Gegenรผber chinesische Uhren-Marken bzw. “Made in China” gibt es nach wie vor oftmals Vorurteile (und da schlieรe ich mich selbst auch nicht aus). Natรผrlich kann aus China der grรถรte Schrott kommen. Doch auf Basis meiner eigenen Erfahrungen kann ich ganz klar sagen: Die Chinesen kรถnnen richtig gute Uhren-Qualitรคt abliefern, sofern sie denn wollen – man schaue nur mal auf den grandiosen Seagull 1963 Flieger-Chronographen oder die Marke Spinnaker, die regelmรครig Preis-Leistungs-Kracher auf den Markt wirft. Nicht umsonst lassen auch viele Schweizer Hersteller Uhren-Komponenten in Fernost produzieren, um dann spรคter (legalerweise) trotzdem “Swiss Made” auf das Zifferblatt zu drucken. Auf welchem Preis-Leistungs-Niveau sich der in China extrem bekannte, aber in Deutschland bisher kaum wahrgenommene, chinesische Uhren-Hersteller FIYTA bewegt, soll dieser Test des Modells FIYTA Photographer mit Miyota-Automatikwerk zeigen…
Eckdaten der FIYTA Photographer:
- Gehรคuse aus Edelstahl, schwarz PVD-beschichtet
- Zifferblatt grau, teil-skelettiert
- Saphirglas
- Japanisches Miyota 8N24 Automatikwerk
- Wasserdichtigkeit: 5 bar / 50m (spritzwassergeschรผtzt)
- Durchmesser 42 mm
- Gewicht: 160 Gramm
- Preis: 329โฌ bei fiyta-uhren.de
Fรผnftgrรถรten Uhrenmarke der Welt: Chinesische Uhren von FIYTA
FIYTA! Wem es nun ein aufmerksames “Gesundheit!” entlockt, dem sei verziehen – nur wirklich hartgesottenen Uhrenfans dรผrfte die Marke FIYTA ein Begriff sein (wenn รผberhaupt). Auch ich kannte bis vor kurzem die Marke nur vom Namen her. Bei FIYTA handelt es sich allerdings nicht um eine neue asiatische Micro-Brand, sondern tatsรคchlich ist FIYTA (chinesisch fรผr “hoch am Himmel fliegend”) seit 1987 aktiv und einer der grรถรten Uhrenhersteller รผberhaupt. Warum die Marke trotzdem (anders als asiatische Grรถรen wie Casio, Seiko oder Citizen) kaum jemand im Westen kennt, liegt einfach daran, dass FIYTA bisher kaum Bestrebungen auรerhalb des asiatischen Marktes zu vertreiben und dementsprechend in Europa, Amerika etc. keine nennenswerte Markenbekanntheit hat.
Das soll sich nun aber รคndern: Seit 2017 sind FIYTA-Uhren nun auch offiziell in Europa erhรคltlich. Und das ist auf den ersten Blick auch gar keine schlechte Idee: Die (sehr umfangreiche) Kollektion des chinesischen Herstellers ist was Design, Technik (Saphirglas, hauptsรคchlich Miyota-Automatikwerke etc.) und Preis angeht meiner Meinung nach absolut dafรผr geeignet auch westliche Uhrenfans anzusprechen. Kein Zufall: FIYTA hat beispielsweise zwei mal den (deutschen) Red Dot Design Award sowie den IF Design Award gewonnen.
Nur einige wenige etwas arg exzentrische Ausnahmen bestรคtigen die Regel, darunter die FIYTA 3D-Time Skeleton, die zwar ein spannendes Konzept mitbringt und von den Chinesen auch intensiv beworben wurde, auf westlichen Mรคrkten aber meiner Meinung nach wohl kaum viele Uhrenfans hinter dem Ofen hervorlocken dรผrfte…
Nur ein Kritikpunkt sei genannt: Die Kollektion von FIYTA ist fast schon zu breit und lรคsst ein etwas schรคrferes Profil vermissen – dabei ist doch der Hintergrund von FIYTA ein gefundenes Fressen fรผr jeden Marketingkommunikations-Experten: FIYTA gehรถrt zu AVIC INTL (Aviation Industry Corporation of China), dem staatlichen Rรผstungs- und Flugzeugkonzern mit Sitz in Peking. Nur sehr wenige Modelle wie der klassische Flieger-Chronograph FIYTA J-20 scheinen eine direkt Verbindung zur Konzern-Herkunft der Marke herzustellen.
