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Fortis ist ein echtes Urgestein unter den Schweizer Uhren-Herstellern: Das in Grenchen ansรคssige Traditionsunternehmen ist seit 1912 ohne Unterbrechungen tรคtig – selbst die in den 70ern und 80ern wie ein Tornado wรผtende Quarz-Krise hat Fortis รผberstanden (allerdings nicht ohne Federn lassen zu mรผssen). Nennenswerte Meilensteine in der Fortis-Historie sind beispielsweise die Serienproduktion der allerersten Automatik-Armbanduhr der Welt sowie die Alarm-Komplikation im Kaliber F2001. Fortis ist auรŸerdem heute vor allem bekannt fรผr den B-42 Cosmonauts Chronograph, der aus einer Kooperation mit der russischen Raumfahrtbehรถrde ROSKOSMOS entstanden ist.

Nach einer sehr erfolgreichen Zeit ging es mit Fortis in den letzten Jahren allerdings stetig bergab. Seit 2018 steht Fortis unter neuer Fรผhrung – ein guter Zeitpunkt also fรผr eine Momentaufnahme: Werfen wir einen Blick auf die Geschichte von Fortis, die Fehler der Vergangenheit, den Status Quo und konkret auf das Modell Fortis B-42 Official Cosmonauts Automatic

Fortis Uhren: Von der allerersten Automatik-Armbanduhr in den Weltraum

Fortis x John Harwood vs. Rolex

Ein nennenswerter Meilenstein in der Fortis-Geschichte ist die Kooperation mit dem Erfinder der allerersten Automatik-Armbanduhr รผberhaupt, John Harwood: Der britische Uhrmacher und Tรผftler hatte in den 1920er Jahren die Idee zu einer Uhr mit automatischem Aufzug als er Kinder auf einer Wippe spielen sah – daraufhin begab er sich in seine Werkstatt und baute auf Basis einer ausrangierten Taschenuhr den Prototypen einer Armbanduhr mit Automatikaufzug, die er spรคter patentieren lies. Das Besondere an der „Harwood Self-Winding Watch“ war die sogenannte Hammer-Automatik, mit der die Uhr รผber eine zentrisch montierte Pendelschwungmasse, die im Winkel von 270 Grad rotierte und beidseits auf Federpuffer aufschlug, aufgezogen wurde.

Fortis-Grรผnder Walter Vogt erkannte das Potential dieser Erfindung und brachte Harwoods Idee in Serienfertigung. Das erste Modell wurde bereits auf der Baselworld 1926 prรคsentiert – die Reklame unten sagt stolz: „Wearing winds it!“ und „The Wonder-Watch of the Age„.

Die Harwood Automatik-Uhr mit Hammeraufzug bekam 1931 Konkurrenz durch die Erfindung des automatischen Aufzugs รผber einen Rotor, den Automatikuhren auch heute noch klassischerweise haben. Federfรผhrend bei dieser Technologie: Rolex.

Rolex hat sich (fรคlschlicherweise) eine ganze Weile selbst als Erfinder der Automatik-Armbanduhr gesehen. Die spรคte Einsicht kam erst rund 25 Jahre spรคter als sich Rolex รถffentlich in der Zeitung The Sunday Express entschuldigte und John Harwood als Erfinder der allerersten automatischen Armbanduhr bestรคtigte.

In einer groรŸen, von Rolex gesponsorten Anzeige mit John Harwoods XXL-Portrรคt wurden darรผber hinaus drei Meilensteine in der Uhrmacherei gewรผrdigt: Abraham-Louis Perrelet als Erfinder des automatischen Aufzugs fรผr Taschenuhren mit Rotor und Wechsler, John Harwood und der Rotor-Aufzug in der Rolex Oyster Perpetual:

Fortis ruhte sich nicht auf den Erfolgen aus: Auch wasserdichte Uhren (Fortis Fortissimo) und funktionale Fliegeruhren gehรถrten ab den 30er und 40er Jahren verstรคrkt zum Portfolio der Schweizer. Vintage-Sammlern ist sicherlich beispielsweise der Fortis Wandfluh Chronograph ein Begriff (wo bleibt da eigentlich die Retro-Neuauflage? ๐Ÿ˜‰ ).

Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass im Vergleich zu Konkurrenten wie beispielsweise Rolex im Bereich wasserdichter Uhren (mit der Oyster, ab 1926) oder Breitling im Bereich Fliegeruhren (ab den 30er Jahren: Bordchronographen, Breitling Chronomat und Breitling Navitimer), Fortis keinen nachhaltig bekannten Uhrenklassiker aufbauen konnte…

Fortis Spacematic und der Durchbruch mit „West in Space“

Die Grundlage fรผr den Durchbruch wurde erst einige Jahre spรคter und „eine Etage hรถher“ geschaffen: Fortis beschรคftigte sich verstรคrkt mit robusten Uhren, die fรผr Weltraumausflรผge geschaffen sein sollten: Anfang der 60er Jahre tingelte Firmengrรผnder-Sohnemann Ralf Vogt durch die USA und รผberreichte das Modell Fortis Spacematic ar an NASA-Astronauten des Gemini-Programms, dem zweiten bemannten Raumfahrtprogramm der USA.

Anders als bekannte, tatsรคchlich im Weltraum getragene Uhren mit Chronographen-Komplikation wie Omega Speedmaster, Bulova Moonwatch, Breitling Navitimer und Sinn 140 ist die Fortis Spacematic ar („All Risks“) aber eine schlichte Dreizeigeruhr, die eher an eine Dresswatch als an eine Weltraumuhr erinnert. Immerhin trugen die Gemini-Astronauten die Spacematic ar bei ihren Trainingseinheiten – tatsรคchlich ins Weltall schaffte es das Modell allerdings nie: die Konkurrenz war einfach zu groรŸ, die NASA liebรคugelte 1962 vor allem mit der Omega Speedmaster. Die Spacematic ist auch heute noch Bestandteil des Fortis-Portfolios.

Fortis Spacematic, Bild: Fortis

Der Durchbruch gelang Fortis circa 30 Jahre spรคter, Anfang der 90er Jahre – durch den Umweg รผber einen Zigarettenhersteller! Und das kam so: Nach dem Mauerfall brachte der deutsche Zigarettenhersteller West mit viel Tamtam die Werbeaktion „West in Space“ ins Rollen: West beauftragte mehrere Kรผnstler, um eine russische Trรคgerrakete zu bepinseln, anschlieรŸend wurde die Rakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan Richtung Weltraum gefeuert. Mit an Bord: Die quietschbunte offizielle Uhr des „West in Space“-Kunstprojektes, die Fortis Stratoliner.

Das Entscheidende war aber, dass durch die „West in Space“-Aktion der erste Kontakt zwischen Fortis und der frischgebackenen russischen Weltraumbehรถrde ROSKOSMOS zustande kam. Und das nutzte Fortis!

Fortis B-42 Mission Timer

ROSKOSMOS und der Fortis Cosmonauts Chronograph

Mit dem Ende des Kalten Krieges entspannte sich die Situation zwischen den USA und Russland – so durften beispielsweise NASA-Piloten erstmals im Jahre 1994 auch mit ihrem Space Shuttle an der russischen Raumstation MIR andocken. Genau in diesem Jahr intensivierte sich auch die Zusammenarbeit zwischen Fortis und ROSKOSMOS.

Im Jahre 1994 kam der erste Fortis B-42 Cosmonauts Chronograph mit Lemania 5100-Automatikwerk, Tritium beschichteten Ziffern, Stunden- und Minutenzeigern sowie schlanken 38 mm Durchmesser am Arm russischer Kosmonauten zum Einsatz. Charakteristisch war das XXL-Sicherheitsklettband, um ein Tragen der Uhr รผber dem Raumanzug zu ermรถglichen.

