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Der im Solothurner Grenchen ansรคssige Uhrenhersteller Titoni flog in unseren europรคischen Gefilden lange unter dem Radar. Das hat sich in den letzten Jahren vor allem wegen der 2019, zur Feier des 100-jรคhrigen Bestehens des Familienbetriebs, eingefรผhrten Seascoper gewandelt. Die Taucheruhren-Reihe wurde 2022 um die flachere und etwas kostengรผnstiger positionierte Seascoper 300 erweitert. Zu den schon sieben Farbvarianten gesellt sich nun eine achte in der populรคren Farbe Eisblau. Auch ein Chronometer-Zertifikat ist wieder an Bord…

Eckdaten Titoni Seascoper 300:

  • Ref. 83300 S-BE-718 (blaue Lรผnette) oder 83300 S-BK-718 (schwarze Lรผnette)
  • Sellita SW200-1 in Chronometer-Qualitรคt (Chronometer), 40 Stunden Gangreserve
  • Durchmesser 42 mm
  • Bauhรถhe 12,5 mm
  • Horn-zu-Horn 51,5 mm
  • Gewicht: 185 Gramm (am Stahlband)
  • Saphirglas, beidseitig entspiegelt
  • Wasserdichtigkeit 300 m / 30 bar / 30 atm
  • Unidirektionale Taucher-Lรผnette mit kratzfestem Keramik-Inlay
  • Gehรคuse aus 316L-Edelstahl
  • Super-Luminova (BWG9)
  • Drei Bandvarianten (Stahl mit werkzeugloser Feinjustierung, vollintegriertes Kautschukband oder #tide Ozeanmaterial).
  • ab 1550โ‚ฌ (am FKM-Kautschuk); inklusive Einfuhrumsatzsteuer/Zoll und Versand, direkt auf titoni.ch oder bei verschieden Fachhรคndlern.

Titoni Seascoper 300 Eisblau im Test

Blau ist (neben Schwarz) der Dauerbrenner als Zifferblattfarbe. Vorbei sind aber die Zeiten, in denen nur dunkle Farbtรถne an das Herrenhandgelenk kommen: Insbesondere die helleren Blautรถne wie Tiffany-Blau, Eisblau & Co. erfreuen sich seit ein paar Jahren groรŸer Beliebtheit. Der Startschuss fรผr den Hype um diese Farben war 2021, als Patek Philippe die Stahl-Nautilus 5711 in Kooperation mit dem Edeljuwelier Tiffany in der charakteristischen Farbe Tiffany Blue noch ein (vorerst) letztes mal aufleben lieรŸ. Der dadurch entstandene Hype fรคrbte dann auf die ohnehin schon mit extrem langen Wartelisten versehene Rolex Oyster Perpetual 41 ab, die 2020 unter anderem mit โ€œStella Dialโ€-Varianten lanciert wurde (darunter auch ein Tรผrkisblau). Die Preise auf dem Graumarkt sind entsprechend explodiert.

Vor diesem Hintergrund haben viele weitere Uhrenmarkenhersteller in den letzten Jahren die hellblauen Farbtรถne fรผr sich entdeckt โ€“ darunter groรŸe Namen wie Nomos und kleinere Microbrands wie Nordic Marine Instruments. Und auch Titoni stattet nun die Seascoper 300 mit einer entsprechenden Variante aus – und die thematische Verbindung der eisblauen Farbgebung zum Juragebirge, das รผber Titonis Hauptquartier in Grenchen wacht, ist nun ja auch nicht ganz weit hergeholt. Das Eisblau der Seascoper 300 ist auf jeden Fall schรถn „frisch“ und sehr prรคsent. Es fรคllt definitiv auf, ist aber gleichzeitig nicht zu kitschig oder รผbertrieben โ€œknalligโ€ ausgefallen. Ich kรถnnte mir gut vorstellen, dass fรผr Uhrenfreunde, die sich bisher noch nicht an so auffรคllige Farben herangetraut haben, die Seascoper 300 Eisblau eine kleine Einstiegsdroge ist.

