Liebe Uhrenfans, heute möchte ich mal wieder auf eure direkten Fragen eingehen und einen Leserbrief über konkrete Revisions- bzw. Serviceintervalle beantworten. Damit auch alle wissen worum es geht, zitiere ich die Fragen des Lesers zunächst einmal:
„Hallo Leon, ich bin ein begeisterter Leser deiner ausführlichen Beiträge auf der Technik-Ecke von chrononautix.com. In dem Bericht “Handaufzug vs. Automatik” gehts du auf den Service-Intervall mechanischer Uhren ein. Dazu hätte ich einige Fragen.
Du erwähnst den “routinemäßigen Service von 3, 5 oder sogar 7-10 Jahren, je nach verbautem Werk“. Das sind genau die Intervalle, die ich auch anderswo höre bzw. lese. Manche Juweliere behaupten sogar, dass ein Zeitmesser erst einen Service benötigt, wenn man Änderungen in der Ganggenauigkeit oder sonstiges feststellt.
Wie stehst du zu den Service-Intervallen im Allgemeinen? Ich verstehe, dass es pauschal eher schwierig ist, dazu etwas sinnhaftes zu sagen. Ich würde mich trotzdem freuen, wenn du deine Erfahrungen und Einsichten dazu mit mir teilst.
Zudem würde ich es sehr begrüßen, wenn du spezifisch auf meine drei Uhrwerke eingehen könntest. Im täglichen Leben werden meine Zeitmesser wohl nicht so schwer belastet. Als Büroknecht geht es bei mir eher ruhig zur Sache. Und bei sportlicheren Aktivitäten lege ich meine Uhr eher ab.
- Union Belisar Chronograph Mondphase (2021) mit “eigenem” UNG-25.01 Automatik Uhrwerk (Basis ETA/Valjoux 7751);
- Laco Flieger Pro Karlsruhe (2021) mit einem Sellita SW200-1 Automatik Uhrwerk in Top Grade Ausführung ohne Datum;
- Nomos Orion 384 (2022) mit einem “Manufaktur” Alpha Handaufzug Uhrwerk mit neuem Nomos Reguliersystem (nicht zu verwechseln mit dem neuen Nomos Swing-System) anstatt der bisher verbauten Triovis-Feinregulierung (Basis ETA/Peseux 7001).
Ich freue mich auf deine Rückmeldung, gerne auch auf chrononautix.com, und sende dir viele Grüße.“
[Gastbeitrag von Leon Zihang, freier Uhrmacher von ChronoRestore.com] |
Wie oft müssen mechanische Uhren zur Revision? Über Verschleiß und Serviceintervalle
Zuerst einmal möchte ich mich für diese ausführliche Fragestellung bedanken und direkt in das Thema einsteigen: Die genannten 3, 5, 7 und 10 Jahre sind die typischen Serviceintervallzeiten für mechanische Armbanduhren. Gleichzeitig möchte ich mich allerdings aus dem Verantwortungsbereich einiger „Erbsenzähler“ ziehen und anmerken, dass auch hier, wie fast überall, Ausnahmen die Regel bestätigen. Um ein Beispiel zu nennen: Es ist mit den Uhren wie bei Autos – ein Motorschaden kann bereits nach 30.000 oder erst nach 800.000 km vorkommen. In gewissem Maße gehört hier auch immer ein Quäntchen Glück mit dazu.
Anhand von gesammelten Erfahrungen von mir und befreundeten Uhrmachern, kann ich folgendes zu den Serviceintervallen berichten:
3-5 Jahre: Dies ist ein recht kurzer Serviceintervall. Dennoch darf man nicht außer Acht lassen, dass das Minutenrad bei einer durchlaufenden Uhr in diesem Zeitraum ca. 1.576.800 bis 2.628.000 Umdrehungen vollzieht. Diesen Serviceintervall empfehle ich für High-End-Manufakturkaliber. Da könnte man zum Beispiel Glashütte Original oder Lange & Söhne nennen. Gerade bei Kalibern, die noch nicht so ausgereift sind, ist die Verschleißoptimierung noch nicht so stark vorangeschritten. Hier sollte man sich eventuell informieren, welches Kaliber bei den einzelnen Marken als Basiskaliber verwendet wird. Auf welchem Kaliber wird oft mit Modulen für unterschiedliche Variationen der Uhr oder des Designs aufgebaut? Dieses Kaliber ist dann meist das stabilste und robusteste Werk der Marke.
