Der Schriftsteller Max Frisch stellte bereits 1966 folgende Frage in seinem Buch “Fragebogen”: „Wenn Sie einen Menschen in der Badehose treffen und nichts von seinen Lebensverhältnissen wissen: Woran erkennen Sie den Reichen?“ Eine Antwort gab Max Frisch nicht. Der geneigte Uhren-Freak sagt aber natürlich wie aus der Pistole geschossen:
Na, an seiner wasserdichten Luxus-Taucheruhr natürlich!
Aber Spaß bei Seite (zumindest kurz): Glaubt man vielen Stimmen im Internet, kann ein Mann nur mit zwei Dingen protzen: Mit einer Uhr und einem Auto. Ein italienischer Spruch erweitert diese Liste noch um die Frau an der Seite des Mannes.
Auch eine alte Sparkassen-Fernsehwerbung spielt mit diesen klassischen Statussymbolen:
Da das Auto mit zunehmender Diskussion um Feinstaubalarm und Fahrverbote dem geneigten Angeber immer stärker madig gemacht wird, bleibt jedenfalls nicht mehr allzu viel übrig, mit dem “Mann” zeigen kann wie (beruflich) erfolggekrönt/wohlverdienend/toll er ist. 😉
Es ist ja auch irgendwie eine Unverschämtheit: Selbst modernste Konferenz- bzw. Meeting-Räumlichkeiten verfügen nicht über eine Einfahrrampe für den geliebten 300PS Sportboliden oder zumindest ein Sichtfenster zum Parkplatz inklusive Namensschild. Eine echte Marktlücke (Patent angemeldet!).
Die Uhr als Statussymbol: Von Elitepartnern und Luxus am Handgelenk
Ich wurde ein ums andere mal schon schief angeschaut, wenn meine Rolex Submariner oder meine Breitling doch mal als solche identifiziert wurde (sehr oft kommt das aber nicht vor). Allzu leicht schwingt grade bei diesen Marken leider der Proll-Effekt mit. Und ich gebe zu: Als Uhren-Freak werde ich nicht gerne darauf reduziert, dass ich mit meiner Uhr ja nur meinen Status zur Schau tragen wolle (wie auch immer der sein soll).
Im weiteren Gespräch zieht auch der Hinweis auf die Qualität und die lange Geschichte von Submariner & Co. meistens nicht – oft genug ernte ich nur ein kritisches “Ist die überhaupt echt?“. Erst, wenn ich meine Leidenschaft für Uhren und meiner Tätigkeit als Blogger als Zusatzinfo hinterherschiebe, hellt sich die Mine des Gegenübers in der Regel etwas auf. Man sieht förmlich das Klicken im Kopf: “Ahhh, der will nicht posen, sondern Uhren sind sein Hobby“. Richtig erkannt, Sherlock!
Beim feierabendlichen, sinnlosen rumgoogeln, bin ich vor kurzem zufällig (echt jetzt, Schatz!) auf das Elitepartner-Forum gestoßen – ihr wisst schon: Singles mit Nivea und so. Im Elitepartner-Forum jedenfalls finden sich Threads wie “Achtet ihr beim Daten auf die Uhr eures Gegenübers?”. Der Threadstarter – natürlich ein Mann – fragt:
Fällt es euch auf, ob jemand nur eine ‘Seiko Quarz’ oder eine Luxusuhr trägt? Ist euch das wichtig? Und falls ja, kann man bei Uhren – anders als bei Autos – auf den Menschen schließen der sie trägt?
Die Reaktion der Frauenwelt blieb natürlich nicht aus. Der Tenor: Natürlich ist die Uhrenmarke nicht wichtig und wird seltenst überhaupt wahrgenommen. Das Gesamtbild müsse stimmen und es käme nur auf die inneren Werte an! Nur allzu protzig dürfe die Uhr dann auch nicht sein. Ein “Elitepartner” plaudert aus dem Nähkästchen:
Ein Date erzählte mir, dass ein Uhrensammler seine Uhr ganz toll fände. Ich sah sie an und meinte, dass ich mich bei Uhren nicht auskenne, seine Uhr aber schön und schlicht fände. Er wollte unbedingt, dass ich die Marke lese und wegen meiner Kurzsichtigkeit musste er sie mir vorlesen. Fand ich sehr affig von ihm und habe dann gegoogelt. Die muss wohl zwischen 6000 und 12000 Euro kosten.