Die erste Seascoper erschien bereits 1979. Aber wรคhrend die Iterationen der Seascoper im Laufe der Jahre und Jahrzehnte optisch nicht viel mit den heutigen Modellen zu tun haben, entspringt die Seascoper 300 unverkennbar direkt der DNA der heutigen 600er-Serie. Gemeinsam haben Seascoper 600 und 300 beispielsweise den charakteristischen Zeigersatz, der ร„hnlichkeiten mit Schwertzeigern hat, im unteren Bereich aber skelettiert ist, sodass der Stundenzeiger nie vollstรคndig vom Minutenzeiger verdeckt wird.

Dennoch gibt es eine Reihe von ร„nderungen: So hat Titoni die prรคsenten Ziffern „12“, „6“ und „9“ gegen klassische, trapezfรถrmige, applizierte Indizes getauscht. Alle Indizes sind bei der eisblauen Variante schwarz umrahmt, um den Kontrast und damit die Ablesbarkeit zu unterstรผtzen. Stichwort Ablesbarkeit: Die Seascoper 300 ist ein Paradebeispiel fรผr eine durch und durch gelungene (beidseitige) Antireflexbeschichtung: Man gewinnt den Eindruck, als kรถnnte man einfach durch das Saphirglas hindurchgreifen.

Als Leuchtmasse kommt durchgรคngig Super-LumiNova in der Farbe BGW9 zum Einsatz, das bei Tageslicht einen weiรŸen Farbton und bei Dunkelheit einen hellblauen Farbton aufweist – das kรถnnte naheliegenderweise kaum besser zum Zifferblatt passen. Die Leuchtintensitรคt liegt bei ca. 95 Prozent im direkten Vergleich zur hellsten Farbe C3, die Leuchtdauer von BGW9 liegt aber รผber der von C3.

Die eisblaue Titoni Seascoper 300 kommt in zwei Varianten: Mit dunkelblauem (Ref. 83300 S-BE-718) oder schwarzem (83300 S-BK-718), kratzfestem und auf Hochglanz polierten Keramik-Inlay – jeweils mit klassischer (gegenรผber der 600er Seascoper auf Strichindizes reduzierten) Tauchzeitskala mit Leuchtpunkt auf der 12-Uhr-Position. Die schwarze Lรผnette schafft naturgemรครŸ einen deutlich „hรคrteren“ Kontrast zum blauen Zifferblatt, wรคhrend die hier gezeigte Variante mit blauer Lรผnette das Eisblau „fortfรผhrt“ (das ist auch meine favorisierte Variante).

Der Durchmesser des Gehรคuses betrรคgt wie bei der Seascoper 600 exakt 42 mm – und auch, wenn der Trend wieder eher in Richtung etwas kleinerer Durchmesser geht, vertrete ich die Auffassung, dass 42mm fรผr das durchschnittliche Herrenhandgelenk absolut passend sind. Das Horn-zu-Horn-MaรŸ ist mit 51,5mm marginal kleiner als bei der Seascoper 600, die Hรถrner sind aber angenehm ergonomisch nach unten gezogen. Vor allem aber wegen der mit 12,5mm relativ flachen Hรถhe (gegenรผber 14,5mm) wirkt die Seascoper 300 merkbar kompakter am Handgelenk als die 600er. Auch das von 22mm auf 20mm reduzierte BandanstoรŸ-MaรŸ sorgt fรผr eine etwas kompaktere Optik.

Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur schmaleren Bauweise bringt sicherlich der Verzicht auf ein Heliumventil (das wohl 99,9% aller Uhrenfreunde nรผchtern betrachtet ohnehin nie brauchen werden) und eine auf 300 Meter bzw. 30 bar reduzierte Wasserdichtigkeit (die von A wie Aktenschubsen bis Z wie Tauch-Zylinder in so ziemlich jeder Lebenslage eines Uhrenfreundes mehr als ausreichend sein dรผrften).

Als „verspieltes“, maritimes Element der Seascoper 300 ist der Gehรคuseboden von Bullaugen inspiriert. Die zentrale Oberflรคche ist glatt und auf Hochglanz poliert – und zwar so intensiv, dass sie wie eine Art Miniaturspiegel wirkt. Ein tolles Gehรคuse-Detail ist auch die knackscharf umgesetzte polierte Fase an der Innenseite der Hรถrner, die einen schรถnen Kontrast zur fein satinierten Hรถrner-Oberseite schafft.