5-7 Jahre: In diesem Zeitbereich möchte ich die etwas empfindlicheren Werke von ETA, als auch Manufakturkaliber, die nach dem Vorbild der ETA-Werke gebaut wurden, nennen. Da fallen mir spontan Eterna oder auch Tutima ein. Warum gerade diese? Ganz einfach, weil auch ETA nicht „blöd“ ist und keine exakten Maße ihrer Werkskomponenten einfach so herausgibt. Beim Kopieren oder schön gesagt „Orientieren“ an diesen Werken kommt man immer auf leichte Abweichungen, die durch die Fertigung der Teile nochmal verstärkt werden können. Dies ist natürlich keine Schande! Autobauer orientieren sich auch an den Autos anderer Hersteller. Allerdings ist es wie bei den meisten Dingen im Alltag: Die Kopie ist meist nicht so langlebig wie das Original.
7-10 Jahre: Nach ca. 3.679.200 – 5.256.000 Umdrehungen des Minutenrades sollte man dann auch mal die am meisten weiterentwickelten Werke revidieren lassen. Dazu gehören für mich die absoluten Dauerbrenner von ETA und Sellita, wie zum Beispiel das 2824, 7750 oder SW200. Dies ist für mich allerdings nur eine Option, wenn das Werk frisch aus der Produktion kommt und das Werk in dieser Zeit nur unter optimalen Bedingungen läuft. Sobald das Werk einmal so lange gelaufen ist, empfehle ich deutlich kürzere Servicezeiten, da der Verschleiß seine Spuren hinterlassen hat und man muss bedenken, dass sogar nur leicht verschlissene Teile zu immer mehr Verschleiß führen.
Dies ist eine wirklich grobe Unterteilung der einzelnen Servicezeiten für die unterschiedlichen Arten von Kalibern. Hier gilt immer: Ausnahmen bestätigen die Regel. Ich hatte auch schon eine Uhr (ETA 7750) bei mir im Service, die 25 Jahre ohne Service auskam und man hat keinerlei Abriebspuren erkennen können. Man muss aber auch dazu sagen, dass die Uhr anscheinend auch nur wenig getragen wurde.
Allerdings kam es leider schon häufiger vor, dass Uhren bei mir landeten, die nur zwischen 5 bis 10 Jahre in Betrieb waren, dabei sogar wenig getragen wurden und ich musste beim Demontieren deutliche Abriebspuren in Form von schwarzem Staub unter der Automatik oder feinem schwarzen Abrieb in den Lagern erkennen. Wenn dieser Abrieb nicht rechtzeitig genug ausgewaschen wird, verhält sich dieser wie eine Schleifpaste und der Verschleiß wird natürlich um ein Vielfaches erhöht.
Meine Meinung ist, dass es meist schon zu spät ist, wenn man Änderungen am Gangverhalten der Uhren feststellt. Man muss sich das so vorstellen: Gerade die ETA- oder Sellita-Werke sind „Panzer“. Da macht ein bisschen Schleifstaub nichts aus. Die Kraft wird trotzdem noch gut bis zur Hemmung und zum Schwingsystem übertragen und solange da keine direkten Einflüsse des Staubes auf das Schwingsystem wirkt, merkt man am Gangverhalten erst einmal nichts.
In Abbildung 1 unten ist ein Sellita SW200 mit demontierter Automatikbrücke zu sehen. Diese Uhr war bei mir im Service und der Kunde meinte, dass die Uhr tadellos laufen würde, allerdings lässt sich die Krone etwas schwergängig einschrauben. Ein Fall, bei dem man meinen könnte, dass die Reinigung des Gehäuses und das neue Fetten des Tubus und Kronendichtungen ausreichen sollte. Nachdem ich allerdings die Automatikbrücke demontiert habe, kam dieser ganze schwarze Schleifstaub zum Vorschein. Leider weiß ich hier nicht, wann diese Uhr zuletzt beim Service war oder wie intensiv sie getragen wurde. Allerding erkennt man, dass starker Verschleiß nicht unbedingt am Gangverhalten erkennbar ist.
