Mit der komplett neuen Spirit hat Longines, die älteste eingetragene Uhrenmarke der Welt, im Jahre 2020 eine Modellreihe auf die Beine gestellt, die neben der beliebten HydroConquest-Taucheruhr als zweites Standbein der Marke aufgebaut werden soll (dazu später mehr). Der Plan scheint aufzugehen: Die vielen Varianten der Spirit wie die 2022 auf den Markt gebrachte Longines Zulu Time GMT sprechen auf jeden Fall für einen gewissen Erfolg. Schauen wir mal genauer hin…
Eckdaten zur Longines Zulu Time GMT (L3.812.4.63.6):
- Swiss Made
- “Traveller”-GMT-Automatikkaliber L844.4, Chronometer-zertifiziert, Gangreserve 72 Stunden, 25.200 bph
- Amagnetisch dank Silizium-Unruhspiralfeder
- Lünette mit Keramik-Inlay, bidirektional drehbar
- Durchmesser 42 mm
- Horn-zu-Horn 49 mm
- Höhe 13,9 mm
- Saphirglas, beidseitig entspiegelt
- Bandanstoß 22 mm
- Polierte Zeiger aus Gold
- Applizierte Stundenindizes, poliert
- Super-LumiNova
- Stahlband mit Schnellwechselsystem
- Listenpreis 3050€
INHALT
Longines Zulu Time GMT im Test
Dass Longines vor der Spirit noch keinen richtig großen “Renner” im Bereich Fliegeruhren hatte, verwundert schon: Borduhren, Fliegerchronographen & Co. waren insbesondere zu Beginn der zivilen Luftfahrt ab den 1920er und 1930er Jahren überlebenswichtige Instrumente zur Navigation, die häufig aus dem Schweizer Jura im Allgemeinen und von Longines im Speziellen kamen.
Eine von Longines ersten Uhren für die Luftfahrt war die vom Navigationslehrer Philip van Horn Weems entwickelte Navigationsuhr, die Kursberechnungen dank präziser Synchronisierung mit dem amtlichen Radio-Zeitzeichen vereinfachte ohne die Zeiger neu ausrichten zu müssen – dank einer speziellen Lünette und einem zentralen, drehbaren Hilfszifferblatt. Der legendäre Pilot Charles Lindbergh höchstpersönlich zeichnete sich für die spätere Weiterentwicklung der Weems-Navigationsuhr verantwortlich.
Im Rahmen der Avigation-Modellreihe (= Flugnavigation) hat Longines schon eine ganze Weile Fliegeruhren im Sortiment. Der Knoten ist aber scheinbar erst so richtig mit der 2020 lancierten Spirit geplatzt, in welcher der Schwerpunkt zunächst auf “simple” Dreizeigeruhren und Chronographen in verschiedenen Varianten lag.
Nach der 2021 lancierten “NoDate”-Spirit aus Titan (und damit auch ohne ungeschickt abgesäbelte Stundenziffer wie bei der Dreizeiger-Automatik der Longines Spirit) war die Spirit Zulu Time nur eine Frage der Zeit: Eine GMT-Uhr ist eine nur logische Weiterentwicklung im Bereich Fliegeruhren, denn eine GMT-Komplikation, die das Ablesen von mindestens einer zusätzlichen Zeitzone ermöglicht, ist für Piloten naheliegenderweise äußerst nützlich – das zeigte durch die historische Brille betrachtet auch die Rolex GMT-Master, welche die offizielle Armbanduhr der US-amerikanischen Fluggesellschaft Pan Am war. Im Falle der Longines Spirit Zulu Time ist sogar eine echte “Traveller”-GMT-Funktionalität an Bord – dazu aber später mehr.
Zulu… watt?
Der Modellname “Zulu Time” ist zum einen eine Anspielung auf ein äußerst seltenes Longines-Modell aus den 1920er Jahren – ein Modell mit einem quadratischen Gehäuse, Kathedralenzeigern, roten Abschnitten auf dem Zifferblatt und der namensgebenden Zulu-Flagge auf “12 Uhr”, die ursprünglich als maritimes Signal für ein Schiff diente, das einen Schlepper benötigte.
Zum anderen hat “Zulu” aber noch eine weitere Bedeutung: In Luft- und Schifffahrt werden Zeiten heute oftmals in sogenannter Zulu-Zeit angegeben (sowohl zivil als auch militärisch, zum Beispiel bei der Deutschen Luftwaffe).
