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Die Änderungen bei der neuen, 2022 lancierten Sternglas Kanton 2.0 muss man auf den ersten Blick mit der Lupe suchen. In Hamburch nichts Neues also? Nun, im Detail zeigt sich die Dresswatch der Hamburger Uhrenmarke mit verschiedenen Verbesserungen in Eckdaten und Qualität – so kommt nun insbesondere ein Schweizer Automatikwerk von Sellita zum Einsatz. Mehr darüber und weitere Dinge, die man sonst noch über die neue Sternglas Kanton 2.0 wissen sollte, erfahrt ihr in diesem Artikel.

In einem ausführlichen Interview steht Co-Founder Dustin Fontaine außerdem Rede und Antwort über aktuelle Herausforderungen für Sternglas, die strategische Zusammenarbeit mit dem Einzelhandel, Kritik in Foren und die langfristigen Ziele der Marke.

Sternglas Kanton 2.0 Automatik Uhr Test 17
Sternglas Kanton 2.0 Automatik Uhr Test 1

Eckdaten Sternglas Kanton 2.0 (2022):

  • Ref. S02-KF10-MO02 (braunes Leder) bzw. S02-KF10-MO01 (schwarzes Leder)
  • Swiss Made
  • Durchmesser 39 mm
  • Höhe 10 mm (mit Glas am höchsten Punkt 12,5 mm)
  • Horn-zu-Horn 44 mm
  • Gewicht: 64 Gramm (am Lederband)
  • Gehäuse aus 316L Edelstahl, poliert
  • Wasserdichtigkeit 5 bar / 50 Meter
  • Leuchtfarbe: Nemoto LumiNova
  • Zifferblatt gewölbt
  • Gewölbtes Saphirglas, doppelt entspiegelt
  • Saphirglasboden
  • Braunes oder schwarzes Full-Grain-Lederband, Bandanstoß 20 mm
  • Schweizer Sellita SW200-1 Automatikkaliber mit 38 Stunden Gangreserve, 28.800 bph, Sekundenstopp bei gezogener Krone (“Hacking”-Funktion) Qualitätsstufe Elaboré (-7 bis +7 Sekunden pro Tag), dekoriert mit Genfer Streifen und goldfarbener STERNGLAS-Logogravur
  • Preis: 899€, direkt bei sternglas.de oder vielen Sternglas-Fachhändlern
Sternglas Kanton 2.0 Automatik Uhr Test 4

Sternglas: Qualitäts-Evolution 2016-2022

Frischgebackene Uhrenmarken bzw. Microbrands, die sich eine Finanzierungsspritze über Crowdfundingplattformen wie Kickstarter holen, sind heute Gang und Gäbe. Man muss aber auch festhalten, dass die allermeisten nicht den Sprung zu einem etablierten Anbieter schaffen – mit allem, was dazu gehört wie die regelmäßige Lancierung neuer Modelle, nachhaltiger Markenaufbau, zuverlässiger After Sales-Serviceleistungen etc. etc.. Viele Anbieter verschwinden nach einer Kampagne wieder in der Versenkung – aus verschiedenen Gründen: So wird die Beschaffung von Uhrenkomponenten in unserer globalisierten Welt zunehmend auch für Uhrenhersteller zu einer Herausforderung (Stichwort: Lieferketten). Außerdem habe ich beispielsweise schon von dem Initiator einer Kickstarter-Kampagne gehört, dass er den Aufwand für den Kundenservice nach dem Verkauf (“After Sales”) völlig unterschätzt hat.

Letzteres ist tatsächlich auch ein Stein, über den Sternglas-Co-Founder Dustin Fontaine anfänglich gestolpert ist: Die im Oktober 2016 mit immerhin 16.000€ erfolgreich über Kickstarter ins Leben gerufene, im „Tor zur Welt“ ansässige Marke lieferte wie geplant im Dezember 2016 die ersten Uhren aus. Schnell häuften sich allerdings Stimmen verärgerter Kunden, die berichteten, dass das verbaute Mineralglas gesprungen, gebrochen oder geplatzt war.

Getreu dem Motto „Mund abputzen – weitermachen“ hat Sternglas aber nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern lösungsorientiert gehandelt und alle (!) Uhren der ersten Charge zurückgerufen oder gegen überarbeitete Modelle mit gewölbtem Saphirglas ausgetauscht. Seitdem verbaut Sternglas ausschließlich Saphirglas, das im Alltag viele Vorteile mitbringt.

