drauf (siehe Navitimer und Colt).
Der Nachteil eines beidseitig entspiegelten Saphirglases ist allerdings grundsรคtzlich, dass eine Entspiegelungsschicht, wenn sie wie im Falle der Aviator 8 nicht nur innen sondern auch auรen aufgebracht ist, naturgemรคร weicher ist als das Saphirglas selbst. Dadurch wird die Kratzfestigkeit eines Saphirglases eigentlich ad absurdum gefรผhrt, da sich bei unliebsamem Kontakt mit Alltagsgegenstรคnden natรผrlich Kratzer in der Beschichtung sammeln kรถnnen. Die tolle Optik entschรคdigt allerdings meiner persรถnlichen Meinung nach fรผr diesen Nachteil. So oder so ist die Optik von beidseitig entspiegeltem Saphirglas natรผrlich immer eine Geschmacksfrage – Uhren ohne eine solche Behandlung sehen deutlich „tooliger“ aus.
Man beachte auch die perfekt verarbeiteten Zeiger, die durch das polierte Finish den Entspiegelungseffekt unterstreichen. Die plastische Optik (durch den „Mittelknick“) und das oben bereits gezeigte Breitling-B als Verlรคngerung zum Minutenzรคhler sind erstklassig umgesetzt.
Das Stahlarmband der Breitling Aviator 8 – nicht mehr ganz zeitgemรคร
Aber genug der Lobeshymnen – jetzt gibt’s auch was zu meckern: Das Stahlarmband ist leider nicht auf dem Qualitรคtsniveau, welches ich vor ein paar Jahren mit meiner ersten Breitling, dem (nicht mehr erhรคltlichen) Taucher-Modell SuperOcean Steelfish, kennen und lieben gelernt habe. Versteht mich nicht falsch: Das Stahlband der Aviator 8 ist schรถn massiv, die (verschraubten) Glieder ordentlich aufeinander abgestimmt. Der Tragekomfort der Aviator 8 am Stahlband ist trotz des Gewichts von immerhin fast 200 Gramm gut. Im Vergleich zur Perfektion des „alten“ Stahlbandes der Steelfish hat das Band der Aviator 8 aber leider merkbar abgebaut.
Das ist schon schade, denn Georges Kern mรผsste als ehemaliges Oberhaupt des Luxusuhren-Konkurrenten IWC ja eigentlich wissen, dass tolle Stahlbรคnder ziemlich gut bei den Kunden ankommen – den Stahlbรคndern von IWC-Fliegeruhren eilt ihr guter Ruf voraus.
Davon mal abgesehen zeigt sich Breitling auch erstaunlich zurรผckhaltend hinsichtlich der Einfรผhrung von Schlieรen mit Schnelleinstellung – da haben IWC, Omega, Rolex & Co. einfach die Nase deutlich vorn. Im Vergleich zur Feineinstellungs-Schlieรe der Omega Seamaster 300m beispielsweise wirkt die Schlieรe der Breitling Aviator 8 nicht mehr zeitgemรคร – heute darf man meiner Meinung nach bei einer Uhr in dieser Preisklasse einen einfach zu bedienenden und gut funktionierenden Schnelleinstellungs-Mechanismus erwarten. Punkt.
Das Breitling 13 – ETA 7750 Chronometer
Wer mit Blick auf den knackigen Listenpreis von 5300 Euro meint, dass im Breitling Aviator 8 Chronograph 43 doch bestimmt ein hauseigenes Manufakturkaliber tickt, der irrt: Unter der Bezeichnung „Kaliber Breitling 13“ verstecken die Schweizer leider „nur“ ein ETA 7750 Automatikwerk. Das Manufakturkaliber B01 gibt’s erst bei der rund 2000โฌ teureren Variante der Aviator 8. Das ETA 7750 im Aviator 8 Chronograph 43 unterscheidet sich aber deutlich von der ETA 7750-„Massenware“, die bei gรผnstigeren Automatik-Chronos zum Einsatz kommt: Wie man es von Breitling kennt, kommt auch in der Aviator 8 die hochwertigste Variante des ETA 7750 zum Einsatz („Chronometer„), die von der Schweizer COSC (โContrรดle Officiel Suisse des Chronomรจtresโ) umfangreich geprรผft wird: Satte 15 Tage werden die (unverbauten) Werke in fรผnf Lagen (z.B. โZifferblatt untenโ) und bei drei verschiedenen Temperaturen (8 ยฐC, 23 ยฐC, 38 ยฐC) getestet. Weitere Komplikationen, wie zum Beispiel Chronograph, werden im Laufe des Tests zugeschaltet, um deren Einfluss auf die Ganggenauigkeit des Werkes festzustellen. Die Gangabweichung darf letztendlich maximal -4 bis +6 Sekunden betragen.
Um nicht durch die strengen Tests der COSC zu rasseln, kommt das ETA 7750 in Chronometer-Qualitรคt mit hรถherwertigeren Materialien bzw. Komponenten, konkret einer Glucydurunruh, Anachron-Spiralfeder und Incabloc-Stoรsicherung (im Vergleich zu vergoldeter Nickelunruh, Nivarox-Spiralfeder und Etachoc-Stoรsicherung). Auch diverse verbesserte Komponenten aus eigenem Hause soll Breitling verschiedenen Quellen nach im ETA 7750 verbauen…
Fazit zum Breitling Aviator 8 Chronograph 43
Der Breitling Aviator 8 Chronograph 43 ist zweifellos eine tolle Uhr. Die exzellente Detailverarbeitung (Zifferblatt! Zeiger!), die hochwertige Optik (Entspiegelung!) und die exzellente Haptik (Gehรคuse!) sprechen fรผr sich.
Jetzt kommt das Aber: Nehmen wir den reinen Listenpreis als Grundlage, so zieht die Aviator 8 gegenรผber der Konkurrenz, die in รคhnlichen Regionen unterwegs ist, manchmal den kรผrzeren. Man schaue beispielsweise auf das tolle Preis-Leistungs-Paket der Omega Seamaster 300m mit einem Listenpreis von 4800โฌ (Keramik-Zifferblatt mit tiefer Lasergravur, Manufakturkaliber, tolles Stahlband mit Feineinstellung).
Nun muss man aber natรผrlich auch berรผcksichtigen, dass Breitling-Uhren in der Regel mit recht hohen Rabatten erhรคltlich sind (in der Regel deutlich hรถher als beispielsweise bei Omega) – nicht nur online (Stand 2020 mit bis zu fast 40%), sondern auch offline, zum Beispiel in der Outletcity Metzingen (standardmรครig 30%). Das lรคsst aber natรผrlich Zweifel an einer sinnvollen Listenpreis-Setzung aufkommen. So oder so: Wer an der modernen Interpretation des Breitling-Fliegerchronographen-Designs der 50er Jahre gefallen findet, darf bedenkenlos zuschlagen – vorausgesetzt man findet einen guten Preis…
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Sehr schรถner Bericht mit vielen Details und auch Informationen zur Historie, die woanders nicht zu finden sind. Dein Blog verdient noch mehr Aufmerksamkeit ๐