Vor ziemlich genau vier Jahren habe ich erstmals รผber die damals frischgebackene Microbrand FineWatchesBerlin aus Berlin-Spandau berichtet. Damals habe ich geschrieben, dass ich im Rahmen des Kontaktes mit dem รผberaus sympathischen Markenschรถpfer Wilfried Liefer schnell das Gefรผhl hatte, dass er (zusammen mit seiner Tochter Mia) etwas Nachhaltiges aufbauen will. Nun, FineWatchesBerlin ist immer noch im Geschรคft und wenn sich eine Microbrand รผber so viele Jahre hรคlt, kann man definitiv von Nachhaltigkeit sprechen, denn der Markt ist nach wie vor hart umkรคmpft. Mit der neuen HansaViertel haben die Berliner auรerdem ein neues Modell am Start, das „Made in Ruhla“ ist und nicht mit Farben geizt. Also gehen wir mal ran an de Buletten …
Eckdaten FineWatchesBerlin HansaViertel:
- Made in Germany / Ruhla
- Werk: Miyota 8315 Automatik, 21.600 bph, Sekundenstop, Gangreserve 60 Stunden
- Durchmesser: 40,5mm
- Hรถhe: 11,6mm
- Horn-zu-Horn: 49mm
- Gewicht (am Lederband): 74 Gramm
- Wasserdicht bis 100 Meter / 10 bar
- Saphirglas
- Lederband: 20mm handgearbeitet, in Zifferblattfarbe, Schnellwechsel Mechanik
- Zusรคtzliches zweiteiliges NATO Strap
- Zifferblattfarben blau (#1), orange (#2), grรผn (#3), gelb (#4) und schwarz (#5)
- Preis: 749โฌ, direkt bei finewatches.berlin
FineWatchesBerlin HansaViertel im Test
Die neuen FineWatchesBerlin-Modelle kommen nunmehr aus Ruhla. Die Bergstadt in Westthรผringen ist aus Sicht von Berlin so ziemlich JWD (jott we de; janz weit drauรen), tatsรคchlich war Ruhla (neben Pforzheim, dem Schwarzwald und natรผrlich Glashรผtte) aber eines der historisch bedeutendsten Uhrencluster Deutschlands. Daher ein kurzer historischer Abriss: Schon in den 1860ern legten die Gebrรผder Thiel mit einem Betrieb fรผr Feinmechanik den Grundstein fรผr eine รผberaus florierende Uhrenproduktion in Ruhla. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Uhrenproduktion in Ruhla wider Erwarten nicht demontiert (anders als das in Glashรผtte der Fall war), weshalb die Produktion auch nach dem Krieg weitgehend ungehindert fortgesetzt werden konnte.
Im Jahre 1952 erfolgte die Verstaatlichung der Uhrenwerke Ruhla durch die sowjetischen Besatzer zum Volkseigenen Betrieb Uhren- und Maschinenfabrik โUMFโ. Bis zu 8000 Mitarbeiter stellten hier Millionen von Uhren und Uhrwerke her. Sogar die fรผr die Produktion benรถtigten Maschinen wurden in der Fabrik von UMF Ruhla entwickelt und gebaut. Die Erfolgsgeschichte in Ruhla ging so noch viele Jahrzehnte weiter โ sogar den Quarztrend wollte man in Ruhla durch den Aufbau einer eigenen Chipfertigung mitgehen (wรคhrend viele Schweizer den Kopf in den Sand steckten).
Erst mit der Wende wurde der Aufwind jรคh gestoppt: Durch Privatisierung im Jahre 1989 wurde die VEB Ruhla von der sogenannten DDR-Treuhandanstalt in rund Vierzig einzelne Unternehmen zerschlagen und die Maschinenherstellung abgespaltet. Von den Unternehmen haben sich in Ruhla fortan nur noch die Betriebe Gardรฉ Uhren und Feinmechanik Ruhla GmbH mit Uhren beschรคftigt.
Heute spielt das ehemals รผberaus bekannte Uhrencluster Ruhla im Vergleich zu beispielsweise Glashรผtte (leider) keine riesige Rolle mehr in der deutschen Uhrenindustrie โ mit einer groรen Ausnahme: Der familiengefรผhrte, unabhรคngige Uhrenhersteller POINTtec hรคlt in Ruhla seit รผber drei Jahrzehnten die Fahne hoch. Neben den Eigenmarken wie Zeppelin produziert POINTtec dabei auch als sogenannter Private Label-Uhrenhersteller – sprich: Fรผr andere Uhrenmarken. So wie eben FineWatchesBerlin, die vom alteingesessenen Berliner Vater-Tochter-Gespann Wilfried und Mia Liefer ins Leben gerufen wurde.
