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Hallo liebe Chrononautix-Leser, heute möchte ich erneut aus meinem Alltag berichten! Hierbei werde ich vor allem auf die Endkontrolle eingehen und euch an einem Beispiel erklären, warum mir die Endkontrolle so wichtig ist.

Vor kurzem hat ein Kunde eine ChronoRestore-Versandbox bei mir angefordert. Schon dort hat er mir folgendes mitgeteilt:

Guten Tag an das Team von ChronoRestore,
Meine Uhr benötigt eine fachmännische Reparatur. Nach zweimaligem Eingriff eines „Uhrenmeisters“ und jeweils Stillstand nach wenigen Tagen danach, habe ich kein Vertrauen mehr. Angeblich hat der Juwelier eine Revision durchgeführt, dass sei zu prüfen. Auch der Uhrendeckel hat stark gelitten beim Schrauben. Wie kann man eine Uhr in diesem Zustand einem Kunden zurückgeben? Am Anfang stand ein Hinfaller, eine Schraube hatte sich im Uhrwerk leider gelöst. Meine geliebte Uhr ist erst 5 Jahre alt und verdient weiter zu ticken. Ich baue auf Sie.
Liebe Grüße

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore
ChronoRestore Uhren Reparatur Revision online einschicken 1

Schon einige Tage später traf eine schöne Longines Heritage Legend Diver bei mir an. Schon beim Auspacken musste ich erkennen, dass tatsächlich schon an der Uhr gearbeitet wurde. Die Zeiger sind angelaufen, haben Fettflecken und Kratzer. Krümel und Kratzer befinden sich auf dem Zifferblatt. Beim Blick auf die Rückseite der Uhr kamen deutliche Kratzer am Gehäuse und tiefere Druckspuren aufgrund von unprofessionellen/unordentlichen Öffnungsversuchen zum Vorschein. Ich habe versucht, den Großteil der Kratzer in den Abbildungen 1 und 2 sichtbar zu machen – leider konnte ich nicht alles mit der Kamera einfangen. Dazu hat uns der Kunde ein Minutenrad aus dem Werk mitgeschickt, welches anscheinend getauscht wurde. Hier fehlte an der Radscheibe, die in das Trieb des Kleinbodenrades eingreift, die Hälfte der Verzahnung.

Jedenfalls hat man schon dort gesehen, dass nicht gerade professionelle Hände an der Uhr gearbeitet haben.

Danach habe ich begonnen weiter nach dem funktionalen Fehler zu suchen, um einen Kostenvoranschlag erstellen zu können, sprich: erst einmal das Gehäuse öffnen, das Werk herausnehmen und Zifferblatt und Zeiger abnehmen. Als nächstes habe ich begonnen die Uhr langsam zurückzubauen und Stück für Stück die funktionierenden Bereiche als Fehlerquellen auszuschließen. Ich habe mit den Zusatzeinrichtungen (Automatik und Datum) begonnen. Danach ging es weiter mit dem Schwingsystem und der Hemmung, dann das Gesperr und zuletzt das Räderwerk bis zum Federhaus. Und genau da konnte ich den Fehler finden: Irgendetwas blockierte die Kraftweiterleitung zwischen Federhausverzahnung und Minutenradtrieb.

Nachdem ich das Gesperr demontiert hatte, konnte ich das Federhaus auch zurückdrehen – und da kamen auch schon die verdrückten Zähne zum Vorschein (Abbildung 3). Nun wusste ich also genau, wo der Fehler für das Stehenbleiben der Uhr herkommt. Natürlich musste ich auch noch einmal genau die Verzahnung des Minutenradtriebes untersuchen, um auszuschließen, dass die defekte Verzahnung des Federhauses auch wieder das neue Minutenradtrieb beschädigt hat. Hier war alles in Ordnung und es konnte noch weiterverwendet werden. Also musste ein neues Federhaus her. Dem Kunden habe ich daraufhin die Situation geschildert und einen Kostenvoranschlag erstellt.