Der erste Fortis B-42 Cosmonaut Chronograph am Sicherheitsklettband, Bild: Fortis

Doch die strengen russischen Behรถrden haben ihren neuen offiziellen Weltraum-Chronographen natรผrlich nicht durch das Werfen von Pfeilen auf eine Dartscheibe ausgeknobelt: Vor der Partnerschaft mit ROSKOSMOS wurde der Fortis Cosmonauts Chronograph im Juri-Gagarin-Kosmonauten-Trainingszentrum รผber einen Zeitraum von 6 Monaten umfangreich hinsichtlich Robustheit und Zuverlรคssigkeit getestet, beispielsweise in einer Zentrifuge oder in einer Druckkammer.

Seit Bestehen dieser Tests gehรถren Fortis-Uhren zur offiziellen Standardausrรผstung der russischen Kosmonauten. Und schon im ersten Jahr der Zusammenarbeit zwischen Fortis und ROSKOSMOS wurde der Fortis Official Cosmonauts Chronograph einem Praxistest unterworfen: Die russische EUROMIR 94-Crew trug den Chrono wรคhrend ihrer Mission sogar auรŸerhalb des Raumschiffs im Rahmen mehrerer, sogenannter EVA – das ist die Abkรผrzung fรผr extravehikulare Aktivitรคt und meint den Aufenthalt von Astronauten auรŸerhalb ihres Raumfahrzeugs im freien Weltraum.

Fortis B-42 Dreizeiger-Variante – bei den Fotoaufnahmen sind natรผrlich keinerlei Kosmonauten verletzt worden! ๐Ÿ˜‰
Fortis x ROSKOSMOS (engl. ROSCOSMOS)

Hier ein paar bewegte Bilder aus dem Weltall, bei denen der Fortis Chrono gut zu sehen ist:

Verschiedene Varianten des ersten Cosmonauts Chronographen sind immer noch im Portfolio von Fortis zu finden (Fortis Classic Cosmonauts Steel).

Neuauflage: Fortis B-42 Cosmonauts Chronograph

Im Jahre 2003 wurde der Nachfolger des Fortis Official Cosmonauts Chronographen lanciert: der Fortis B-42 Cosmonauts Chronograph – jetzt mit ETA 7750 Automatikwerk, deutlich grรถรŸeren 42 mm Durchmesser und schwarzer Count-Up-Lรผnette mit einer Skala von 0-60 (anstelle der klassischen Tachymeter-Skala).

Die Count-Up-Skala sollte es den russischen Kosmonauten bei ihren Weltraumspaziergรคngen ermรถglichen, die verstrichene Zeit wรคhrend der EVAs leichter zu verfolgen. Wรคre ja auch irgendwie ungeschickt, wenn plรถtzlich beim Weltraum-Ausflug die Atemluft zuneige geht, oder? ๐Ÿ˜‰

Eine weitere Verbesserung war auรŸerdem der mit Superluminova beschichtete Leuchtpunkt auf dem Sekundenzeiger.

Der Nachfolger des Fortis B-42 Cosmonaut Chronograph, Bild: Fortis

Fun Fact am Rande: รœberlieferungen zufolge hat ein Kosmonaut den Fortis B-42 Official Cosmonauts Chronograph sogar einmal als Hammer missbraucht, da er sein Werkzeug auf der Station vergessen hatte und keine Lust hatte noch mal zurรผckzuschweben. Die Russen sind da offenbar ganz pragmatisch – ob die Uhr diese ruppige Aktion รผberlebt hat, ist allerdings nicht รผberliefert… ๐Ÿ˜‰

Bild: Fortis

Heute ist der B-42 Cosmonaut Chronograph fester Ankerpunkt des Fortis-Portfolios. Weitere Modelle wie die B-42 Marinemaster oder die B-42 Aeromaster ergรคnzen das Sortiment (hierzu spรคter mehr).

