Taucheruhren aus der japanischen Uhrenschmiede Orient Watch waren vor einigen Jahren noch eher besser informierten Uhren-Nerds bekannt und so etwas wie ein Geheimtipp. Im Vergleich zu den „Sumo-Kรคmpfern“ Citizen oder Seiko fristete Orient eher ein Nischendasein. Das hat sich bis heute vielleicht nicht grundlegend geรคndert, Orient ist aber auf einem guten Weg eine bessere Markenbekanntheit aufzubauen – auch dank Modellen wie die Orient Kamasu (auch bekannt als Orient Mako III), der ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhรคltnis nachgesagt wird. Ein guter Grund fรผr einen genaueren Blick auf die mechanische Einstiegs-Taucheruhr…
Eckdaten der Orient Kamasu / Mako III (AA02005D / RA-AA0003R):
- Durchmesser 42 mm (Pi mal Daumen, dazu gleich mehr)
- Gehรคusehรถhe 12,8 mm
- Horn-zu-Horn 46,8 mm
- Lรผnette mit Aluminium-Inlay
- Hauseigenes Automatik-Kaliber F6922
- Gewicht (am Stahlband): 170 Gramm
- Wasserdichtigkeit 200 Meter / 20 bar
- Bandanstoร 22 mm, verjรผngt sich auf 20 mm
- unidirektionale Taucher-Lรผnette mit 120 Klicks
- Verschraubte Krone
- Gรคngige „Straรenpreise“ ab rund 200โฌ
Orient Kamasu / Mako III im Test
Mit rund 500 Mitarbeitern ist die Orient Watch Co., dessen Ursprรผnge bis in das Jahr 1901 zurรผckreichen, im Vergleich zu bekannten japanischen Uhrenmarken wie Citizen ein echter Zwerg. Seit 2017 darf Orient aber auf die Unterstรผtzung eines Riesen bauen: Orient ist mittlerweile eine hundertprozentige Tochter des Seiko-Konzerns, genauer: Seiko Epson. Allerdings agiert Orient weitgehend selbststรคndig vom Mutterhaus. Und das ist auch gut so, denn wรผrde sich Orient allzu sehr am Mutterhaus orientieren, kรถnnte die Abgrenzung der Marken untereinander schnell leiden (wie das bei manch einer Marke der Swatch Group leider der Fall ist). Auf der anderen Seite darf Orient dank der Unternehmensverflechtung auf die eine oder andere Seiko-Technologie zurรผckgreifen, insbesondere im Bereich Basiskonstruktionen von mechanischen Uhrwerken.
Taucheruhren sind ein wesentlicher Eckpfeiler des Orient-Sortiments. Schon im Jahre 2004 lancierten die Japaner das Modell Mako – der Diver war damals alles andere als perfekt (z.B. oftmals eine eher unsauber und nicht wirklich rund laufenden Lรผnette sowie nicht besonders gut abgestimmter Bandglieder), und trotzdem sprach sich unter Fans von Nippon-Taucheruhren das gute Preis-Leistungs-Verhรคltnis rum. Im Jahre 2016 folgte ein groรes Update des Modells: Die Mako II mit dem neuen Kaliber F6922 wurde geboren (die Mako II ist nach wie vor gut zu bekommen, z.B. bei Amazon oder Creationwatches).
Nach zwei kommt drei – das weiร schon jedes Kind. Doch ganz so einfach ist’s bei Orient nicht, denn tatsรคchlich sind die Japaner ziemlich gut darin die Kunden maximal zu verwirren: Orient kommunizierte in der Vergangenheit teilweise den Modellnamen Mako (der Zusatz „III“ fรผr die dritte Version stammt von Fans), teilweise aber auch den Modellnamen Kamasu – je nach Land. So ist auf der Orient-Seite in den USA offiziell von Orient Kamasu die Rede, in Deutschland heiรt es nur nรผchtern „Mechanisch Sport Uhr, Metall Band – 41.5mm (AA02005D)“, auf der offiziellen japanischen Seite wiederum heiรt es Mechanical Sports Watch, Metal Strap – 41.8mm (RA-AA0003R) – man beachte die verschiedenen Referenznummern und die unterschiedlichen Angaben zum Durchmesser. Kurios! Durchgesetzt hat sich bei den Orient-Fans aber definitiv der Name Kamasu.
So oder so: Sowohl Mako (wie der gleichnamige Haifisch) als auch Kamasu (japanisch fรผr Barrakuda) passen wie der Fisch ins Wasser zum gรผnstigen Orient Diver: รhnlich wie beim Seiko Prospex Diver mit dem (inoffiziellen) Spitznamen Monster sollen die Modellnamen Kamasu bzw. Mako auf ein charakteristisches Designmerkmal hindeuten: Ein spitz zulaufender Zeigersatz, der an die messerscharfen, dolchartigen Zรคhne der (ziemlich grimmig dreinschauenden) Raubfische erinnern sollen.
