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Hallo liebe Uhrenfreunde, heute möchte ich mit euch in meine Vergangenheit reisen und euch einen Einblick in meine Ausbildung zum Uhrmacher bei Glashütte Original geben. Dabei gehe ich auf den Ablauf und meine Erfahrungen in der Ausbildung ein. Dazu muss ich sagen, dass nicht jede Uhrmacherausbildung gleich abläuft. Wie überall gibt es auch hier Vor- und Nachteile, aber davon werdet ihr in den nächsten Zeilen etwas erfahren…

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Tipp: Die Ausbildung zum Uhrmacher war auch Thema im ChronoBros-Livestream:

Ausbildung zum Uhrmacher: Bewerbung, Eignungstest, Geschicklichkeit

Ich beginne bei der Bewerbungsphase: Als für mich fest stand, dass ich als Uhrmacher geeignet sein könnte, habe ich mich weiter mit der Uhrmacherei beschäftigt und habe in Dresden den Tag der offenen Tür der IHK und den Tag der offenen Tür in der Ausbildung von Glashütte Original besucht. An beiden Tagen wurde meine Begeisterung für diesen Beruf verstärkt und ich habe mich schlussendlich bei Glashütte Original, Lange & Söhne, Wempe und Rolex beworben. Bei Wempe hat die Reise recht schnell ein Ende gehabt. Hier habe ich bereits auf der IHK Messe gemerkt, dass die Chemie einfach nicht passt.

Tatsächlich wurde ich aber zeitnah von Lange & Söhne und Glashütte Original zu einem Eignungstest eingeladen. Ich habe beide Eignungstests absolviert. In diesen Eignungstests mussten einige Aufgaben erfüllt werden, bei denen die Geschicklichkeit in Verbindung mit feinen Arbeiten getestet wurde. Diese Aufgaben gingen vom Feilen, Bohren und Sägen eines Werkstücks anhand einer technischen Zeichnung bis hin zu einer Platte mit ca. 40 kleinen Gewinden, in denen nacheinander 40 Schrauben kontrolliert eingeschraubt werden mussten. Als kleine Größenordnung: Die Gewinde waren nicht größer als 0,5mm – zum Vergleich: Der Durchmesser eines Reiskorn beträgt ungefähr 2 bis 3 mm. Außerdem wurde bei drei Durchläufen, wenn ich mich recht entsinne, immer die Zeit gemessen, wie lange man braucht.

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Der Umgang mit winzigen Komponenten in der Uhrmacherausbildung ist die Regel. Hier: Eine Mondscheibe, Bild: Glashütte Original

Durch meine Erfahrungen im Flugmodellbau waren diese Aufgaben keine allzu große Herausforderung für mich. Natürlich wurde nicht nur die Geschicklichkeit, sondern auch das Wissen gefordert. Während Lange & Söhne einen sehr technischen, theoretischen Test mit vielen mathematischen Aufgaben hatte, war der Theorietest bei Glashütte Original mehr auf das allgemeine Wissen zur SwatchGroup und der Uhrmacherei ausgerichtet. Dies fiel mir tatsächlich bei Glashütte Original (GO) etwas schwerer, da ich mich, wie heute immer noch, weniger für den Markt der Uhren, sondern mehr für die Technik der Werke interessiere. Bei Lange & Söhne mussten wir sogar in einer halben Stunde einen 15-minütigen Vortrag vorbereiten, um die Präsentationsfähigkeit zu testen. Das fiel mir wieder recht leicht. 😊

Es gab noch einige weitere Aufgaben und wir haben am Ende auch Aufgaben, wie dreimal hintereinander ein Räderwerk eines ETA 2824 zusammenschrauben, erhalten. Auf jeden Fall waren beide Tage genau mein Ding! Ich war begeistert von dem, was ich dort machen durfte und konnte die Rückmeldungen gar nicht abwarten.