Mars Watch?

Dass ein Weltraumuhren-Image funktioniert, weiรŸ jeder halbwegs informierte Uhrenkenner spรคtestens seit der extrem erfolgreichen Omega Speedmaster Moonwatch. Fortis versucht daher verstรคndlicherweise auch das Raumfahrer-Image zu pflegen und auszubauen: In Zusammenarbeit mit dem ร–sterreichischen Weltraum Forum (OeWF) war Fortis im Jahre 2018 Ausrรผster von AMADEE-18, einer Feldmission, die in einer Mars-รคhnlichen Umgebung in den Wรผsten von Dhofar im Sultanat Oman durchgefรผhrt wurde. Im Jahre 2020 unterstรผtzt Fortis auรŸerdem das Folgeprojekt in der Wรผste Negev, Israel (AMADEE-20)

Viele Weltraumbehรถrden, insbesondere die NASA, bereiten sich schon seit geraumer Zeit auf eine echte Mission zum Roten Planeten vor – bis eine bemannte Landung auf dem Mars mรถglich ist, wird es allerdings noch viele Jahre dauern (sehenswert: das Galileo-Special „Mission to Mars“).

Man darf auf jeden Fall gespannt sein, welcher Uhrenhersteller die erste Uhr auf den Mars schickt, um Image-technisch davon zu profitieren – TAG Heuer hat bereits seine Fรผhler ausgestreckt und auch Omega wird sicherlich nicht untรคtig Dรคumchen drehen…

Neustart: Fortis Uhren in der jรผngeren Vergangenheit, Preispolitik

Fortis rein auf die B-42 Cosmonaut-Uhren zu beschrรคnken wรคre zu kurz getreten: Die Unternehmensgeschichte ist lang und hat noch andere Meilensteine vorzuweisen. Fortis existiert bereits seit 1912, und zwar ohne Unterbrechung, als unabhรคngiger Hersteller – sogar die Quarz-Krise, bei der westliche Mรคrkte mit Billig-Quarzern aus Fernost รผberschwemmt wurden und viele „klassische“ Uhrenhersteller in die Insolvenz gestรผrzt wurden, รผberlebte Fortis eisern – ganz im Sinne des Firmennamens (Latein fรผr krรคftig, stark).

Wo findet man heute sowas noch? Fast jeder bekanntere Uhrenhersteller wurde รผber die letzten Jahrzehnte Konzernen wie der Swatch-Gruppe, LVMH oder Richemont einverleibt. Andere wiederum haben mittlerweile einen Investor im Nacken sitzen und sind lรคngst nicht mehr familiengefรผhrt (wie bei der Breitling SA, drei Autominuten von Fortis entfernt).

Das waren eigentlich alles hervorragende Voraussetzungen, um durchzustarten und sich in die Riege der groรŸen Uhrenmarken wie Omega, Breitling & Co. einzureihen. Nun, es sah tatsรคchlich mal so aus, als sei Fortis auf dem besten Weg dorthin. In den 90ern hatte Fortis ein exquisites Standing bei den (zahlungskrรคftigen) deutschen Uhrenfreunden, unter anderem auch dank einer nennenswerten Innovation…

Alarm, Alarm! Fortis B-42 x Paul Gerber

Ende der 90er Jahre entwickelte Fortis zusammen mit dem bekannten Schweizer Uhrmacher Paul Gerber einen Chronographen auf Basis des ETA 7750 mit innovativer Alarm-Komplikation (Kaliber F2001). Die Tonfeder (in Form einer Stimmgabel) und der Weckerhammer erzeugen bei diesem Kaliber ein akustisches Signal von bis zu 27 Sekunden. Das ETA 7750 mit F2001-Modul war das erste mechanische Chronographenkaliber mit Alarm der Welt.

