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Ich habe ein Faible für kleine, unabhängige Uhren-Marken (sogenannte Micro-Brands), denn es ist immer wieder erstaunlich mit welch vergleichsweise kleinen finanziellen Mitteln diese Marken ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aus dem Hut zaubern. Umso mehr freute ich mich, als vor kurzem ein Paket vom offiziellen europäischen LÜM-TEC-Distributor KB TIME (ansässig in der Slowakei) bei mir eintrudelte – zwei aktuelle LÜM-TEC-Modelle wurden mir temporär zur Ansicht zur Verfügung gestellt, um diese auf den Prüfstand zu stellen.

Die US-amerikanische Marke LÜM-TEC, die zur familiengeführten Wiegand Custom Watch LLC aus Ohio gehört, hat in Deutschland bisher zwar eine eher geringe Markenbekanntheit, aber ein ziemlich abwechslungsreiches Portfolio, gespickt mit Taucheruhren, Chronographen und Uhren aus verschiedenen Materialien wie Bronze, Carbon und Titan. Ein guter Grund, dieses mal direkt zwei grundverschiedene Modelle aus der aktuellen LÜM-TEC-Kollektion zu begutachten: Die mechanische LÜM-TEC Combat B19 Bronze mit Vintage-Charakter (Teil 1) und die kantig-moderne Bullhead A21 mit Mecha-Quarz-Antrieb (Teil 2)…

 

LÜM-TEC: Nanü, woher kommt das “Ü”?

Als kleine Reparaturwerkstatt mit Spezialisierung auf die Erneuerung von ausgepowerter Leuchtmasse (sogenanntes Lumen) gestartet, hat sich die US-amerikanische Firma Wiegand Custom Watch, LLC über die Jahre zu einem spezialisierten Hersteller für kundenspezifische Uhrenbauteile und Uhren-Modifikationen gemausert. Heute produziert die Firma u.a. auch im Private Label Bereich, d.h. für andere Marken. Nice-to-know: Die Familie Wiegand stammt ursprünglich aus Deutschland und ist nach Ohio ausgewandert.

2008 ging Eigentümer Chris Wiegand dann mit dem ganzen gesammelten Wissen über die Uhrenbranche mit einer eigenen Marke an den Markt – LÜM-TEC war geboren. Seitdem setzt die Marke stets auf stark limitierte Modellreihen (75-999 Stück pro Modell, meistens aber eher im Bereich 100-200) und einfache Ablesbarkeit. Letzteres wird – man mag es bei dem Markennamen kaum glauben – unter anderem mit einer besonders starken Leuchtkraft der Ziffern, Zeiger und Indizes realisiert – LÜM-TECs Spezialität seit je her (hierzu später mehr).

LÜM-TEC-Häuptling Chris Wiegand strotzt nur so vor Selbstvertrauen und hat auch keine Scheu in einem Interview offen über seine Leidenschaft für teure, PS-starke Boliden zu sprechen oder darüber, warum er Chef der Swatch-Gruppe (Omega, Longines, Tissot & Co.) werden sollte, um die außer Kontrolle geratene Preispolitik der ETA-Werke zu kippen – Wiegands Aussagen haben so rein gar nichts von dem “schwäbischen Understatement”, welches ich seit meinem Umzug ins “Ländle” Tag für Tag erlebe.

Wenn man öfters mit US-Amerikanern zu tun hat (so wie ich in meinem eigentlichen Hauptberuf), weiß man Chris Wiegands Interview aber recht gut einzuordnen: Zieht man mal einige US-typische Übertreibungen ab (“extremely…”, “only the best…”, “as good or better in most cases than some watches costing more than 10x the price”), bleibt vor allem das Gefühl, dass Chris Wiegand seine Marke LÜM-TEC als sein Baby ansieht, welches er mit sehr viel Leidenschaft großzieht – mit Blick auf die stetig steigenden Verkaufszahlen der Marke, offenbar auch mit Erfolg.