Seit 2003 arbeitet FIYTA auรerdem mit der chinesischen Raumfahrtbehรถrde zusammen und rรผstet seitdem die Taikonauten bei Trainings und bemannten Raumfahrtmissionen aus. Das bekannteste Modell, welches der Kooperation entsprungen ist, ist die FIYTA Spacemaster, die auf der Shenzhou 7-Mission im September 2008 vom Taikonauten Zhai Zhigang beim ersten Weltraumspaziergang (auch: extra-vehicular activity โAuรenbordaktivitรคt’, EVA) der chinesischen Raumfahrt รผberhaupt getragen wurde.
Die FIYTA Spacemaster kommt mit ein paar Besonderheiten: So erfรผllt sie natรผrlich einige strenge Anforderungen der chinesischen Raumfahrtbehรถrde, um fรผr die Bedingungen im All gewappnet zu sein: So kommt zum Beispiel ein eigens entwickeltes Schmiermittel fรผr das Uhrwerk zum Einsatz, damit die Spacemaster auch bei extremen Temperaturen zwischen +80 Grad Celsius und -80 Grad Celsius funktioniert. Die FIYTA Spacemaster ist auรerdem resistent gegenรผber Magnetfelder (bis 600 Gauss), Stรถรe, Vibrationen etc. Auรerdem kommt sie mit einer drehbaren Titan-Lรผnette mit 8-Stunden-Einteilung – das entspricht dem Zeitraum, den ein chinesischer Taikonaut in seinem Weltraumanzug Feitian รผberleben kann. Auf dem Papier braucht sich die Spacemaster also keineswegs hinter der groรen Omega Speedmaster Moonwatch verstecken.
Der Preis fรผr die Otto-Normalverbraucher-Version der FIYTA Spacemaster ist mit 2000 USD allerdings ziemlich knackig – leider wird die FIYTA Spacemaster nicht mehr fรผr Endkunden produziert. Auch viele รคhnliche Modelle in der Aeronautics-Kollektion scheinen kaum noch erhรคltlich zu sein – unter dem genannten Aspekt “Markenprofil”: schade! Vielleicht schaffen es aber ja die westlichen Vertriebspartner das Markenprofil etwas zu schรคrfen – das ist meiner Meinung nach fรผr nachhaltigen Erfolg sogar unabdingbar, denn die Konkurrenz ist groร…
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Die hier getestete FIYTA Photographer bewegt sich mit ca. 330โฌ im mittleren Preisbereich des chinesischen Herstellers – schauen wir mal, wie der qualitative Gegenwert ist…
FIYTA Photographer Automatic: Chinesische Skelett-Uhr im Test
Die Optik der FIYTA Photographer wird wesentlich geprรคgt von der (teilweise) offenen Unruh und einer Teil-Skelettierung des Zifferblattes, die an die Linse einer Kamera erinnern soll (etwas Fantasie braucht man schon ;-)). Die Unruh ist das Herz einer Uhr. Aus den Schwingungen der Unruh – die bei einer Skelettuhr natรผrlich durch das Zifferblatt hindurch sichtbar sind – wird die Messung der Zeit abgeleitet. Oder anders gesagt: Die Unruh dient zur Erzeugung einer zeitlich definierten Bewegung, die dann durch das Rรคderwerk des Uhrwerks in eine Bewegung der Uhrzeiger umgesetzt wird.
Ohne Zweifel ist die FIYTA Photographer eine Uhr, die nicht jedem gefallen wird – insbesondere Skelettuhren spalten die Gemรผter – Argumente wie “die sieht aber unruhig aus” oder “die Ablesbarkeit ist zu schlecht” sind naturgemรคร bei Skelettuhren auch nicht von der Hand zu weisen.
