Aachener Printen, Pflümli, Weihnachtsleberwurst & Co. – in der westlichsten Stadt Deutschlands im Dreiländereck zu Belgien und Niederlande gibt’s viele Leckereien zu schnabulieren (na, wer kommt da schon in Weihnachtsstimmung?). Weniger schmackhaft waren die Monate während des Corona-Lockdowns als die Zeit für den Einzelhandel über ein halbes Jahr lang still stand. Viele Geschäfte haben das nicht überlebt. Auch Uhrmachermeister Uli Kriescher aus Würselen (bei Aachen) musste sein Geschäft schließen – immerhin konnte er aber die Arbeit in seiner Uhrmacherwerkstatt fortsetzen. Uli, der bereits in der dritten Generation Uhren verkauft, repariert und revidiert, nutzte die Zeit im Corona-Lockdown darüber hinaus, um die ersten eigenen Uhren herzustellen…
Kriescher 1929 Modell „Peter“:
- Durchmesser 40 mm (ohne Krone)
- Höhe 11,4 mm
- Horn-zu-Horn 45 mm
- Bandbreite 22 mm
- Gehäuse aus Edelstahl, poliert
- verschraubter Boden mit Sichtfenster
- Schweizer Kaliber STP 1-11
- Canvasband in verschiedenen Farben
- Preis: 695€
- Erwerbbar bei aachener-uhrenmanufaktur.de oder im Ladengeschäft: Uhrmachermeister Kriescher, Kaiserstr. 104, 52146 Würselen
Kriescher 1929: Ulrich Kriescher im Interview
Uli Kriescher ist als Uhrmachermeister (und – kein Scherz – Hofuhrmacher des Prinzen von Merode) spezialisiert auf die Restaurierung von antiken Großuhren sowie die Reparatur hochwertiger Armbanduhren, insbesondere der Marke Rolex und Vintage-Modelle im Allgemeinen. Einen Einblick in seinen Alltag gibt Uli in seinem Blog mit Schwerpunkt Revision von Vintage-Uhren.
Über seine Blog-Präsenz schaffte er es sogar ins Fernsehen: Bekannt ist Uli Kriescher aus seinen Auftritten in der ZDF-Sendung „kaputt und … zugenäht!“, in der er sich von 2016 bis 2020 zusammen mit anderen Experten um allerlei Dachbodenfunde und liebgewonnene feinmechanische Raritäten kümmerte. Zeit für ein kleines Interview…
Warm-Up: Über Uli Kriescher persönlich
CHRONONAUTIX: Stell dich bitte kurz vor!
Ulrich Kriescher, Uhrmachermeister & Sachverständiger für das Uhrmacherhandwerk, Inhaber eines Uhrenfachgeschäftes mit angeschlossener Uhrmacherwerkstatt in Würselen (2 km von Aachen entfernt).
CHRONONAUTIX: Angenommen du hättest eine Zeitmaschine – in welches Jahr würdest du reisen und warum?
Ich würde genau den 1. November 1929 anpeilen, weil an diesem Tag mein Großvater unsere Uhrmacherwerkstatt gegründet hat.

CHRONONAUTIX: Wenn der Tag 48 Stunden statt 24 Stunden hätte – für was würdest du die zusätzliche Zeit nutzen?
Als Selbstständiger kommt ab und an die Familie etwas zu kurz, aus diesem Grund würde ich mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen.
CHRONONAUTIX: Welchen Tag bzw. welche Uhrzeit wirst du nie vergessen?
11.09.2001 16 Uhr – ich habe versteinert vor dem Fernseher gestanden und habe gesehen, wie das World Trade Center eingestürzt ist. Das Bild hat sich bei mir „eingebrannt“.
CHRONONAUTIX: Wenn du nicht grade Uhren verkaufst, revidierst oder reparierst, dann…
Zeit mit den Kindern verbringen und schwimmen, schwimmen, schwimmen….
Über Kriescher 1929 und den Uhrenmarkt
CHRONONAUTIX: Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf dein Geschäft und wie gehst du damit um?
Ehrlich gesagt habe ich am 18.3.2020 geweint, weil ich nicht wusste, wie es weiter geht. Zwei Tage später habe ich angefangen zu kämpfen und im April 2020 (noch zu Lockdown-Zeiten) den Schritt gewagt selber Uhren zu produzieren.
Ich bin kein Typ, der lange „den Kopf in den Sand steckt“. Eine Situation, wie wir sie aktuell haben, kann auch positiv genutzt werden. Das versuche ich täglich.
CHRONONAUTIX: Was sind/waren die größten Herausforderungen zum Start deiner eigenen Uhren-Kollektion?
Die Idee zu selbst gebauten Uhren hatte ich schon kurz nach der Uhrmachermeisterschule 1998. Das Umsetzen der Idee war aus Zeitmangel bis April 2020 nicht möglich, da man als guter Uhrmacher grundsätzlich volle Auftragsbücher hat.

