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Hallo liebe Uhrenfreunde! Mario hat vor längerer Zeit einen Bericht über Magnetismus bei Uhren geschrieben. Daran möchte ich heute nochmal durch die Uhrmacherbrille anknüpfen und euch etwas tiefer in die Materie hinein begleiten. Dafür hole ich zu Anfang etwas weiter aus und erkläre Magnetismus im Allgemeinen. Im Anschluss erkläre ich, welchen Einfluss Magnetismus auf die Uhr haben kann und warum das schlecht für unsere Uhren ist. Zu guter Letzt gehen wir der Frage auf den Grund, wie wir den Magnetismus in der Uhr wieder losbekommen und was da physikalisch genau dahinter steckt.

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Tipp: Am 19. Juli wurden die Inhalte aus diesem Beitrag auch in einem Livestream mit Leon von ChronoRestore und Mario von Chrononautix thematisiert. Der Stream kann hier nachträglich angeschaut werden:

Was ist Magnetismus?

Zuerst einmal sollte erwähnt werden, dass nicht alle Materialien auf Magnetismus reagieren bzw. beeinflusst werden. Man unterscheidet drei unterschiedliche Stoffe: Die diamagnetischen Stoffe, paramagnetische Stoffe und ferromagnetische Stoffe.

Diamagnetische Stoffe, wie zum Beispiel Zink und Kupfer, werden nicht von Magneten angezogen, sondern sogar leicht abgestoßen. Das liegt daran, dass ihre Fähigkeit zur Aufnahme und Weiterleitung magnetischer Felder sehr gering ist. Diese Fähigkeit nennt man in der Physik „Permeabilität“.

Bei paramagnetischen Stoffen, wie zum Beispiel Aluminium oder Platin ist die Permeabilität leicht höher als bei den diamagnetischen Stoffen, aber immer noch sehr gering. Aus diesem Grund werden diese Materialien nur leicht von einem Magneten angezogen, können aber selbst nicht magnetisiert werden.

Ganz anders sieht es bei den ferromagnetischen Stoffen, wie zum Beispiel Eisen, Nickel und Cobalt, aus. Diese Materialien haben eine sehr hohe Permeabilität und haften sehr gut an Magneten. Außerdem können diese Materialien magnetisiert werden und wirken dann selbst wie ein Magnet. Innerhalb der ferromagnetischen Stoffe unterscheidet man dann noch die magnetisch-weichen und magnetisch-harten Stoffe. Magnetisch-weiche Stoffe sind zwar leicht zu magnetisieren, verlieren diese eigene magnetische Wirkung jedoch wieder recht schnell. Bei den magnetisch-harten Stoffen ist das umgekehrt. Einige Uhrenhersteller setzen daher auf Weicheisenkäfige, um das Uhrwerk vor Magnetismus zu schützen (dazu unten ein Beispiel von Sinn).

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Magneto höchstpersönlich mit seiner Armbanduhr – ob die wohl noch genau läuft? 😉

Doch wie entsteht der Magnetismus in so einem Metall? Man muss sich das so vorstellen, dass sich in dem Metall unzählige kleine Elementarteilchen befinden. Diese sind in Abbildung 1 als kleine Spitzen dargestellt. Diese Elementarteilchen können sich drehen und in alle Richtungen des Raumes zeigen. Im linken Feld sind diese Elementarteilchen ungeordnet und das Material wirkt nach außen hin „unmagnetisch“. Wenn man nun mit einem starken Magneten in die Nähe des Materials kommt, dann richten sich die Elementarteilchen in die Richtung des Magneten aus. Beim Entfernen des Dauermagneten bleiben die Elementarteilchen in ihrer Position stehen. Da nun alle Elementarteilchen in die gleiche Richtung zeigen (wie auf der rechten Seite der Abbildung 1), verstärkt sich der Effekt dieser Ladungen nach außen hin und das Material wirkt nach außen hin magnetisch.