Hinsichtlich des Aspekts Ablesbarkeit finde ich allerdings, dass FIYTA bei der Photographer einen guten Kompromiss gefunden hat, indem diverse Brรผcken und dezente Details wie zum Beispiel die Carbon-artigen Elemente das Zifferblatt eben nicht komplett nackt erscheinen lassen.
Gut: Auch bei Nahaufnahmen wirkt die Verarbeitung sehr sauber – man beachte zum Beispiel die sauberen Drucke, die feinen applizierten Indizes, den plastischen FIYTA-Markenschriftzug oder die kleinen Schrรคubchen. Die feine Kรถrnung und der allgemein sehr gelungene Anthrazit-Farbton runden das meiner Meinung nach stimmige Bild ab. Nur die Tacho-artige Sekundeneinteilung unter dem Markenschriftzug (16-17-18-19) hรคtte meiner Meinung nach nicht sein mรผssen…
So oder so kann man sich beim Tragen einer Skelettuhr an der Bewegung der Unruh erfreuen, ohne dass die Uhr extra abgenommen und gewendet werden muss, um durch den Glasboden zu gucken – fรผr mich als groรer Fan mechanischer Uhrwerke ist eine Skelettuhr grundsรคtzlich definitiv eine willkommene Abwechslung zu Modellen mit “normalen” Zifferblรคttern. In diesem Video kann man die permanente Schwingung der Unruh und das Zusammenspiel diverser Zahnrรคder sehr gut erkennen:
Das verbaute Automatikwerk ist auf den ersten Blick exotischer Natur – tatsรคchlich handelt es sich aber um ein Werk aus Miyotas zuverlรคssig-robuster 8er Baureihe in einer skelettierten Variante. Daher verwundert es auch nicht, dass die Eckdaten des Miyota 8N24 dem des millionenfach verbauten Miyota 8215 entsprechen: Eine Frequenz von 21600 bph, 42 Stunden Gangreserve, 21 Steine, Handaufzugsmรถglichkeit รผber die Krone und eine Ganggenauigkeit von “groรzรผgig” dimensionierten -20 bis +40 Sekunden pro Tag (“von der Stange”). Auf einen Sekundenstopp bei gezogener Krone muss man beim Miyota 8N24 aber verzichten – das macht das Einstellen der exakten Uhrzeit schon mal zum Geduldsspiel.
De facto ist die Ganggenauigkeit des 8N24 in der FIYTA Photographer mit +12 Sekunden pro Tag tatsรคchlich nicht besonders berauschend – das spricht dafรผr, dass FIYTA das Miyota-Werk ohne Feinregulierung verbaut hat. Das ist zwar unschรถn, aber auch kein Weltuntergang: Ist die Abweichung allzu groร, hilft eine freundliche E-Mail an den Verkรคufer mit der Bitte um Tausch
(ich bin kein Korinthenkacker, aber -20 Sekunden pro Tag wรผrde ich persรถnlich auch nicht haben wollen). Alternativ kann eine Feinregulierung (auch Feinstellung, Reglage oder Adjustment genannt) von jedem Uhrmacher ohne groรen Aufwand durchgefรผhrt werden.
Mehr รผber die Feinregulierung am Beispiel des japanischen Seiko NH35 Automatikwerkes gibt’s hier.
In der Summe ist das Miyota 8N24 fรผr die FIYTA Photographer eine gute Wahl – insbesondere mit Blick auf den Gesamtpreis des Modells von knapp รผber 300โฌ. Eine Rotordekoration hรคtte es dennoch gerne sein dรผrfen – der Standard-Rotor des 8N24 ist nรคmlich alles anderes als eine Schรถnheit. Immerhin: Dem Gehรคuseboden wurde mit ein paar “Einkerbungen” etwas Struktur und Pfiff verliehen.
