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Sternglas verbinden Uhrenfreunde sicherlich am ehesten mit dressigen Uhren im minimalistischen, sogenannten Bauhaus-Stil. Zum achtjährigen Firmenjubiläum wagt die unabhängige Hamburger Uhrenmarke nun aber einen Ausflug in neue Gewässer, fernab des “Brot und Butter”-Geschäftes: Mit der Taucheruhr Merion im Supercompressor- bzw. Dual Crown-Design. Schauen wir uns die Neuerscheinung mal etwas genauer an.

Eckdaten Sternglas Merion:

  • Durchmesser 41mm
  • Höhe 14,3 mm (exkl. Glas)
  • Horn-zu-Horn 49mm
  • Bandanstoß 20mm
  • Gewicht: 82,3g + 97,5g
  • Gehäuse aus 316L Edelstahl (poliert, gebürstet)
  • doppelt gewölbtes Saphirglas, doppelt entspiegelt
  • Boden verschraubt mit Gravur Fliegender Fische
  • Seiko NH35, 41 Stunden Gangreserve, Ganggenauigkeit -20/+40 Sek/Tag, Datum, Sekundenstopp, Handaufzug
  • 20 bar wasserdicht
  • drehbare, innenliegende Lünette mit 120 Klicks
  • Zwei-Kronen-System mit farbiger Markierung
  • LumiNova (Zifferblatt, Zeiger, Markierung im Taucherdrehring)
  • Edelstahlband mit Schnellkürzungssystem (werkzeugfrei) und Tropic Band
  • Preis: 649€, direkt über sternglas.de

Sternglas Merion im Test

Wie es für eine Supercompressor- bzw. Dual Crown-Taucheruhr (historisch betrachtet) üblich ist, kommt auch die Sternglas Merion mit einem charakteristischen Merkmal: Neben der “normalen” Krone für das Einstellen der Uhrzeit (die Krone auf “4 Uhr”), hat das Modell auf “2 Uhr” eine zweite verschraubte Krone an Bord, die den innenliegenden Drehring stufenlos mit butterweicher Bewegung ansteuert und (genau wie bei einer klassischen, außenliegenden Taucherlünette) die Möglichkeit bietet den Startzeitpunkt für einen Tauchgang zu markieren.

Für viel Liebe zum Detail spricht dabei die farbige Pfeilgravur auf der Krone bei “2 Uhr”, welche die Richtung zum Aufdrehen der Krone (gegen den Uhrzeigersinn) anzeigt. Beide Kronen offenbaren außerdem im unverschraubten Zustand einen farbigen Ring – genau wie bei der Pfeilgravur farblich abgestimmt, d.h. Rot bei der schwarzen Variante und Orange bei der grünen Variante. Dieser Ring dient als eine Art optisches Warnsignal, um anzuzeigen, dass man die Krone vor dem Abtauchen ins kühle Nass lieber fix zudrehen sollte – denn falls nicht, droht Wassereintritt ins Gehäuse.

Noch ein paar Worte zur historischen Einordnung: Der Supercompressor-Mechanismus wurde in den 1950er Jahren ausgetüftelt und bis in die frühen 70er produziert. Die raffinierte Idee hinter den speziell für Taucheruhren entwickelten Gehäusen war, dass die Wasserdichtigkeit mit zunehmender Wassertiefe steigt (sic!). Das ermöglichte damals eine wellenförmigen Feder im Gehäuseboden, die auf einen O-förmigen Dichtungsring drückt. Steigt in den Tiefen des Meeres der Wasserdruck, so wird der Gehäuseboden zunehmend auf den O-Ring gedrückt, was wiederum die Wasserdichtigkeit erhöht. Gleichzeitig wird der O-Ring nicht dauerhaft strapaziert, was der Haltbarkeit zu Gute kam. Diese Innovation geht ursprünglich auf die Schweizer Firma Ervin Piquerez S.A. (EPSA) zurück. Charakteristisch für die Supercompressor-Uhren war ein Gehäusedesign mit zwei Kronen (“Dual Crown Diver”), das wir auch bei der Sternglas Merion vorfinden.

Die Innovation von EPSA wurde zum Verkaufsschlager: Über 100 gestandene Uhren-Marken von A wie Alpina bis Z wie Zenith bauten damals Modelle mit Super Compressor-Gehäuse auf der Grundlage des EPSA-Patents. Auch das Militär wie die Royal Australian Navy statteten ihre Kampftaucher mit diesen Uhren aus.

So viel zur Theorie. Die heutige Praxis sieht allerdings so aus, dass so gut wie alle aktuellen bzw. derzeit erhältlichen Uhren im Dual Crown-Design auf das eben beschriebene, recht aufwendige Dichtungssystem verzichten – so auch die Sternglas Merion. Denn: Kunststoffe, aus denen O-Dichtungsringe gefertigt wurden, sind über die Jahre immer robuster und widerstandsfähiger geworden, weshalb ein Super Compressor-Mechanismus, der (wie oben beschrieben) den O-Ring des Gehäusebodens schont, zunehmend obsolet geworden ist.