Chris Wiegand packt auch viel von seinem Selbstvertrauen in LÜM-TECs testosterongeladenes Marken-Image: Martialisch klingende Modell-Namen wie Combat, Bullhead oder Abyss durchziehen die Kollektion und auch die Bildsprache der Marke lässt nicht viel Interpretationsspielraum (die abgebildete LÜM-TEC Bullhead ist das Thema von Teil 2 dieses Artikels ):

LÜM-TEC Bullhead Karate Roman Volak
Hart, härter, Roman Volak: LÜM-TECs Markenbotschafter in Aktion

Doch nanü, woher kommt eigentlich das “Ü” in einem US-amerikanischen Markennamen? Der Grund dafür passt ebenfalls zum LÜM-TEC-Image: Es handelt sich dabei um den sogenannten Heavy Metal Umlaut (Röck Döts), der insbesondere gerne von amerikanischen Metal Bands genutzt wird (Motörhead & Co.). Was die Metal-Musiker am Umlaut finden? Nun, diese lustigen Pünktchen werden von den Amis gedanklich nordischen Ländern zugeordnet, deren Umlaut  für eine metaphysische Wucht, heidnisches Erbe und existentielles Geworfensein steht. Motörhead-Sänger Lenny Kilmister bringt es auf den Punkt: Weil es böse aussieht! Ein Norddeutscher wie ich nickt da natürlich zustimmend 😉

LÜM-TEC Combat B19 Bronze – auf 250 Stück limitiertes Modell im Vintage-Militär-Stil trifft Power-Lumen (MDV Technology)

Bronze-Uhren sind ein relativ neues Phänomen in der Uhren-Welt – insbesondere viele Micro-Brands, also unabhängige und kleine Uhrenmarken, versuchen sich mit der Kupfer-Zinn-Legierung (meistens CuSn8, bestehend aus 92% Kupfer und 8% Zinn) von den etablierten Herstellern abzuheben. Aber auch die “großen” Marken schlafen nicht und haben zunehmend Bronze-Uhren im Angebot wie z.B. die Rolex-Tochter Tudor mit der Black Bay Bronze.

Die Entscheidung von LÜM-TEC, eine Bronze-Uhr ins Portfolio aufzunehmen ist also vielleicht keine weltbewegende, innovative Idee – die Umsetzung hat mir aber auf Anhieb gefallen: Das sehr gut verarbeitete, 43 mm große Bronze-Gehäuse in Kombination mit dem schlichten militär-grünen Ziffernblatt geben ein perfektes Paar ab – sogar etwas Patina kann man schon erahnen:

LÜM-TEC Bronze olivgrünes Ziffernblatt Nahaufnahme

LÜM-TEC Bronze olivgrünes Ziffernblatt

Ein echter Blickfang ist auch die (nicht drehbare) kannelierte Lünette, die ich z.B. auch bei meiner Hanhart Pioneer TachyTele zu schätzen weiß, da sie der Uhr eine besondere Optik verleiht, die man eher selten bei anderen Uhrenmodellen antrifft.

kannelierte Lünette Bronze Uhr LUM-TEC

Die Wasserdichtigkeit beträgt dank verschraubter Krone und Viton-Dichtungsringen mehr als ordentliche 30bar – damit ist die LÜM-TEC Combat B19 Bronze problemlos zum Tauchen geeignet.

LÜM-TEC B19 Combat Bronze Military Uhr Seite Gehäuse

Insgesamt sorgt die Kombination aus olivfarbener Ziffernblatt-Farbe, Bronze-Gehäuse und kannelierter Lünette für eine glaubwürdige Vintage-Optik im Militär-Stil. Nur bei einer Sache blutet mein Uhren-Herz ein wenig: Das hängende Datumsfeld auf 4 Uhr will nicht so wirklich ins Gesamtbild passen…

Die Ablesbarkeit ist LÜM-TEC-typisch hervorragend, was zum einen an der tollen, beidseitigen Entspiegelung des Saphirglases liegt, die für einen reflexionsarmen Blick auf die Uhrzeit sorgt. Zum anderen sorgen auch die schnörkellosen Ziffern im Stile sogenannter Field Watches, die es z.B. von Hamilton gibt, für eine gute Ablesbarkeit. Das Besondere an den Ziffern ist die sogenannte MDV-Technologie (Maximum Darkness Visibility)die LÜM-TEC sogar als Zusatz zum Markennamen im Logo verewigt…