Leute, die gerne in den Urlaub fliegen, nehmen die Zeitverschiebung zwischen Abflug- und Ankunftsort vor allem als Jet Lag wahr – die Ortszeit (Local Time, z.B. in den USA) ist nach der Landung an der Urlaubsdestination logischerweise maßgebend. Für Berufspiloten und das Personal “drum herum” (z.B. im Tower) sieht es ganz anders aus: Flugverkehr und Luftsicherung orientieren sich immer an der so genannten Zulu-Zeit, auch UTC (Universal Time Coordinated) oder früher Greenwich Mean Time (GMT) genannt.
Der Grund: Gerade in Ländern mit mehreren Zeitzonen (wie die USA) und im internationalen Umfeld kann die Verwendung und Umrechnung der Lokalzeiten zu Verwirrung und Fehlern führen. Die Zulu-Zeit hingegen ist überall auf der Welt gleich und unabhängig von örtlichen Besonderheiten wie Sommer- oder Winterzeit – und damit am Ende des Tages unverwechselbar.
Aber warum gerade der Name “Zulu”? Mit der gleichnamigen Ethnie Südafrikas hat das jedenfalls nix zu tun: Der Nullmeridian (in Greenwich, ein Stadtteil von London) heißt auf Englisch “Zero Meridian”. Dementsprechend müsste also eigentlich von “Zero Time” die Rede sein. Um im Funkverkehr aber Verwechslungen mit der Zahl Null (englisch “Zero”) zu vermeiden, wurde Zero durch Zulu ersetzt. Zulu wiederum ist die Aussprache des “Z” im NATO-Alphabet. Alle Klarheiten beseitigt? 😉
Longines Zulu Time GMT heute
Abgesehen vom Namen und der GMT-Komplikation hat die oben gezeigte, quadratische Longines Zulu Time aus 1925 so rein gar nichts mit der heutigen Longines Zulu Time zu tun – zum Glück, werden wohl viele Uhrenfreunde denken, denn das damalige Design war doch sehr speziell. Oder anders gesagt: Die Spirit Zulu Time ist quasi ein “Jungfernflug” für die Marke und wurde nicht anhand eines bestehenden Vintage-Uhren-Designs entworfen, das aus den angestaubten Archiven von Longines gekramt und exhumiert wurde.
Mehr: Re-Issue und Re-Edition: Ein Plädoyer für mutigere Uhren-Designs
Stattdessen kommt die Longines Zulu Time mit einem gänzlich neuen, klaren und eher klassischen Design. Die Optik wird vor allem von den polierten, applizierten, rundum laufenden Stundenziffern geprägt, die selbst auf Nahaufnahmen absolut perfekt umgesetzt sind. Die Ziffern kommen dank Goldfärbung besonders bei der grünen Variante der Zulu Time in Verbindung mit der beidseitigen Entspiegelung des Saphirglases wunderbar zur Geltung.
Ein weiteres dezentes und schön umgesetztes Merkmal der Longines Spirit Zulu Time ist auch ein rundum laufender, hochglanzpolierter metallischer Ring, der die leicht erhöhte Minuterie optisch abgrenzt. Schönes Detail: der Ring wird dezent von kleinen rautenförmigen Stunden-Indizes durchbrochen.
Ein weiterer Blickfang auf dem Zifferblatt sind sicherlich die applizierten und ebenfalls polierten fünf Sterne zwischen “CHRONOMETER”- und “ZULU TIME”-Schriftzug. Vintage-Uhrenfreunde kennen diese fünf Sterne vielleicht noch vom Modell Longines Admiral aus den 70er und 80er Jahren.
Die Sterne, die bei allen Spirit-Modellen untergebracht wurden, haben keinerlei funktionalen Nutzen und wenn man ehrlich ist erinnern diese an das Bewertungssystem von Amazon oder dergleichen – in der Hinsicht verstehe ich auch die eine oder andere kritische Stimme unter Uhrennerds. Andererseits fallen die Sterne im Alltag kaum auf und sie sind noch dezent genug, um meiner Meinung nach nicht vom Ablesen der Uhrzeit abzulenken.
Alles in allem hat die Longines Zulu Time einen eher funktionalen, sehr gut ablesbaren “Basischarakter”. Gleichzeitig ist die Optik weitaus edler und mehr “bling bling” als beispielsweise bei der Fortis Flieger – insbesondere wegen der vielen polierten Elemente auf dem Blatt (Ring, Ziffern, Zeiger, Sterne) in Verbindung mit der beidseitigen Saphirglasentspiegelung und der auf Hochglanz polierten Keramik-Lünette.
