Hallo liebe Uhrenfreunde! Ich selbst bin begeisterter Anhänger der Marke Omega. Omega schafft es, wahnsinnig gute Uhren zu annehmbaren Preisen zu schaffen. Über das zuletzt weit verbreitete Thema der Kooperation mit Swatch lässt sich zwar streiten, aber darauf möchte ich heute gar nicht näher eingehen (MoonSwatch). Omega produziert jährlich mehrere hunderttausend Uhren und hält trotzdem eine unglaubliche Liebe zum Detail und Qualität aufrecht. Außerdem haben sie den kleinen, aber feinen Unterschied zu anderen Marken: Die Co-Axial-Hemmung. Diese möchte ich heute etwas näher beleuchten und auf die technischen Hintergründe dieser Hemmung eingehen.
Tipp: Das hier behandelte Thema war auch Gegenstand des ChronoBros-Livestreams:
[Beitrag von Leon Zihang, Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com] |
Co-Axial-Hemmung: Geschichtliches
Die Co-Axial Hemmung wurde vom britischen Uhrmacher George Daniels (*1926 in London; † 2011 ) entwickelt. Daniels war ein äußerst talentierter und innovativer Uhrmacher, der für seine unermüdliche Suche nach Verbesserungen in der Uhrmacherkunst bekannt war. So entwickelte er zum Beispiel auch sein eigenes Tourbillon und reibungsärmere Räder zur besseren Übertragung der Kraft im Räderwerk. In den 1970er Jahren begann er mit der Entwicklung einer neuen Art Hemmung, die die Reibung reduzieren und die Langzeitgenauigkeit mechanischer Uhren verbessern sollte.
Obwohl die Palettenankerhemmung seit Jahrhunderten die Standard-Hemmung in mechanischen Uhren war, erkannte Daniels ihre Einschränkungen. Die direkte Reibung zwischen dem Ankerrad und der Ankergabel führte zu Verschleiß und verhinderte eine optimale Leistung. Die daraufhin entstandene innovative Hemmung wies eine einzigartige Konstruktion auf, bei der das Ankerrad und die Ankergabel nicht direkt miteinander in Kontakt standen, sondern über eine zusätzliche drehbare Komponente verbunden waren. Die „Co-Axial-Hemmung“ oder auch „Chronometer-Hemmung“ war geboren. Aber warum sieht man diese Hemmung nur in den Uhren der Marke Omega?
In den 1990er Jahren wurde die Co-Axial-Hemmung erstmals in Omega-Uhren eingeführt. Omega erkannte das revolutionäre Potenzial der Co-Axial Hemmung und erwarb die exklusiven Rechte an ihrer Nutzung von George Daniels. Diese exklusive Lizenzierung bedeutet, dass Omega die einzige Uhrenmarke war, die die Co-Axial Hemmung in ihren Uhren verwenden durfte. Durfte deswegen, weil das Patent seit ein paar Jahren abgelaufen ist.
Omegas Entscheidung, die Co-Axial Hemmung exklusiv zu nutzen, war strategisch wichtig, um die Marke als führenden Innovator in der Uhrenindustrie zu etablieren.
Co-Axial-Hemmung: Funktionsweise
Aber was genau macht die Co-Axial-Hemmung nun so innovativ und revolutionär? Dafür möchte ich den Aufbau und die Funktion der Schweizer Palettenankerhemmung und der Co-Axial-Hemmung vergleichen.
Zuerst einmal zur Schweizer Palettenankerhemmung: In dem Bericht „Grundlagen: Funktionsweise einer mechanischen Uhr“ habe ich bereits erklärt, wie die Schweizer Palettenankerhemmung funktioniert. Heute betrachten wir in Abbildung 1 aber mal genauer, wie die Kraft vom Hemmrad an das Schwingsystem weitergegeben wird. In der ganz linken Darstellung befindet sich die Hemmung noch in Ruhe. Das Hemmrad möchte sich zwar im Uhrzeigersinn drehen, wird aber von der linken Ankerpalette blockiert. Wenn das Schwingsystem, das in diesem Fall gegen den Uhrzeigersinn schwingt, oben in die Ankergabel einschwingt, nimmt es den Anker mit auf die rechte Seite. Nun sieht man in der mittleren Darstellung der Abbildung wie das Hemmrad links unten gegen die Hebefläche der Ankerpalette drückt und somit die Ankerpalette nach oben schiebt.