Doch so richtig konnte Fortis den Schwung der damaligen Erfolge rund um Raumfahrtmissionen, Kaliber-Innovation & Co. nicht mitnehmen, geschweige denn nachhaltig ausbauen: Recherchiert man รผber Fortis liest man immer wieder รผber Fehler der Vergangenheit, darunter stark erhรถhte Preise bei stagnierender Qualitรคt, schlechter Kundenservice, ein diffuser Markenkern und teilweise biedere Marketingkommunikation. Lange Zeit beispielsweise gab es zwei unterschiedliche Fortis-Webseiten, eine davon in einer altbackenen 90er Jahre-Optik.

Gleichzeitig hat Fortis viele Lรคndermรคrkte kaum nennenswert vertrieblich bearbeitet, darunter den immens wichtigen chinesischen Markt. Kaum vorstellbar: sogar der Heimatmarkt Schweiz wurde von Fortis strรคflich vernachlรคssigt. Das versucht der aktuelle Fortis-CEO beispielsweise mit einer 2019 angekรผndigten Kooperation mit der Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe PC-7 wieder grade zu rรผcken.

Natรผrlich – diese ganzen Fehler liegen alle in der Vergangenheit und wurden unter anderer Geschรคftsfรผhrung gemacht (seit 2018 steht Fortis unter neuer Fรผhrung, dazu gleich mehr). Die frรผheren Nachlรคssigkeiten und falschen Entscheidungen haben aber offensichtlich dem mรผhsam aufgebaute Fortis-Image nachhaltig geschadet. So schnell die Fortis-Rakete abgehoben ist, so so steil stรผrzte sie auch wieder ab. Andere Hersteller wie Sinn Spezialuhren Frankfurt haben in den letzten Jahren einfach den deutlich besseren Job gemacht und hinsichtlich Image und Standing die Nase mittlerweile deutlich vor Fortis.

Auch der erfahrene China-Geschรคftsmann Maximilian Spitzy, der im Jahre 2013 fast unbemerkt die Fรผhrung von Peter Peter รผbernahm und Fortis als Schweizer Qualitรคtsuhr im hรถherpreisigen Segment positionieren wollte, konnte das Ruder nicht mehr umreiรŸen. Im Jahre 2017 folgte der Tiefpunkt: Fortis geriet in Liquiditรคtsprobleme und musste Nachlassstundung beantragen

Retter in der Not: Jupp Philipp als neuer Fortis-Chef

Es kรผndigte sich aber (zum Glรผck!) Rettung an: der deutsche, in der Schweiz wohnhafte Unternehmer Jupp Philipp, tรคtig eigentlich in der Lebensmittelbranche, hat den taumelnden Schweizer Uhrenhersteller รผbernommen.

Ob es nun gut oder schlecht ist, dass ein Quereinsteiger plรถtzlich Chef eines Uhrenherstellers ist – darรผber kann man sich sicherlich stundenlang streiten. Allemal steht aber fest, dass Jupp Philipp mit viel Herz bei der Sache ist: er hat eine beachtliche Sammlung mit Fortis-Uhren und man kann ihn getrost als Fortis-Markenfan betrachten: bei seiner Hochzeit und bei der Geburt seines ersten Kindes beispielsweise war eine Fortis sein Begleiter.

Hier ein paar bewegte Bilder vom sympathischen Jupp Philipp im Rahmen der Neuerรถffnung des Fortis-Ateliers:

Das Engagement eines echten Markenfans anstelle eines Investors kann meiner Meinung nach einer Uhrenmarke eigentlich nur gut tun. Natรผrlich muss auch eine Firma Fortis am Ende des Tages Geld verdienen, dennoch darf man aber auf eine hรถhere Nachhaltigkeit hoffen als bei einem stark auf Shareholder Value-orientierten Finanzinvestor (siehe Breitling-Investor CVC).

