Ohne Fleiร, kein Preis: Die noch relativ junge Microbrand Second Hour aus Melbourne in “Down Under” gibt ganz schรถn Gas – mit der ab 17. Februar 2023 erhรคltlichen Field Watch Sattelberg, die mit klassischen, aber auch modernen Elementen kommt, bringt der Marken-Initiator Peter Sargison innerhalb von zwei Jahren nun schon das vierte Modell an den Start. Und das schauen wir uns hier genauer an…
Eckdaten der Second Hour Sattelberg:
- Gehรคuse aus 316L-Edelstahl, Hรคrte-Beschichtung (1200 Vickers)
- Japanisches Miyota 9015 Automatikkaliber
- Durchmesser 40 mm
- Horn-zu-Horn 47 mm
- Bandanstoร 20 mm
- Hรถhe 10 mm (inkl. Glas)
- Flaches Saphirglas mit abgeschrรคgten Kanten, sechsfach auf der Innenseite entspiegelt
- Swiss Super-LumiNova BGW9
- Verschraubter Gehรคuseboden
- Wasserdichtigkeit 10 bar / 10 atm / 100 Meter
- Verschraubte Krone
- Canvas-Band mit Lederunterseite
- Diamantgeschnittene Zeiger
- Inklusive Reiseetui und zusรคtzlichem Band
- Zwei Jahre internationale Garantie
- Der Verkauf startet am 17. Februar 2023 (die Uhren sind sofort lieferbar)
- Preis: Umgerechnet ab 560โฌ inkl. Versand/Einfuhrumsatzsteuer/Zoll, direkt bei Second Hour in Australien oder ab 510โฌ beim offiziellen Distributor Chronofactum aus Deutschland
Second Hour Sattelberg im Test
“Sattelberg” – das klingt irgendwie nach einem urdeutschen Wort. Und nein, die neueste Second Hour-Uhr ist nicht nach dem gleichnamigen Berg in รsterreich benannt (das wรคre auch etwas seltsam bei einer australischen Microbrand). Dennoch ist die deutsche Namensgebung kein Zufall: Den Sattelberg gibt’s auch im heutigen Land Papua-Neuguinea, genauer: in der Provinz Morobe auf der Insel Neuguinea nordwestlich von Finschhafen. Von 1885 bis 1914 gehรถrt der rund 900 Meter hohe Berg zur Kolonie Deutsch-Neuguinea. Nein, das mรผsst ihr euch nicht alles merken – der Bezug zum Heimatland von Second Hour-Grรผnder Peter wird aber mit einem Blick in den weiteren Verlauf der Geschichte klar, denn wรคhrend des Ersten Weltkrieges wurde Deutsch-Neuguinea von australischen Truppen besetzt und nach dem Krieg von Australien verwaltet. Im Zweiten Weltkrieg war der Sattelberg Schauplatz heftiger militรคrischer Auseinandersetzungen zwischen japanischen und australischen Truppen (damals waren Australier und Japaner nicht so dicke miteinander, da Japan – neben Italien – ein Verbรผndeter Deutschlands war und Australien auf der Seite der Alliierten stand).
Nun kann man sich natรผrlich darรผber streiten wie geschickt die Namenswahl grundsรคtzlich fรผr eine Uhr ist. Fakt ist aber nun mal, dass Field Watches bekanntermaรen durch die historische Brille betrachtet Militรคruhren sind, die (im Unterschied zu militรคrischen Taucher- und Fliegeruhren) von Infanterie-Soldaten (Heer, Bodentruppen) getragen wurden (und werden), zum Beispiel zwecks Koordination von Angriffen. Der Name Sattelberg passt also allemal mit Bezug zu den militรคrhistorischen Ereignissen.
Die Second Hour Sattelberg kommt mit eigenstรคndigen, modernen Elementen, gleichzeitig aber auch mit Field Watch-typischen, klassischen Merkmalen wie einem innenlaufenden Ziffernring (13-14-15 etc.). Die ursprรผngliche, historische Idee hinter diesem Ring ist es, den Soldaten, die nicht wie in Deutschland mit dem gรคngigen Sprech von 1 bis 12 Uhr fรผr den Vormittag und 13 bis 24 Uhr fรผr den Nachmittag aufgewachsen sind, mit einer “รbersetzung” zu helfen. So ist es beispielsweise in Australien Gang und Gรคbe von 2 PM (post meridiem) fรผr 2 Uhr Nachmittags zu sprechen, wรคhrend wir in Deutschland รผblicherweise von 14 Uhr sprechen.
Anders als bei den Modellen Mandala und Giant Stride, setzt Second Hour bei der Sattelberg nicht auf ein tiefes Zifferblattmuster, sondern auf ein eher klassisches, markant vertikal gebรผrstetes Blatt. Ins Auge sticht auch der metallische Schimmer, der die Farben – je nach Lichteinfall – vรถllig unterschiedlich wirken lรคsst. Das zurรผckhaltendere Zifferblatt ergibt im Zusammenhang mit dem Thema einer Field Watch, die durch die historische Brille betrachtet vor allem funktional und perfekt ablesbar sein muss, absolut Sinn.