Das Herzstรผck des durchgรคngig satinierten Edelstahlbandes ist (genau wie beim groรŸen Bruder) die FaltschlieรŸe, die mit einer รผberaus praktischen, werkzeuglosen Feinjustierung รผber das Auslรถsen des kreisrunden Titoni-Logos, einer stilisierten Blume in Anlehnung an die in Sรผdwest-China beheimatete Meihua, kommt. Obwohl das Band โ€“ und insbesondere die SchlieรŸe โ€“ erstklassig verarbeitet sind, finde ich es nach wie vor schade, dass die Bandglieder nicht verschraubt, sondern verstiftet sind (ich bin kein Fan von grober Rumklopferei am Band, um die Stifte auszutreiben – zumal die Bandglieder der Seascoper 300 eine Innenhรผlse beherbergen, die gerne mal verschwindet; Lesetipp: Uhrenarmband kรผrzen โ€“ Anleitung fรผr gestiftete und verschraubte Metallarmbรคnder).

Wer mit Stahlbรคndern nicht viel anfangen kann, gerne etwas weniger Gewicht am Handgelenk trรคgt (die Seascoper 300 kommt am Stahlband immerhin auf rund 190 Gramm Kampfgewicht) und gleichzeitig ein paar Euro sparen will, der greift zur Variante am FKM-Kautschukband mit vollintegriertem BandanstoรŸ, das leider nur in der Farbe Schwarz erhรคltlich ist (ich empfehle aber definitiv das Stahlband). Zusรคtzlich erworben werden kann ein #tide-Armband mit farblich abgestimmter Linie, das aus recyceltem Meeresplastik von der Schweizer Firma Tide Ocean SA im Auftrag von Titoni hergestellt wird. Tide wandelt das wiedergewonnene Abfallmaterial in hochwertige Garne um, diese Garne werden dann gefรคrbt und zur Produktion der Bรคnder verwendet.

Die Seascoper 300 Eisblau kommt wie gehabt mit dem Schweizer Standardkaliber Sellita SW200-1, das 40 Stunden Gangreserve und 28800 bph an Bord hat. So weit so „normal“. Bemerkenswert fรผr eine Uhr in dieser Preisklasse ist aber, dass Titoni ein Chronometer-Zertifikat spendiert, das einen mittleren tรคglichen Gang im erlaubten Spektrum zwischen -4 und +6 Sekunden garantiert.

Zur Einordnung: Etwa eine Millionen Chronometerzertifikate werden pro Jahr von der Contrรดle Officiel Suisse des Chronomรจtres (COSC) ausgestellt. Das klingt viel, entspricht jedoch nur etwa 6% der Schweizer Uhrenproduktion. Ein COSC-Zertifikat hat Ausnahmecharakter, was auch daran liegt, dass viele Hersteller die Kosten dafรผr scheuen – die COSC-Checks laufen zwar weitgehend automatisiert ab, sind aber dennoch รคuรŸerst umfangreich: Darรผber, ob ein Zertifikat ausgestellt wird, entscheidet unter anderem die 15-tรคgige Prรผfung der einzelnen (nicht eingeschalten) Werke. Jedes einzelne Werk wird dabei in fรผnf Lagen (Zifferblatt oben, Zifferblatt unten etc.) und bei drei verschiedenen Temperaturen getestet (8ยฐ, 23ยฐ und 38ยฐC). Zum Check zugelassen sind ausschlieรŸlich Kaliber aus Schweizer Herkunft. 

AbschlieรŸende Gedanken

Ein Vergleich der Seascoper 300 mit der vor rund einem Jahr von mir getesteten SuperOcean Automatic 44 „Tiffany“ von der ein Kilometer Luftlinie entfernten Breitling SA drรคngt sich fรถrmlich auf: Die SuperOcean kommt mit exakt demselben Kaliber (Kaliber 17 = Sellita SW200-1 COSC) und auch haptisch und qualitativ nehmen sich die beiden Schweizer Taucher fast nichts – die Breitling ist fรผr mein persรถnliches Empfinden nur in wenigen Nuancen besser (z.B. Gehรคuse, aufwรคndigeres Blatt). Das Preisschild der SuperOcean ist allerdings um mehr als den Faktor 3 hรถher angesetzt als das der Titoni Seascoper 300. Wenn wir markenbezogene Aspekte ausklammern (z.B. Bekanntheit in Europa), kann die Titoni Seascoper 300 Eisblau daher insbesondere Taucheruhrenfreunde nicht kalt lassen: Wer einen hochwertigen und gleichzeitig noch relativ erschwinglichen Schweizer Diver mit „verbriefter“ hoher Ganggenauigkeit sucht, kommt an der Seascoper 300 kaum vorbei.