Dadurch wird die Ankergabel (oben) von links gegen den Hebelstein des Schwingsystems gedrückt und das Schwingsystem wird angeschubst.
Diesen Moment, in dem das Hemmrad gegen die Hebefläche der Ankerpalette drückt und darüber rutscht, hat Daniels als störende Reibung zwischen Hemmrad und Anker erkannt. Daraufhin hat er sich an die Entwicklung der Co-Axial Hemmung gewagt.
Um diese zu erklären, möchte ich euch auf folgendes YouTube Video verweisen: Omega Co-Axial Escapement Explained. Meine folgenden Erklärungen beginnen ab Sekunde 50 des Videos.
In Abbildung 2 habe ich einen Screenshot aus dem Video gemacht, um die einzelnen Komponenten der Hemmung mit den Fachbegriffen noch einmal zu bezeichnen. 😊
Ab Sekunde 50 im Video schwingt das Schwingsystem im Uhrzeigersinn. Sobald der Hebelstein in die Ankergabel des Ankers einschwingt, bewegt sich die Ankergabel mit dem Schwingsystem mit. Die Eingangspalette, an der das Hemmrad bis jetzt blockiert wurde, wird aus der Verzahnung des Hemmrades gehoben und das Hemmrad möchte sich weiterdrehen. Gleichzeitig drückt einer der langen Zähne des Hemmrades an den länglichen Impulsstein des Schwingsystems und schubst damit das Schwingsystem an. In genau diesem Punkt erkennt man den Unterschied zur Palettenankerhemmung. Bei der Palettenakerhemmung reibt das Hemmrad über die Hebefläche des Ankers, um dem Schwingsystem Energie zuzuführen. Bei der Co-Axial Hemmung fällt das Hemmrad sofort von der Einganspalette ab und das Hemmrad gibt dem Schwingsystem über einen kurzen Stoß gegen den Impulsstein die Kraft für die nächste Schwingung. Im Gegensatz zur Palettenankerhemmung läuft dieser Prozess also deutlich reibungsärmer.
Nun aber weiter im Schwingungsprozess der Co-Axial Hemmung: Das Schwingsystem wurde also von einem der langen Hemmradzähne angeschubst und das Hemmrad wird nun von der Ausgangspalette blockiert. Das Schwingsystem schwingt seine Schwingung im Uhrzeigesinn fertig und dreht sich gegen den Uhrzeigersinn wieder zurück. Auch dieses Mal schwingt der Hebelstein des Schwingsystems in die Ankergabel des Ankers ein und hebt die Ausgangspalette aus dem Eingriff des Hemmrades. Das Hemmrad fällt sofort von der Ausgangspalette ab und gleichzeitig schlägt ein kurzer Zahn des Hemmrades gegen die Impulspalette in der Mitte zwischen der Eingangs- und Ausgangspalette des Ankers. Dadurch drückt das Hemmrad den Anker im Uhrzeigersinn weiter und gleichzeitig schlägt die Ankergabel gegen den Hebelstein des Schwingsystems und gibt diesem damit den Schwung für die restliche Schwingung.
Das war auch schon der komplette Durchlauf einer Schwingung bei einer Co-Axial Hemmung. Wie ich oben schon erklärt habe, sind die Reibungskräfte bei der Palettenankerhemmung zwischen Hemmradzahn und Hebefläche der Palette des Ankers recht hoch im Vergleich zur Reibung bei der Co-Axial Hemmung.
Diese Minimierung der Reibung sorgt für weniger Kraftverluste im gesamten Ablauf der Uhr. Gleichzeitig wird durch den geänderten Aufbau der Kraftübertragung dafür gesorgt, dass das Schwingsystem nicht ständig abgebremst und wieder angeschubst wird. Natürlich entsteht bei der Co-Axial Hemmung auch Reibung und das damit verbundene Abbremsen des Schwingsystems, allerdings nicht in den Dimensionen wie es bei der Palettenankerhemmung passiert.