CHRONONAUTIX: Im Preisumfeld von Kriescher 1929 tummeln sich unzählbar viele Microbrands und wöchentlich kommen neue dazu. Genauso schnell verschwinden viele aber auch wieder von der Bildfläche. Warum sollte sich ein Uhrenfreund grade für Kriescher 1929 entscheiden?
Die meisten Microbrands sind schnelllebig und online-basierend. Das ist bei mir nicht der Fall. Man kann meine Uhren auch über unseren Onlineshop erwerben, aber der Großteil der Uhren wird direkt in unserem Uhrenfachgeschäft verkauft. Sehr oft mit mir persönlich als Verkaufsberater. Das wird geschätzt und wirkt sich extrem auf die Verkaufszahlen aus. Außerdem können wir durch unsere Uhrmacherwerkstatt den Service gewährleisten.
CHRONONAUTIX: Was sind deine wichtigsten Ziele für Kriescher 1929 innerhalb der nächsten drei Jahre?
Mein absolut wichtigstes Ziel ist es selber viel Spaß und Freunde bei der Produktion und dem Verkauf meiner Uhren zu haben. Mehr möchte ich nicht!
CHRONONAUTIX: Wenn man sich so umschaut, entdeckt man immer mehr Smartwatches an den Handgelenken der Menschen. Warum gibt es deiner Meinung nach auch in Zukunft noch mechanische Uhren?
Ich vergleiche meinen Beruf und die mechanischen Uhren immer mit alten Porsche und den Restaurateuren dieser wunderschönen Autos!
- Die Autos benötigt keine Sau
- Sie sind teuer
- Die Reparatur ist aufwendig und kostenintensiv
- Entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Technik
Aber, wenn wir alle ganz ehrlich sind, sind diese alten Karren „absolut geil“. Genauso, wie mechanische Uhren! Dem entsprechend wird es immer einen Markt für mechanische Uhren geben!

Kriescher 1929: Schwarzer, Blauer und Weißer Peter im Hands-On
Schwarzer Peter, Weißer Peter, Blauer Peter – das sind nicht grade übliche Namen für Uhrenmodelle – mit dem beliebten Kartenspiel haben die Kriescher-Uhren aber freilich nichts zu tun: Das Uhrmacherhandwerk gehört zur Familie Kriescher wie Printen zu Aachen – sechs Uhrmacher aus drei Generationen sind aus der Familie Kriescher hervorgegangen. Den Grundstein legte Ulis Großvater Peter bereits während der Weltwirtschaftskrise anno 1929, gegründet nur einen Katzensprung vom heutigen Standort entfernt, in einem Hinterzimmer der Metzgerei des Urgroßvaters.

Stundenziffern in einer klassischen Schriftart, die von einer Eisenbahnminuterie begleitet werden – das Gesicht der Peter-Modelle, das matte Zifferblatt in den Farben Schwarz, Weiß und Blau, ist unaufgeregt-schlicht gehalten und dadurch naturgemäß sehr gut ablesbar.
Charakteristisch ist dabei das „Fadenkreuz“ in der Mitte, das an klassische Vintage-Dresser der 50er, 60er und 70er Jahre wie die Omega Seamaster Cosmic 4650, die Alpina Ref. 100, die Longines Ultra-Chron oder die Jaeger LeCoultre 2285 erinnert. Dem Modell Schwarzer Peter wird durch die rote Farbgebung des Fadenkreuzes eine etwas sportlichere Note verliehen.
Übrigens: Das Zifferblatt stammt von einer deutschen Zifferblattmanufaktur (über die ich hier auf diesem Blog schon mal berichtet habe).



Das Gehäuse ist rundum poliert und wirkt dadurch ebenfalls sehr „dressig“. Mit einem Durchmesser von 40 mm (Horn-zu-Horn: 45 mm) ist das Modell Peter auch für schmalere Handgelenke geeignet – insbesondere, da das Gehäuse durch die nach oben zulaufende Lünette mit seinen feinen Abstufungen sogar noch etwas kleiner wirkt (Zifferblattdurchmesser = ca. 32 mm). Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang beträgt in etwa 19 cm, wodurch die Kriescher 1929 Peter für mich persönlich einen Tick zu klein wäre – aber das ist am Ende des Tages natürlich auch ein Stück weit Geschmackssache (mehr dazu in meinem Artikel über Uhrengrößen).
Auch der Zeigersatz in einer Art abgerundeten Losange-Form ist durchgängig poliert – zumindest bei der schwarzen und bei der blauen Variante der Peter, was gut mit dem Gehäuse harmoniert. Nur beim Modell Weißer Peter sind die Zeiger schwarz lackiert, um den Kontrast zum weißen Zifferblatt und damit die Ablesbarkeit zu gewährleisten.


