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Glas ist meistens klar bzw. transparent – gleichzeitig können Reflexionen die Sicht durch das Glas und damit die Ablesbarkeit einer Uhr erschweren, insbesondere bei gewölbtem bzw. bombiertem Glas. Aus diesem Grund verwenden Uhrenhersteller häufig entspiegeltes Glas, d.h. das in der Regel zum Einsatz kommende Mineralglas oder Saphirglas ist mit Antireflex-Beschichtungen versehen. Tauchen wir nun tiefer in dieses Thema ein…

Die Wissenschaft hinter der Antireflex-Beschichtung

Alle Dinge, die nicht selbst leuchten, werden sichtbar, wenn sie Licht reflektieren. Eine Erdbeere etwa sehen wir beispielsweise, weil sie den roten Anteil des Lichts zurückwirft.

Generell gibt es drei Möglichkeiten, wie sich Licht verhält, wenn es auf einen Gegenstand trifft:

1.) Das Licht wird zurückgeworfen, zum Beispiel von einem Spiegel (Reflexion).

2.) Das Licht wird verschluckt, wenn es auf eine schwarze Oberfläche trifft (Absorption).

3.) Das Licht geht durch einen Gegenstand hindurch, zum Beispiel bei Glas, (Transmission).

In der Regel treten mehrere dieser Phänomene gleichzeitig auf. In Glas beispielsweise sind Elektronen fest gebunden, weshalb sich der größte Teil des Lichts durch die Glasscheibe bewegen kann (Transmission), gleichzeitig wird ein kleiner (aber bei Uhren dennoch potentiell nerviger) Teil des Lichts reflektiert.

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Fortis B42 Cosmonaut

Allheilmittel Antireflex-Beschichtungen?

Antireflex-Beschichtungen (auch: AR-Beschichtung, Entspiegel- oder Anti-Glare-Beschichtung) sind sogenannte optische Beschichtungen. Diese verbessern die Transmissionseigenschaften beziehungsweise Reflexionseigenschaften von Glas. Durch die historische Brille betrachtet wurden solche Antireflexbeschichtungen zuerst für Brillen entwickelt und im Laufe der Zeit entdeckten auch Uhrmacher diese Technik.

Das Prinzip ist in der Wissenschaft der optischen Physik verwurzelt: Man kann die Lichtreflexion einer Glasoberfläche stark herabsetzen, wenn man die Oberfläche mit einer dünnen, meistens mehrlagigen Schicht verschiedenen Materialien mit geeignetem Brechungsindex überzieht.

Der Brechungsindex ist eine Eigenschaft, die beschreibt, wie stark das Licht gebrochen wird. Ein höherer Brechungsindex bedeutet, dass das Material das Licht stärker ablenkt (oder bricht).

  1. Mineralglas: Der Brechungsindex von Mineralglas liegt normalerweise im Bereich von ca. 1,5 bis 1,6.
  2. Saphirglas: Der Brechungsindex von Saphirglas liegt etwa bei ca. 1,76 bis 1,77.

Insbesondere Saphirglas hat einen sehr hohen Lichtbrechungs-Index und einen hohen Reflexionsgrad. Dieser liegt 15 bis 20 Prozent über dem von einfachem Mineralglas, was im Alltag zu unerwünschten Spiegelungen führen kann.

Daher werden insbesondere bei Gläsern mit hohem Brechungsindex (wie eben Saphirglas, das heutzutage typischerweise bei Uhren zum Einsatz kommt) spezielle Beschichtungen verwendet, um störende Reflexionen zu minimieren.

Man liest häufig in den Spezifikationen von Uhren, dass das Glas mit “x Schichten AR-Beschichtung” überzogen ist. Und das hat seinen Grund: Verschiedene, übereinander liegende Schichten von Beschichtungen werden verwendet, um die Reflexion über ein breiteres Spektrum von Wellenlängen und Einfallswinkeln zu reduzieren. Jede Schicht ist so gestaltet, dass sie Licht einer bestimmten Wellenlänge und eines bestimmten Einfallswinkels optimal interferiert.

Interferenz in der Physik beschreibt die Überlagerung von Wellen, die zu einer Erhöhung oder Dämpfung der Amplitude der resultierenden Welle führt. Ein ganz alltägliches Beispiel für Interferenz von Lichtwellen ist das Licht, das von einem auf Wasser schwimmenden Ölfilm reflektiert wird. Ein weiteres Beispiel ist eine Seifenblase, die bei Beleuchtung in vielen bunten Regenbogenfarben reflektiert (siehe auch Newtonschen Ringe).

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Ölfilm im Wasser, John, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons
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Pixelgrafik von Jkriegervektorisiert von MaxxL, via Wikimedia Commons

Genauer: Die Schichten der optischen Beschichtung haben abwechselnd eine niedrige und hohe Brechzahl, um den sogenannten destruktiven Interferenz-Effekt hervorzurufen: Die Lichtstrahlen löschen sich durch mehrmalige Brechung und Überlagerung am Übergang der Grenzflächen gegenseitig aus.

Konkret bestehen Antireflexbeschichtungen meistens aus einem Wechsel von dünnsten Schichten hochbrechendem Titanoxid oder Siliziumnitrid und niederbrechendem Siliziumoxid. Aufgrund der Inter­ferenzbedingungen ergibt sich, dass das Siliziumoxid dabei die oberste Schicht sein muss. Das Ergebnis: Der Blick kann uneingeschränkt(er) auf die Zeitanzeige der Uhr fallen. 

Die Aufbringung von Antireflexionsbeschichtungen auf Glas erfolgt durch Beschichtungsmethoden der Dünnschichttechnik, mit der dünne Filme verschiedenster anorganischer Materialien von wenigen Nanometern bis hinzu Mikrometern aufgebracht werden können. Zu den am häufigsten eingesetzten Verfahren gehören physikalische Gasphasenabscheidungen, wie thermisches Verdampfen oder Sputtern.