Am Ende des Tages handelte sich bei dem damaligen Glasproblem um Garantiefälle, die einem frischgebackenen Kleinstunternehmer in dem Ausmaß natürlich auch schnell mal finanziell und imagetechnisch das Genick brechen können. Die Hamburger sind aber gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen: Sternglas zählt heute, rund 6 Jahre später immerhin 20 Mitarbeiter in Deutschland. Allein schon deswegen hebt sich Sternglas von den vielzähligen Jungmarken und Microbrands, die in den letzten Jahren aufgrund der (scheinbar) einfachen Direktvertriebsmöglichkeiten über das Internet wie Pilze aus dem Boden geschossen sind und meistens eher kleine Ein-Mann-Unternehmen bleiben, deutlich ab.

Das beachtliche Wachstum der letzten Jahre ist sicherlich kein Zufall: Sternglas hat sich sukzessive qualitativ weiterentwickelt und beispielsweise im Januar 2018 die erste Automatikuhr auf den Markt gebracht. Noch im selben Jahre folgte die Sternglas Naos – das bis heute beliebteste Modell der Hamburger, das beispielsweise mit dem iF Design Award oder der Goldenen Unruh ausgezeichnet wurde.

Anno 2018 haben die Hamburger außerdem ein eigenes Lager aufgebaut, um flexibler reagieren und schneller versenden zu können. Seit Juli 2019 geht Sternglas außerdem einen eher untypischen Weg: Die Hamburger ergänzten ihr Direktvertriebsmodell über sternglas.de um den klassischen, stationären Fachhandel (immerhin schon 360 Juweliere bieten Sternglas-Uhren an). Zu diesem Punkt verrät Dustin Fontaine aber noch etwas im Interview…

Sternglas und die CO2-Kompensation

Aspekte der Nachhaltigkeit beeinflussen laut einer Studie von pwc das Einkaufsverhalten immer stärker; deutsche Verbraucher sind bereit, mehr für eine umweltfreundliche Lieferung zu bezahlen. Auch in Hinblick auf die Produktauswahl fließen Kriterien der Nachhaltigkeit in die Kaufentscheidung ein: Europäische Verbraucher bevorzugen Produkte mit weniger Verpackung (41 Prozent) und vermeiden Plastik, wo immer möglich (42 Prozent).

Natürlich sind vor allem mechanische Uhren langlebig und (anders als Smartwatches) keine Wegwerfprodukte und damit per se in einem gewissen Rahmen nachhaltig. Der Wunsch vieler Kunden nach mehr Nachhaltigkeit kommt aber dennoch auch bei Uhrenherstellern an, weshalb Sternglas beispielsweise auf 100% plastikfreie Verpackungen setzt (die Füllwatte ist zum Beispiel aus Baumwolle). Sternglas versendet außerdem alle Uhren klimaneutral mit DHL GoGreen.

Seit Mitte 2022 bescheinigt das “klimaneutral”-Label der Münchner Firma ClimatePartner außerdem den Ausgleich der Sternglas-Treibhausgasemissionen. Die Idee dahinter: Unternehmen können ihren eigenen Ausstoß an klimaschädlichen Gasen ausgleichen bzw. kompensieren, indem sie CO2-Zertifikate aus Klimaschutzprojekten kaufen. Solche Projekte fördern beispielsweise den Ausbau von Solarstrom, Biogasanlagen und Wasserkraft und reduzieren so Treibhausgase aus fossilen Energieträgern. Im Falle von Sternglas wurden zunächst Informationen darüber gesammelt, wie beispielsweise der Produktionsaufwand in Form von Strom und Wärme ist und woher die Rohstoffe der Uhrenkomponenten stammen. Auf dieser Grundlage wurden die Werte von ClimatePartner in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet: Für das Jahr 2022 beläuft sich der CO2-Ausstoß von Sternglas insgesamt auf etwa 156.000 kg, was ungefähr 1200 Flügen von München nach Berlin oder einer Strecke von fast 500.000 Kilometer mit dem PKW entspricht. Zur CO2-Kompensation hat sich Sternglas konkret entschlossen, das Projekt Wasserkraft Virunga in der D.R. Kongo zu unterstützen, wodurch zahlreichen Haushalten den Zugang zu Elektrizität ermöglicht wird.