1. Elementarteilchen in ferromagnetischen Stoffen
Abb. 1 Elementarteilchen in ferromagnetischen Stoffen

Wie hat das Ganze aber Einfluss auf unsere mechanischen Uhren?

Der größte Schwachpunkt in mechanischen Uhren ist die Spirale des Schwingsystems. Diese Spirale bestand früher aus einem ganz dünnen Stahlband. Stahl besteht je nach Zusammensetzung „leider“ aus 97-99% Eisen. Eisen gehört zu den ferromagnetischen Stoffen.

Zwar sind die heute weit verbreiteten, modernen Spiralfedern aus Nivarox (eine Legierung aus Nickel, Chrom, Mangan, Titan, Beryllium, Silizium und Eisen) den älteren Stahlfedern im Hinblick auf die Magnetfeldempfindlichkeit weit überlegen, denn Nivarox-Federn sind antimagnetisch gemäß DIN 8309 bzw. ISO 764. Die Anforderungen gemäß DIN/ISO lassen allerdings schon bei einer relativ geringen Magnetfeldbelastung von 6000 μT einen Gangfehler von +/–30 Sekunden pro Tag zu. Zum Vergleich: Bei einer handelsüblichen TV-Soundbar lassen sich Magnetfelder von bis zu 5000 μT messen.

Deutlich unempfindlicher gegenüber Magnetismus sind beispielsweise Unruhspiralfedern aus Silizium (siehe z.B. alle aktuellen Omega Co-Axial-Kaliber oder weitere Kaliber der Swatch Group, siehe z.B. Longines Zulu Time GMT).

Man beachte, dass im Uhrwerk außerdem noch weitere ferromagnetische Materialien, wie zum Beispiel die Schrauben oder die Stahlwellen und Triebe der Zahnräder, verbaut sind. Wie wir gerade gelernt haben, können alle diese kleinen Teile zu Magneten werden, sobald sie in die Nähe eines ausreichend starken Magnetfeldes kommen.

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Magnetfeldschutz bei Sinn: Ein Weicheisenkäfig, bestehend aus Ziffernblatt, Werkhaltering und Zwischenboden, schützt das Uhrwerk

Wie ich schon in meinem Bericht zur Reglage geschrieben habe, ist die Spirale und deren Position und Lage das wichtigste Element für einen genauen Gang der Uhr. Wenn die Spirale nun aber durch Magnetismus aus ihrer idealen zentrischen und flachen Lage herausgezogen wird, entsteht eine höhere Gangabweichung. Die einzelnen Spiralumgänge können sich auch gegenseitig beeinflussen und aufgrund des Magnetismus vielleicht sogar zusammenkleben. Das führt dann eventuell zu extremen Gangabweichungen von mehreren Minuten am Tag oder kann sogar zum Stillstand der Uhr führen.

Wir merken uns also: Magnetfelder sind doof! Zumindest für unsere Uhren. In der Zeit der Digitalisierung sind wir aber auch von unglaublich vielen Magnetfeldern umgeben. In Marios vorherigem Bericht versucht er zu zeigen, wo überall Magnetfelder versteckt sind. Das kann man sich gar nicht vorstellen! Man kann den Magnetfeldern kaum noch entkommen. Also besser die Uhr im Safe liegen lassen und nie tragen? Nein! Die Physik bietet Abhilfe. Wir können die Uhren wieder entmagnetisieren.

Mehr: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag

Uhren entmagnetisieren – China-Entmagnetisierer nur bedingt empfehlenswert

Wenn wir uns noch einmal Abbildung 1 anschauen, dann müssen wir nur aus den geordneten Elementarteilchen aus dem rechten Teil der Abbildung, die Unordnung aus dem linken Teil der Abbildung wiederherstellen. Und genau das kann man mit einem Entmagnetisierungsgerät aus Abbildung 2 machen. Bitte nicht wundern: dieses Gerät zeige ich nur, weil man den Vorgang anhand dieses Geräts einfacher erklären kann. Später erkläre ich, warum es nicht so gut geeignet ist.