3. Verdrueckte Zaehne der Federhausverzahnung
Verdrückte Zähne der Federhausverzahnung

Aber wie genau konnte es überhaupt zu diesem Fehler kommen? Nun, genau an diesem Punkt versteht man die Wichtigkeit der Endkontrolle: In einer guten Endkontrolle versucht man alle Eventualitäten durchzutesten, um garantieren zu können, dass die Uhr auch bei jedem Kunden zuverlässig läuft. Auch ich habe meine Endkontrolle schon mehrmals abgeändert und neu strukturiert bzw. optimiert, da ich bereits den einen oder anderen Garantiefall hatte, bei dem es sich nur um Dinge handelte, die in der Endkontrolle nicht aufgefallen sind. Ein Beispiel hierfür war ein Chronograph, bei dem sich der Stundenzählzeiger nicht ordentlich auf Null gestellt hat. Der Kunde hat daraufhin von mir ein neues Wertversandlabel erhalten und konnte seine Uhr in seiner ChronoRestore-Versandbox wieder zu mir senden. Schon ein Blick mit der Lupe hat gereicht: Ich hatte den Stundenzählzeiger zu tief aufgepresst.

Mehr: Uhren mit Chronograph-Komplikation einstellen, Definition und technische Funktion

Daraufhin habe ich direkt einen neuen Punkt in der Endkontrolle ergänzt. Ganz zu Beginn meiner Selbstständigkeit habe ich die Endkontrollen noch in meinem Kopf gemacht. Ich habe mir also gemerkt, welche Uhr nach welcher Zeit auf den Uhrenbeweger muss und welchen Gang diese aufweist. Nachdem ich immer mehr Aufträge bekam, lagen dann irgendwann mal zehn Uhren nebeneinander und ich wusste nie genau, ob ich mir die Daten zu dieser Uhr jetzt richtig gemerkt habe. So kam es, dass einige Uhren mehrmals durch die Endkontrolle laufen mussten oder ohne eine vollständige Endkontrolle rausgeschickt wurden. Also musste ich mir etwas Neues überlegen, woraufhin ich einen Prüfzettel entworfen habe (Abbildung 4).

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Abb. 4

Ich beginne immer zuerst mit der Sichtkontrolle. Also betrachte ich das Zifferblatt, die Zeiger und das Glas. Danach lasse ich noch einmal die komplette Datumscheibe durchschalten und prüfe somit, ob sich noch Verschmutzungen unter dem Zifferblatt befinden. Im Anschluss gehe ich auf die Rückseite und schaue durch den Glasboden, ob sich noch irgendwo Fusseln im oder am Werk verstecken. Zu guter Letzt kontrolliere ich nochmal das Gehäuse – dies ergibt aber natürlich nur Sinn, wenn die Uhr eine Gehäuseaufarbeitung erhalten hat, da sonst die üblichen Tragespuren vorhanden sind.

Mehr: Aufbereitung einer Rolex: Kratzer entfernen und polieren

Weiterhin prüfe ich die funktionalen Teile, wie zum Beispiel die Krone. Hier wird der Kronenabstand zum Gehäuse und der Rundlauf geprüft. Außerdem schalte ich die Krone in allen Stellungen durch und prüfe alle weiteren Komplikationen oder Funktionalitäten, die die Uhr besitzt.

Als nächstes geht die Uhr in die Gangkontrolle. Hier wird sie in den unterschiedlichsten Lagen abgelegt und die Gangwerte nach einem Tag mit der Funkuhr verglichen. So geht das einige Tage, bis ich mir sicher bin, dass die Uhr in den liegenden Lagen gut läuft.

Mehr: Reglage: Ganggenauigkeit einer Automatikuhr einstellen – der Uhrmacher als Herzchirurg

Danach spanne ich die Uhr auf den Uhrenbeweger (Abbildung 5) und lasse sie fröhlich ihre Runden drehen. Hierbei prüfe ich, ob sie von der Automatik ordentlich aufgezogen wird und wie sich die Gangwerte bei einer bewegten Uhr verhalten. Dies ist natürlich kein Vergleich zum tatsächlichen Trageverhalten eines Menschen, simuliert aber dennoch die Bewegung der Uhr und bringt sie in jede erdenkliche Lage. Das Trageverhalten der Uhrenbesitzer ist einfach viel zu unterschiedlich und unregelmäßig, um es in irgendeiner Art und Weise nachzustellen.

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Abb. 5: Uhrenbeweger für 6 Uhren

Zu guter Letzt nehme ich die Uhr vom Uhrenbeweger und lege sie wieder in der praktischsten Position ab. Dies ist meist: Zifferblatt oben oder Krone oben. Nun notiere ich mir noch den Zeitpunkt, an dem ich die Uhr so abgelegt habe und warte bis sie vollständig abgelaufen ist. Hiermit prüfe ich also die Gangreserve und achte auch hier noch einmal darauf, wie sich der Gang der Uhr verhält.