Ein weiteres Beispiel ist in Abbildung 2 (Unterseite einer Federhausbrücke / hier befindet sich das durch den Aufzug stark belastete Gesperr) sowie in Abbildung 3 zu erkennen.
Hier handelt es sich um ein ETA 2892, das zwar schon 7 Jahre ohne Service war, aber davon laut Aussage ca. 4 Jahre im Schließfach lag. Selbst wenn wir von drei Jahren intensivem Tragen der Uhr ausgehen, kann das Ergebnis unwissentlich verheerend sein. Der Schleifstaub hat sich natürlich auch in den Lagern abgesetzt und den Verschleiß an den Zapfen stark erhöht.
Nun zurück zu den Uhren aus dem Leserbrief und meinen speziellen Empfehlungen: Das UNG-25.01 Automatik Uhrwerk in der Union Belisar Chronograph Mondphase basiert auf dem ETA/Valjoux 7751 und ist bekannt für seine Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Ein Service alle 5-7 Jahre wäre hier wahrscheinlich angemessen.
Das Sellita SW200-1 Automatik in der Laco Flieger Pro Karlsruhe ist ebenfalls ein zuverlässiges Uhrwerk und würde wahrscheinlich auch einen Service alle 5-7 Jahre benötigen.
Das Alpha Manufaktur-Handaufzuguhrwerk in der Nomos Orion 384 ist speziell für Nomos Uhren entwickelt worden und zeichnet sich durch seine Präzision und Zuverlässigkeit aus. Ein Service alle 5-7 Jahre sollte hier ausreichen, es sei denn, es gibt spezielle Probleme oder Anzeichen für einen höheren Verschleiß. Erfahrungsgemäß sind Nomos-Uhren recht empfindlich. Gerade nach dem Service haben sie sich immer etwas „zickig“ und fallen regelmäßig durch die Endkontrolle durch, weshalb ich dann nochmal ran muss. Hier empfehle ich den Serviceintervall so lang wie möglich raus zu ziehen, aber in den Jahren 5-7 besonders aufmerksam zu sein und bei kleinen Anzeichen schnell zu reagieren. Hier muss man einen Mittelweg zwischen „so wenig Service wie möglich“ und „rechtzeitig zur Revision geben, bevor der Verschleiß einen negativen Einfluss auf das Uhrwerk hat“ finden. Leider erkennt man bei diesen Werken die verschlissenen Teile nur selten, aber sie haben einen großen Einfluss auf den Gang der Uhr. Dann beginnt meist das Ratespiel, wo der Fehler genau ist. Da wir aber alle Teile von Nomos erhalten, ist das kein Problem und auch der kleinste Verschleiß wird unter dem Mikroskop erkannt und dann sofort getauscht. Nomos ist komischerweise die einzige Marke, bei der ich lieber Teile tausche, als es mit dem leicht verschlissenen Teil nochmal zu probieren. Das könnte allerdings auch nur Einbildung sein. 🙂
Ich weiß, du hast mir noch einige weitere Fragen gestellt. Keine Sorge! Diese beantworte ich im nächsten Bericht. Da ich aber schon oft ermahnt wurde, dass meine Berichte nicht zu lang werden sollen, möchte ich hier erst einmal zum Ende kommen und noch etwas zum Abschluss sagen:
Wie bei so vielem zählt auch einfach etwas Glück dazu. Man kann sich natürlich völlig den Kopf zerbrechen und ständig darauf achten, dass man seine Uhren nicht überlastet. Andere wiederum tragen sie bis gar nichts mehr geht und wollen dann eine Reparatur für maximal 20€. Beides ergibt, meiner Meinung nach, wenig Sinn. Habt einfach nur Spaß beim Tragen eurer Uhren und wenn ihr diese mal für euren Besuch präsentieren wollt, dann schadet auch der Uhrenbeweger nicht. Wenn Ihr eure Uhren normal pfleglich behandelt und auch ohne merkliche Anzeichen bei den meisten Uhren einen Serviceintervall von 5-7 Jahren einhaltet, dann hält die Uhr mit dem ein oder anderen ausgetauschten typischen Verschleißteil bis an euer Lebensende. Außerdem habt ihr einen schönen Begleiter mit Geschichte zum Vererben 🙂
Nun aber Schluss! Habt Spaß mit euren Uhren!
Bis zum nächsten Thema. 🙂
Euer Leon von ChronoRestore