Wie es sich für eine GMT-Uhr gehört, ist die Lünette beidseitig drehbar und mit einer 24-Stunden-Skala ausgestattet, die als Bezugspunkt für den pfeilförmigen GMT-Zeiger dient und dadurch die Anzeige einer weiteren Zeitzone ermöglicht (zum Beispiel die Zeit in der “Heimatbasis”).
Die Longines Spirit Zulu Time GMT kommt in einem 42 mm-Edelstahlgehäuse mit einer Höhe von 13,90 mm und gut tragbarem Horn-zu-Horn-Maß von 49 mm. Besonders genial ist die extrem feine Satinierung, die locker mit der Konzernschwester Omega mithalten kann (siehe Bilder unten). Die Satinierung wird von langen, knackscharfen Fasen oberhalb der Flanken durchbrochen. Für die Gehäuseverarbeitung gibt’s von mir 5 von 5 Sterne! 😉
Der Keramikeinsatz ist den Varianten Schwarz (in Verbindung mit einem schwarzen Zifferblatt), Grün (anthrazitfarbenes Zifferblatt) oder Blau (blaues Zifferblatt) mit Super-LumiNova-Dreieck erhältlich (die Ziffern auf der Lünette sind nicht nachleuchtend). Nur bei der grünen Variante kommen goldfarbene Zeiger, Indizes, Ziffern und Sterne zum Einsatz – das passt optisch nicht nur ganz hervorragend, sondern verpasst dieser Variante auch einen Hauch retro.
Das Stahlband der Longines Zulu Time ist haptisch sehr ordentlich umgesetzt, die Glieder sind allerdings nur verstiftet (was für diese Preisklasse eigentlich ein No-Go ist). Schön: Das Band lässt sich durch Betätigen dezent-schmaler, länglicher Drücker an der Unterseite sehr einfach lösen und auch wieder befestigen (Schnellwechselsystem).
Leider – und das ist nicht wirklich nachvollziehbar – weigert sich Longines beharrlich eine werkzeugfreie Feinjustierungsmöglichkeit in der Schließe des Stahlbandes unterzubringen. Offenbar muss dann doch ein gewisser Respektabstand zur höherpreisigeren Konzernschwester Omega gewahrt werden. Immerhin ist die Schließe angenehm flach und mit Hilfe einer Büroklammer lässt sich ganz “Old School” die Länge des Bandes feinjustieren.
L844.4 Automatik: Chronometer, Traveller GMT, Silizium-Spiralfeder, 72 Stunden Gangreserve
Vor allem beim tickenden Innenleben haut Longines alles raus, was geht – die Spezifikationen dürften wohl auch den kritischsten Uhrenfreund zufrieden stellen: Im Inneren des Gehäuses arbeitet das Kaliber L844.4 (A31.L411), das auf der Architektur des Kalibers 2892 von der Konzernschwester ETA basiert.
Die Gangreserve wurde dabei auf üppige 72 Stunden aufgebohrt (im Vergleich zu 56 Stunden beim weit verbreiteten GMT-Kaliber Sellita SW330-2). Kleiner Wermutstropfen: Die hohe Gangreserve wird durch eine leicht reduzierte Frequenz (25.200 bph statt heute gängiger 28.800 bph) “erkauft” – dadurch schleicht der Sekundenzeiger theoretisch nicht ganz so flüssig, was faktisch aber nur bei genauem Hinsehen auffällt.
Das L844.4 ist obendrein von der COSC als Chronometer zertifiziert – dadurch wird eine Top-Ganggenauigkeit innerhalb der Norm (-4 bis +6 Sekunden) garantiert. Außerdem ist eine Unruhspiralfeder aus Silizium an Bord, welche die hohe Ganggenauigkeit unterstützt: Die Entwicklung der Silizium-Spiralfeder geht auf ein gemeinsames Forschungsprojekt von Patek Philippe, Rolex, der Swatch Group (Omega, Longines etc.) und der CSEM SA (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) zurück. Seit Erlangen der Marktreife ist die Silizium-Spirale State-of-the-Art bei mechanischen Kalibern, da das Material viele Vorteile gegenüber klassischen Unruhspiralen aus Legierungen wie Nivarox mitbringt, darunter insbesondere ein gleichmäßigeres Schwing-Verhalten, Korrosionsfestigkeit, Stoßfestigkeit und vor allem eine Unempfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern.
Früher kamen Silizium-Spiralfedern nur in hochpreisigen Uhren zum Einsatz, da die Produktion recht aufwendig und damit teuer ist (z.B. bei Omega-Modellen wie der Seamaster 300m mit dem sogenannten Co-Axial-Kaliber). Die Swatch-Gruppe setzt die Silizium-Spiralfedern mittlerweile aber auch in deutlich günstigeren Modellen ein – den Endkunden freut’s.