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Im Zusammenhang mit klimaneutral-Labeln im Allgemeinen gibt es immer mal wieder kritische Stimmen, da einige Firmen das Zertifikat zum Greenwashing missbrauchen. Heißt: Unternehmen präsentieren sich unter dem Deckmantel der CO2-Kompensation nach außen hin klimafreundlich, ohne aber das eigene klimaschädliche Verhalten abzustellen. Getreu dem Motto: Klimaschädliches Verhalten ist okay, solange ich den Geldbeutel aufmache und irgendwo auf der Welt CO2 kompensiere. Dabei müssten die Firmen ja eigentlich versuchen Emissionen zu vermeiden. Dieses häufig zitierte Argument ist ja einerseits völlig richtig. Auf der anderen Seite blendet es aus, dass eine Firma wie Sternglas ziemlich wenig Stellhebel hat, um eigene Emissionen runterzufahren, da die Produktion von Uhren naturgemäß nicht besonders energieintensiv ist.

Sternglas: Interview mit Dustin Fontaine

CHRONONAUTIX: Stellen Sie sich bitte kurz vor!

Dustin Fontaine: Moin aus Hamburg! Mein Name ist Dustin Fontaine, 33, Gründer der Uhrenmarke Sternglas. Zu den Uhren kam ich als Abiturient bei meinem Schülerjob bei einer Münsteraner Uhrenmanufaktur. Die hochpreisigen Uhren konnte ich mir damals nicht leisten und kam daher zu der Idee für Sternglas. 2016 habe ich die Marke dann über Kickstarter gegründet und seitdem wachsen wir stetig. Insbesondere ist die anfangs reine Online-Marke auch im “echten” Handel angekommen.

2022 Dustin Fontaine

CHRONONAUTIX: Mittlerweile zählt Sternglas immerhin 360 stationäre Einzelhändler weltweit. Für eine als klassische Microbrand gestartete Marke ist das beachtlich – aber auch untypisch. Warum setzt Sternglas entgegen dem Trend zum Online-Direktvertrieb auf stationäre Einzelhandelspartner? Die Vielfalt bei einem typischen Juwelier ist mit Marken wie Zeppelin, Junghans, Tissot, und und und schließlich in der Regel schon ziemlich üppig…

Dustin Fontaine: In der Tat, diese Strategie wirft wirklich Fragen auf 😉
Online-Direktvertrieb ist eine feine Sache, aber egal wie präsent der Online-Handel in den Medien auch sein mag, der Großteil des Umsatzes mit Uhren wird in Deutschland im Fachhandel gemacht. Das haben auch wir schnell zu spüren bekommen. Wir hatten ständig Kunden, die Uhren bei uns in Hamburg ausprobieren wollten. Zudem hatte ich eines Morgens eine Initiativbewerbung im Briefkasten von Ex-Festina-Vertriebschef Dirk Proksch. Mein Co-Founder Henning Haberkamp und ich haben dann nicht lange gefackelt.
“So eine Chance bekommen wir nie wieder!”
Mit ziemlichem Biegen und Brechen haben wir dann den Fachhandel in all unsere Abteilungen integriert und rein wirtschaftlich lohnt sich das für alle, den Handel und uns als Marke. Denn Sternglas quält seine Händler nicht mit irgendwelchen Abnahmeverpflichtungen, sondern liefert gute Uhren, die sich auch tatsächlich am POS verkaufen. Zudem können unsere Kunden in ganz Deutschland unsere Uhren vor Ort angucken und kaufen – das ist ein echter Mehrwert.

CHRONONAUTIX: Ukraine-Krieg, Corona & Co.: Was sind die größten Herausforderungen für Sternglas im Jahre 2022? Wie macht sich insbesondere die Lieferkettenproblematik bei Sternglas bemerkbar? Sind bald die Lager leer?