Kurze Zeit später hat sich auch schon Lange & Söhne bei mir gemeldet und mit mir ein telefonisches Bewerbungsgespräch ausgemacht. Ich war tierisch aufgeregt, aber die Ernüchterung kam recht schnell: Ich bin ein Mensch, der Lob braucht und danach noch mehr und besser arbeitet, um erneut Lob zu bekommen. Hier hatte ich aber bei dem Gespräch das Gefühl, dass krampfhaft nach Fehlern gesucht wurde, um sie mir vorzuhalten. Mir wurde also ca. eine halbe Stunde lang erklärt, wie schlecht ich war und was ich alles falsch gemacht habe. Am Ende des Gesprächs wurde mir aber trotzdem gesagt, dass sie der Meinung sind, dass ich die Ausbildung schaffen könnte und dass sie mir einen Ausbildungsvertrag anbieten. Dieser wurde mir dann auch per Post zugesandt. Natürlich habe ich mich trotzdem erst einmal gefreut! Ich habe schließlich meinen ersten Ausbildungsvertrag in den Händen gehalten. Dieser war mir also auf alle Fälle sicher.

Dennoch wollte ich noch die Meinung von Glashütte Original hören und habe auf deren Rückmeldung gewartet. Nach einer gefühlten Ewigkeit (es hat sich wirklich nur so angefühlt 😊) wurde ich von Glashütte Original nach Glashütte zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Diese waren so begeistert von mir, dass ich nach einem kurzen Gespräch zwischen dem Ausbildungsleiter und der netten Dame aus der Personalabteilung direkt einen Ausbildungsvertrag vorgelegt bekommen habe.

Ich hatte es also geschafft! Ich habe bei zwei der renommiertesten Uhrenmanufakturen in Deutschland jeweils einen strengen Eignungstest überstanden und habe von beiden Firmen einen Ausbildungsvertrag vorgelegt bekommen. Die Entscheidung fiel mit tatsächlich sehr einfach: Ich habe mich für Glashütte Original entschieden, da ich mich dort einfach wohler gefühlt habe.

Eine ganze Weile später hat sich dann noch Rolex gemeldet und mich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Das habe ich dann gleich abgelehnt, weil Köln doch nochmal ein Stück weiter weg war und wer zuerst kommt, mahlt zuerst, oder? Zu diesem Zeitpunkt war ich mit meiner Entscheidung, Glashütte Original als zukünftigen Ausbildungsbetrieb zu haben, auch sehr zufrieden.

Die Ausbildung zum Uhrmacher: So ging’s los

Im Sommer darauf, nachdem ich mein Abitur bestanden habe, begann dann endlich die Ausbildung. Am Anfang war alles noch sehr locker. Wir wurden mit vielen schönen „Kennenlernrunden“ in die Arbeitswelt und in die Ausbildung eingewiesen. Das fand ich sehr schön und auch wichtig! Genau wie ich sind viele meiner damaligen Kollegen zum ersten Mal mehrere hundert Kilometer von Zuhause weggezogen, um ihrem Traumjob nachzugehen. Dass Glashütte Original hier den Kontaktaufbau in die Hand genommen hat, hat vieles erleichtert und es war eine super lustige und schöne Zeit.

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Das Gebäude von Glashütte Original, Bild: Wikimedia

Grundlagenwerkstatt: Metallverarbeitung

Dann wurde es aber irgendwann Ernst! Wir haben unsere Arbeitskittel bekommen und durften dann erstmal in die Grundlagenwerkstatt. Hier haben wir die Grundlagen der Metallverarbeitung gelernt: Feilen, Feilen, Feilen…

Ganze 6 Wochen lang haben wir gelernt, wie man technische Zeichnungen liest und haben unzählige Werkstücke und auch schon Uhrmachwerkzeuge für uns selbst angefertigt. Zur Anwendung kamen erstmal nur Bohren, Feilen, Sägen und Treiben. Dabei haben wir die ersten Berührungen mit Toleranzen und der Fertigungsgenauigkeit gemacht. Egal, ob ein Maß auf dem Werkstück für die Funktion wichtig war, oder nicht: Die Toleranz einzuhalten war einer der wichtigsten Punkte.