Der Schweizer Uhrenhersteller Breitling gibt einen kleinen Einblick in die Aufbringung von Antireflexbeschichtungen: Zunächst wird das Saphirglas der Uhr beidseitig chemisch poliert. Anschließend gelangt es in ein steriles Labor (Weißraum), wo es durch Vakuumverdampfung in einem Ofen entspiegelt wird. Diese beidseitige Behandlung beseitigt laut Breitling 99% der vom Auge wahrgenommenen Reflexionen.

Alles klar? Der Farbstich nach der Antireflex-Behandlung

Bei genauer Betrachtung haben einige AR-Beschichtungen einen dezenten Farbeinschlag: Die in der Regel blaue Spiegelung auf dem Uhrglas ist dabei die Farbe der verbleibenden restlichen ca. 1 % Spiegelung, die die Antireflexionsbeschichtung nicht beseitigen konnte (auch “Bloom” genannt). Bei der Entwicklung von Antireflexionsbeschichtungen ist es derzeit technisch nicht möglich die kompletten Reflexionen zu entfernen – ein kleiner Rest wird immer reflektiert.

Unten zwei beispielhafte Breitling-Uhren mit ihrem typischen Blaustich auf dem Glas (Breitling Navitimer und Breitling Chronomat B01 42).

Die Antireflexbeschichtungen von Omega hingegen wirken deutlich weniger farbstichig:

Äußere vs. innere Antireflexbeschichtungen

Man unterscheidet im Bereich Uhren zwischen nur auf der Innenseite oder beidseitig aufgebrachten Antireflexbeschichtungen. Erst mal logisch ist, dass Reflexionen auf beiden Seiten des Glases auftreten können, sodass optimalerweise beide eliminiert werden.

Eine Antireflexbeschichtung auf der Innenseite ist dabei eine Art “No-Brainer”, da die Seite des Glases, das dem Zifferblatt zugewendet ist, dadurch auch die Beschichtung selbst schützt. Das ist auch der Grund warum dies die mit Abstand häufigste Anwendung von Antireflexbeschichtungen bei Uhrgläsern ist.

Beidseitig aufgebrachte Antireflexbeschichtungen sind dabei eher die Ausnahme. Aus einem einfachen Grund: Die Beschichtungen sind immer weicher als das Saphirglas selbst. Dadurch können Kratzer in der Beschichtung auftreten, die den Sinn hinter hartem Saphirglas konterkarieren. Gleichzeitig sei erwähnt, dass es große qualitative Unterschiede hinsichtlich Kratzresistenz unterschiedlicher Antireflex-Beschichtungen gibt. So gelten die Entspiegelungsschichten von Breitling und Omega als deutlich robuster, als Standard-Entspiegelungsschichten.

Dennoch muss ich eine Lanze für beidseitig entspiegeltes Glas bei Uhren brechen: Ich liebe es einfach, wenn die Sicht auf das Blatt so klar ist, dass man denkt, man könne direkt durch das Glas hindurch fassen. Meiner Meinung nach wertet eine beidseitige Antireflexbeschichtung eine Uhr deutlich auf. Beispiele für Hersteller, die auf optisch geniale beidseitige Antireflexbeschichtungen setzen, sind Omega, Breitling, Mühle-Glashütte, Sinn Spezialuhren und Fortis – man beachte aber, dass die Beschichtung teilweise auch weggelassen wird. Mühle-Glashütte beispielsweise verzichtet bei der SAR Rescue Timer auf die Beschichtung, vermutlich, um im Sinne einer waschechten Tool Watch keine Kratzer in der Beschichtung auf der Außenseite der Glasoberfläche zu riskieren.

Mehr: Test: Fortis Novonaut N-42 Legacy Edition

Mehr: Mühle-Glashütte S.A.R. Rescue-Timer LUMEN: die Seenotretter-Uhr im Test

Gut zu wissen: Rolex verwendet überhaupt keine Antireflexbeschichtungen, weshalb das Glas deutlich “milchiger” wirkt. Mit einer Ausnahme: Die Rolex’sche Datums- bzw. Zykloplupe, ein separates bzw. aufgesetztes Stück Saphir, das mit dem Glas verklebt ist, ist entspiegelt, und zwar doppelt an der Unterseite. So entsteht der unter Uhrenfreunden bekannte “Black Hole”-Effekt.

Mehr: Rolex “Sprite”: Über den (Un?)Sinn der GMT-Master II 126720VTNR

Rolex GMT Master II Sprite Destro 126720VTNR 4
Rolex GMT Master II Sprite Destro 126720VTNR 8

Mehr: Bruch-/Kratzer-Experiment: Saphirglas vs. K1 Mineralglas

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THOR
13 Tage zurück

Liebe Mario,
Eine Frage noch…Man redet immer von:”künsrlichem Saphirglas!”
Gibt es im Umkehschluß auch:”natürliches Saphirglas,oder ist das Material zu teuer oder schlecht verarbeitbar?”
Habe leider nirgends eine Erklärung bekommen!
Vielleicht ist die”Frage ja auch zu Dumm!?!” 😉
Für eine Antwort wäre ich Dir sehr verbunden!
LG
THOR

THOR
13 Tage zurück
Antworten...  Mario

Lieber Mario,
Danke für die schnelle Antwort 😉
Für “Schreibfehler”ist ausschliesslich Meine Tastatur verantwortlich!
Helau uns Alaf! 😉
LG THOR

THOR
14 Tage zurück

Sehr interessant!!!
Danke für den “Detaillierten Bericht”,
der wie immer,kein Detail auslässt!
LG
Thor