Er himmelte auch sein Auto an, das vor dem Restaurant stand. Es war ein BMW Kombi, finde ich ganz normal und sagte das auch. Er schwärmte im Lauf des Dates auch von seinem grossen Schlafzimmer. Hat mich nicht dazu bewogen, es zu besichtigen.
Keine Überraschung: Angeber kommen nicht besonders gut an…
Aber ob die Frauen im Elitepartner-Forum nicht vielleicht doch ein klein wenig flunkern? Die FAZ schreibt in einem Artikel über Luxus am Handgelenk:
Wie wichtig dem Mann seine Uhr ist, wissen auch Frauen. In Umfragen geben sie zu, dass sie oft vom Zeitmesser auf den Status des Trägers schließen.
Also doch! Oder? Zumindest männliches Alphatier-Gehabe ist wohl tatsächlich in 99% der Fälle höchstens für Lacher gut:
[Frauen] finden dieses Geprotze am Arm jedoch eher peinlich und tragen selbst selten großspurige Modelle. Jedenfalls bisher. Karriereberater sagen, Frauen legten allgemein weniger Wert auf Statussymbole. Sie dächten auch eher praktisch, fänden Uhren am Handgelenk oft störend oder zu schwer […].
Die Uhren und Statussymbole der Schönen, der Reichen und der ganz schön Reichen
Über die Außenwirkung einer Uhr ist der Siemens-Konzern vor einiger Zeit gestolpert: Beinahe legendär ist schon die Geschichte um den damaligen Chef Klaus Kleinfeld, welcher für Pressebilder lässig mit seiner Rolex posierte, kurz nachdem Profitrekord und Stellenabbau fast in einem Atemzug kommuniziert wurden. Irgendwie ungünstig, dachte man sich bei Siemens – so kam man auf die glorreiche Idee, die Rolex kurzerhand wegzuretuschieren. Die Begründung: Die Rolex sei “visuell überbetont” und zu “dominant”. Der Verantwortliche war schnell gefunden: Ein “handwerklicher Fehler des Fotografen” sei das alles. Das Ergebnis ist ein astreines Wimmelbild:
Penny Stock #Alcoa $AA (-2.91%) #CEO Klaus Kleinfeld, working hard on it’s battered image, removes Rolex @indexhu pic.twitter.com/cawCifagEI
— Andreas Cseh (@andreascseh) 15. Oktober 2015
Lloyd Blankfein, CEO der amerikanischen Bank Goldman Sachs, der sicherlich auch nicht am Hungertuch nagen muss, lässt es mit seiner bodenständigen Swatch-Sammlung gar nicht erst auf solche Probleme ankommen. Auch François Hollande wurde schon oft mit einer Swatch am Arm gesichtet. Donald Trump sieht das Ganze naturgemäß etwas lockerer: Klammert man seine eigene Trump-Quartz-Kollektion mal aus, kommen an seinen mächtigen Arm natürlich nur feinste, vorzugsweise goldene, Zeitmesser von Rolex, Vacheron Constantin & Co. – warum eigentlich keine schnieke Bulova o.Ä. (Hauptsitz in New York)? “America First” hat wohl offenbar doch dort Grenzen, wo das Donald’sche Luxusverständnis anfängt…
Trump selling watches in Manhattan. #GOPDebate pic.twitter.com/953YtZC0yf
— Ben Greenman (@bengreenman) 26. Februar 2016
Tatsächlich eignet sich der penetrant zur Schau gestellte Luxus in unserem Kulturkreis zunehmend nur noch zur Belustigung auf RTL II & Co. (Die Geissens lassen grüßen). Understatement lautet die Devise! Man schaue sich nur mal einen Mark Zuckerberg an, der schätzungsweise 100 seiner grauen, kurzärmeligen T-Shirts im Schrank hängen hat und meistens so aussieht als laufe er grade ins Fitnessstudio.