Dustin Fontaine: Sternglas wird im Oktober 6 Jahre alt. In dieser Zeit haben wir uns eigentlich von Krise zu Krise gehangelt. Die Lieferkettenthematik hat uns gar nicht so stark getroffen. Am Anfang der Corona-Krise waren es vor allem die großen Hersteller, die in Panik ihre Bestellungen eingefroren haben. Da wir davon ausgegangen sind, dass es nicht so schlimm kommt, haben wir weiter produziert. Das war auch gut so, denn ab April 2020 begann wirklich ein kleiner Boom, der bis Juli 2021 anhielt. Danach wurde es schwieriger. Die Lager sind so mittelmäßig gut gefüllt, denn wir setzen jetzt vor allem auf neue Modelle und Editionen. Die Naos ist mittlerweile einfach kalter Kaffee und unsere Kunden wünschen sich Neuheiten.

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Sternglas Naos Edition Bauhaus II

CHRONONAUTIX: Sternglas-Uhren werden auch mit dem Feedback der Community kreiert (die STERNGLAS Freunde Facebook-Gruppe hat über 3000 Mitglieder; auch im Uhrforum ist Sternglas aktiv). Läuft man bei solchen Ansätzen nicht Gefahr, dass man es allen recht machen will, aber naturgemäß nicht kann? (zum Beispiel bei den Uhrengrößen). Gemäß dem Sprichwort: Viele Köche verderben den Brei…

Dustin Fontaine: Ich denke, die größere Gefahr geht für viele Marken eher davon aus, dass sie ihrer Community nicht zuhören. Typisch am Markt vorbei arbeiten, weil man in seinem Elfenbeinturm sitzt und irgendwelche Uhren entwirft, die völlig weltfremd sind. Sowas nervt mich auch als Konsument maßlos. Warum entwickeln viele Marken Produkte, die den Kunden nicht gefallen oder streichen sinnvolle Funktionen? Das geht nicht in meinen Kopf rein.

Da machen wir es lieber mal den Kunden zu Recht. Das Gute ist ja, eine Suppe kann man schnell versalzen, bei einer Uhr wird es schwieriger, denn die Geschmäcker sind enorm unterschiedlich.

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Feedback aus der Sternglas-Community

CHRONONAUTIX: Wind kommt immer von vorn: In einem bekannten Uhrforum schreibt ein User über Sternglas: „Am Ende ist es natürlich immer noch eine günstige Modeuhr” – in Anspielung an Marken wie Daniel Wellington. Was würden Sie darauf antworten?

Dustin Fontaine: Puh, bei deinem Vergleich bekomme ich echt Kopfschmerzen -lacht-. Was bei Sternglas noch fehlen würde, sind die teuren Influencer. Spaß beiseite, ich denke das einfachste ist, einfach mal eine Modeuhr und eine Sternglas in die Hand zu nehmen. Da wird sofort ein deutlicher Unterschied sichtbar. Die Wertigkeit und die Qualität. Nicht nur das Saphirglas, sondern auch die viel sorgfältigere Verarbeitung der Sternglas-Uhren. Zum Beispiel die sauber-geschliffenen Gehäuse von Sternglas, da sind keine harten Kanten in “billigem”, vergoldetem Messing, sondern 316l-Edelstahl mit präziser Verarbeitung.

Natürlich haben Modemarken oftmals auch keine Automatikwerke. Und auch keinen Uhrmacher-Service, der Ersatzteile für jede Uhr hat.

Trotzdem muss ich dem Kommentator des Uhrforums Recht geben. Wir haben uns viel zu spät vom Modeuhren distanziert und hätten da unsere Werte noch mehr verteidigen müssen. Daher kann ich den Eindruck des Users auch nachvollziehen und nehme ihn als konstruktive Kritik.

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Sternglas Kanton 2.0

CHRONONAUTIX: Mit Blick auf die Preis-Range (unter 500€) möchte Sternglas offensichtlich eher jüngere bzw. preissensiblere Zielgruppen ansprechen. Damit konkurriert Sternglas aber gleichzeitig um den Platz am Handgelenk, der verstärkt von Smartwatch-Vorreiter Apple besetzt wird. Unter dem Vormarsch der Smartwatches im Allgemeinen leiden vor allem Uhrenhersteller im Einsteiger-Bereich, wie die Schweizer Handelszeitung Anfang 2020 analysiert hat. Der Kopf der Ultraluxusmarke MB&F formuliert es kurz und knackig: „Wenn ich der Chef einer erschwinglichen Uhrenmarke wäre, würde mir vor der Zukunft grauen“. Ist es nicht fast unumgänglich, dass sich Sternglas über kurz oder lang deutlich hochpreisiger positioniert, um am Markt bestehen zu können? Ist die neue Sternglas Kanton 2.0 mit Schweizer Kaliber von Sellita ein erster Schritt in diese Richtung?

