Treffen sich zwei Sachsen im Rhein. Nein, das ist nicht der Beginn eines flachen Witzes, sondern die Kurzfassung eines neuen Schwimmrekordes des gebรผrtigen Chemnitzers Joseph Heร, der den Rhein รผber 1.235 Kilometer in 25 Tagen durchschwamm – mit der neuen Nomos Ahoi Atlantik aus Glashรผtte, Sachsen, am Arm. Und genau dieses Modell schauen wir uns in diesem Artikel genauer an…
Eckdaten Ahoi Atlantik, Ahoi Datum Atlantik und Ahoi neomatik Atlantik:
- Made in Glashรผtte
- Ref. 567 (36,3 mm, Kaliber DUW 3001), 547 (40,3 mm, Kaliber DUW 5001 „NoDate“), 548 (40,3 mm, Kaliber DUW 5101 „Date“)
- Durchmesser: 36mm bzw. 40mm
- Hรถhe: 9,6mm bzw. 10,6mm
- Horn-zu-Horn: 45mm bzw. 51mm
- Verschraubte Krone
- Entspiegeltes Saphirglas
- Wasserdichtigkeit: 200 Meter / 20 bar
- Manufakturkaliber DUW 3001 bzw. DUW 5001 („NoDate“) bzw. DUW 5101 („Date“), Gangreserve: 42h
- Gewebtes Textilband
- Preis: ab 2840โฌ
Nomos Ahoi Atlantik und Joseph Heร
Die kennt man doch irgendwo her: Freunde von Uhren aus dem bekannten deutschen Uhren-Cluster Glashรผtte kennen die Ahoi Atlantik schon seit einigen Jahren unter der Referenz 552. Nun hat Nomos Glashรผtte Mitte 2022 drei neue Versionen des sportlichen Dressers auf den Markt gebracht, darunter eine „Date“- und eine deutlich kleinere Variante, die auch fรผr Damen geeignet ist.
Auf Hochglanz poliertes Gehรคuse, feine Ziffern und Indizes: Nomos positioniert die neue Ahoi Atlantik damals wie heute als klassisch-dressiges Modell, grenzt es aber zur (optisch zweifellos sehr รคhnlichen) Nomos Tangente neomatik durch einen sportlichen Anstrich und eine deutlich hรถhere Wasserdichtigkeit ab – um letzteres zu untermauern haben die Sachsen einen passenden Markenbotschafter an Bord geholt, der die Wasserdichtigkeit der Nomos Ahoi Atlantik (200 Meter bzw. 20 bar; zum Tauchen geeignet) intensiv getestet hat.
Die Ahoi Atlantik war am Handgelenk des Langstreckenschwimmers Joseph Heร, wรคhrend dieser im Sommer 2022 durch den Rhein geschwommen ist – und zwar nicht „quer“ zum sommerlich-entspannten Plansch, sondern „lรคngs“ vom Tomasee in der Schweiz โ der Quelle des Rheins โ bis zur Nordsee-Mรผndung in den Niederlanden. Dr. Heร, der als Projektleiter an der TU Chemnitz arbeitet, hat fรผr die 1.235 Kilometer von der Quelle bis zur Mรผndung insgesamt 25 Tage gebraucht – immerhin 5 Tage schneller als der bisherige Rekordhalter Klaus Pechstein anno 1969.
Heร schwamm tรคglich zwischen 28 und 75 Kilometer. Viel vom Ufer mitbekommen hat er dabei nicht: โEs ist ein einsamer Sport, weil man nichts hรถrt oder sieht.โ Schiffsverkehr (bei dem rechts vor links vermutlich eher nicht Anwendung findet), Temperaturschwankungen, immenser Kalorienverbrauch und die Gezeiten waren nur ein paar von den Herausforderungen, die der Chemnitzer zu meistern hatte. In der Bodensee-Region erlitt Joseph Heร auรerdem einen Magen-Darm-Infekt. Wenig spรคter versagte bei Basel auch das Beiboot, weshalb spontan ein neues Boot gekauft werden musste.
Swim4Science heiรt das Projekt, fรผr das Heร geschwommen ist โ begleitet von Wissenschaftlern und Studenten mehrerer Hochschulen in Leipzig, Chemnitz, Mittweida und Furtwangen, zum Beispiel, um Fragen kรถrperlicher Belastung und den Umgang mit Stresssituationen zu untersuchen.
