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Hey ihr lieben Uhrenfreunde, heute geht es mit dem zweiten Teil zu meiner Ausbildung bei Glashรผtte Original weiter. Im ersten Teil รผber die Ausbildung zum Uhrmacher habe ich euch den Weg in meine Uhrmacherkarriere beschrieben und wie die ersten 6 Wochen in der Grundlagenwerkstatt abgelaufen sind. Nun sind wir endlich nach oben in die Uhrmacherwerkstรคtten gezogen! Wie es dort weiter ging, erfahrt ihr im Folgende. AbschliรŸened gebe ich noch ein Statement zur Ausbildung ab…

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Ausbildung zum Uhrmacher: Theorie

In den ersten Tagen in der Uhrmacherwerkstatt wartete erstmal einiges an Theorie auf uns. Wir haben erstmal das absolute Minimum einer Uhr besprochen. Dies passierte anhand des Taschenuhrwerkes ETA 6498. Zu aller erst haben wir das Werk gemeinsam Schritt fรผr Schritt mit dem Ausbilder zerlegt und erstmal mehrmals trocken wieder montiert. Kurze Zeit spรคter haben wir begonnen auch ร–le und Fette mit ins Spiel zu bringen. Nach dem offiziellen Schmierplan haben wir die ร–le in das Uhrwerk gebracht. Stรผck fรผr Stรผck sind wir in der Theorie weiter ins Innere des Werkes vorgedrungen und haben alles gleich praktisch umgesetzt. Spรคter sind wir nur noch zum Ausbilder gegangen, damit dieser das Werk zerlegen und dabei alle Einstellungen, wie Hรถhenspiele der Rรคder, Einstellung der Hemmung und die Menge der verwendeten ร–le prรผfen konnte. Danach hat er wieder Fehler in die Uhr eingebaut und wir mussten diese erneut finden, beheben und die Uhr wieder gut zum Laufen bringen.

Irgendwann sind wir in der Theorie dann bei der Automatik angelangt und sind dann in der Praxis auch vom Taschenuhrwerk auf das Automatikwerk ETA 2824-2 umgestiegen. Hier war schon alles etwas kleiner und das Spiel fing wieder von vorne an. Fehler einbauen lassen, finden und beheben.

Nach mehreren Wochen intensiven Trainings an diesem Werk sind wir dann wieder in die Grundlagenwerkstatt zurรผckgekehrt und haben an den Uhrmacherdrehbรคnken Platz genommen. Hier haben wir erstmal die Grundlagen des Drehens mit Handstichel und Kreuzsupport gelernt. Danach durften wir uns im Verlauf des Kurses wieder einige eigene Werkzeuge drehen. Ein Teil des Kurses war es, ein Rรคderwerk herzustellen (Abbildung 1 und 2).

Hier mussten wir die Wellen mit Nietkragen und Zapfen fรผr die Rรคder selbst drehen und spรคter die Radscheiben auf die Wellen nieten. Zudem haben wir das gesamte Gestell, also die Platinen, in denen die Wellen gelagert werden, und die Abstandshalter der beiden Platinen selbst angefertigt. Sogar die Schrauben haben wir selbst gedreht, Gewinde geschnitten und geblรคut. Danach wurde es schon wieder etwas kleiner und wir haben die erste Aufzugwelle fรผr ein Taschenuhrwerk angefertigt. Diese mussten wir dann abgeben und haben sie spรคter wieder erhalten. Dazu aber spรคter noch mehr.

Im Laufe der Ausbildung hatten wir dann noch einen GroรŸuhr-Kurs. Dieses intensive Training an unterschiedlichen GroรŸuhren ging aber, wenn ich mich recht erinnere, nur 4 Wochen. Viel mehr Zeit wurde darin nicht investiert, da sich Glashรผtte Original ja nur mit Armbanduhren beschรคftigt.