Der verschraubte Gehäuseboden kommt mit einem Sichtfenster, das den Blick auf das Uhrwerk freigibt – ansonsten ist das Gehäuse leider ungraviert und nackt, was für ein Standardgehäuse spricht. Es handelt sich um das Schweizer Kaliber STP1-11 mit einer Frequenz von 28800 bph und Sekundenstopp bei gezogener Krone. Das STP 1-11 ist ein Klon des schon vor vielen Jahren aus dem Patentschutz gelaufenen ETA 2824-2, produziert von der in Glovelier im Schweizer Jura ansässigen Firma Swiss Technology Production, welche mittlerweile zur Fossil-Gruppe gehört.

Immerhin 200.000 Werke purzelten im Jahre 2016 bei STP aus der sehr modern anmutenden Produktion – heute dürften es wegen der Streitigkeiten zwischen der WEKO und der Swatch Group (dem Mutterkonzern hinter ETA) sogar deutlich mehr sein, da mittlerweile viele kleinere Uhrenmarken auf das STP 1-11 setzen.
Schön: Das STP 1-11 in den Kriescher 1929 Peter ist mit ansehnlichen Genfer Streifen auf dem Rotor und einer Perlage dekoriert. Schade: Gerne hätte es auch eine „Kriescher 1929“-Gravur oder dergleichen auf dem Rotor sein dürfen.
Auf der Zeitwaage macht das STP1-11 in der Kriescher 1929 Peter auf jeden Fall eine hervorragende Figur – was mit Blick auf den Uhrmacherhintergrund des Herstellers aber natürlich auch erwartet werden darf 😉 :

Fazit zur Kriescher 1929 Peter
Ich stand in den letzten Jahren regelmäßig in Kontakt mit Uli, um seine Expertenmeinung zu bestimmten uhrmacherischen Themen einzuholen und um liebgewonnene Uhren aus meiner Sammlung wieder auf Vordermann bringen zu lassen – denn Uli weiß, was er tut. Die von der Coronakrise geprägten Jahre 2020 und 2021 waren auch für Uhrmacher wie Uli nicht leicht, weshalb ich es sehr begrüße, dass er die Zeit im Lockdown produktiv genutzt hat, um mit seinen umfangreichen Erfahrungen und seinem Wissen ein eigenes Uhren-Sortiment aufzubauen, anstatt sich seinem Schicksal zu ergeben.
Herausgekommen ist dabei ein qualitativ ordentliches Produkt, das sicherlich auch über den Raum Aachen hinaus Abnehmer finden wird. Allerdings sei auch Kritik erlaubt: So würde ich mir für die Zukunft einen höheren Grad an Selbstständigkeit beim Design wünschen – denn grade in dieser Hinsicht können kleine Uhrenmarken mit ihrer Konzernunabhängigkeit und ihrer Agilität potentiell punkten. Auch kleine Details wie eine Logo-Gravur auf dem Rotor oder auf der Krone klingen vielleicht erstmal banal, sind für mich persönlich aber das gewisse i-Tüpfelchen.
Die Kriescher 1929 Peter-Modelle gibt’s für 695€ online und im Fachgeschäft in Würselen mit rund 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche, in dem auch Wand- und Standuhren sowie Armbanduhren anderer Marken warten, zu kaufen.


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Hallo Mario,
es überrascht mich hier einen Artikel über Herrn Kriescher vorzufinden. Herr Kriescher wurde in der Uhrenwelt zuletzt extrem kritisch „beäugt“. Er verkauft umgelabelte China Uhren, welche 1:1 bei AliExpress erhältlich sind als Manufakturuhren. Seine Tätigkeiten sind nicht illegal, aber äußerst fraglich. Ich persönlich finde so ein Vorgehen ist Täuschung des Kunden und ich würde Herrn Kriescher keine Bühne geben.
Hi Aaron, ich habe im Nachgang auch den Thread im Uhrforum gesehen.
Am Ende des Tages kann ich – sofern das alles stimmt – solch ein Vorgehen auch nicht gutheißen.
Ich persönlich kann aber die Peter-Modelle beurteilen und da sehe ich keine Anhaltspunkte für die genannten Vorwürfe (wenngleich das Gehäuse, wie geschrieben, vermutlich ein Standard-Gehäuse ist).