Zudem ist die Schwingung des Schwingsystems bei der Co-Axial Hemmung viel freier als bei der Palettenankerhemmung. Dies ist durch die kürzere Belastung auf das Schwingsystem zurückzuführen. Somit schwingt das Schwingsystem stabiler und kontinuierlicher. Dies sorgt auch für einen besseren Gang. Daraus resultiert auch der Begriff Chronometerhemmung. Ein Chronometer beschreibt eine sehr genau laufende mechanische Uhr, bei der der Gang von einer unabhängigen Prüfstelle zertifiziert wurde.
Ein weiterer großer Vorteil der Co-Axial Hemmung ist, dass durch die Reibungsminimierung auch der Verschleiß und die benötigte Ölmenge reduziert wurde. Die Reibungsminimierung führt zu allgemein weniger Verschleiß und die geringere Ölmenge sorgt für ein geringeres Alterungsrisiko. Dies hat zur Folge, dass die Langlebigkeit der Uhr erhöht wird und auch die Servicezeiten verlängert werden (mehr: Einfluss der Uhren-Öle auf Serviceintervalle – und was man als Kunde sonst beim Service beachten sollte).
Um an der Co-Axial Hemmung arbeiten zu dürfen, benötigt man eine Schulung im Service Center Deutschland der Swatch Group. Da ich meine Ausbildung bei Glashütte Original gemacht habe, durfte ich im dritten Lehrjahr einen Schüleraustausch in diesem Servicecenter in Pforzheim machen und hatte die Ehre eine solche Schulung durchzuführen. Ich freue mich dieses Know-How bereits in der Ausbildung erlangt zu haben und diese Uhren bearbeiten zu können.
Ich hoffe dieser Bericht hat euch gefallen und ihr konntet wieder ein wenig Fachwissen mit rausnehmen. Gerne freue ich mich jederzeit über weitere Anregungen und eure Rückmeldung in den Kommentaren!
Bis zum nächsten Mal!
Euer Leon von ChronoRestore
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Den ganzen, sicherlich interessanten Artikel habe ich noch gar nicht gelesen, aber ich muß mir gerade mal etwas Luft machen, weil mir der Kragen zu eng wird.
Der Grund ist dieser Satz: „Omega schafft es, wahnsinnig gute Uhren zu annehmbaren Preisen zu schaffen.“ Und schon steigt mein Blutdruck merklich an. Aber vielleicht hat der Autor auch nur die Adjektive verwechselt. Um die oben genannte These ernsthaft zu vertreten, muß man meines Erachtens entweder sehr ignorant oder ziemlich wohlhabend sein. Die Qualitäten einer Omega will ich überhaupt nicht bestreiten, aber die Preispolitik des Konzerns ist seit Jahren völlig durch die Hecke und die Preissteigerungen der Uhren extrem. Wenn der Satz zu Anfang des Artikels gelautet hätte: „Omega schafft es, annehmbar gute Uhren zu wahnsinnigen Preisen zu schaffen.“, wäre mein Blutdruck auf 120/80 mm/Hg geblieben.
So, und jetzt werde ich den Rest des Artikels lesen.
„In den 1990er Jahren wurde die Co-Axial-Hemmung erstmals in Omega-Uhren eingeführt. Omega erkannte das revolutionäre Potenzial der Co-Axial Hemmung und erwarb die exklusiven Rechte an ihrer Nutzung von George Daniels. Diese exklusive Lizenzierung bedeutet, dass Omega die einzige Uhrenmarke ist, die die Co-Axial Hemmung in ihren Uhren verwenden darf.“
Müßte da (2024) der Patentschutz nicht schon lange abgelaufen sein?
Hi Hans, das ist korrekt ja, der Patentschutz ist seit ein paar Jahren abgelaufen. Siehe auch:
https://patents.google.com/patent/EP1045297A1/en