In unserem zweiten Drehkurs haben wir ganze 5 Wochen lang jeden Tag Unruhwellen gedreht. Dies war wirklich eine Herausforderung und richtige Uhrmacherarbeit. Am Anfang hat man noch ca. zwei Tage fรผr eine Welle gebraucht und diese war dann doch unbrauchbar, weil ein bestimmtes MaรŸ nicht gepasst hat. Am Ende kam dann allerdings doch noch eine Routine rein und fast alle haben ca. zwei Unruhwellen am Tag geschafft.

Wir mussten unglaublich genau arbeiten. Die Welle hatte einen Zapfen mit einem Durchmesser von 0,1 mm. Ihr kรถnnt ja mal probieren auf einem Zollstock einen Millimeter in 10 Teile zu teilen. Dann wisst ihr, welche AusmaรŸe das hatte. Fรผr diesen Zapfen hatten wir eine Toleranz von 0,003mm. Das sind 3 tausendstel Millimeter. Auch diese Unruhwelle mussten wir abgeben, damit diese fรผr uns aufbewahrt wurde.

In Abbildung 3 kรถnnt ihr eine Unruhwelle (links) und eine Aufzugwelle (rechts) eines Taschenuhrkalibers im Vergleich zu einer 1 Cent Mรผnze erkennen. Ich denke, dass das einen guten Einblick gibt, wie prรคzise wir arbeiten mรผssen. ๐Ÿ™‚

3. Taschenuhr Unruhwelle links und Aufzugwelle rechts
Abb. 3: Taschenuhr Unruhwelle (links) und Aufzugwelle (rechts)

Im weiteren Verlauf haben wir noch den Chronographen theoretisch durchgenommen und in der Praxis mussten wir auch wieder alle Einstellungen vornehmen kรถnnen und jeden Fehler finden, der fรผr uns eingebaut wurde…

Uhrmacher-Ausbildung: WOSTEP on top

Der Chronograph ist eigentlich erst Thema im Meisterkurs der Uhrmacherei. Wir haben ihn aber bereits in der Ausbildung gemacht, weil wir das WOSTEP-Zertifikat mit gemacht haben. Dies ist eine Schweizer Ausbildung, die eine Abschlussprรผfung umfasst, in der wir in 16 Stunden einen Chronographen, eine Automatikuhr und eine Quarzuhr vollstรคndig revidieren und alle eingebauten Fehler ausbessern mussten. Deshalb haben wir bereits in der Ausbildung Intensivkurse zum Chronographen gemacht und tagelang nur das ETA 7750 und seine Variationen zerlegt und wieder montiert. Das ist auch der Grund, warum ich schon vor dem Einsenden eurer Uhr anhand der Beschreibung des Fehlers sehr genau vermuten kann, was der Fehler ist, da ich fast jeden mรถglichen Fehler in den Intensivkursen in der Ausbildung gefรผhlt dreimal repariert habe.

Ich bin sehr froh, dass wir das so gemacht haben, da ich denke, einigen Uhrmachern dadurch deutlich voraus zu sein. Nach der Ausbildung habe ich bei einem Juwelier gearbeitet, der mich lachend fragte, ob er mir mal einen Chrono geben soll. Ich antwortete mit โ€žjaโ€œ und sagte, dass ich das Werk in und auswendig kenne. Sein Blick war unbeschreiblich ๐Ÿ˜€

Die intensivste Zeit der Ausbildung war der WOSTEP 5-Kurs. Hier mussten wir eine Unruhspirale selbst abzรคhlen und die Endkurve an die Spirale biegen. Auch den inneren Ansteckpunkt an der Spiralrolle haben wir selbst durchgefรผhrt. Wir haben also nur eine rohe Spirale bekommen, mussten diese innen wie auรŸen auf die richtige lรคnge kรผrzen, innen mit der Spiralrolle verstiften und auรŸen eine Endkurve mit Arbeitsknicken biegen.

Der WOSTEP 5-Kurs dauerte, glaube ich, 6 Wochen und die ersten drei Wochen kam keine einzige funktionale Spirale dabei rum. Beim Abzรคhlen muss man die Lรคnge der Spirale Stรผck fรผr Stรผck verkรผrzen und zรคhlen wie viele Schwingungen diese in einer Minute macht. Nur wenn wir die exakt richtige Lรคnge erwischt haben, hat die Uhr am Ende die richtige Schlagzahl.

