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Oft schon wurde es totgesagt, das wohl älteste aller “Old School”-Werbeformate: die Messe. Neue Produkte lassen sich heutzutage schließlich auch digital im Internet präsentieren – das ganze Jahr hindurch statt an wenigen Messetagen und das auch noch viel günstiger (ein Messestand auf einer Messe wie der WatchTime Düsseldorf kostet schnell mal mehrere Tausend Euro für wenige Quadratmeter). Dass einstigen Messe-Zugpferden wie der Cebit und der IAA scharenweise Aussteller und Besucher davonliefen, schien vielen als Beleg für die These: Messen sind Schnee von gestern. Auch das Format der klassischen Uhrenmessen galt spätestens seit dem tiefen Fall der Baselworld, von der sich etliche Uhrenhersteller und das “Who is Who” der Haute Horlogerie verabschiedet hatten, als nicht mehr zeitgemäß.

Aber wie sagt man so schön: Totgesagte leben länger. Die Corona-Krise mit den zahlreichen Messe-Absagen hat gezeigt: Man lernt etwas erst richtig schätzen, wenn es plötzlich nicht mehr da ist. In Zeiten des anonymen Internets ist der persönliche Kontakt wichtig wie nie.

Und so verschlug es mich auf die WatchTime Düsseldorf 2022, um neue Kontakte zu knüpfen, alte Kontakte zu pflegen und natürlich Uhren noch und nöcher zu begutachten – wegen Staus aus der Hölle (7,5 Stunden Anreise) leider nur an zwei statt wie geplant drei Tagen. Das trübte aber nicht die Freude daran, dass ich viele tolle Gespräche führen durfte, darunter mit Leon Zihang von ChronoRestore, der seit einiger Zeit die Technik-Ecke von CHRONONAUTIX mit Leben füllt. Oder Tankred, der Kopf hinter dem Microbrand-Shop Chronofactum. Auch Torsten Hahn (Tickender Koch) habe ich nach über zwei Jahren endlich mal wiedergesehen. Übrigens: Torsten veranstaltet Anfang 2023 wieder ein Uhrendinner. Mehr dazu hier.

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Leon Zihang von Chronorestore

Und natürlich bot die WatchTime Düsseldorf 2022 auch die Möglichkeit, auf relativ kompaktem Raum mit vielen verschiedenen Uhren-Herstellern ins Gespräch zu kommen – auch mit solchen, die man wegen (noch) eher geringerer Bekanntheit vielleicht nicht so auf dem Schirm hatte…

Meine Highlights der WatchTime Düsseldorf 2022

Die Watchtime Düsseldorf 2022, die vom 27.10. bis 30.10. in der Rheinterrasse (Joseph-Beuys-Ufer 33) stattgefunden hat, ist der Nachfolger der Munichtime und feierte 2019 Premiere. Gut: Die Messe ist als Endkundenmesse positioniert, sodass (anders als auf der Baselworld) alle Uhren relativ problemlos live angefasst werden konnten – sofern man natürlich auch etwas Geduld mitbrachte, denn teilweise waren die Stände der Hersteller extrem stark frequentiert (zum Beispiel Sinn).

Insgesamt hat es rund 2400 Uhrenfreunde nach Düsseldorf zur WatchTime 2022 verschlagen. Die Uhrenhersteller, mit denen ich auf der WatchTime gesprochen habe, zeigten sich durchgehend zufrieden. 2019 zählte die WatchTime 5000 Besucher. 2021 waren es (vermutlich vor allem wegen der Corona-Auflagen) nur 2000 Besucher. Zum Vergleich: Die Baselworld zählte in den Jahren vor ihrem Tod über 100.000 Besucher – die hatte mit Rolex & Co. aber natürlich aber auch deutlich mehr prominente Publikumsmagneten.

Eine Sache hat die WatchTime aber mit der Baselworld gemeinsam: Die völlig überzogenen Preise für das Essen bei eher durchschnittlicher Qualität. Zum Glück bietet Düsseldorf aber massig Alternativen im kulinarischen Bereich (und leckeres Altbier).

Das Markenangebot auf der WatchTime Düsseldorf zeigt sich auf den ersten Blick nicht grade üppig (ca. 30 Aussteller) – was auch dem eher begrenzten Platz im Gebäude der Rheinterrasse geschuldet ist. Die größeren Namen wie Zenith oder Omega wurden zwar “nur” durch Juweliere vertreten, das macht aber nix, denn Leser meines Blogs wissen, dass ich mich insbesondere mit kleineren Uhrenmarken bzw. -Herstellern und Microbrands beschäftige.

So verschlug es mich unter anderem zu eher kleineren, aber schon seit Jahrzehnten etablierten deutschen Uhren-Marken wie Laco, wo ich das erste mal die Laco Kiel.2 in Augenschein nehmen konnte (Review folgt bald!). Auch ein Besuch bei Circula (siehe Circula ProTrail) und Hanhart war fest eingeplant (siehe auch: Test der Hanhart 417 ES).

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Circula Watchtime 2022 Duesseldorf
Circula-Stand mit dem Bild der Circula ProTrail von CHRONONAUTIX auf der Rückwand
Laco Kiel.2 Watchtime 2022
Laco Kiel.2

Aus der Schweizer Fraktion der größeren und traditionsreichen Hersteller waren unter anderem Fortis (siehe z.B. Test der Fortis Stratoliner) und Titoni (siehe z.B. Test der Titoni Seascoper 600) vor Ort. Von Titoni erwartet uns noch dieses Jahr eine spannende Neuheit (mehr dazu bald auf CHRONONAUTIX). bei Fortis wartet ein mehr als vielversprechender Haupt-Release eines neuen Modells im kommenden Jahr, auf das sicher schon viele Fortis-Freunde gewartet haben.