Apropos Breitling: In einem Stream mit YouTube-Blogger-Kollege Marcus Finger formuliert Jupp Philipp das Ziel, Fortis in eine hรถhere Positionierung zu bringen, gleichzeitig aber bezahlbar zu bleiben – dabei will er sich am Schluss auch mit gestandenen GrรถรŸen wie Breitling und Tudor messen.

Der selbstbewusste Auftritt von Jupp Philipp steht der krisengeschรผttelten Fortis AG sehr gut. Und: er hat offensichtlich eine klare Vision. Zusammen mit der langen Fortis-Historie sind die Voraussetzungen meiner Meinung nach absolut vorhanden, um das Feld von hinten aufzurollen.

Zum Standing von Breitling, Tudor & Co. ist es aber noch ein sehr weiter weg. Das Fortis-Markenprofil in Deutschland ist lรคngst nicht mehr „das Alte“ und รผber die letzten Jahre unscharf geworden – das spiegeln die hohen Rabatte auf Fortis-Modelle wider (hierzu gleich mehr).

Und die Konkurrenz ist in den letzten Jahren nicht grade weniger geworden: Viele Jung-Marken bzw. Microbrands buhlen um die Gunst der geneigten Uhrenfreunde…

Fortis Uhren und das Dauerthema Preise

Schaut man in einschlรคgigen Uhr-Foren so ist der Tenor, dass die von Fortis aufgerufenen Listenpreise zu hoch sind. Die quasi einhellige Meinung: Die Preise mรผssen runter! Sowas ist aus Kundensicht natรผrlich immer leicht in die Welt posaunt.

Blicken wir aber mal รผber den Tellerrand: In einer Analyse der Schweizer Handelszeitung vom 20. Februar 2020 wird festgehalten, dass in der ohnehin krรคnkelnden Uhren-Industrie insbesondere die gรผnstigeren Marken wie Tissot & Co. รผberproportional starke Einbrรผche zu verbuchen habe. Als Grund wird hauptsรคchlich der raketenartige Aufstieg der Apple Watch diskutiert. Das gehobenere (Luxus-)Segment rund um Hersteller wie Rolex, Omega, TAG Heuer, IWC, Breitling, Tudor & Co. steht hingegen noch recht gut da, da diese es nach wie vor schaffen genรผgend Begehrlichkeiten bei der solventen Kundschaft zu wecken – Angst vor der Apple Watch brรคuchten diese Unternehmen erst mal nicht zu haben. Der Kopf der Ultra-Luxusmarke MB&F formuliert es kurz und knackig: „Wenn ich der Chef einer erschwinglichen Uhrenmarke wรคre, wรผrde mir vor der Zukunft grauen“.

Um es auf den Punkt zu bringen: Warum also sollte Fortis sich niedrigpreisiger positionieren und damit auf ein sinkendes Schiff setzen? Wenn Fortis diesen Fehler macht, sind zukรผnftige Probleme quasi vorprogrammiert.

Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass das aktuelle Standing der Marke Fortis fรผr die aufgerufenen Listenpreise offenbar nicht ausreicht. Das spiegelt sich in den teilweise ziemlich krassen Rabatten wider, die man – Stand Mitte 2020 – nach wie vor problemlos fรผr Fortis-Uhren bekommen kann.

Fortis-Rabatt bei einem bekannten deutschen Online-Shop, Stand Mai 2020

Eine Fortis mit 60% Rabatt? Das erinnert preispolitisch an fragwรผrdige China-Klopper, die regelmรครŸig auf Shoppingplattformen mit extrem hohen Rabatten auf vรถllig รผberzogene Fantasie-Listenpreise angeboten werden (Graf von Monte Dingsbums & Co.). Mit solchen Geschรคftsgebaren hat Fortis natรผrlich Null Komma Nix am Hut – und dennoch werden einige Kunden aufgrund der hohen Abschlรคge auf die Listenpreise einfach verunsichert sein.