Dass das Zifferblatt der Sattelberg eher dezent ist, heiรt nicht, dass nicht ein paar eigenstรคndige Ideen auf dem Zifferblatt warten: So sorgen insbesondere keilfรถrmige Indizes, die sich mit den sehr plastischen, 3D-artigen Ziffern abwechseln, fรผr etwas Plastizitรคt. Der groรe “12 Uhr”-Index, der von zwei Leuchtpunkten begleitet wird (wodurch die Orientierung im Dunkeln erleichtert wird), ist dabei orange umrahmt. Auch die Stunden-Strichindizes bei “4 Uhr” und “8 Uhr” sind in der Farbe Orange gehalten – und das passt ziemlich gut, denn Orange und Gelb kommen bei Outdoor- und bestimmtem Militรคr-Equipment recht hรคufig, z.B. fรผr Schriften, zum Einsatz.
Einen funktionalen Nutzen hinter dieser untypischen angeordneten Farbgebung kann ich zwar nicht erkennen (auรer vielleicht eine etwas bessere Orientierung auf dem Blatt bei schlechten Sichtverhรคltnissen), sie sorgt aber fรผr etwas Farbe bei gleichzeitiger Einhaltung der Symmetrie. Aus dem Zentrum heraus kommt auรerdem eine Art “Fadenkreuz”.
Fรผr die Ablesbarkeit im Dunkeln sorgt Super-LumiNova in der Farbe BGW9, das bei Tageslicht reinweiร erscheint und sich im Dunkeln hellblau fรคrbt. Die Leuchtkraft liegt bei rund 95 Prozent im direkten Vergleich mit der krรคftigsten Farbe C3; die Leuchtdauer ist aber sogar noch etwas besser als bei C3.
Second Hour stattet das Gehรคuse der Sattelberg mit einer Hรคrtebeschichtung aus – mit solchen Beschichtungen habe ich beispielsweise schon bei Direnzo (DRZ 04 Mondial), Formex (FIELD), Seiko (Speedtimer) und RZE (Resolute) Erfahrungen gemacht. Erfahrungsgemรคร kรถnnen solche Beschichtungen zwar nicht mit Tegimentierung bzw. Kolsterisieren (siehe z.B. Sinn U50 oder Circula ProTrail) mithalten – zwecks Vermeidung feiner Desk Diving-Spuren taugen sie aber sehr sehr gut. Second Hour gibt eine Hรคrte von bis zu 1200 Vickers an – zum Vergleich: Unbeschichteter Edelstahl liegt bei knapp รผber 200 Vickers.
Gut: Die Hรคrte-Beschichtung ist vollstรคndig transparent und absolut unscheinbar – damit ist sie ein guter Kompromiss zu hรคufig zum Einsatz kommenden, meist schwarzen DLC/PVD-Beschichtungen, die zwar auch fรผr eine Hรคrtung sorgen (>3500 Vickers), im Falle von abgeplatzten Stellen durch groben Kontakt mit einer Wand oder dergleichen aber schnell unschรถn aussehen kรถnnen, wenn der “nackte” Edelstahl durchschimmert (die Full Lume bzw. “Leuchtkeks”-Variante der Sattelberg kommt – anders als die anderen drei Sattelberg-Varianten – mit einer schwarzen DLC-Beschichtung anstelle der transparenten Hartbeschichtung).
Das Gehรคuse ist ferner – wie bei Field Watches รผblich – eher kompakter dimensioniert: 40 mm Durchmesser und 47 mm Horn-zu-Horn passen auch fรผr Uhrenfreunde mit schmaleren Handgelenken. Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang betrรคgt in etwa 19 cm:
Die Gehรคusehรถhe der Sattelberg fรคllt mit 10 mm (inklusive des leicht erhรถhten Saphirglases) angenehm und รผberdurchschnittlich flach aus (zum Vergleich: Die Circula ProTrail liegt bei 13,4 mm, die Formex FIELD bei 10,4 mm). Die Sattelberg kann dadurch bei Bedarf problemlos unter Hemd, Pullover oder dergleichen verschwinden. Die Wasserdichtigkeit des Gehรคuses ist mit 10 bar (zum Schwimmen und Schnorcheln geeignet) absolut alltagstauglich. Einen Beitrag zur flachen Gehรคusehรถhe leistet auch das japanische Automatikkaliber Miyota 9015 (nur 3,9mm gegenรผber 4,6mm beim Sellita SW200-1) – dazu aber spรคter mehr.
