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Früher war mehr Farbe! Wenn Oldtimerfans zusammenkommen, wird schnell klar: Viele Neuwagen der 60er und 70er waren quietschbunt. Und dass auch Uhren mit Zifferblättern in kräftigeren Farben gut ankommen, ist spätestens seit dem Tiffany-Hype kein Geheimnis mehr. Kein Zufall also, dass die UNION Uhrenfabrik aus Glashütte/Sa. im Rahmen der vielzähligen Partnerschaften mit Oldtimer-Rallyes kürzlich fünf neue Modellvarianten der Noramis Datum herausgebracht hat, die in Zifferblattfarben kommen, die sich an vor einigen Jahrzehnten gängigen Autolacken orientieren – und dieses neue Modell schauen wir uns hier am Beispiel der Farbe Positanogelb im Detail näher an…

Eckdaten UNION GLASHÜTTE Noramis Datum:

  • Kaliber UNG-07.S1 mit 60 Stunden Gangreserve und Silizium-Unruhspiralfeder
  • Gehäuse aus Edelstahl 316L
  • Durchmesser 40 mm
  • Horn-zu-Horn 48 mm
  • Höhe 10,4 mm
  • Gewicht (am Lederband): 81 Gramm
  • Super-LumiNova
  • Saphirglas, „box shaped“, beidseitig entspiegelt
  • Wasserdicht bis 10 bar / 100 m
  • Kalbsleder-Armband, beige, Doppel-Faltschließe mit zwei Drückern, Bandanstoß 21 mm
  • Listenpreis: 2400€, direkt bei UNION Glashütte oder diversen Fachhändlern
  • Referenzen:
    • D016.407.16.367.00 positanogelb
    • D016.407.16.427.00 bahiarot
    • D016.407.16.047.00 kornblumenblau
    • D016.407.16.097.00 oldtimergrün
    • D016.407.16.087.00 graphitgrau
Union Glashuette Noramis Datum gelb bunt 2023 Test 10

UNION Glashütte Noramis Datum Positanogelb auf der Hebebühne

Der Opel Kadett C in Kaschmirgelb, der VW Käfer in Himmelblau oder der Ford Capri in giftigem Le Mans-Grün: Wer sich Autos der 60er und 70er Jahre anschaut, stellt schnell fest, dass Menschen, die sich damals für einen Neuwagen entschieden haben, offenbar keine Scheu davor hatten, ein Auto in knalligen Farben zu fahren (anders als in der heutigen Zeit, in der – zumindest in Deutschland – dezente Farben wie Grau/Silber, Schwarz und Weiß die Zulassungsstatistiken dominieren). Kein Zufall: die späten 60er und die 70er waren eine Zeit des radikalen Umbruchs, Flowerpower bestimmte das flippige Lebensgefühl – und dieser Zeitgeist färbte auch auf die Welt der Autos ab. Aber auch technische Fortschritte machten das möglich: die Verbreitung der Zweikomponenten-Acryllacke half ebenfalls beim Ausfächern der Farbtabelle.

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VW Golf-Werbung aus 1978; Der VW Golf ist ein Kind der 70er Jahre. Die Blech gewordene Vernunft sollte zur heiß geliebten Auto-Ikone der Deutschen aufsteigen.

Und genau diese knallbunten Lacke der 60er und 70er überführt UNION in die neuen Varianten der Noramis Datum – mit entsprechend passenden Namen: So kennen Oldtimerfans die Farbe Positanogelb der in diesem Artikel näher beleuchtete UNION Glashütte Noramis Datum Referenz D016.407.16.367.00 vielleicht vom Fiat 500 L, der Ende der 1960er mit gleichnamigem Lack erhältlich war. Fun Fact am Rande: Der erste Fiat 500 trug den Beinamen „Nuova“ (= Neuigkeit) – 0,5 Liter Hubraum und grade mal 13 PS Leistung schossen die „Knutschkugel“ bis auf 85 km/h.

Union Glashuette Noramis Datum gelb bunt 2023 Test 21

Das Tolle an Positanogelb ist jedenfalls meiner Meinung nach, dass der Farbton nicht quietschgelb wie eine Badeente ist, sondern ins Orange-Braune geht – ein bisschen wie die gemusterten Tapeten der 70er. Man könnte auch sagen das Gelb ist recht stark gesättigt und erinnert dadurch an einen Sonnenuntergang oder wahlweise auch das Gelb vieler mediterraner Häuser in der gleichnamigen Stadt Positano.