Mehr: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag
Und nein, das war immer noch nicht alles: Das L844.4 ist tatsächlich ein waschechtes “Traveller”-GMT-Kaliber und damit (in dieser Preisklasse) eine echte Besonderheit im vom Sellita SW330 “Office”-GMT-Kaliber geprägten Markt.
Ein Traveller-GMT-Kaliber ist vor allem für Vielreisende vorteilhaft – und damit im Geiste einer Fliegeruhr logischerweise sinnvoller (dass sicher nicht jeder Longines Zulu Time-Käufer Bonusmeilen noch und nöcher sammelt dürfte aber auch klar sein).
Das Traveller-GMT-Kaliber L844.4 funktioniert so: Zieht man die Krone in die erste Rastposition, so lässt sich der “normale” Stundenzeiger in 1-Stunden-Schritten (!) auf die lokale Uhrzeit einstellen – oder anders gesagt: Der Stundenzeiger ist unabhängig einstellbar, d.h. er lässt sich einstellen, ohne dass Minuten- oder Sekundenzeiger stoppen – das ermöglicht ein unkompliziertes Umstellen der Uhrzeit auf die Ortszeit, zum Beispiel nach der Landung in Fernost. In der dritten Rastposition stellt man die Uhrzeit so ein, wie man es von normalen Dreizeigerkalibern gewohnt ist (der pfeilförmige GMT-Zeiger läuft dann natürlich auch mit).
Eine “echte” GMT-Funktionalität wie diese findet man in der Preisklasse der Longines Spirit Zulu Time höchstselten (im günstigeren Bereich kommt mir am ehesten noch die Tudor Black Bay GMT mit dem Kenissi-Manufakturkaliber MT5652 in den Sinn; auch die Fortis Flieger F-43 Triple GMT verwendet dieselbe Kaliber-Basis von Kenissi).
Fazit zur Longines Zulu Time GMT
Die Longines kommt bis ins kleinste Detail mit einer für diese Preisklasse überdurchschnittlich hohen Wertigkeit – von den vielen liebevollen Feinheiten auf dem Zifferblatt bis hin zu einer Silizium-Spiralfeder im Chronometer-zertifizierten “Traveller”-GMT-Kaliber.
Kurzum: Longines macht mit der Zulu Time so gut wie alles richtig (mit Abstrichen beim Stahlband und der Schließe) – fast schon etwas “zu” richtig: Wie eingangs erwähnt sind die Spirit-Uhren im Allgemeinen als “Volumenmodelle” platziert, sprich: Als Modelle, die mit einem “runden Gesamtpaket” und massentauglichem Design viele Uhreninteressierte ansprechen sollen (das sollte alleine schon mit Blick auf den Werbespot klar sein, der über das Fernsehformat ein Millionenpublikum erreicht).
Dass Longines neben der beliebten HydroConquest ein weiteres Standbein aufbauen will, ist absolut nachvollziehbar, denn der Schweizer Hersteller ist schließlich kein Wohlfahrtsverband. Einwenden darf man aber dennoch, dass die Zulu Time im “Nachgeschmack” ein wenig wie eine nüchtern-sachlich am Reißbrett geplante Uhr mit eingebauter Erfolgsgarantie wirkt.
Aber bevor ich jetzt ins Philosophische abdrifte, sei abschließend eine dicke Kaufempfehlung ausgesprochen, denn das Preis-Leistungs-Verhältnis der Longines Zulu Time GMT ist richtig richtig gut. Wer eine noch halbwegs erschwingliche Traveller-GMT-Uhr von einer gestandenen Marke sucht, der kommt an der Zulu Time eigentlich kaum vorbei – sofern man sich nicht an den vielen polierten Elementen stört.
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Die fünf Sterne machen imho das ZB übervoll – leider. Der Rest mag ja stimmig sein, aber leider, leider die 5 Sterne.
Hallo Mario,
wie gewohnt bereitet das Lesen deiner Berichte viel Vergnügen – danke dafür.
Mir ist störend die asymmetrische Prägung der Sanduhr zw. den Schwingen auf dem Zifferblatt ins Auge gefallen. Soll das so? 😉
Grüße
Martin
Wow. Adlerauge. Jetzt habe ich es auch gesehen.
Ist auf den Bildern der Longines homepage nicht so. Das ist die Sanduhr mittig.
Sollte also wohl eher nicht so.
Grüsse
Reto