LÜM-TEC Bronze grünes Ziffernblatt

Dabei handelt es sich um eine hauseigene Lumen-Technologie “Made in USA”, welche in 6-8 Schichten aufgepinselt wird. Bis zu 24 Stunden soll die Leuchtkraft durchhalten und dabei auch noch heller leuchten als das aktuell hellste am Markt erhältliche Lumen C3. Eine feine Körnung und gleichmäßige Optik (ohne dunkle Flecken) sollen die MDV-Technologie außerdem auszeichnen. Und so sieht die Leuchtkraft der LÜM-TEC Combat B19 Bronze direkt nach der Bestrahlung mit einer UV-Lampe aus (ohne Bildbearbeitung).

LÜM-TEC MDV Lumen

Bilder von Uhren im Dunkeln sind immer so eine Sache – sie geben eigentlich nie wirklich die Realität über die Leuchtkraft wieder. Dennoch hier mal ein kleiner Vergleich verschiedener Modelle, die ich gleichmäßig mit einer UV-Lampe angestrahlt habe. Die Bilder sind ein paar Minuten nach der Bestrahlung entstanden (von links nach rechts: Hanhart Pioneer TachyTele, Laco Faro, LÜM-TEC Combat B19 , LÜM-TEC Bullhead, Rolex Submariner):

Lumen Hanhart Laco LUM-TEC Rolex Vergleich

Wie man sieht, geht dem günstigsten Modell in dieser Reihe, die Laco Faro, ziemlich schnell die Luft aus. Insbesondere die Zeiger der Hanhart TachyTele, die beiden LÜM-TEC-Modelle und die Rolex Submariner strahlen aber mehr als ordentlich weiter.

Gut: Selbst 7 Stunden später (über Nacht) hat sich die Leuchtkraft der beiden LÜM-TEC-Modelle ordentlich gehalten. LÜM-TECs Know-How im Bereich Lumen merkt man den Modellen also absolut an.

Angetrieben wird die LÜM-TEC B19 Combat Bronze von einem japanischen Automatikwerk, dem Miyota 9015 (Citizen-Gruppe). Ich habe bereits sehr gute Erfahrungen mit dem Miyota 9015 gemacht – hinsichtlich Robustheit und Ganggenauigkeit ist das Werk durchaus als ETA 2824-Konkurrenz zu betrachten. Ein Sekundenstopp bei gezogener Krone, 28.800 bph (flüssig schleichender Sekundenzeiger!) und eine Gangreserve >42 Stunden zeichnen das ausgereifte Werk aus. Auch bei der Einregulierung hat LÜM-TEC seine Hausaufgaben gemacht: Die Ganggenauigkeit beträgt hervorragende -1 Sekunde pro Tag.

Eher unspektakulär ist der Blick durch den Glasboden der LÜM-TEC B19 Combat Bronze: Der Rotor ist komplett undekoriert. Ein schick gravierter Stahlboden wäre in diesem Fall meiner Meinung nach die bessere Wahl gewesen.

LÜM-TEC B19 Combat Bronze Military Uhr Caseback
Tut seinen Dienst zuverlässig, aber in zweckmäßiger Optik: Das Miyota 9015 der LÜM-TEC Bronze Combat B19

LÜM-TEC B19 Combat Bronze Military Uhr Saphirglasboden

Neben der (ganz gut verarbeiteten, aber nicht massiven) Box in Holz-Optik und Papieren liegen der LÜM-TEC B19 Combat Bronze noch satte drei Gratis-Zulu-Durchzugsbänder mit Bronze-Ringen bei. Für eine Uhr in der Preisklasse keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Dennoch hätte man das weiße Zulu meiner Meinung nach auch weglassen können – die Kombination grenzt meiner Meinung nach leider doch etwas an Geschmacksverirrung 😉

So richtig das Bedürfnis das Band zu wechseln hatte ich aber ohnehin nicht: Das weiche und gut verarbeitete Echtlederband mit bronzefarbenen Nieten, farbig passender Naht und der Bronze-Schließe gibt kaum Anlass für einen Bandwechsel…