Eines lรคsst sich auf jeden Fall festhalten: Jupp Philipp dรผrfte die Arbeit in den nรคchsten Jahren sicher nicht ausgehen…

Und die Qualitรคt? Fortis B-42 Cosmonaut im Kurz-Test

Vor kurzem wanderte die vergleichsweise schlichte Dreizeiger-Variante der Fortis B-42 Cosmonaut in meine Uhrensammlung. Wer diesen Artikel von Anfang an gelesen hat, der ist auch schon รผber das eine oder andere meiner Bilder von diesem schnieken รœhrchen gestolpert ๐Ÿ˜‰

Normalerweise bin ich kein allzu groรŸer Fan von komplett schwarz beschichteten Uhren, im Falle der Fortis B-42 muss ich aber sagen, dass der Toolwatch-Charakter hervorragend unterstrichen wird – das Gehรคuse kommt durch die Beschichtung richtig gut zur Geltung. Man beachte auch die durchbohrten Hรถrner, die einen kratzerfreien Bandwechsel ermรถglichen (aufgrund der tollen Bandintegration rate ich รผbrigens dazu nur Original-Bรคnder zu verwenden).

Besonders angetan bin ich von der qualitativ sehr hochwertig wirkenden Detailverarbeitung des Zifferblattes, welche durch die beidseitige Entspiegelung des Saphirglases (gut zu erkennen am blรคulichen Schimmer) besonders gut wirkt. Insbesondere die applizierten Indizes und Ziffern machen was her…

(zum VergrรถรŸern bitte klicken)

Beim Innenleben setzt Fortis durchgรคngig auf bewรคhrte Schweizer Kost aus dem Hause ETA, im Falle der hier gezeigten Dreizeiger-Variante handelt es sich um das ETA 2824-2.

Bei den Fortis-Chronographen kommt das ETA 7750 zum Einsatz – im Falle der „Paul Gerber“-Variante sogar mit extrem seltener Alarmfunktion (siehe oben). Diese Alarm-Komplikation katapultiert die Preise aber Richtung 8000โ‚ฌ. Zum Vergleich: der „normale“ Fortis Official Cosmonaut Chrono ist ab 3170โ‚ฌ zu bekommen, die Dreizeiger-Official Cosmonaut ab 1780โ‚ฌ (jeweils Listenpreise).

Das sind auf den ersten Blick ziemlich knackige Preise, die Fortis da aufruft. Besonders mit Blick auf die namhafte Konkurrenz – hierzu ein Beispiel: Die optisch durchaus vergleichbaren Frankfurter Konkurrenzprodukte Sinn 104 St Sa (ab 1180โ‚ฌ) und der Sinn 103 St Sa Chronograph (ab 2090โ‚ฌ) beispielsweise sind spรผrbar gรผnstiger als die Pendants von Fortis. Sinn verbaut auรŸerdem grundsรคtzlich Sellita-Werke in der Qualitรคtststufe Top/Premium und verursacht – dank geschicktem Image-Aufbau rund um robuste Tool-Watches – mittlerweile auch bei weniger gut informierten Uhrenfreunden Aha-Erlebnisse.

Reduziert man Sinn und Fortis aber rein auf die Produktqualitรคt, so braucht sich die Fortis B-42 Cosmonaut aber keineswegs hinter einer Sinn 104 St Sa zu verstecken: Im Detail finde ich die qualitative Anmutung bei Fortis auf jeden Fall besser (z.B. Lรผnetten-Optik/Haptik, Zifferblatt, Gehรคuse) – das sind zwar keine qualitativen Grรคben, die sich hier auftun, man merkt aber im direkten Vergleich durchaus einen qualitativen Unterschied (unter Berรผcksichtigung des reinen Listenpreis-Unterschiedes ist das aber auch zu erwarten).

Das Bemerkenswerte ist aber: Im Endeffekt, mit den heute gรคngigen Fortis-Rabatten, ist die B-42 in der Dreizeigervariante zu einem รคhnlichen oder gar geringeren Preis als die Sinn 104 St Sa zu bekommen (auf Sinn-Uhren wiederum gibt es keine oder kaum nennenswerte Rabatte).