Neben Positanogelb gibt es die neue Noramis Datum in vier weiteren Farben, die an die typische Farbgebung von alten Porsche-Fahrzeugen, aber auch anderer Automarken erinnert: Bahiarot (UNION-Ref. D016.407.16.427.00) war eine typische Farbe des 70er Jahre Porsche 911 T, Kornblumenblau (D016.407.16.047.00) findet man beim BMW 501 V8, auf Graphitgrau (D016.407.16.087.00) trifft man beim Mercedes-Benz 190 SL und ein sattes Oldtimergrün (Ref. D016.407.16.097.00) sieht man oft beim 1963 in Paris vorgestellten Jaguar S-Type 3.4.

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Dass sich UNION Glashütte hier an der Farbpalette bekannter Oldtimer bedient, ist kein Zufall: Der ursprünglich 1893 von Johannes Dürrstein gegründete Uhrenhersteller zeigt seit vielen Jahren gern Flagge bei rollenden Automuseen wie der Paul Pietsch Klassik, der Sachsen Classic oder der Silvretta Classic im österreichischen Montafon-Tal. Letztere beispielsweise ist eine der beliebtesten Rallyes für klassische Autos bis zum Baujahr 2002, bei der 2022 als ältestes Auto ein Bentley 4 ½ Litre aus dem Baujahr 1929 an den Start ging.

Union Silvretta Klassik

Bei den Stunden-Ziffern und -indizes der neuen UNION Glashütte Noramis-Modelle handelt es sich um applizierte Elemente aus silberweiß hochglänzendem Chrom, die dem Zifferblatt eine plastischere, hochwertige Optik verleihen. Super-LumiNova befindet sich dabei auf den Zeigern und in homöopathischer Dosis auf 12-3-6-9 Uhr, innerhalb der außenliegenden Minuterie.

Man beachte auf den Nahaufnahmen unten auch die tolle Detailverarbeitung, insbesondere der angewinkelten, dreieckigen Indizes, die sich mit den Stundenziffern abwechseln sowie den dezenten metallischen Ring im Innenbereich. Schade: eine angepasste Datumsscheibe in der Farbe des jeweiligen Zifferblattes wäre meiner Meinung nach noch das i-Tüpfelchen gewesen.

Vor allem die Chrom-Appliken passen thematisch perfekt: Es gab einmal eine Zeit, da war Plastik verpönt im Automobilbau, weshalb zur optischen Aufwertung Neuwagen damals noch allerlei Zierrat aus Chrom verpasst bekommen haben: Stoßstangen, Außenspiegel, Scheibenrahmen – Chrom war quasi sowas wie das Lametta der Autodesigner. Heute gehört auf Hochglanz polierter Chrom für Oldtimer-Liebhaber zu den liebsten Komponenten.

Union Glashuette Noramis Datum gelb bunt 2023 Test 31

Da UNION dem Saphirglas der neuen Noramis eine Antireflexbeschichtung an Ober- und Unterseite spendiert hat, kommen all die genannten Details wunderbar zur Geltung. Das Saphirglas ragt dabei deutlich über die schmale Lünette heraus und sorgt dadurch für schicke perspektivische Verzerrungen (sogenanntes “Box-shaped” Glas; siehe Bild unten).

Das Glas bewegt sich dadurch optisch nah an den gewölbten Plexigläsern, die ab den 1930er Jahren bei Uhren verbaut wurden. Bis in die 1960er Jahre waren diese Gläser beliebt, da sie robust bzw. schlagfest, leicht und kostengünstig in der Produktion waren und eine schicke Optik boten. In den 1970er Jahren wurden sie allmählich von synthetischen Saphirgläsern abgelöst, die kratzfester sind und eine wesentlich höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber Abnutzung aufweisen.