Dustin Fontaine: Lieber Mario, das hast du perfekt erkannt und analysiert. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Lass mich dazu noch ein Argument für diese Strategie ergänzen. Erstmal fragen auch unsere Kunden oft nach Schweizer Kalibern und allgemein nach Automatik.

Trotzdem wollen wir die Sternglas-DNA, nämlich Uhren für jedermann zu bauen, nicht verlieren. So folgen auch unsere Automatikuhren streng der Maxime der Bezahlbarkeit. Zudem haben wir für Preisbereiche im Ultra-Luxussegment auch keine Historie, die das rechtfertigen könnte.

Ich freue mich sehr auf die neuen Modelle, die da kommen sollen. Es wird etwas dauern, da die Werke nicht so einfach zu bekommen sind.

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Sternglas Kanton 2.0 mit Schweizer Innenleben

CHRONONAUTIX: Was sind die Ziele für Sternglas in den nächsten 5 Jahren?

Dustin Fontaine: Definitiv ankommen in der Welt der Uhren-Enthusiasten. Sternglas ist mitten in einem transformativen Prozess ins mittlere Preissegment.

Unser Ziel ist es zudem, weiterhin viele Editionen und Sondermodelle herauszubringen, denn das ist einfach spannend und motivierend für uns und den Kunden.

In der Uhrenwelt wirklich anzukommen ist ein langer Weg, der nicht einfach ist. Mein größtes Ziel wäre daher, wirklich anzukommen und als respektable Uhrenmarke anerkannt zu werden.

Sternglas: Die Qualitäts-Verbesserungen der neuen Kanton 2.0 (2022)

Nach einem Ausflug in die Welt der Taucheruhren (siehe Sternglas Marus) und der Chronographen (Sternglas Tachymeter), gehen die Hamburger mit der brandneuen Kanton 2.0 designtechnisch wieder “back to the roots” in Richtung Bauhaus-Design, mit dem die Marke groß geworden ist. Entsprechend lauten Schlichtheit und eine einfache, puristische Form die Devise – getreu dem Leitgedanken des Bauhaus-Gründers in Weimar/Dessau, dem Architekten Walter Gropius.

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Auf den ersten Blick hat sich gegenüber der alten Kanton, die Sternglas 2020 im Rahmen der Inhorgenta lanciert hat, nicht viel verändert: Das klassisch-schlichte Zifferblattdesign, mit den charakteristischen Doppelstrich-Indizes zu jeder vollen Stunde, ist komplett erhalten geblieben. Vier Leuchtpunkte zu jeder Viertelstunde, die leicht erhaben sind, sowie Minutenziffern (05-10-15…) runden das Gesamtbild ab. Die Kontraste sind außerdem – sowohl bei den Indizes als auch bei den schwarzen Zeigern – sehr hoch, was der Ablesbarkeit zu Gute kommt. Selbst auf Makroaufnahmen machen die Zifferblattdrucke und Leuchtpunkte einen perfekt verarbeiteten Eindruck, was selbst in der Preisklasse um 1000€, in der sich die Kanton 2.0 bewegt, leider keine Selbstverständlichkeit ist.

Bei aller Schlichtheit sticht bei genauerem Hinsehen auch die feine, dezent silbrig-glänzende Zifferblattstruktur ins Auge: Das Ausgangsmaterial für die Zifferblätter ist Messing, das mit einer Beschichtung überzogen und durch Sandstrahlen fein satiniert wurde. Das Zifferblatt ist zum Rande hin außerdem leicht gewölbt; die Zeiger sind leicht gebogen und folgen dadurch dieser Wölbung.

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Sternglas Kanton 2.0 Automatik Uhr Test 12

Im Detail hat Sternglas bei der neuen Kanton 2.0 an diversen Qualitäts-Schrauben gedreht bzw. Fortschritte einfließen lassen, welche die Marke in den letzten Jahren gemacht hat: So wurde beispielsweise die Wasserdichtigkeit auf 5 bar bzw. 50 Meter erhöht, was für eine Uhr aus der Kategorie Dresswatch völlig ausreichend ist (Uhr darf beim Duschen am Arm bleiben).