LÜM-TEC B19 Combat Bronze Military Uhr Schließe Lederband

… und das, obwohl der Bandwechsel dank Schnellverschlusssystem innerhalb kurzer Zeit erledigt ist. Für alle, die das Schnellverschlusssystem noch nicht kennen, habe ich weder Kosten noch Mühen gescheut gehabt, um euch diese beeindruckende Visualisierung zu präsentieren (Photoshop-Skills: u(h)rig):

LÜM-TEC B19 Combat Bronze Military Uhr Steg Schnellverschluss

Übrigens: Denselben Schnellverschluss findet ihr auch bei der von mir getesteten Ballast 1903 Trafalgar. Schade, dass sich das System noch nicht großflächig bei anderen Uhrenmarken durchgesetzt hat – der eine oder andere Bandwechsel-bedingte Kratzer an den Hörnern wäre meiner kleinen Uhrensammlung damit sicher erspart geblieben.

Bezugsmöglichkeiten und Alternativen zur LÜM-TEC Combat B19 Bronze-Uhr

Die LÜM-TEC Combat B19 Bronze ist beim europäischen LÜM-TEC-Distributor KB TIME für 833€ zzgl. Versand erhältlich. Satte 4 Jahre Garantie gibt es obendrauf. In Anbetracht der durchgängig hohen Qualität der Bronze-Uhr (insbesondere Leuchtkraft, Gehäuseverarbeitung und Ganggenauigkeit) ist das ein durchaus fairer Deal.

KB Time ist übrigens nicht nur Distributor, sondern auch internationales Service-Center für die Marke LÜM-TEC sowie Omega und Rado (!).

Stand Juli 2017 sind noch zwei weitere Varianten der LÜM-TEC Combar Bronze-Uhr erhältlich: Mit schwarzem Ziffernblatt und braunem Lederband (Combat B18) sowie mit braunem Ziffernblatt und braunem Zulu-Durchzugsband (Combat B31). Die drei Gratis-Zulu-Bänder in weiß, schwarz und grün liegen auch diesen Varianten bei.

LÜM-TEC-Combat-B18-19-31_Bronze-Uhr-Comparison-Vergleich
Bild: LÜM-TEC

Lasst euch beim Stöbern auf der Seite von KB TIME nicht von den (teilweise unfreiwillig komischen) Deutsch-Übersetzungen abschrecken: Der offizielle Händler ist in Europa definitiv die sinnvollste Möglichkeit, Uhren der Marke LÜM-TEC zu beziehen – die Preise sind fast 1:1 identisch mit denen der US-amerikanischen LÜM-TEC-Seite und der Versand ist mit 10€ absolut im Rahmen.

Bronze-Zeit! In diesem Artikel habe ich vor einiger Zeit viele Bronze-Modelle recherchiert, die definitiv einen Blick Wert sind – wer es also auf Bronze-Modelle anlegt, kann sich hier durchklicken bis die Maushand Lähmungserscheinungen zeigt.

Allerdings: Es gibt leider nicht allzu viele Militär-Uhren mit Bronze-Gehäuse. Erwähnenswert ist aber z.B. die Steinhart Triton Military Bronze, die für faire 690€ eine etwas modernere Optik bietet als die LÜM-TEC B19 Combat…

Steinhart Triton Military Bronte 30atm
Steinhart Triton Military Bronze, Bild: Steinhart
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THOR
3 Monate zurück

Hi Mario,
…Die kannelierte Lünette in Bronze gefällt mir Gut!
Es ist nur leider bei Bronze der Nachteil,das es schwierig wird,
die passende”Hardware”zu finden!
…Im Zweifelsfall kann man mit schwarzer PVD-Hardware den Charakter
der Bronze hervorheben!
Eine”Zwiebelkrone fände ich auch zur Lünette passender! 😉
LG
THOR

P
3 Jahre zurück

Great Review. Great watch, I own one myself. However, Motorhead are not an American band, they are British! Lemmy (an Englishman raised in Wales) invented the ‘Metal Umlut’ even suggesting that guitarist Wurzel (named after a well known scarecrow from British children’s stories) should add an umlut to his ‘u’. 🙂