Wenn alles bis dahin in Ordnung ist, setze ich mich noch einmal an den Uhrmachertisch und schau in die Uhr hinein, ob sich doch noch ein Fussel blicken lässt oder sich vielleicht sogar Schrauben gelöst haben. Bei einer Gehäuseaufarbeitung werden natürlich noch einmal Gehäuse und Band überprüft. Am Ende fülle ich noch das Serviceheft aus und die Uhr geht wieder zurück an ihren Besitzer.

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Warum empfinde ich die Endkontrolle als wichtigsten Punkt des Service und warum werde ich in ihrer Gestaltung wahrscheinlich nie fertig sein? Es gibt für mich nichts Schlimmeres als einen enttäuschten Kunden! Wir Uhrmacher sind auch nur Menschen und machen auch Fehler. Ich sage immer: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne!“. Ich empfinde es auch nicht als schlimm Fehler zu machen. Aus Fehlern wird man nur schlauer und niemand ist perfekt zur Welt gekommen. Dennoch ist es mir natürlich lieber, dass diese Fehler bei uns bleiben und der Kunde auf Anhieb ein perfektes Ergebnis erhält. Sollte es dennoch mal zu Fehlern bei einer herausgeschickten Uhr kommen, wird diese natürlich anstandslos zurückgeholt und die Fehler behoben. Alle auf dem Prüfzettel angegebenen Punkte sind dabei Garantiefälle (außer der Wasserdichtigkeit – dies ist aber den meisten bekannt und muss von mir nicht noch einmal hochgeholt werden).

Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit und freue mich auf weitere Anregungen, Fragen und/oder Kritik!

Mit freundlichen Grüßen

Leon von ChronoRestore

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Hermann
1 Jahr zurück

Sehr interessanter Artikel! Danke dafür.

Wenn es tatsächlich mal bei euch vorkommt, dass ihr eine Uhr an den Kunden zurückschickt, und ihr bei der Endkontrolle eine Fehlfunktion übersehen habt – so wie in dem Artikel geschildert -, und der Kunde dann seine Uhr erneut einsenden muss: Wird diese Uhr dann wieder ganz hinten in der Schlange der zu reparierenden Uhren einsortiert? Oder wird sie vorranig repariert? Ich habe nämlich gerade so einen Fall bei meiner fast neuen Omega und wundere mich etwas, dass sich die Uhr beim 2. Reparaturversuch trotz vorhandener Ersatzteile anscheinend direkt wieder (relativ weit) hinten anstellen muss. Laut deren Kunden-Portal sind die Ersatzteile vorhanden, aber es soll wieder 7 Wochen dauern. Ich arbeite auch als Selbständiger im online-Handel und da sind für mich (berechtigte) Kundenreklamationen die allerersten Dinge, die ich erledige. Für mich ein No-Brainer…

VG Hermann

Leon
1 Jahr zurück
Antworten...  Hermann

Hey Hermann,

erstmal vielen lieben Dank! 🙂

Natürlich bin ich da ganz auf deiner Seite. Ein Kunde der etwas reklamiert wir natürlich nicht wieder ganz hinten angestellt. Solche Dinge versuche ich so schnell wie möglich durchzuführen, da es sowieso schon ein unangenehmer Vorfall ist.
Aufgrund meiner ausgiebigen Endkontrolle kommt es nicht oft vor. Man Versucht ja schließlich Rückholungen zu vermeiden, da es sich ja auch um Mehrkosten für mich handelt. Der Kunde soll aufgrund einer Reklamation keinen Nachteil erhalten. Leider bin auch ich nicht perfekt und es kommt hin und wieder zu kleineren Fehlern, welche sowieso kaum Zeit in Anspruch nehmen und sofort abgearbeitet werden.

Heutzutage vergessen es leider viele Firmen, aber ich gebe stetig mein bestes nach dem Leitsatz „Der Kunde ist König“ zu arbeiten.

LG
Leon

Herbert
1 Jahr zurück

Hey Leon,

vielen Dank für den interessanten Artikel. Jetzt weiß ich, wie es meiner Dugena ergangen ist. Ich freue mich auf weitere Beiträge.

Viele Grüße

Herbert