2. China entmagnetisiergeraet 1
Abb. 2: China-Entmagnetisiergerät

Auf jeden Fall ist in diesem kleinen Gerät nichts anderes als eine Spule verbaut. Wer damals in der Schule in Physik bzw. Elektrotechnik aufgepasst hat, der weiß, dass man mit einer Spule ein Magnetfeld erzeugen kann. Je nachdem, in welcher Richtung der Strom durch die Spule fliest, ändert sich auch die Richtung des Magnetfeldes. Das Ganze habe ich versucht in Abbildung 3 darzustellen.

3. Stromdurchflossene Spule mit daraus resultierendem Magnetfeld
Abb. 3: Stromdurchflossene Spule mit daraus resultierendem Magnetfeld

Nun, in dem Gerät ist also eine Spule verbaut. Sobald man den kleinen roten Knopf betätigt, fließt Strom durch die Spule und es entsteht ein Magnetfeld. Jedoch ist das kein Gleichstrom, der immer in die gleiche Richtung fließt, sondern ein Wechselstrom. Innerhalb einer Sekunde wechselt der Strom ca. 50 Mal seine Richtung. Dabei wird natürlich auch immer wieder die Richtung des Magnetfeldes geändert. Und genau damit können wir wieder “Unordnung” in die Elementarteilchen unserer magnetisierten Uhr bringen.

Man sollte dabei wie folgt vorgehen:

  • Wir halten die Uhr so nah wie möglich an das Gerät,
  • halten den kleinen roten Knopf gedrückt und
  • entfernen die Uhr langsam vom Gerät.

Durch das wechselnde Magnetfeld werden die Elementarteilchen immer wieder hin und her geworfen. Sobald wir die Uhr langsam von dem Gerät entfernen, wird die Stärke des Magnetfeldes immer kleiner. Dadurch können sich nicht mehr alle Elementarteilchen mit dem Magnetfeld mit drehen und bleiben in unterschiedlichen Positionen stehen. Et Voila, wir haben Unordnung in die Elementarteilchen gebracht und die Uhr wirkt nach außen hin unmagnetisch.

Nun aber noch einmal zu dem Entmagnetisierungsgerät. Das kleine blaue Ding ist zwar wirklich schön günstig und für den Uhrenfreund leicht zu nutzen, aber es ist einfach zu schwach. Es ist auch in keinem Fall für einen Uhrmacher, wie mich, zertifizierungsfähig. Deshalb habe ich mir ein Profigerät, wie das in Abbildung 4, zugelegt. Dieses Gerät funktioniert noch viel einfacher: Man legt die Uhr oben drauf und drückt einfach nur kurz auf den Knopf. Im Bruchteil einer Sekunde passiert all das, was ich oben mit dem gedrückt halten und Entfernen der Uhr beschrieben habe, indem einfach das Magnetfeld in dem Gerät schwächer geregelt wird. Außerdem ist in Abbildung 4 der Größenunterschied zu erkennen: Die Spule in dem Profigerät wird deutlich größer sein und somit ein stärkeres Magnetfeld erzeugen. In den wenigsten Fällen wird mit dem kleinen Gerät die Uhr vollständig entmagnetisiert. Es kann dadurch besser werden, aber es bleibt vermutlich immer ein wenig Restmagnetismus in der Uhr. Wenn ihr also beim nächsten Mal zum Uhrmacher geht und eure Uhren entmagnetisieren lasst, lasst euch nicht abzocken. Das Ganze ist mit einem Knopfdruck getan. 😉

Aber vermutlich lassen sich viele Uhrmacher damit das Gerät bezahlen. Ich habe nämlich auch nicht schlecht geschaut, als ich für so einen „blöden Kasten“, bei dem man nur einen Knopf drücken kann und kurz eine LED aufblinken sieht, fast 270€ ausgegeben habe.

Eine Übersicht über gängige Entmagnetisierer gibt’s hier.