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Mit einem Durchmesser von 40 mm (Horn-zu-Horn = 48 mm), einer angenehm schmalen Höhe von nur 10,4 mm inklusive Glas (dank der überaus flachen Konstruktion des Basiskalibers ETA 2892; dazu gleich mehr) und auch wegen der durchgehend polierten Oberflächenbearbeitung wirkt die Noramis Datum eher filigran. Gleichzeitig passen insbesondere die Farben Positanogelb, Bahiarot und Oldtimergrün eher zu T-Shirt und Jeans, die Farben Kornblumenblau und Graphitgrau auch zur Abendgarderobe. So oder so: Die Präsenz des Modells am Handgelenk ist in jedem Fall hoch – und zwar nicht nur wegen der Farben, sondern auch, weil die Uhr an sich wegen der schmalen Lünette größer wirkt, als es die 40 mm vermuten lassen.

Gut: Die Wasserdichtigkeit des Gehäuses ist mit 10 bar bzw. 100 Meter in einem absolut alltagstäglichen Rahmen – die Uhr darf sogar beim Schwimmen am Arm bleiben (vorher sollte man aber das Band wechseln). Das ist (leider) keine Selbstverständlichkeit für eine Uhr dieses Typs, auch nicht in der Preisklasse von >2o00€ (siehe NOMOS Tangente im Vergleich).

Auf den dank der kompakten Gehäusedimensionen ohnehin sehr hohen Tragekomfort zahlt auch das extrem flexible und weiche, beigefarbene Kalbs-Lederband ein, das mich aufgrund seiner eher gröberen Narbung spontan an Ledersitze erinnert hat (sicherlich kein Zufall). Zum Einsatz kommt eine bandschonende Doppel-Faltschließe mit zwei Drückern, die im Innenbereich mit einem schicken Wolkenschliff kommt. Kleiner Wermutstropfen: Der Anstoß beträgt krumme 21mm, was die Bandauswahl bei Drittanbietern deutlich erschwert.

In den neuen Noramis Datum-Modellen tickt das Kaliber UNG-07.S1, dessen Konstruktion auf dem zuverlässigen und robusten Schweizer Kaliber 2892-2 von der Konzernschwester ETA basiert. Erwähnenswert hierbei ist, dass UNION – anders als viele andere Hersteller – nicht etwa vorgefertigte Rohwerke von der ETA SA erhält, sondern ausschließlich einzelne Komponenten, die vor Ort bearbeitet, veredelt und montiert werden. Bestimmte Einzelteile, beispielsweise der Rotor mit seinem charakteristischen, skelettierten „UNION“-Schriftzug oder die Dreiviertelplatine, werden vollständig in Glashütte hergestellt. In der Regel ist jeweils eine Uhrmacherin bzw. ein Uhrmacher für ein Werk zuständig. Diese nehmen auch die Veredelungsarbeiten wie den Glashütter Streifenschliff (das Pendant zu den Genfer Streifen) im Wesentlichen von Hand vor.

UNION Glashütte spendiert dem in der neuen Noramis verbauten UNG-07.01 eine deutlich verbesserte Gangreserve von 60 Stunden (gegenüber 42 Stunden bei der Basisversion des 2892-2). Um die höhere Gangreserve zu erzielen, hat UNION die Frequenz leicht reduziert, und zwar von 28800 auf 25200 Halbschwingungen pro Stunde. Dadurch schleicht der Sekundenzeiger – bei genauem Hinsehen – nicht ganz so flüssig wie man es von der Basisversion des ETA 2892 kennt. Faktisch fällt das allerdings quasi nicht auf.

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In der Kaliber-Bezeichnung fällt ferner das „S1“ in „UNG-07.S1“ auf – entsprechend huschte mein Blick schnell in Richtung der Spezifikationen im Datenblatt. Und tatsächlich: Anders noch als bei der UNION Glashütte Paul Pietsch-Edition haben nun auch die neuen bunten Dreizeiger-Varianten der Noramis eine Unruhspiralfeder aus Silizium spendiert bekommen. Auch beim Blick durch den Saphirglasboden macht eine kleine goldfarbene „Si“-Plakette auf dieses technische Feature aufmerksam:

Die Entwicklung der Silizium-Spiralfeder war ein echtes Mammutprojekt, das gemeinsam von den Branchenriesen Patek Philippe, Rolex, der Swatch Group (Omega, Glashütte Original, UNION Glashütte etc.) und dem CSEM SA (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) gestemmt wurde. Und das Ergebnis kann sich absolut sehen lassen: Die Silizium-Spirale ist nun seit einigen Jahren etabliert und das absolute i-Tüpfelchen bei mechanischen Kalibern bzw. in hochwertigen Uhren, da das Material viele Vorteile gegenüber klassischen Unruhspiralen aus Legierungen wie Nivarox mitbringt, darunter insbesondere ein gleichmäßigeres Schwing-Verhalten, Korrosionsfestigkeit, Stoßfestigkeit und vor allem eine Unempfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern – all das unterstützt eine langfristig hohe Ganggenauigkeit.