Ironischerweise sollte man es sich genau รผberlegen, ob die Orient Kamasu mit ihren auf Hochglanz polierten Flanken am Arm bleibt, wenn man in offenen Gewรคssern baden geht, in denen mรถglicherweise Barrakudas hausen: Die bis zu 2 Meter langen Raubfische werden bekanntermaรen besonders von glรคnzenden Objekten angezogen und knabbern hin und wieder auch gerne mal an Menschen rum, die sich wassersportlich betรคtigen.
Ansonsten bietet das Zifferblatt der Orient Kamasu einen Diver-typischen Aufbau mit hoher Ablesbarkeit und ohne Schnickschnack. Gut: Die Indizes sind appliziert und auch das Orient-Logo (zwei Lรถwen, Krone und ein Wappen mit einem verschnรถrkelten „O“) ist schรถn plastisch bzw. metallisch umgesetzt – das lรคsst die Uhr definitiv hรถherwertiger aussehen. Die Fenster fรผr Wochentag und Datum sind mit poliertem Edelstahl „umrahmt“, was ein schรถnes Zusammenspiel mit den Indizes ergibt. Auch Freunde des Sonntags in rot (SUN) kommen auf ihre Kosten.
Der Rot-Ton des Zifferblattes wirkt grundsรคtzlich sehr dezent – auch wegen des nicht (oder zumindest nicht berauschend) entspiegelten Saphirglases, das die Farben dรคmpft und etwas milchig erscheinen lรคsst. Nur bei direktem Lichteinfall wird dank des Sonnenschliffs aus dem eher burgundfarbenen Einschlag auch schon mal ein knalliges Rot:
Die Orient Kamasu kommt mit weiteren typischen Taucheruhren-Merkmalen: Das mit Pi mal Daumen 42 mm Durchmesser dimensionierte Gehรคuse (siehe oben) ist bis 20 bar wasserdicht und natรผrlich gehรถrt auch eine klassische Taucher-Lรผnette mit 120 Klicks zur Ausstattung. Das Rasten der Lรผnette fรผhlt sich sehr knackig an, hat aber etwas Spiel. Leider rutscht man mit feuchten Hรคnden auรerdem leicht beim Drehen ab. Die „Einkerbungen“ alle 2 Stunden sind eine nette optische Abwechslung. Das Lรผnetten-Inlay ist leider nur aus Aluminium, was mit Blick auf die Nippon-Konkurrenz (z.B. Citizen Promaster Automatik) aber nicht unรผblich ist (kratzfestes Keramik wรคre natรผrlich dennoch das i-Tรผpfelchen gewesen).
Wie es sich fรผr eine Taucheruhr gehรถrt wurde auรerdem nicht an Leuchtmasse gespart – ob es sich um original Nemoto-Leuchtfarbe (besser bekannt unter dem Markennamen LumiBrite bzw. Super-Luminova) handelt, ist mir nicht bekannt – aufgrund der Verflechtung mit der Seiko-Gruppe und der mehr als ordentlichen Leuchtkraft gehe ich aber fest davon aus, dass es sich um eine Mixtur des Mutterhauses handelt.
Eine verschraubte Krone sorgt obendrein dafรผr, dass sich bei Tauchausflรผgen (oder – realitรคtsnรคher – beim Sprung vom Turm im Freibad) die Krone nicht unbeabsichtigt รถffnet und damit Wasser ins Gehรคuse eindringt. Auf dem Gehรคuseboden ist eine einfache, oberflรคchliche Gravur, die vermutlich zwei stilisierte Mako-Haifische zwischen Wellen darstellen soll (okay, es sieht eher aus wie zwei brave Delfine).
Die Orient Kamasu kommt an einem Edelstahlband im klassischen, dreireihigen Oyster-Stil. Die Endlinks sind leider hohl bzw. nicht massiv, was sich optisch zwar nicht bemerkbar macht (zumindest von oben betrachtet), im Jahre 2021 aber eigentlich auch nicht mehr wirklich zeitgemรคร ist. Das Stahlband und die (eher blechern wirkende) Schlieรe sind qualitativ eher vom Typ „08/15“-Massenware, das Orient-Logo auf der Schlieรe ist nur gestanzt. Ich hatte ehrlich gesagt direkt das Bedรผrfnis das Stahlband gegen ein schรถnes Nato Strap oder Kautschukband auszutauschen.