Wรคhrend anderen Uhrmachern beigebracht wird, dass man die Spirale mรถglichst nicht anfasst, wurden wir trainiert die perfekte Lage der Spirale legen zu kรถnnen und wir mussten sogar selbst eine Spirale fรผr ein Taschenuhrwerk abzรคhlen. Hier haben wir auch unsere Unruhwelle und Aufzugswelle aus den Drehkursen zurรผckbekommen. Diese sind Eigenanfertigungen fรผr die W01 (Abbildung 4 und 5) – das ist ein Taschenuhrwerk, welches wir in Verbindung mit dem WOSTEP-Zertifikat von Anfang an aufgebaut haben. Wir haben also die rohen Werkplatinen und Brรผcken erhalten und mussten selbstรคndig Positionsstifte anfertigen. Unruhwelle, Aufzugwelle und das abgezรคhlte Schwingsystem stammen auch aus eigener Herstellung.

Ich durfte dann noch als einziger eine Schuluhr beginnen. Die Schuluhr war ein Projekt von Glashรผtte Original, das jedes Lehrjahr machen durfte. Aufgrund einer Umstellung in der Ausbildung wรคre das fรผr uns aber eigentlich ausgefallen. Ich habe aber so lange gebettelt bis ich auch eine machen durfte. Dafรผr habe ich ein ETA 6498 bekommen und hรคtte damit machen dรผrfen, was ich mรถchte. Viele haben damals die Platinen und Brรผcken skelettiert oder ein eigenes Zifferblatt nach Ihren Wรผnschen angefertigt. Ein Ausbilder hat in seiner Ausbildung damals sogar einen Tourbillon gebaut.

Da ich schon immer das Modell PanoInverse von Glashรผtte Original so schรถn fand, weil man da das Schwingsystem mit seiner Brรผcke von oben betrachten kann und ich sowieso eine technische Verรคnderung am Werk vornehmen wollte, habe ich kurzerhand die Unruhe umgedreht und auf die Zifferblattseite geholt.

Wรคhrend der Bearbeitung haben mich noch einige Probleme eingeholt und sogar die Ausbilder haben gesagt, dass diese Uhr wahrscheinlich nicht laufen wird. Ich habe es aber geschafft! Ich musste auf bis zu tausdendstel Millimeter genau arbeiten, weil ich einige Lagerstellen in Ihrer Position verรคndert habe und dies zu Schrรคgstellungen der Rรคder hรคtte fรผhren kรถnnen. Mit dem Zifferblatt bin ich nicht ganz so zufrieden. Dafรผr war am Ende nicht mehr genug Zeit, aber ich bin unglaublich stolz, dass ich diese Uhr, trotz aller Aussagen der Ausbilder, zum Laufen bekommen habe. ๐Ÿ˜Š

Grundlegend bin ich sehr froh die Ausbildung bei Glashรผtte Original gemacht zu haben. Im Nachhinein habe ich erst gemerkt, welch gute Ausbildung ich genossen habe. Unser Ausbildungsleiter hat sich grรถรŸte Mรผhe gegeben uns das Beste vom Besten zu bieten und uns รผberall einen Einblick zu geben. Wir haben nicht nur gelernt einen Service an Uhren durchzufรผhren, sondern wir kรถnnen auch alle mรถglichen Einstellungen vornehmen und sogar Uhren bauen. Wir haben nicht nur beigebracht bekommen eine Uhr zusammenzusetzen und zum Laufen zu bekommen, sondern auch ein tiefes Verstรคndnis fรผr die einzelnen Mechaniken der Uhren erhalten. Schon bei der Demontage der Uhr beginnen wir das komplette System zu verstehen und kรถnnen somit jede mechanische Uhr zerlegen und wieder zusammensetzen. Mit allem was dazu gehรถrt. Wรคhrend viele Juweliere bei einer verstellten Hemmung einfach einen neuen Anker bestellen, beginne ich die Hemmung zu justieren und die Paletten um wenige tausendstel Millimeter zu verschieben.