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2 Kommentare
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Lord Cord
7 Monate zurรผck

Nun, ich persรถnlich mag ein wenig Farbe auf dem Zifferblatt. Monochrome Uhren machen mich manchmal etwas depressiv und da ist es schรถn, dem Alltag etwas Eisbonbonfarbe ins Gesicht werfen zu kรถnnen. Meine 5 Pence.
Aber eigentlich wollte ich ganz woanders hin.

Diese Titoni ist wieder feinster Stabilbau von Blohm und Voss. Was immer in diesen Uhren an Extra verbaut ist, es ist schwer. Dazu die etwas ungeschickte Form des Gehรคuses, die mich schon bei der vielbesungenen BB gestรถrt hat. Bulky meets chunky.

Aber:
Die SchlieรŸe ist wahrscheinlich das allergenialste Teil, was ich je befummeln durfte. Glidelock hin oder her. Weitenverstellung auf Knopfdruck (mitten in der SchlieรŸe)? Genial. Es wรคre unangemessen zu sagen, dass sich die Uhr schon deswegen lohnt. Aber brillant ist es allemal.

Ja, die Uhr geht ohne Einlaufzeit genial, ja, der Wecker leuchtet lang und deutlich, nein, รผber Geschmack diskutiere ich nicht. Aber die SchlieรŸe? Richtet Eure Poliertรผcher gen Grenchen, kniet nieder und preiset die SchlieรŸe!

Rumburak Klรถtenschneider
8 Monate zurรผck

โ€žJetzt auch noch Titoniโ€œ, war mein erster Gedanke, als ich diese Uhr sah. Die Seascooper ist eigentlich eine wirklich feine Uhr, sowohl die 300 als auch die 600, die sogar mit zertifiziertem Manufakturwerk. Im Artikel wird auf die in etwa vergleichbare Breitling Super Ocean hingewiesen, zu der ich einen lรคngeren Leserbrief geschrieben habe und der auch noch dort nachzulesen ist. Dort steht auch was รผber meine Meinung zu Modefarben im Zusammenhang mit teuren Uhren.

Wenn beispielsweise Swatch seine Plastikuhren regelmรครŸig neu designt, gerade so, wie Mode und Zeitgeist es vorgeben, habe ich dafรผr volles Verstรคndnis. Es handelt sich hier um Plastikuhren fรผr relativ wenig Geld, die auch nicht fรผr die Ewigkeit gedacht und gemacht werden. Bei einer Uhr im deutlich vierstelligen Bereich erwarte ich eine gewisse Zeitlosigkeit und nicht das farbliche Spektrum eines Schlafanzugs fรผr vierjรคhrige Knaben. In dem Zusammenhang fรคllt mir ein, bei fortgesetztem Marketing kรถnnten vielleicht auch mal eine โ€žFC Bayern Mรผnchen Limited Editionโ€œ oder รคhnliche Grausamkeiten drohen. Und das meine ich nicht nur fรผr die Bettwรคsche von Kindern.

Wie schon in meiner Polemik zur wirklich scheuรŸlichen und gnadenlos รผberteuerten Breitling mรถchte ich zur eigentlich attraktiven und preiswerten Titoni doch noch einige Fragen stellen. Was macht man mit einer Uhr fรผr anderthalb tausend Euro, wenn Babyblau als Modefarbe ausgedient hat und irgendwann mal so geachtet wird wie Tennissocken zu schwarzen Slippern? Wird Titoni als Manufaktur mit emanzipierter Einstellung Frauen gegenรผber auch ein Modell mit einem rosa Zifferblatt auf den Markt bringen? Darf getauscht werden? Vor nicht allzu vielen Jahren trugen gestandene Mรคnner rosa Hemden, T-Shirts und Polohemden. Dementsprechend war fรผr Frauen natรผrlich auch eine babyblaue Bluse en vogue. Gilt das auch fรผr Uhren? Man weiรŸ es nicht.