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Ich persรถnlich mag ja Retro-Neuauflagen, also Uhren, die sich an frรผheren (Vintage-)Modellen orientieren (auch Re-Issue, Re-Edition genannt). Je nรคher sich das Design der Retro-Neuauflage am Original bewegt, desto besser – mit einer Ausnahme: die UhrengrรถรŸe darf gerne von den frรผher gรคngigen 34, 35, 36 mm Durchmessern auf zeitgemรครŸe 40 oder 41 mm aufgepumpt werden (mein 19 cm-Handgelenk dankt es!).

NaturgemรครŸ beschrรคnkt sich die Designleistung des Uhrenherstellers bei originalgetreuen Retro-Neuauflagen primรคr darauf, alte Konstruktionszeichnungen aus den verstaubten Archiven zu kramen und/oder Originale aus der damaligen Zeit in die digitale Welt zu transportieren (3D CAD & Co.). Mit Blick auf den nach wie vor ungebrochenen Retro-Uhren-Trend gehรถrt es zum Stellenprofil eines Uhrendesigners heute offenbar dazu auch mal die kreative Ader Zuhause zu lassen.

Kurz gesagt: Da kein gรคnzlich neues Design „vom ReiรŸbrett“ erfunden werden muss, kรถnnen Retro-Uhren mit vergleichsweise wenig Aufwand lanciert werden. Und nun kommt der Casus knacksus: Offenbar gilt bei den Uhrenherstellern gleichzeitig das ungeschriebene Gesetz: Je nรคher das Design einer Retro-Neuauflage am Original, desto mehr darf auf dem Preisschild stehen. Das wirkt auf den ersten Blick irgendwie ambivalent.

Als konkretes Beispiel sei die Omega Seamaster 300 genannt. Ursprรผnglich kam die Taucheruhr mit der Referenz CK2913 im Jahre 1957 als Trio zusammen mit der Omega Speedmaster Professional (CK2915) und der Railmaster (CK2914) auf den Markt. Alle drei Modelle richteten sich an professionelle Anwender und hatten die charakteristische Form der Hรถrner, โ€žBroad Arrowโ€œ-Zeiger und ein kontrastreiches, schwarzes Zifferblatt gemeinsam.

Im Jahre 2021 lancierte Omega eine Neuauflage von der Neuauflage. Die ร„nderungen: Ein „zweischichtiges“, sogenanntes Sandwich-Zifferblatt, der Einzug des Kalibers 8900 (amagnetisch bis 15.000 Gauss, 60 Stunden Gangreserve, Silizium-Unruhspiralfeder) und Aluminium-Lรผnette statt Keramik (ja richtig gelesen). Der Preis: 6500โ‚ฌ in der Variante mit Edelstahlgehรคuse und Stahlband. Das sind 500โ‚ฌ mehr als beim Vorgรคnger mit dem Kaliber 8400 (ebenfalls amagnetisch bis 15.000 Gauss, 60 Stunden Gangreserve, Silizium-Unruhspiralfeder) sowie polierter Keramiklรผnette (Ref. 233.30.41.21.01.001).

Mal vรถllig unabhรคngig davon, dass Omega bei der neuen Seamaster 300 – wie sollte es auch anders sein – an der Preisschraube gedreht hat, so fehlt mir ehrlich gesagt das Verstรคndnis dafรผr, warum die aktuelle Omega Seamaster 300 geschlagene 1200โ‚ฌ (+25%) mehr kostet als die modernere Omega Seamaster Diver 300M, die durch den Leinwandauftritt am Handgelenk von Pierce Brosnan in James Bond Golden Eye bekannt wurde und in der heute erhรคltlichen, aktuellen Variante mit einem Keramik-Zifferblatt mit tiefem, lasergraviertem Wellenmuster und passender Keramiklรผnette sehr aufwendig verarbeitet ist. Okay, okay: Das Kaliber 8800 in der Omega Seamaster 300m hat „nur“ 55 Stunden Gangreserve (gegenรผber 60 Stunden beim Kaliber 8900 in der Seamaster 300), die sonstigen Unterschiede zwischen dem 8800er und dem 8900er sind aber eher aus der Homรถopathie-Ecke. Wo ist da – nรผchtern betrachtet – die VerhรคltnismรครŸigkeit?

Noch ein Blick in Richtung eines weiteren Schweizer Uhrenherstellers: In der Heritage-Kollektion fasst Longines (genau wie Omega Teil der Swatch Group) eine Reihe von gefรคlligen, sehr originalgetreuen Re-Editionen zusammen. Ein Beispiel ist die Longines Skin Diver Taucheruhr, die knapp 2500โ‚ฌ auf dem Preisschild stehen hat. Zum Vergleich: Die modernere Longines HydroConquest (Keramiklรผnette, ebenfalls Kaliber L888) kostet rund 1000โ‚ฌ weniger (70% Unterschied).