Die neuen HansaViertel-Modelle von FineWatchesBerlin sind nach dem gleichnamigen Ortsteil des Berliner Bezirks Tiergarten / Moabit benannt. Und das ist sicherlich kein Zufall: 1952 wurden รผber 50 Architekten aus 13 Lรคndern zu einem Wettbewerb eingeladen, um das vom Zweiten Weltkrieg schwer beschรคdigte bzw. grรถรtenteils in Trรผmmern liegende Stadtviertel wieder aufzubauen. Die eingeladenen Architekten waren allesamt Verfechter moderner Vorstellungen vom โNeuen Bauenโ, darunter Alvar Aalto, Werner Dรผttmann, Egon Eiermann, Walter Gropius, Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer und Max Taut. Nach ihren Entwรผrfen wurde 1956 mit der Neugestaltung des Hansaviertels begonnen. Wer sich ein bisschen fรผr Architektur begeistern kann, der wird schnell feststellen, dass fast alle der genannten Architekten vom Bauhaus beeinflusst wurden, also der 1919 von Walter Gropius in Weimar gegrรผndeten Kunstschule, die erstmalig Kunst und Handwerk zusammenfรผhrte. Der Leitgedanke dabei war eine industrielle, minimalistische Optik und Reduktion auf das Wesentliche.
Und so kommen auch die FineWatchesBerlin HansaViertel-Modelle in einem minimalistischen Design, das man typischerweise als Bauhaus-Stil bezeichnet. Bei Zeitmessern macht sich dieser Stil im Allgemeinen vor allem durch feine Ziffern und/oder Indizes, klare Ablesbarkeit und Schlichtheit bemerkbar. Und das ist auch bei den FWB HansaViertel-Modellen nicht anders, die mit auffรคllig langgezogenen, strichartigen Stundenindizes kommen. Bei genauem Hinsehen warten aber einige Details wie beispielsweise die Tatsache, dass alle Indizes appliziert sind. Auch Datumsfenster-Umrandung, FWB-Logo und der Modellname sind metallisch-poliert – dadurch ergibt sich im direkten Licht ein schรถnes, hochwertig wirkendes Lichtspiel.
Auch Farben spielen seit je her eine groรe Rolle im Bauhaus: Schon beim Bau der Meisterhรคuser (die Bauten fรผr die Lehrenden am Bauhaus und deren Familien) arbeitete Gropius mit dem Farbgestalter Alfred Arndt, zusammen. Gemeinsames Ziel war es, Farbe nicht als rein dekoratives Element einzusetzen, sondern die rรคumliche Wirkung durch die Farbwahl zu unterstรผtzen.
Und so stechen vor allem die krรคftigen Farbtรถne der HansaViertel-Modellreihe ins Auge: Wรคhrend andere Microbrands zwecks Vermeidung allzu groรer Risiken lieber nur auf klassische Farben wie Schwarz oder Dunkelblau setzen, hat sich FWB offenbar gedacht: Was soll’s, dreh den Sรคttigungs-Schieberegler volle Pulle auf! Mehr noch: FWB unterstreicht die ohnehin schon knalligen Farbvarianten auch noch mit einem roten Datum, das FWB extra fรผr die HansaViertel hat anfertigen lassen sowie angenehm weichen und รผberaus flexiblen Lederbรคndern in jeweils passender Farbgebung (wem letzteres ein bisschen zu viel des Guten ist, der kann das Band รผber die Schnellwechselfederstege innerhalb weniger Sekunden in Eigenregie wechseln).
Das Gehรคuse ist in seiner Form Bauhausuhren-typisch vor allem dressig und filigran gehalten, die Hรถrner sind schmal und dezent. Die polierten Flรคchen werden dabei durch einen satinierten Mittelteil durchbrochen – der wiederum trรคgt an der linken Seite einen „FineWatchesBerlin by W. Liefer“-Gravur. Solche Seitengravuren werden im Allgemeinen von Uhrenfreunden hรคufig kritisch gesehen – und auch ich hรคtte mir beispielsweise die Wahl, ob ich nun eine FWB-Gravur oder vielleicht auch eine individualisierte Gravur (oder gar keine Gravur) an der Flanke haben will, gewรผnscht. In jedem Fall ist die FWB-Gravur aber recht dezent und meiner Meinung nach auch nicht stรถrend.