Dass die Nomos Ahoi Atlantik nicht wasserscheu ist, dรผrfte nun klar sein. Das war beim Vorgรคngermodell, der Nomos Ahoi Atlantik 552 (ebenfalls wasserdicht bis 20 bar), aber auch nicht der Fall.
Ansonsten hat sich Nomos offenbar Rolex zum Vorbild genommen: die รnderungen der neuen Ahoi Atlantik gegenรผber dem Vorgรคnger bewegen sich im homรถopathischen Bereich und mรผssen erst mal gesucht werden (Spoiler: Vor allem das Zifferblatt wurde hinsichtlich der Farbgebung verรคndert).
Das Gehรคuse der Ahoi Atlantik kommt nach wie vor in der Nomos-typischen Form mit schmaler Lรผnette und feinen, angewinkelten, stark nach unten gezogen Hรถrnern, die dem Verlauf des Handgelenkes folgen. Im Gegensatz zur Tangente ist bei der Ahoi Atlantik – zwecks sportlicher Note – ein dezenter Kronenschutz untergebracht.
Das Gehรคuse ist durchgรคngig poliert – ein wenig Schade ist das ja schon, denn grade einer etwas sportlicheren Uhr wie der Ahoi Atlantik hรคtte auch die eine oder andere satinierte Flรคche durchaus gut gestanden. Ja, eine gleichmรครig spiegelnde, verzerrungsfreie polierte Oberflรคche ist eine Kunst fรผr sich (siehe auch: Zaratsu-Politur bei der Grand Seiko Snowflake). Eine feine Satinierung, die beispielsweise Longines bei der Spirit Automatik extrem gut gelungen ist, ist allerdings fรผr mich persรถnlich noch mal das i-Tรผpfelchen wenn es um die Optik von hochwertigen, sportlicheren Uhren geht.
Der Durchmesser der hier gezeigten „NoDate“-Ahoi Atlantik Ref. 547 ist mit 40,3 dressig-kompakt und mit 10,6 mm angenehm flach. Letztere Abmessung verdankt die Ahoi Atlantik dem damals wie heute zum Einsatz kommenden Kaliber DUW 5001 (das gibt es nun auch als „Date“-Variante, dazu gleich mehr).
Kommen wir zum Zifferblatt: Der namensgebende, tiefblaue und fast schon schwarz wirkende Farbton „Atlantikblau“ ist (logischerweise) bei der neuen Ahoi Atlantik erhalten geblieben. Die Farbe wird durch die offenbar beidseitig aufgebrachte, blรคuliche Entspiegelungsschicht wunderbar unterstrichen. Auch der Nomos-typische Stil mit gestochen scharf gedruckten Indizes und Ziffern in ihrer charakteristischen, lรคnglich-schlanken Typographie ist an Bord.
Die Farben sind allerdings nun etwas dezenter als beim Vorgรคnger gestaltet: anstelle von Goldtรถnen bei den gedruckten Ziffern und Indizes in Kombination mit rosegoldfarbenem Stunden-/Minutenzeiger, die mit grรผnlicher Super-LumiNova gefรผllt waren, kommt jetzt vor allem nรผchterneres Weiร zum Einsatz (das im Dunkeln aber nach wie vor grรผn leuchtet). Die Zeiger der neuen Ahoi Atlantik sind nun auรerdem aus Edelstahl. Alles in allem wirkt die neue Ahoi Atlantik durch diese – wenn auch kleinen – รnderungen erwachsener und weniger „verspielt“.
Ganz ohne Nomos-typische „Farbkleckse“ kommt aber auch die neue Ahoi Atlantik nicht aus: die Indizes fรผr die Stundenmarkierungen sind jetzt grรผn umrandet und gelb-braun gefรผllt. Der kleine Sekundenzeiger auf „6 Uhr“, der so etwas wie ein Markenzeichen von Nomos ist, kommt nicht mehr in Neonorange, sondern in einem etwas sachlicheren Rot. Die kleine Sekunde ist auรerdem leicht vertieft und mit einem feinen Schallplattenmuster ausgestattet.