Longines Skin Diver
Die Neuauflage der Longines Skin Diver (Kaliber L888, Edelstahllรผnette, 42 mm)

Auch viele andere Uhrenhersteller haben den Retro-Preisaufschlag fรผr sich entdeckt. Und das gilt nicht nur fรผr Schweizer oder deutsche Hersteller, sondern auch fรผr die Japaner: So lรคsst es sich Seiko nicht nehmen den Nimbus der unter Vintage-Sammlern beliebten Seiko 6105 „Captain Willard“, die ihren Spitznamen dem Hollywood-Auftritt am Handgelenk des gleichnamigen fiktiven Charakters im Antikriegsfilm-Klassiker Apocalypse Now zu verdanken hat, fรผr eine hochpreisige Positionierung zu nutzen: Die Seiko Prospex Automatic Divers SPB151J1 kostet immerhin 1350โ‚ฌ. Das hรถherwertigere (mittlerweile ausverkaufte) Limited-Edition-Pendant SLA033 kostete รผber 4000โ‚ฌ. Bitte nicht falsch verstehen: Seiko weiรŸ natรผrlich, wie man hochwertige Uhren baut, die problemlos mit den Schweizern und den Deutschen in denselben Preisklassen mithalten kรถnnen – Uhrenfreunde mit kleinem Budget schauen dabei allerdings eher in die Rรถhre.

Ein wesentlicher Grund fรผr die vergleichsweise hohen Preise fรผr Retro-Neuauflagen ist im Vintage-Gebrauchtmarkt zu suchen: So erzielt eine gut erhaltene original Omega Seamaster CK2913 aus den 50er/60er Jahren beispielsweise schnell mal Preise jenseits der 15.000โ‚ฌ. Im Vergleich wirkt die oben beschriebene Neuauflage fรผr 6300โ‚ฌ fast schon wie ein Schnapper – und das ist am Ende des Tages natรผrlich auch kaufmรคnnisches Kalkรผl, denn man kann getrost davon ausgehen, dass die Uhrenhersteller ziemlich genau wissen, welche Vintage-Modelle sich groรŸer Beliebtheit erfreuen. Auch eine original Seiko 6105 Captain Willard ist mittlerweile kaum noch unter 2000โ‚ฌ zu bekommen – die Preistendenz ist eindeutig:

Bild: Chrono24

Alles in allem kann man festhalten, dass sich die Preissetzung bei Retro-Neuauflagen natรผrlich nicht nur aus der Qualitรคt der Komponenten und damit den Kosten (Material, Lohn) ergibt, sondern u.a. auch aus dem Gebrauchtmarkt fรผr Vintage-Modelle. Durch die betriebswirtschaftliche Brille betrachtet kann man den Herstellern diesbezรผglich keinen Vorwurf machen – und die Kunden scheinen die Preise in den meisten Fรคllen ja auch zu akzeptieren. Es schadet aber nicht, wenn man als Uhrenfreund ein Verstรคndnis dafรผr hat, wenn man sich fรผr Vintage- und/oder Retro-Uhren begeistert…

Jetzt seid ihr an der Reihe: Stimmt ab und teilt eure (anonyme) Ansicht รผber dieses Thema mit anderen (gerne zusรคtzlich auch in den Kommentaren unten)!

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8 Kommentare
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Roland B.
3 Jahre zurรผck

Die Omega Seamaster 300 finde ich schรถner wie die Omega Seamaster 300 Diver. Einfach mal beim Juwelier ansehen. Ich wรผrde mir aber unbedingt das Vorgรคngermodell mit der Keramik Lynette zulegen. Das man bei dem neuen Model eine Alu Lynette verbaut hat kann ich nicht verstehen.Auch die Krone des neuen Modells finde ich nicht so gut. Diese Krone verhakt sich durch ihre nach innen angeschrรคnkte Form wenn man damit irgendwo hรคngen bleibt. Fรผr mich ist die neue Seamaster 300 ein Rรผckschritt.

fruhmano
3 Jahre zurรผck

Liebe Uhrenhersteller! Der Gipfel von Retro wรคren Sonnenuhrarmbanduhren! Einfach in der Herstellung und schauen von Anfang an ziemlich alt aus!

fruhmano
3 Jahre zurรผck
Antworten...  Mario

Nicht uncool! Aber hierfรผr wรคre es natรผrlich noch wichtiger das Datum auf meiner BR 03-92 ablesen zu kรถnnen!

Andi
3 Jahre zurรผck

Die Frage ist auch wieviel der Preis des Originals damals im Vergleich zu heute – inflationsbereinigt – wรคre. Da gilt dann auch die รผbliche Ausrede, dass die Neuauflage technisch so doll besser wรคre, auch nicht.

Peter
3 Jahre zurรผck

Die Preisgestaltung bei Uhren ist so eine Sache. Und die Retro-Uhren machen da keine Ausnahme. Wenn ich etwas will, und wenn es eine Reto-Uhr ist, zahle ich den Preis. Wenn mir der Preis zu hoch erscheint gibt es immer eine Alternative. Die Preise sind meines Erachtens von uns gemacht. Kaufe ich die Uhr nicht, hat das vielleicht auch einen Einfluss auf die Preisgestaltung der Hersteller oder auch auf das Preisgefรผge bei den einschlรคgigen Portalen. Es muss jedem Kรคufer bewusst sein, dass eine Uhr in der Regel mit dem Verlassen des Ladenlokals einen oft nicht unerheblichen Wertverfall hat. Und eine Uhr mit einem noch so gutem Retrodesign macht da keine Ausnahme.

frowin
3 Jahre zurรผck
Antworten...  Peter

Angebot und Nachfrage – mehr ist dazu nicht zu sagen…