Mehr: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag

Fazit zur neuen UNION Glashütte Noramis Datum

Die knalligen Farben der neuen Noramis-Modelle passen nicht nur thematisch – auch im Allgemeinen tut das neue, auffällige, selbstbewusste Erscheinungsbild der Marke UNION sicherlich gut, um einen weiteren Schritt aus dem Schatten der nur einen Steinwurf entfernten Schwester Glashütte Original (ebenfalls Swatch Group) zu machen. Und selbstbewusst kann UNION mit Blick auf die hohe Verarbeitungsqualität, die vielen liebevollen Details und den stringenten Markenauftritt rund um das Thema Oldtimer auf jeden Fall auftreten.

Natürlich wirken die von UNION Glashütte für die Noramis aufgerufenen 2400€ für eine „einfache“ Dreizeigeruhr auf den ersten Blick erst mal ziemlich sportlich. Zur Wahrheit gehört aber auch: Im Vergleich zu anderen Herstellern, die im Herzen der deutschen Uhrmacherkunst Glashütte ansässig sind, ist UNION nach wie vor noch relativ erschwinglich unterwegs (auch nach den inflationsbedingten Preiserhöhungen bei quasi allen Herstellern in den letzten Monaten). Unruhspiralfedern aus Silizium sind außerdem recht aufwendig und damit teuer zu produzieren – die Herstellung erinnert an die Produktion von Microchips. Auch das erklärt einen Teil des Preises bzw. den Aufpreis zu manchem Wettbewerber in unmittelbarer Nähe im Cluster Glashütte, der diese Technologie nicht einsetzt bzw. einsetzen kann.

Union Glashuette Noramis Datum gelb bunt 2023 Test 11

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Peter
9 Monate zurück

Hallo Mario,
ich habe mir die Uhr gekauft. Nicht für 2.400 Euro aber wegen der Farbe und des Uhrwerks. Dem Artikel kann ich zustimmen. Schöne Uhr. Tolle Farben. Halt was für mutige Uhrenträger. Die Uhr ist angenehm zu tragen und durch die geringe Bauhöhe m.E. auch nicht so anfällig gegen Kratzen.
Mich würden noch die Gangwerte interessieren. Ich habe bei meiner Uhr + 5 Sekunden über mehrere Tage festgestellt. Die Werte auf der Zeitwaage können sicher davon abweichen. Wenn ich den Hebewinkel wüsste kann ich selber messen. Kannst du helfen?
Beste Grüße
Peter

Andreas
1 Jahr zurück

Hallo Mario,

eine Siliciumspirale ist bei ETA inzwischen fast Standart und als Powermatic 80 Si schon in Uhren für um die 1000€ zu bekommen.

Peter
1 Jahr zurück

Ich habe aufgehört zu lesen als ich beim Preis angekommen bin. 2400 Euro ist einfach nur noch bescheuert und so mancher Hersteller hat den Schuss einfach noch nicht gehört.

Frank T. aus MZ
1 Jahr zurück
Antworten...  Peter

Da muss ich Peter zustimmen, beim wahnwitzigen Preis bin ich ebenfalls ausgestiegen.

@Mario: MÜHLE NAUTISCHE macht auf maritim und funktionell mit Glashütter Flair. Imo trifft es das nicht. Angeboten wird Hausmannskost zu sehr ambitionierten Preisen.

NOMOS bietet auf den ersten Blick preisgünstige Manufakturwerke. Auf den zweiten oder dritten Blick realisiert man, dass es Werke mit nur 21,6 k BPM-Taktung sind. Unterm Strich gehen die Preise beim „Grauen“ für mich jedoch halbwegs in Ordnung. In Punkto „Bauhaus“ wäre dennoch STOWA für mich die erste Wahl mit langer Bauhaus-Historie.

Schönes Wochenende, hau rein‘ ;-), lieber Mario,
Gruß, Frank