Wie es sich für eine Uhr mit dem Namen Kanton (der Begriff für die Gliedstaaten der Schweizerischen Eidgenossenschaft) gehört, ist auch wieder ein Schweizer Kaliber an Bord – allerdings nicht mehr das STP 1-11, sondern das als zuverlässiger und robuster geltende Sellita SW 200-1 , das sich in den letzten Jahren klar als beste ETA-Alternative herauskristallisiert hat (dazu gleich mehr).

Wie bei allen Sternglas-Modellen kommt auch bei der Kanton 2.0 gewölbtes bzw. bombiertes Saphirglas zum Einsatz, das bruchsicherer als planes Glas ist und bei dressigen Modellen wie der Kanton auch deutlich ansprechender aussieht. Wie alle Sternglas-Gläser ist auch das Glas der Kanton 2.0 doppelt auf der Innenseite mit einer transparenten Entspiegelungsschicht überzogen.

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Bauhaus-Uhren sind per se eher dressiger Natur – in dem Sinne begrüße ich es sehr, dass die Kanton 2.0 mit einer Höhe von 10 mm (inklusive Glas am höchsten Punkt 12,5 mm) recht flach ist und auch unter dem Hemdärmel Platz findet. Mit Blick auf die Gehäuseflanken wirkt das Gehäuse auch noch etwas filigraner, da das Gehäuse zum Boden hin zuläuft. Der Tragekomfort ist – vor allem dank eines geringen Gewichtes von 64 Gramm am Lederband und eines dressig-kompakten Durchmessers von 39 mm (Horn-zu-Horn 44 mm) – ganz hervorragend. Im Alltag vergisst man so schnell mal, dass man überhaupt eine am Arm Uhr trägt.

Wie bei allen Sternglas-Uhren werden Zifferblatt und Zeiger der neuen Sternglas Kanton mit LumiNova von der japanischen Firma Nemoto versorgt, um eine Ablesbarkeit im Dunkeln zu gewährleisten. Nun ist die Kanton 2.0 sicherlich kein Leuchtmonster – die vier Leuchtpunkte und die strichförmig mit Leuchtfarbe gefüllten Zeiger sind eher aus der Kategorie “homöopathisch”. Zur groben Orientierung im Dunkeln reicht die Leuchtmasse aber aus.

Bringen wir auch noch etwas Licht ins Dunkel, warum in der von Sternglas verwendeten Leuchtfarbe das Wörtchen Super “unterschlagen” wurde (siehe Super-LumiNova): Die Erfindung der nicht-radioaktiven Leuchtmasse geht ursprünglich auf die japanische Firma Kenzo Nemoto im Jahre 1941 zurück. Die Anforderungen dafür kamen aus dem militärischen Umfeld während des Zweiten Weltkrieges. Nemoto hat nach dem Krieg über die Jahre weiter an Verbesserungen getüftelt und 1993 die Leuchtfarbe mit dem Namen LumiNova erfunden und patentieren lassen. LumiNova wird seit den 90ern nicht nur in Japan, sondern in Form von Super-LumiNova auch in der Schweiz produziert und den vielzähligen europäischen Uhrenherstellern zugänglich gemacht. Verantwortlich dafür ist die Nemoto-Niederlassung RC Tritec AG aus Teufen im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Kurzum: Die heute weit verbreiteten Leuchtfarben Super-LumiNova, LumiNova und auch Chromalight (Rolex)/LumiBrite (Seiko) haben die identische chemische Basis.

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Die Bänder der Kanton 2.0 sind aus italienischem Full-Grain-Rindsleder und angenehm weich und flexibel. Full-Grain (vollnarbig) gilt als die höchste Stufe der Leder-Qualität; es handelt sich um die oberste Lederschicht (direkt unter dem Fell), welche die höchste Gewebedichte aufweist und dadurch besonders robust ist und natürliche Öle und Fette länger als die darunter liegenden Schichten speichert. „Full“ bedeutet, dass die Oberfläche nicht abgeschliffen wurde, wodurch die natürliche, feine Struktur des Leders sichtbar bleibt. Nur wenige Teile einer Haut sind geeignet, um als vollnarbiges Leder verarbeitet zu werden, wodurch die Verarbeitung teurer und aufwendiger wird.