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Fräsen und Bohren im Hause Glashütte Original, Bild: Glashütte Original
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Technische Zeichnung bei Glashütte Original, Bild: Glashütte Original

Natürlich dürfen Uhrmacher aber auch die Ästhetik nicht aus dem Auge verlieren. So ein Uhrwerk soll ja auch gut aussehen. In diesem Bereich konnte es dann schonmal Probleme geben, wenn man bereits an der Toleranzuntergrenze angekommen war und nochmal mit der Feile drüber gehen musste, weil der Feilschliff noch nicht so schön war. Außerdem konnte man sich damit wieder die Rechtwinkligkeit der Flächen kaputt machen. Jeder, der noch nie gefeilt hat, kann sich sicherlich nur schwer vorstellen wie schwer es ist eine Feile gerade zu halten und eine exakte, wirklich absolut exakte ebene und rechtwinklige Fläche zu feilen.

In Abbildung 1 könnt ihr einige Werkzeuge sehen, die wir in der Grundlagenwerkstatt fertigen durften:

  1. Großer Nietamboss (diesen durfte ich machen, weil ich mit allen anderen schneller fertig war als der Rest der Gruppe)
  2. Kleiner Nietamboss
  3. Rundlaufzirkel
  4. Feilenreiniger
  5. Bänkchen für den Unruhkloben um beispielsweise die Spiralrolle auf der Unruhwelle zu verdrehen und den Abfallfehler einzustellen.
1. Selbst hergestelltes Uhrmacherwerkzeug aus der Grundlagenausbildung

Wie bei so ziemlich allen da draußen, die einen handwerklichen Beruf gelernt haben, frage ich mich heute, was ich da eigentlich gemacht habe und warum die Werkstücke so schrecklich aussehen. Damals war ich aber unglaublich stolz auf mich!

Nach diesen „anstrengenden“ Wochen durften wir dann endlich unseren blauen Kittel für die verhältnismäßig dreckigen Arbeiten in der Grundlagenwerkstatt zur Seite legen und in die weißen Kittel für die Uhrmacherwerkstatt schlüpfen. Später sollten wir dann noch ein paar mal in die Grundlagenwerkstatt zurückkehren, dazu aber später noch mehr.

So jedenfalls bin ich in die Uhrmacherei gelangt und habe die ersten Wochen der Ausbildung erfolgreich überlebt. Im nächsten Teil begeben wir uns in die Uhrmacherwerkstatt

Bleibt gespannt und bis dahin! 😊

LG Leon von ChronoRestore

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5 Kommentare
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Andi
10 Monate zurück

Klasse Bericht, hab auch mal das Handwerk eines Maschinenmechanikers erlernt, und sicher 3-4 Monate nur gefeilt, Hämmer, Würfel, U-Stücke usw. Plan und im Winkel/Radius musste es sein. War eine harte und mühsame Arbeit/Zeit.
Freue mich auf den nächsten Bericht😊.

Thomas
10 Monate zurück

Sehr interessanter Bericht, der dem Unwissenden einen schönen Einblick in dieses tolle Handwerk verschafft. Bin schon auf die Fortsetzung gespannt.

Jörg
10 Monate zurück

Bin auf den nächsten Teil gespannt. Jeder der das erste Mal ein (einfaches) Uhrwerk auseinandergenommen, gereinigt hat und versucht es wieder zusammenzubekommen wird sich wundern, wie weit die winzigen Federn fliegen können und die Fertigkeit der Uhrmacher noch mehr bewundern!

Benjamin
10 Monate zurück

super interessant, klingt nach einer tollen zeit. freu mich auf Teil 2

Hans
10 Monate zurück
Antworten...  Benjamin

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