4. Vergleich Profi Entmagnetisisergeraet und China Entmagnetisisergeraet
Abb. 4: Vergleich Profi-Entmagnetisisergerät und China-Entmagnetisisergerät

Ich hoffe, meine Ausführungen haben euch gefallen! Ich freue mich jederzeit über weitere Themenvorschläge oder eure Gedanken zu diesem Thema!

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

Euer Leon von ChronoRestore

Lesetipp: Experiment: Uhr entmagnetisieren und Auswirkungen von Magnetismus auf Uhren im Alltag

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Peter Heck
8 Monate zurück

Hallo Leon,
das Lob von Andreas kann ich nur bestätigen.
Frage: gibt es auch ein “Antimagnetisierungs-Leben” zwischen Fernost (also 10-15€) und Pforzheim (Greiner Vibrograf AG) mit Profi-Geräten für Profi-Preise? Ich besitze einige wenige Automatikuhren und bin nicht abgeneigt, mir ein solches Gerät zuzulegen. Der China-Kracher muss es nicht sein, aber Preise nördlich von 270 € sind mir für meinen Einsatzbereich zu hoch.
Danke für einen Hinweis!
Peter

Leon
8 Monate zurück
Antworten...  Peter Heck

Hey Peter,

vielen lieben Dank! Wie ich schon in unserem ChronoBros Live-Stream gesagt habe, ist der kleine China Entmagnetisierer leider zu schwach und der kann auch echt gefährlich werden. Leider sieht es aber im mittleren Preissegment echt schwierig aus. Das einzige was ich noch empfehlen kann ist der Elma Entmagnetisierer. Diesen findest du unter folgendem Link: https://www.uhrmacher-shop.com/Werkzeuge/Entmagnetisieren/Elma-Entmagnetisiergeraet-fuer-Uhren.htm?shop=uhrmacher&SessionId=&a=article&ProdNr=39090&t=151&c=1375&p=1375

Dieser ist aber auch nur geringfügig günstiger. Ansonsten wird es aber sehr schwierig überhaupt etwas günstigeres zu finden.

LG Leon

Andreas
11 Monate zurück

Lieber Leon,

Dein sorgfältig erstellter und sehr umfassender Artikel zur Magnetisierung von Uhren hat mir viel Freude bereitet. Ich habe wieder viel gelernt! Ebenso habe ich den LiveStream mit Mario hierzu mit viel Vergnügen verfolgt. Das sind schon echte Highlights!

Ein kleine Anregung meinerseits: Deine Technik-Artikel sind wirklich einzigartig und stellen neben anderen Dingen ein echtes Alleinstellungsmerkmal von Chrononautix dar. Deswegen tut es mir fast ein wenig weh, wenn ich sehe, dass Deine tollen Beiträge unter dem Reiter “Technik-Ecke” zu finden sind. Der Begriff “Ecke” ist im Sprachgebrauch eher negativ besetzt, wie zum Beispiel “etwas in die Ecke stellen”. Man bekommt leicht das Gefühl, als würde das Technik-Thema nur als unwichtige Nebensache betrachtet und nicht so ganz ernst genommen. Ich fände, dass Überschriften wie beispielsweise “Technik-Zentrum” oder auch ein schlicht-neutrales “Technik” der Sache weitaus besser gerecht würden. Die Artikel sollten schließlich nicht in einer “Ecke” versteckt werden! Vielleicht diskutiert Mario und Du das mal? Wie gesagt, nur eine bescheidene Anregung.

Mach(t) bitte unbedingt weiter so! Ich freue mich schon auf die nächsten Artikel und auch auf die Livestreams!

Admin
Mario
11 Monate zurück
Antworten...  Andreas

Hi Andreas,
danke für den Input – daran hatten wir gar nicht gedacht ehrlich gesagt 🙂
Wir haben’s mal ganz einfach in “Technik” abgeändert.
Wir sehen uns dann ja morgen im Livestream! 🙂
Viele Grüße

Andreas
11 Monate zurück
Antworten...  Mario

Hallo Mario,

super!

Zumindest in meinen bescheidenen Augen ist das eine entscheidende Verbesserung.

Viele Grüße!

Andreas