Alle drei Ahoi Atlantik-Varianten kommen mit einem Textilband, das in Frankreich eigens fรผr Nomos Glashรผtte gewebt wird. Ich muss zugeben, dass ich die Nomos-Textilbรคnder auf Bildern immer als optisch etwas billig empfunden habe. Vor ein paar Jahren hatte ich auรerdem mal eine Nomos mit Textilband auf der Baselworld am Arm – die qualitative Anmutung war eher aus der Kategorie 08/15. Umso erfreuter war ich, das Nomos mit den neuen gewebten Textilbรคndern einen groรen qualitativen Sprung nach vorne gemacht hat – die Oberflรคche wirkt sehr fein und „seidig“, an der Unterseite sind die Nรคhkanten sauber und kratzfrei „abgedeckt“. Als Schlieรe kommt eine Flรผgelschlieรe zum Einsatz, die gleichzeitig die Funktion des ersten Keepers รผbernimmt (der zweite Keeper ist aus demselben Material wie das Band selbst).
Praktisch ist darรผber hinaus, dass die Bรคnder in den Grรถรen XS bis XL verfรผgbar sind, wenngleich ich den Sinn von einem XL-Band an einer eher kleineren 40mm-Uhr wie der Ahoi Atlantik nicht so wirklich verstehe, da die Uhr an entsprechend groรen Handgelenken doch ziemlich verloren aussehen dรผrfte. Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang betrรคgt in etwa 19 cm und ich empfinde die Ahoi Atlantik hinsichtlich der Grรถรe als grade so okay:
Schwingen ohne die Schweizer: Nomos Swing System trifft Kaliber DUW 5001, 5101 und 3001
So vielfรคltig die Uhrenlandschaft mit ihren unzรคhligen gestandenen Marken und Microbrands heute vordergrรผndig daherkommt โ das Innenleben einer hรถherwertigeren mechanischen Uhren in der Preisklasse bis Pi mal Daumen 3000โฌ ist heute oftmals das Gleiche: ein Rohwerk (Ebauche) von der Schweizer ETA SA und ein Regulierungsorgan von Nivarox – das Herz einer mechanischen Uhr, unter Fachleuten bekannt als das sogenannte Assortiment. Das Assortiment (auch: Reglage, Hemmung) wiederum besteht aus Unruh, Spirale, Ankerrad und Anker sowie weiteren winzigen Komponenten. Da ETA nicht mehr an Uhrenhersteller auรerhalb des eigenen Konzerns, der Swatch Group, liefert, hat die Schweizer Sellita SA das Vakuum, das ETA hinterlassen hat, weitgehend gefรผllt: Sellita produziert inzwischen nicht nur sรคmtliche Gestellteile (Platinen, Brรผcken und Kloben) fรผr selbst, sondern unterhรคlt neben der eigenen Unruhspiralfeder-Fertigung auch eine weitgehend automatisierte Produktion von Unruhen und Ankern. Aber egal ob ETA oder Sellita: Die Abhรคngigkeit der meisten deutschen Uhrenhersteller von den Schweizern ist groร. Sehr groร.
Und die Spezialisten von ETA und Sellita hรผten ihre Geschรคftsgeheimnisse verstรคndlicherweise gut. Seit dem Aufkommen der Quarzuhren in den Siebยญzigerjahren gab es hinsichtlich von Assortiments kaum noch Grundlagenforschung. Es existiert ferner wenig Literatur, und schon gar keine mathematischen Berechnungen fรผr das kleine Wunderwerk der Feinmechanik, das eine Uhr zum ticken bringt. Kurzum: Wer mechanische Uhren bauen will, muss in aller Regel bei den Schweizern kaufen – oder bei Null anfangen.
Nomos wรคhlte letzteren Weg und investierte sieben Jahre und elf Millionen Euro in seine Unabhรคngigkeitserklรคrung. In einem gemeinsamen Projekt mit der TU Dresden simulierten und berechneten die Glashรผtter das feine Zusammenspiel all der kleinen Teile eines Assortiments und brachten es zur Serienreife. Der entscheidende Sprung vom Prototyp zur Serienfertigung gelang 2014, als Nomos die ersten Handaufzugswerke mit โSwing Systemโ vorstellte. Spรคter wurde das System zum Herzstรผck des Automatikkalibers DUW 3001. Mittlerweile kommt das Swing System auch bei den Kalibern 5001 und 5101 zum Einsatz. Und genau diese drei Kaliber kommen in den jeweiligen Varianten der neuen Ahoi Atlantik zum Einsatz.
Genauer: Die beiden „groรen“ neuen Atlantik-Varianten (Ref. 547 und 548) kommen mit dem 2017/2018 erschienenen DUW-Kaliber 5001 (NoDate) bzw. 5101 (Date). Die Referenz 567 tanzt aus der Reihe: Die mit 36,3 mm deutlich kompaktere Ahoi Atlantik kommt mit neuer und besonders schlanker Automatik-Technologie von Nomos, dem Kaliber DUW 3001 โ ein mechanisches Kaliber mit Automatikaufzug und Schwerpunkt auf eine flache Bauweise, unter anderem, da Teile der Mechanik zwischen Werkplatte und Dreiviertelplatine gepackt wurden, statt wie รผblich โoben draufโ.