Orient Kamasu: Automatik-Kaliber F6922
In der Orient Kamasu tickt das „quasi“-hauseigene automatische Kaliber F6922 auf Seiko-Basis, das erstmalig 2016 in den Modellen Orient Mako II und Orient Ray II zum Einsatz kam. Gegenรผber dem mittlerweile eingemotteten Orient-Kaliber 46943 (Basis: Seiko-Kaliber 4206), das noch in der Orient Mako I tickte und mit -25 bis +35 Sekunden pro Tag alles andere als ein Ganggenauigkeitswunder war, sagt Orient beim Kaliber F6922 ordentliche ยฑ15 Sekunden pro Tag zu. De facto ist das F6922 in der mir vorliegenden Orient Mako mit +4,3 Sekunden pro Tag mehr als ordentlich einreguliert (gemessen mit Zifferblatt oben):
Auch Komfortfunktionen, die heute einfach zum Standard gehรถren, sind beim F6922 nun endlich mit an Bord, darunter insbesondere die Mรถglichkeit das Werk per Handaufzug zum Anlaufen zu รผberreden, ein Sekundenstopp bei gezogener Krone und gute 40 Stunden Gangreserve. Nur die Frequenz ist mit 21600 bph nicht ganz State-of-the-Art – zum Vergleich: Viele mechanische Werke wie das japanische Wettbewerbskaliber Miyota 9015 oder das Schweizer ETA 2824-2kommen mit 28800 bph. Die geringere Frequenz macht sich durch einen nicht ganz so schรถn flรผssig schleichenden Sekundenzeiger und eine theoretisch geringere Ganggenauigkeit bemerkbar.
Fazit zur Orient Kamasu
Freunde gรผnstiger Nippon-Taucheruhren finden in der Orient Kamasu eine gute Alternative (oder Ergรคnzung) zu den hรคufig zitierten Einstiegs-Divern wie die Citizen Promaster Automatik: Insbesondere das Zifferblatt macht eine Menge her und wirkt รคuรerst hochwertig. Die Detailverarbeitung ist unter Berรผcksichtigung der Preisklasse mehr als ordentlich und die verschiedenen Design-Merkmale sind zumindest von einem gewissen Grad Eigenstรคndigkeit geprรคgt (z.B. Zeigersatz). Auch technisch gibt’s nix zu meckern: Das „Quasi-Manufakturkaliber“ bringt gรคngige Komfortfunktionen mit und ist bei der mit vorliegenden Kamasu exzellent einreguliert. Nur das Edelstahlband fรคllt qualitativ stark ab – hier fรผhrt der Weg an einem guten Ersatzband (z.B. von Miro’s Time oder von Strapcode) meiner Meinung nach kaum vorbei.
Summa summarum macht man mit Blick auf den „Straรenpreis“ ab rund 200โฌ definitiv nichts falsch, wenngleich ich die Citizen Promaster Automatik und die Seiko 5 (ebenfalls jeweils ab ca. 200โฌ) qualitativ definitiv eine Flossenlรคnge vor der Orient Kamasu sehe…
Update 2021: Orient Kamasu mit Retro-Anstrich
Mit den Referenzen RA-AA0810N, RA-AA0811E, RA-AA0812L und RA-AA0813R hat Orient Ende 2021 die Kamasu-Modellreihe um vier Varianten erweitert. Die neuen Modelle sind im Wesentlichen baugleich mit der „Standard“-Kamasu (Zeigersatz, Gehรคuse, Werk etc.). Unterschiede gibt’s aber beim Zifferblatt, das in allen Varianten mit einem Farbverlaufs-Effekt (Dรฉgradรฉe) und vornehmlich Punktindizes (anstelle Strichindizes) kommt. Um den Retro-Effekt zu verstรคrken, ist die Leuchtmasse auรerdem in einem Sepia-Farbton gehalten (Faux-Patina). Die Referenz RA-AA0813R kommt auรerdem statt mit einem unbeschichtetem Edelstahlgehรคuse mit einer Bronze-Beschichtung (limitiert auf 2000 Stรผck). Die Preise starten bei 360โฌ.
Alternativen zur Orient Kamasu
Taucheruhren sind eine Spezialitรคt japanischer Uhrenhersteller – die Optionen im Preisbereich der Orient Kamasu sind vielfรคltig. Insbesondere sei an dieser Stelle auf die Citizen Promaster Automatik NY0040 verwiesen, die eine waschechte Taucheruhr gemรคร ISO-Norm ist und ein ganz hervorragendes Preis-Leistungs-Verhรคltnis mitbringt (Eckdaten: Miyota 8203 Automatik, Durchmesser 42 mm, Wasserdichtigkeit 20 bar und – leider – nur Mineralglas).