Deutlich mehr ins Auge sticht da schon die Krone mit dem blau-weiรen FWB-Logo, die sich schรถn mit den geblรคuten Schrauben an den Horn-Auรenseiten ergรคnzt (die Schrauben haben allerdings nur dekorativen Charakter, zum Einsatz kommen regulรคre Schnellwechsel-Federstege). Gut: Das Gehรคuse ist bis 10 bar wasserdicht (zum Schwimmen geeignet), was fรผr eine Uhr dieser Art alles andere als eine Selbstverstรคndlichkeit ist – passenderweise liegt jeder FWB HansaViertel auch ein zusรคtzliches zweiteiliges NATO Strap bei (denn Lederbรคnder und Strand & Meer passen bekanntermaรen nicht so gut zueinander). Auch das ist heutzutage รผbrigens keine Selbstverstรคndlichkeit.
Nicht so ganz nachvollziehen kann ich, warum FineWatchesBerlin im Rahmen der neuen HansaViertel-Modellreihe nicht auch das tickende Innenleben angegangen ist: Ja, keine Frage, das in der HansaViertel tickende japanische Miyota 8315 ist ein grundsolides und als robust und zuverlรคssig geltendes Automatikwerk. Auch ein Sekundenstopp bei gezogener Krone ist (mittlerweile) beim Miyota 8315 an Bord; genau wie eine mit 60 Stunden durchaus รผppige, รผberdurchschnittlich hohe Gangreserve (zum Vergleich: Sellita SW200-1 = 38 Stunden).
Dennoch kann ich mich aber im Prinzip mit Blick auf mein erstes Review vor vier Jahren nur wiederholen: In der Preisklasse von FineWatchesBerlin von Pi mal Daumen 700โฌ erwarte ich persรถnlich schon ein mit (nรผchtern betrachtet) besseren Spezifikationen ausgestattetes Miyota 9000 oder eben ein Schweizer Sellita SW200-1 (hรถhere Frequenz, bessere Ganggenauigkeit etc.).
Faktisch bewegte sich die Ganggenauigkeit des Kalibers 8315 in den mir vorliegenden HansaViertel-Uhren im Bereich zwischen +8 und +18 Sekunden pro Tag – die Werte reiรen zwar keine Bรคume aus, immerhin aber scheinen die Werke in Ruhla allesamt mit dem Ziel eines Vorgangs in einem gewissen Rahmen feinreguliert zu werden. Auch die Gravur auf dem Rotor in Verbindung mit den geblรคuten Schrauben sind durchaus nennenswerte, ansehnliche Dekorationen (jedenfalls deutlich ansehnlicher als ein undekoriertes bzw. „nacktes“ SW200 oder Miyota 9000).
Fazit zur FWB HansaViertel
Wer noch eine schlichte Bauhaus-Uhr in konsequent sommerlich-frischen, „knallenden“ Farben mit richtig guter „Made in Germany“-Qualitรคt fรผr unter 1000โฌ sucht, der darf die FineWatchesBerlin HansaViertel in der Summe definitiv nรคher ins Auge fassen. Denn hochwertige, mechanische Bauhaus-Alternativen in dieser Preisklasse sind gar nicht so weit verbreitet, wie man vielleicht denkt – am ehesten kommt mir hier noch Sternglas in den Sinn oder die hauseigene POINTtec-Marke bauhaus. Insofern bedient FWB mit der HansaViertel auf gelungene Art und Weise eine gewisse Nische.
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Recht hรผbsch, aber Kursivschrift ist etwas unpassend fรผr ein Bauhausdesign, finde ich.
Da geh ich doch besser bei MIDO shoppen.
Moin
und -wieder einmal-Dank und Lob fรผr den tollen Artikel.
Tatsรคchlich ein schรถner, gelungener und gefรคlliger Zeitanzeiger. In der richtigen Preisregion, denn so wie Du schreibst, ist das Mittelfeld doch eher spรคrlich ausgestattet. Der erste Gedanke, der mir kam, war natรผrlich auch das Werk. Ja, es tut was es soll, aber es ist โnull sexyโ. Das Werk, so sinnlos es auch scheinen mag, berรผhrt den geneigten Uhrenverliebten eben auch emotional. Hier verliert mich FWB.
Eine Kleinigkeit, die der perfekten Ausleuchtung sicherlich auch geschuldet ist, ist das nicht โmatchendeโ Blau der Schrauben und des Logos auf der Krone. Falls das tatsรคchlich dem Foto geschuldet ist, bitte ich mich zu ignorieren. ๐
in diesem Sinne, happy Weekend und Winke Winke aus HH
Florian