Auch diverse neue Modelle von Alexander Shorokhoff durfte ich begutachten. Wie gehabt folgen die Designs dem Kredo “Art on the Wrist”, begleitet von beeindruckenden Gravuren:

Einen besonderen Eindruck bei mir hat die Alexander Shorokhoff Shar hinterlassen – eine kugelförmige (!!!) Damenuhr, die das Prädikat genial definitiv verdient (man verzeihe die eher schlechten iPhone-Bilder – eine komplett runde Uhr ist im direkten Messelicht nicht besonders einfach zu fotografieren 😉 ).

Nicht minder beeindruckend waren die Uhren von Minase, die ich erstmalig in den Händen halten durfte: Minase wurde vor fast 20 Jahren von Kyowa Co. Ltd. gegründet, einem japanischen Werkzeughersteller, der seit 1963 im Geschäft ist, sich auf Stufenbohrer spezialisiert (daher auch das stilisierte Logo eines Bohrers) und als Lieferant von hochwertigen Uhrenkomponenten etabliert hat. Minase ist erst seit kurzem auch in Deutschland aktiv und beispielsweise über Chronofactum erhältlich.

Den Minase-Uhren merkt man die Handwerkskunst und die extrem aufwändige Verarbeitung sofort an. Minase zählt beispielsweise zu den wenigen Uhrenherstellern, die noch mit der sehr zeitintensiven „Sallaz“-Politur arbeiten. Die Indexe der Zifferblätter werden als Ring auf die Zifferblattbasis aufgesetzt und mit dem Uhrwerk verbunden – dadurch entsteht der Eindruck, als würden die Indexe schweben.

Wie mir am Messestand erklärt wurde, stammt der Lack für die Zifferblätter aus dem Saft des in Ostasien wachsenden Urushi-Baums (auch: Lackbaum; toxicodendron vernicifluum). Rohes Urushi ist hochgiftig, daher erfordert es große Sorgfalt und mehrere Entgiftungsbehandlungen, um das Harz zu ernten. 

Man beachte auf den Bildern unten vor allem die Saphirglas-Sichtfenster an den Flanken des Gehäuses – irre! Das Innenleben, das dadurch zum Vorschein kommt, kann aber nicht so recht mit dem beeindruckenden Äußeren mithalten: Es handelt sich “nur” um Standard-ETA-Kaliber – die aber sehr schön dekoriert sind.

Eine persönliche Premiere hatte ich auch mit den Uhren der Schweizer Marke belchengruppe, die benannt ist nach der gleichnamigen Bergkette, die sich von der Schweiz nach Deutschland erstreckt (mit jährlich mehr als 300.000 Besuchern zählt der Belchen zu den beliebtesten Ausflugszielen im Südschwarzwald).

Hinter belchengruppe steckt Christoph Schnee: der studierte Industriedesigner wohnt nach einigen Stationen in Deutschland nun seit über 10 Jahren in Basel. Christoph führt dabei ein “Doppelleben”: Neben der Pflege seiner Uhrenmarke ist er auch im Produktmanagement bei einer Versicherung in Basel tätig.

Was man bei belchengruppe sofort entdeckt ist ein hochgradig eigenständiges, äußerst gefälliges und stringentes Design. Ins Auge stechen vor allem die orangen Akzente und das kantig-moderne Gehäuse.

Auch völlig neue Modelle im Prototypen-Stadium durfte ich bei diversen Herstellern begutachten, zum Beispiel bei Formex. Leider darf ich diese hier (noch) nicht zeigen – mit einer kleinen Ausnahme: Die Taucheruhr Tiefsee von der Marke VANDAAG, die von den beiden hochsympathischen Nordlichtern Tim und Malte gegründet wurde, bekommt neue Zifferblattvarianten spendiert (erhältlich ab Januar 2023). Die Tiefsee soll weiterhin mit dem Miyota 821A kommen, damit der Preis von 399€ gehalten werden kann.

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Neben dem klassischen Besuch der Stände der Uhrenhersteller konnte man auch einigen Podiumsdiskussionen lauschen. Diese waren zwar größtenteils mit spannenden Rednern besetzt, zum Beispiel mit dem CEO von Fortis, – die Themen waren aber größtenteils meiner Meinung nach leider aus der Kategorie “schon tausend mal durchgelutscht” und ziemlich weichgespült (z.B. “Uhren als Wertanlage” oder “Rolex: Streben nach Perfektion”). Gähnfaktor: Hoch. Warum man keinerlei aktuelle Themen wie Lieferengpässe oder Inflation aufgreift und wie die Hersteller damit umgehen bzw. darauf reagieren, bleibt wohl das Geheimnis der Ebner Media Group, welche die WatchTime organisiert.

Nichtsdestotrotz ist die WatchTime Düsseldorf definitiv einen Besuch wert – mein Besuch im kommenden Jahr ist jedenfalls wieder fest eingeplant.

Watchtime 2022 Programm
Das Rahmenprogramm der WatchTime Düsseldorf 2022

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Frank T. aus MZ
2 Jahre zurück

Die Ausstellerliste der “Presseschau”, die an diesem Wochenende in Wien stattfindet, hat mich mehr angesprochen. Aber Wien liegt bei mir leider nicht “um die Ecke”.

Uhrsupator
2 Jahre zurück

Hi Mario,

Danke für den tollen Messebericht.
Sollte die Vandaag mit den gezeigten Armband angeboten werden ist das eine echte Überlagung wert finde ich.
Grüße
Uhrsupator