Wer nicht unbedingt 20 bar Wasserdichtigkeit bzw. eine Uhr braucht, die sich offiziell Taucheruhr nennen darf, der kann die Seiko 5 Sports Automatik ins Auge fassen: Der inoffizielle Nachfolger der Seiko SKX007 ist ein toller Einstieg in die Welt mechanischer Uhren und in irre vielen Farbvarianten erhรคltlich.
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SEIKO 5 und Citizen Promaster mรถgen ein besseres Marken-Renommรฉe haben als die Orient – bessere Metall-Armbรคnder haben sie d e f i n i t i v nicht…
Ich war von der Qualitรคt des Orient-Bandes (wie auch von der ganzen Uhr) sehr angetan – massive Endglieder oder eine aus dem Vollen gefrรคste Schlieรe habe ich fรผr den Preis nicht wirklich erwartet.
Meine einzigen, kleinen Kritikpunkte sind, dass Lรผnette und Krone etwas griffiger sein dรผrften, ansonsten bin ich von der Uhr echt begeistert.
Dem kann ich nur beipflichten. Wirklich eine sehr schรถne Uhr fรผr diesen Preis und das Armband ist fรผr meine Bedรผrfnisse ok. Da habe ich schon schlechtere Armband an viel, viel teureren Uhren gesehen!
@Mario: Wieder super Artikel – mache weiter so.und … vielen Dank fรผr den Tipp!
Ich besitze mehrere Orient Diver, darunter die Kamasu und besitze auch die Promaster von citizen. Die Verarbeitung und Ganggenauigkeit der kamasu schlรคgt die promaster bei weitem, auch ist das Gehรคuse finish der kamasu feiner. Die Lรผnettenklicks laufen bei der Orient ebenfalls besser und haben weniger Spiel. Allerdings ist das Stahlband der kamasu wirklich ungenรผgend. Dennoch wรผrde ich diese Uhr nicht als Einsteiger Uhr bezeichnen, dazu hat sie zu viel Qualitรคt.
Ich besitze auch seit gut zwei Monaten die grรผne Orient Kamasu und habe mir dazu direkt das passende Jubilee Stahlband von Strapcode geordert. Das neue Band ist gut verarbeitet und lรคsst die Uhr nochmals hochwertiger aussehen. Insgesamt eine tolle Alltagsuhr (Saphirglas, Leuchtmasse, 20 Barโฆ) mit einem guten Preisleistungsverhรคltnisโฆ..
Danke fรผr deine ergรคnzenden Worte ๐
Ich besitze die Kamasu und die Promaster jeweils in blau. Die Kamasu macht auf mich insgesamt einen hochwertigeren Eindruck als meine Promaster – Letztere hat fรผr mich einen etwas robusteren Charme, wรคhrend die Kamasu optisch durch die feiner geriffelte hochglรคnzende Lรผnette sowie die schmaleren Zeiger (gefallen mir sehr!) und Indizes etwas feiner wirkt. Sekundenstopp und Saphirglas sprechen fรผr mich ebenfalls eher fรผr die Orient. Die Promaster ist im Vergleich eher das Arbeitstier: der Aufzug ist laut, man spรผrt die Unwucht beim frei drehenden Rotor am Handgelenk, die Lรผnette hat vertikal leichtes (abgefedertes) Spiel. Kronenposition und Datumsanzeige in Zifferblattfarbe sind dagegen fรผr mich wieder ein Plus der Promaster.
Die Kritik am Metallarmband der Orient teile ich dagegen – das Band wirkt leider „gรผnstig“, die blechernen Endlinks klappern und quietschen. Da ich aber eh keine Metallbรคnder mag und trage, habe ich es durch ein Natoband ersetzt. Die Ganggenauigkeit liegt bei mir im Bereich von +5s/d bei nรคchtlicher Lagerung mit Ziffernblatt nach oben. Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist aus meiner Sicht die recht kleine Krone, die sich etwas ungรผnstig greifen lรคsst.
Alles in Allem aber eine Tolle Uhr – fรผr die nicht ganz 160โฌ, die ich neu gezahlt habe, aus meiner Sicht ein Schnรคppchen.
Danke fรผr deine Worte, Rainer!
Von Orient gibt es die hรถherwertige Baureihe „Orient Star“, auch hier einen Diver, der die Qualitรคtsmรคngel der „Billigvariante“ nicht aufweisen dรผrfte.
Steht eigentlich schon lรคnger auf meiner Kaufliste. Nur seit ich bei Microbrands aus China, jap. Werke, plus Saphirglas, plus geschraubte Glieder, plus massiveres Band bekomme fรผrs halbe Geld, ist sie auf meiner Liste weiter runter gerutscht. Aber optisch genau mein Geschmack, bis auf den „EPSON“ Aufdruck auf dem Gehรคusebaden, ist doch kein Drucker ๐
Kenne ich, ja. Landet bestimmt mal zum Review bei mir ๐