Die Sattelberg kommt mit zwei Bรคndern, was heute gefรผhlt (leider!) immer seltener vorkommt. Es handelt sich um ein angenehm flexibles Canvas mit Lederunterseite und ein zweiteiliges Nato Strap mit passendem, orangem Kontraststreifen, das – รคhnlich wie die bekannten Marine Nationale Straps – leicht dehnbar ist. Beide Bรคnder kommen mit Schnellwechselfederstegen und sind somit ratzfatz und werkzeuglos getauscht. Schade nur, dass die Bรคnder jeweils farblich sehr รคhnlich sind – der Abwechslung wegen hรคtte ich mir verschiedene Farbschwerpunkte gewรผnscht (aber das ist Meckern auf hohem Niveau).
Ticktack aus Japan
Wie in der Second Hour Mandala Mk II, tickt auch hinter dem verschraubten Stahlboden der Sattelberg Field Watch das 2009 auf den Markt gebrachte Kaliber 9015 von der 1959 ins Leben gerufenen Citizen-Tochter Miyota aus der Prรคfektur Nagano. Es handelt sich dabei um ein Upgrade der Vorgรคnger-Baureihe Miyota 8000 (Marktstart: 1977), die Miyota als Konkurrenz zum Sellita SW200-1 ins Rennen schickt – kein Zufall daher, dass die Miyota 9000er-Reihe technisch auf Augenhรถhe mit dem Sellita SW 200-1 (28.800 bph Frequenz, 42 Stunden Gangreserve und Handaufzugsmรถglichkeit etc.), gleichzeitig aber im Einkauf deutlich gรผnstiger ist.
Auch ein Sekundenstopp bei gezogener Krone ist an Bord – so wie es sich fรผr eine Field Watch, die im Felde auch mal mit anderen Field Watches synchronisiert werden muss, gehรถrt (im Militรคrjargon spricht man auch von “Hacking Movement”; siehe auch beispielsweise die original Mil-Spec W-3818B aus den 60ern, die verlangt, dass der Sekundenzeiger stoppt, wenn – Zitat – “the winding stem is pulled into the setting position”).
Erwรคhnt sei noch, dass das Kaliber 9015 gemรคร Spezifikation mit einer Ganggenauigkeit zwischen -10 und๏ผ30 Sekunden pro Tag tickt, was eher aus der Kategorie โnajaaaaโ ist. Faktisch unterscheiden sich die beiden mir vorliegenden Test-Uhren, gemessen mit der Weishi 1000 Zeitwaage, recht deutlich (+13 und fast perfekte -1 Sekunde pro Tag).
In der Summe ist das Miyota 9015 eine sehr gute Wahl in der Preisklasse der Sattelberg. Zur Einordnung: “Einfache” Microbrand-Dreizeigeruhren mit dem Schweizer Sellita SW200-1 sind (alleine schon wegen Wechselkurseffekten) fรผr um die 500โฌ derzeit so gut wie gar nicht mehr zu bekommen, da das Sellita SW200-1 alleine schon bei rund 100 Euro im Einkauf bei Microbrand-typischen Einkaufsvolumina liegt (mit Hommagen-Kรถnig Steinhart als groรe Ausnahme). Das Miyota 9015 liegt ungefรคhr bei der Hรคlfte und das ermรถglicht natรผrlich auch gรผnstiger kalkulierte Endkundenpreise.
Fazit zur Second Hour Sattelberg
Die Second Hour Sattelberg ist eine (selbst auf Nahaufnahmen, s.o.) tiptop verarbeitete und noch recht erschwingliche Field Watch-Alternative fรผr alle Uhrenfreunde, die eine Field Watch mit etwas modernerem Touch suchen bzw. denen klassische Modelle wie beispielsweise die Hamilton Khaki Field-Reihe zu “Old School” sind.
Die Sattelberg liegt preislich bei 675 Dollar (+55 Dollar Versand nach Deutschland) – australische Dollar wohlgemerkt, was Stand Januar 2023 umgerechnet rund 470โฌ entspricht. Hinzu kommt die Einfuhrumsatzsteuer in Hรถhe von 19% und ein paar Cent Zollgebรผhren. Macht nach Adam Riese 560โฌ.
Bei Bestellung รผber den deutschen Distributor Chronofactum sind 510โฌ fรคllig (die DLC-beschichtete Full Lume-“Leuchtkeks”-Variante ist mit 530โฌ etwas teurer).
Der Verkauf der Sattelberg startet am 17. Februar 2023 – und zwar ohne Kickstarter-Kampagne bzw. Vorverkaufsaktion. Die Uhren werden also ab Mitte Februar sofort lieferbar sein.
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Hallo Mario
Interessante Uhrenvorstellung. Betreffend deinen Einstiegspreisen muss ich etwas “korrigieren”. Gute schweizer Uhren mit Eta Werk gibt es bei jomashop.com schon unter 500 Dollar zu kriegen.
Danke fรผr deine Beitrรคge, ich bin ein grosser Fan von dir.
Grรผsse
Andi
Einfuhrumsatzsteuer nicht vergessen ๐