Leider musste ich im Dritten Lehrjahr feststellen, dass mir persรถnlich das Arbeitsklima und die anstehenden Arbeiten in der Manufaktur nicht so gefallen haben. Auch die Personalpolitik hat nicht meinen Vorstellungen entsprochen. Aus diesem Grund habe ich die Firma nach der Ausbildung verlassen. Alles andere wรคre weder fรผr Glashรผtte Original, noch fรผr mich gut gewesen und hรคtte keinen von uns zufrieden gestellt.

Nun, jedenfalls bin ich dann in meine Heimat zurรผckgezogen und habe ChronoRestore gegrรผndet. Hier gehe ich derzeit nur mir selbst auf die Nerven! ๐Ÿ˜€ Es klappt, dank euch (!!!), aber soweit alles ganz gut! Ich habe nรคmlich unglaublich tolle Kunden und dank euch ist ChronoRestore รผberhaupt das geworden, was es nun ist. Ich kann jedenfalls davon leben und meinen Traumjob ausfรผhren. AuรŸerdem bin ich zu ehrgeizig zum Stillstehen und deswegen wรคchst alles immer weiter. Das klappt aber nur, wenn ich weiterhin so tolle Kunden wie euch habe. Also bleibt dabei und lasst uns gemeinsam den besten Uhrenservice aller Zeiten aufbauen. Und alles was da noch so kommen mag. ๐Ÿ˜‰

Vielen Dank fรผr eure Zeit! Ich hoffe, die Informationen zu meiner Ausbildung und meine persรถnlichen Erfahrungen haben euch einen aufschlussreichen Einblick in diesen tollen Beruf gegeben. Bis zum nรคchsten Mal!

LG Leon von ChronoRestore

Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore
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Andreas
1 Jahr zurรผck

Hey Leon! Vielen Dank fรผr die wirklich spannenden Einblicke hinter die Kulissen des Uhrmacherhandwerks, die man als interessierter Laie sonst nirgendwo erhalten kรถnnte. Ich habe die Artikel รผber Deine Ausbildung mit groรŸem Interesse und Vergnรผgen gelesen.

LG
Andreas

Martin
1 Jahr zurรผck

Hallo Leon,
entschuldige bitte mein Klugscheissern.
Aber 0.03mm sind drei Hundertstel.
0.003 mm sind 3 Tausendstel.
Ansonsten hat mir dein Bericht sehr gut gefallen und als AuรŸenstehender habe ich das Gefรผhl das du bei Glashรผtte eine wirklich sehr gute Ausbildung durchlaufen hast.
Ich wรผnsche Dir alles Gute und das deine Wรผnsche in Erfรผllung gehen.
LG Martin

Leon
1 Jahr zurรผck
Antworten...  Martin

Hey Martin,

da hast du natรผrlich recht. Ich bessere es sofort aus. ๐Ÿ™‚
Vielen Dank fรผr den Hinweis. Da habe ich eine Null unterschlagen.

LG Leon

mahu1963go@yahoo.de
1 Jahr zurรผck
Antworten...  Martin

Das kenne ich von meinen Messungen innerhalb eines QS Systems. Hohe Prรคzision ist gefragt und das Auge schaut immer mit!!
An welchen Bauteilen einer Uhr wird schon eine Prรคsion von 0,oo3 mm verlangt?
รœber eine Antwort wรผrde ich mich sehr freuen.
LG Martin

Leon von ChronoRestore
10 Monate zurรผck
Antworten...  mahu1963go@yahoo.de

Hey Martin,

zum Beispiel die Unruhzapfen der Unruh mรผssen mit solchen Toleranzen gefertigt werden. Bei uns war es sogar nur eine Taschenuhr Unruhwelle. Bei richtigen Kleinuhren sind die Toleranzen sicherlich noch geringer und der Zapfendurchmesser auch noch kleiner als 0,1mm. ๐Ÿ™‚

LG Leon

Frank
1 Jahr zurรผck

Interessant und aufschlussreich, Dankeschรถn.