Etwas übertrieben formuliert ist heute der CEO vom Praktikanten optisch kaum noch zu unterscheiden – die typischen Insignien der Macht gelten als verpönt, ja sogar vulgär. Der Vermögensforscher Thomas Druyen sagt:
Selbstdarsteller erlebe ich vorwiegend unter Reichen mit einem Vermögen im einstelligen Millionenbereich. Man könnte auch sagen: Je erfolgreicher und finanziell unabhängiger jemand ist, desto unwichtiger werden die klassischen Geltungssymbole. Im Zweifel setzen Menschen, die es sich leisten können, heute eher auf einen dezenten Maßanzug und rahmengenähte Schuhe als auf großflächige Logos und protzige Accessoires.
Die echten Statussymbole sind heutzutage nicht käuflich: In einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2013 sind in den Top 10 der Begehrlichkeiten Neun immaterieller Natur – allen voran Zeit für sich selbst zu haben. In diesem Zusammenhang ist der Trend eindeutig: Das luxuriöse Erlebnis scheint als Statussymbol in den Mittelpunkt zu rücken.
Ist die Uhr als Statussymbol also mausetot? Nein, sagt die Aargauer Zeitung im Rahmen der Vorberichterstattung zur Baselworld 2017 – die Hersteller müssen ihre Marken nur anders ausrichten, um Erfolge verbuchen zu können:
Aber damit sei der plakative Ort des Status am Handgelenk nicht dem Untergang geweiht. Wer erfolgreich Luxusuhren verkaufen wolle, der müsse eine Geschichte entlang dieser Werte schreiben, die der Besitzer weitererzählen kann. Die Entstehungsgeschichte einer kleinen Manufaktur im Jura etwa, die die letzten Arbeitsplätze in der Feinmechanik sichert und nur hochwertigste Rohstoffe verwendet.
Und da ist sie wieder: Die Historie rund um Marken und Modelle, die meiner Meinung nach unabdingbar für nachhaltigen Erfolg ist. Die Dauerbrenner Omega Moonwatch, TAG Heuer Carrera, Breitling Navitimer & Co. machen es vor. Aber auch in Nischen können Uhrenhersteller mit einer langen Markenhistorie durchaus Erfolge verzeichnen – man denke z.B. an die Traditionshersteller Laco, Guinand oder Hanhart, die allesamt beachtenswerte Qualität in Kombination mit einer spannenden Geschichte bieten.
Kurzum: Der Status-Gedanke rund um (Luxus-)Uhren wird schlicht und ergreifend nicht dem Aspekt gerecht, dass sich viele Uhrenverrückte einfach nur mit dem (oftmals geschichtlich geprägten) Markenimage einer Uhr identifizieren. In vielen Fällen mag das nun mal auch eine vermeintliche Poser-Marke wie Breitling sein – eine der historisch spannendsten Fliegeruhrenmarken überhaupt. In manchen Fällen sind es aber auch o.g. Nischen-Marken, die in freier Wildbahn kaum jemand erkennt, an denen sich der Uhrenverrückte beim Anlegen aber dennoch regelmäßig ein Loch ins Knie freut…
So oder so: Eine Uhr ist und bleibt natürlich in jedem Fall Luxus – wer braucht schon im Smartphone-Zeitalter eine, um die Uhrzeit abzulesen? Und eine teure Uhr braucht man natürlich noch weniger. Der Chef von A. Lange & Söhne, Wilhelm Schmid, sagt dazu aber klipp und klar:
„Bei unseren Zeitmessern zeigt sich ein schönes Paradox: Man will sie, weil man sie nicht braucht.“
Mehr über Uhren und Markenimages, gibt’s in diesem Artikel:
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