Mein Tipp: Schaut euch die Fortis B-42 (egal in welcher Variante) am besten einfach mal live an, sofern ihr euch mit dem Underdog-Status von Fortis anfreunden kรถnnt. Ihr werdet es nicht bereuen…

Weitere Bilder der Fortis B-42 in der Bildergalerie:

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Arif
2 Jahre zurรผck

Hallo Chrononautix!
Danke fรผr den hervorragend geschriebenen Artikel รผber FORTIS.
Ich habe selbst eine B-42 Chronograph-Automatik-Alarm, mit schwarzem Ziffernblatt. Das Original weisse Ziffernblatt habe ich von Fortis austauschen lassen, nachdem erstens die Nachtanzeige zu schwach war, und im Dunkeln die Sichtbarkeit der Zeiger schwer gelitten hat.
Eigentlich wollte ich die Uhr zum Verkauf anbieten, da ich im Alltag, in dem ich oft Baustellenartige Situationen vorfinde, eine Casio Pro-Trek trage, um โ‚ฌ 180.- unverwรผstlich, mit Solar Funktion usw., und die Fortis daher meist im Safe liegt.

Aber, nicht nur nachdem ich Deinen Artikel gelesen habe, sondern auch deswegen, weil es fรผr mich ein hoch ideeller Faktor vorliegt, kann ich diesen Schritt nun nicht mehr gehen, wenngleich ich aufgrund diverser Umstรคnde das Geld gut gebrauchen kรถnnte.
Fรผr mich wรคre es Verrat an mir selber und an meinen Werten, wรผrde ich meine B-42 hergeben.

Ich hoffe, Fortis „kratzt die Kurve“ und kann weitermachen, alleine schon weil es eben keine „Schicki-Micki“ Uhren sind, sondern eher fรผr „Underdogs“, der neuen Website zufolge, zielt Fortis auch auf dieses Klientel ab, und das finde ich gut so.

Liebe GrรผรŸe aus Wien!

Arif!

John
4 Jahre zurรผck

Auch ich bin groรŸer Fan der Marke, besitze „neue“ als auch 90er-Jahre Modelle.
Die Verarbeitung ist wirklich gut, die Entspiegelung des Glases super.
Trotz der Fertigungstiefe und dem herausstechenden Design wรผrde ich aber niemals UVP bezahlen.
Fรผr den Preis bekommt man woanders Manufakturwerke und einen „bekannten“ Namen auf dem Zifferblatt.
Marketingtechnisch und historisch kรถnnte es Fortis locker mit Omega aufnehmen. Fortis bietet in seiner Historie nicht wenige Erfolge im Bereich Luft-und Raumfahrt. Ideen hรคtte ich viele das besser zu vermarkten, aber ich bin eben nur Kunde und die Entscheidungen trรคgt das Unternehmen selbst.
Daher wรผnsche ich der Marke und dem „Jupp“ viel Erfolg und hoffe das Beste!

Carsten
4 Jahre zurรผck

Hallo Mario,
vielen Dank fรผr den Artikel, mit den zahlreichen Hintergrundinfos, machte es SpaรŸ, den zu lesen! Ich bin stolzer Besitzer zweier Fortis-Uhren. Im Vergleich zum Rest meiner Sammlung (vornehmlich Taucher-und Fliegeruhren aus der Schweiz und Deutschland), kann ich bestรคtigen, dass das Fertigungsniveau und der hohe Detailgrad der Gehรคuse, Zifferblรคtter und Zeiger auรŸerordentlich gut ist.
Darรผberhinaus ’nullen‘ die Zeiger perfekt, da ist nichts auch nur ein ยต schief oder ‚unrund‘! Ich wรผnsche dem Jupp viel Erfolg!