Viele der Neuerungen sind durch moderne, prรคzisere Fertigungstechniken mรถglich geworden, manche Bauteile werden fotolithografisch hergestellt, vergleichbar mit Produktionsmethoden im Bereich der Halbleiter- und Mikrosystemtechnik. So kommt das Kaliber 3001 auf flache 3,2 mm, die Uhr selbst auf flache 9,6 mm (rund 1 mm flacher als die groรe Ahoi Atlantik) – gut so, denn ein kleiner Durchmesser in Verbindung mit einer hohen Bauweise sorgt schnell dafรผr, dass eine Uhr pummelig wirkt.
Sowohl die Kaliber 5001, 5101 als auch das 3001 reiรen hinsichtlich der Gangreserve mit rund 43 Stunden auf dem Papier keine Bรคume aus. Selbiges gilt fรผr die Frequenz von 21.600 bph (gegenรผber 28.800 bph beim Sellita SW200) โ der sich daraus ergebende Nachteil eines nicht ganz so schรถn flรผssig laufenden Sekundenzeigers kommt aber nicht zum Tragen, da man die Bewegung des Zeigers in der kleinen Sekunde ohnehin deutlich weniger wahrnimmt.
Ob die Gangreserve ausreichend ist, muss jeder selbst mit Blick auf sein persรถnliches Trageverhalten entscheiden: Wer seine Uhr in einer klassischen Arbeitswoche von Montag bis Freitag trรคgt und am Wochenende in der Schublade verschwinden lรคsst, der muss am folgenden Montag die Uhr logischerweise neu stellen – das ist nun wahrlich kein Zeitfresser, wem das dennoch auf den Keks geht, der ist bei Uhren mit dem Powermatic 80 beispielsweise besser aufgehoben. Wer mehrere Uhren hat und sowieso wรถchentlich oder gar tรคglich wechselt, fรผr den ist die eher durchschnittliche Gangreserve der Nomos-Kaliber kein Problem.
Dass die Gangreserve eher durchschnittlich ist, liegt an der klaren Schwerpunktsetzung von Nomos: Wรผrden die Glashรผtter die Gangreserve erhรถhen (zum Beispiel durch ein grรถรeres Federhaus), wรผrde das wahrscheinlich auch die Bauhรถhe erhรถhen. Niedrigere Federhรคuser kรถnnen wesentlich dazu beitragen, die Bauhรถhe eines Werkes zu reduzieren. Dummerweise fรผhrt eine Reduktion der Hรถhe der Zugfeder linear zu einer Reduktion des Drehmomentes und damit der in der Feder gespeicherten Energie – die Gangreserve sinkt. Dies kann durch ein zweites Federhaus kompensiert werden, aber auch das will ja irgendwo untergebracht werden. Kurzum: Nomos hat mit Blick auf den Fokus auf eher dressige Uhren den Schwerpunkt bei der Kaliberentwicklung meiner Meinung nach goldrichtig gewรคhlt.
Fazit zur neuen Nomos Ahoi Atlantik (2022)
Nomos hat bei der neuen Ahoi Atlantik nur marginale optische Verรคnderungen vorgenommen – und das ist auch gut so, denn der dressige Sportler gibt meiner Meinung nach ein stimmiges Gesamtbild mit typischer Nomos-DNA ab. Warum auch รคndern, was bereits gut funktioniert?
Preislich liegt die hier gezeigte „NoDate“-Ahoi Atlantik bei 2840โฌ. Die „Date“-Variante ist mit 3320โฌ merkbar teurer. Zum Vergleich: Die alte „NoDate“-Ahoi Atlantik 552 lag bei 3140โฌ – schรถn, dass Nomos preislich nicht wie andere Hersteller „abhebt“, trotz der aktuellen Lieferkettenproblematiken. Unter Berรผcksichtigung der hohen Fertigungstiefe, der durchdachten In-House-Kaliber, der sehr hohen Verarbeitungsqualitรคt und des allgemeinen Preisniveaus von Uhren aus Glashรผtte bewegen sich die Preise fรผr die neue Ahoi Atlantik in einem recht fairen, wenn auch nicht gรผnstigen, Rahmen.
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