Ich hatte keine groรen Erwartungen an das Edelstahlband der FIYTA Photographer – meiner Erfahrung nach reiรt die Qualitรคt von Stahlbรคndern in dieser Preisklasse eigentlich nie Bรคume aus. Und auch das Band sowie die Schmetterlingsschlieรe der FIYTA Photographer sind eher klappriger Natur – es ist nicht schlecht, aber ich hatte schnell das starke Bedรผrfnis ein schรถnes Leder- oder Nato-Band am Modell zu montieren.
Das tip top verarbeitete graue Canvas-Band von Watchbandit beispielsweise passt meiner Meinung nach optisch perfekt zum grauen Zifferblatt der Photographer:
Aber selbst, wenn man das Stahlband montiert lassen mรถchte: Negativ auf den Tragekomfort wirkt es sich nicht aus. Mit 42 mm Gehรคusedurchmesser ist die FIYTA Photographer fรผr das durchschnittliche Mรคnnerhandgelenk gut tragbar.
Fazit zur FIYTA Photographer
Der offizielle Preis fรผr die FIYTA Photographer betrรคgt knapp 5000 CNY (Chinesischer Yuan) – das sind umgerechnet rund 660โฌ. Der UVP verwundert mit Blick auf die Gehรคlter in China (im Vergleich zu Deutschland) schon: Das monatliche Durchschnittsgehalt in China lag 2017 bei ca. 6200 CNY, also rund 820โฌ. Das lรคsst nur einen Schluss zu: Ganz offensichtlich richtet sich FIYTA im Heimatsmarkt China eher an eher besserverdienendes Klientel.
Realistischerweise wรคre ein Preis von 660โฌ fรผr das Modell Photographer in Deutschland aber kaum durchsetzbar: Es gibt viele gestandene deutsche und Schweizer Uhrenmarken und Micro-Brands, gegen die sich FIYTA mit diesem Preis kaum behaupten kรถnnte (trotz der alles in allem wirklich guten Qualitรคt und grundsolide Eckdaten). Fรผr einen Preis von 330โฌ ist die FIYTA Photographer aber auf jeden Fall einen Blick wert, wenn man Fan von Skelettuhren ist.
Mein Wunsch fรผr die Zukunft an FIYTA wรคre ein Chronograph mit dem chinesischen Seagull ST19 Schaltradchronographenkaliber, welches in der beliebten Seagull 1963 zum Einsatz kommt. Vielleicht รผberlegt sich FIYTA (neben der Kooperation mit der Beijing Watch Factory) ja eine Kooperation mit Seagull – wie genial wรคre zum Beispiel ein FIYTA-Militรคr-Fliegerchrono mit ST19 fรผr unter 400โฌ?
Mehr รผber die Seagull 1963 und das aufwendige Seagull ST19 gibt’s in diesem Artikel:
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich รผber ein Like bei Facebook, Instagram, YouTube oder
Auch รผber WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:
Darรผber hinaus freue ich mich รผber Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprรผft und freigeschaltet). Vielen Dank!
ich bin nur durch zufall auf diesen artikel gestossen, aber offensichtlich bringt fiyta jetzt eine limitierte auflage mit meteoritziffernblatt auf den markt – also launch รผbermorgen, wenn ich das richtig verstanden habe..
ich wollte, ich fรคnde eine spacemaster..
gutes neues jahr!
Diese Uhr gefรคllt mir sehr gut. Ich persรถnlich finde dass Stahlarmband recht gut und wรผrde es tragen. Ich besitze ein Nautuca Skelettuhr mit dem gleichen Uhrwerk. Mache beste Erfahrungen mit dem Werk. Sie lรคuft mit sagenhaften 2 Sec.+ am Tag. Ich selbst besitze ein Fiyta die etwas hรถher preisig ist
und mache mit der Uhr beste Erfahrungen. Bei der Uhr ist sogar das Gehรคuse und Armband gehรคrtet. Die Photografer werde ich mir noch anschaffen. Grรผsse an alle Uhrenfreunde, Hans Feist.
Hallo, es wรคre schรถn; wenn es hier einen Artikel รผber die FIYTA Roadster gรคbe. Danke.