Praktisch und heutzutage zwar recht weit verbreitet, aber dennoch keine Selbstverständlichkeit: Die Lederbänder kommen mit Schnellwechselfederstegen, das heißt sie lassen sich einfach wegklippen, ohne dass man ein Werkzeug benötigt. Das spart Nerven und verhindert Kratzer an den Hörnern. Insofern ergibt es auch Sinn, bei Interesse die Kanton 2.0 direkt mit beiden Lederbandvarianten (schwarz und braun) zu bestellen – das sind zwar nicht grade die spektakulärsten Farbtöne, die Optik der Uhr kann man so aber dennoch merkbar variieren. Hier der direkte Vergleich:

Sternglas Kanton 2.0 und das Sellita SW200-1

Die erste Automatikuhr von Sternglas kam noch mit einem einfachen, undekorierten japanischen Kaliber 8215 aus dem Hause Citizen-Miyota – für bestimmte Preisbereiche ist das Miyota 8215 eine gute Wahl, aber – so ehrlich muss man sein – eben auch nichts, was Freunde von Feinmechanik hinter dem Ofen hervorlockt (vor allem nicht in einer gänzlich undekorierten Variante).

Aber auch hier hat Sternglas den Qualitäts-Hebel angesetzt, sich über die Jahre stetig verbessert und bei folgenden Modellen auf veredelte Kaliber wie das Miyota 821A oder später das Miyota 9015 im Modell Sternglas Asthet, gesetzt. Das Miyota 9015 kann es dabei – so die einhellige Meinung unter Uhrenfreunden – hinsichtlich Zuverlässigkeit und Ganggenauigkeit durchaus mit den Schweizern aufnehmen.

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In der neuen Sternglas Kanton tickt nunmehr ein Schweizer Sellita SW200-1 mit allem, was ein modernes mechanisches Uhrwerk heute haben sollte wie eine Frequenz von 28.800 bph (und damit ein schön schleichender Sekundenzeiger), Sekundenstopp bei gezogener Krone (“Hacking”-Funktion), um die Uhrzeit präzise beispielsweise mit der Atomzeit abzugleichen, Incabloc-Stoßsicherung, 38 Stunden Gangreserve etc.

Auch optisch macht das Werk dank des veredelten Rotors mit vergoldeter Sternglas-Gravur sowie Genfer Streifen eine gute Figur. Bei Genfer Streifen handelt es sich um einen Zierschiff, der erzeugt wird, indem eine leicht schräg gestellte, rotierende Schleifscheibe in parallelen Linien auf dem Werkstück entlang geführt wird.

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Das Sellita SW200-1 in der Sternglas Kanton 2.0 kommt in der besseren Qualitätsstufe Elaboré, die eine Ganggenauigkeit von guten -7 bis +7 Sekunden pro Tag garantiert – das ist noch mal eine ordentliche Schippe besser als die Feinregulierung in drei Lagen, die Sternglas bei anderen mechanischen Kalibern vornimmt, um eine Zielganggenauigkeit von -10 bis +20 Sekunden pro Tag zu erreichen.

Alles in allem bringt die Sternglas Kanton 2.0 durch das Sellita SW200-1 im Vergleich zur alten Kanton (trotz des höheren Preises) das deutliche “rundere” Gesamtpaket mit. Auch, wenn ich selbst viele gute Erfahrungen mit dem Kaliber STP1-11, das im Vorgänger tickte, gemacht habe, so ist das SW200-1 vor allem hinsichtlich langfristiger Zuverlässigkeit einfach die nachhaltigere und qualitativ bessere Wahl.

Sternglas Kanton 2.0 Automatik Uhr Test 24
Ausgeliefert in einer schicken, schweren Holzbox: Die Sternglas Kanton 2.0

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Thomas
1 Jahr zurück

Eine wirklich erstaunliche Geschichte, die diese junge Uhrenmarke hinter sich hat.

Ich war anfangs etwas skeptisch und hatte sie eher in die Kategorie Fashion Watches gesteckt. Deswegen war Sternglas für mich nie interessant. Aber mit der Entwicklung und den neuen Modellen haben sie mein Interesse geweckt.

Eine wirklich schöne Uhr zu einem angemessenen Preis, die Kanton. Ich hätte mir nur ein bisschen mehr Farbe auf dem Zifferblatt gewünscht.

Danke für die ausführliche Vorstellung und Recherche!