In jedem Fall ist die Sternglas Merion natürlich trotzdem für alle denkbaren Tätigkeiten im kühlen Nass ausgelegt: Das Gehäuse aus 316L-Edelstahl kommt “standesgemäß” mit 20 bar Wasserdichtigkeit, verschraubten Kronen und einem verschraubten Boden.

Bleiben wir beim Gehäuse: Die Flanken des Gehäuses sind schön fein satiniert, während die Oberseite der Hörner, die Lünette sowie die Mittelglieder und die Seiten des Stahlbandes auf Hochglanz poliert sind. So bringen die Hamburger bei der Merion auch einen Hauch Dressigkeit rein, was absolut zur Marke Sternglas passt.

Ein nettes Detail ist die Gravur auf der verschraubten Rückseite, die Fliegende Fische (Exocoetidae) zeigt, also sogenannte Knochenfische aus der Ordnung der Hornhechtartigen, die mit ihren flügelähnlichen Flossen gleichermaßen gut für das Gleiten durch Wasser und Luft angepasst sind. Fliegende Fische kommen in tropischen und subtropischen Regionen von Atlantik, Indopazifik und im Mittelmeer vor.

Die Gehäusegröße ist mit 41mm Durchmesser (über die Hörner gemessen: 49mm) und einer Höhe von rund 14mm deutlich sportlicher als wir es von Sternglas-Modellen wie der Naos gewohnt sind. Auch durch die Gehäuseform wirkt die Merion deutlich sportlicher und “bulliger” als die Bauhaus-Dresser von Sternglas – mein 19cm Handgelenkumfang dankt’s und für das durchschnittliche Herrenhandgelenk sind die Dimensionen sicherlich absolut tragbar.

Das Zifferblatt kommt mit einer charakteristisch aufgerauten Oberfläche, wahlweise in den Farben “Algengrün” oder “Tiefseeschwarz”. Ein Hell-Dunkel-Verlauf von innen nach außen (sogenannter Degradé-Effekt) erzeugt eine gewisse Tiefe.

Insbesondere die algengrüne Variante führt den farbenfrohen Weg fort, den die Hamburger zuletzt mit Modellen wie der Hamburg Edition Argo, dem Hamburg Chrono oder der Lumatik eingeschlagen haben. Die Kombination aus blauem Taucherdrehring und algengrünem Blatt in Kombination mit orangefarbenen Elementen ist dabei mindestens etwas gewöhnungsbedürftig und definitiv aus der Kategorie “Hate it or love it”.

Während dressige “Kernmodelle” wie die Naos Pro bei Sternglas nicht mit allzu viel Leuchtmasse bedacht sind (was auch thematisch durchaus Sinn ergibt), ist die Merion Taucheruhren-typisch mit ausreichend LumiNova von der japanischen Firma Nemoto versorgt worden.

Wie bei Sternglas mittlerweile üblich, sind die Datumsscheiben farblich auf die jeweiligen Modelle angepasst, was in dieser Preisklasse alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Das rote Datum ist dabei ein richtig schöner Hingucker bei der schwarzen Variante, das perfekt mit den roten, quadratischen Stundenindizes, dem Sekundenzeiger und dem roten Rand auf dem Drehring harmoniert. Bei der grünen Variante frage ich mich allerdings, warum die Hamburger als Farbe für die Datumsscheibe nicht einfach Orange gewählt haben, denn der Türkis-Farbton will meiner Meinung nach nicht so ganz mit dem Algengrün des Blattes harmonieren.

Das Stahlband der Merion kommt im Oyster-Stil mit dreireihigen Gliedelementen. Die Besonderheit: Durch ein lösbares Stiftsystem kann das Band ohne Werkzeug gekürzt werden. Mit ein klein wenig Übung geht dieser Mechanismus wunderbar von der Hand: Einfach das mit dem Pfeil markierte Außenelement anheben, dieses dann hochklappen und die Glieder zur Seite ziehen (siehe kurze Bilderstrecke unten).

Doch wie ist das mit der Sicherheit? Schließlich wäre es fatal, wenn man die Uhr irgendwo im Meer versenkt. Nun, dadurch, dass das herausziehbare Außenelement durch einen Federmechanismus relativ kräftig am Band sitzt und dieses aktiv hochgeklappt werden muss, geht die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Band beim Tragen versehentlich öffnet meiner Meinung nach gegen Null – selbst dann, wenn man mal irgendwo unglücklich hängen bleiben sollte oder dergleichen.

Nicht ganz konsequent ist leider, dass die Schließe nur mit seitlichen Bohrungen feinjustierbar ist – das heißt, man benötigt ein Werkzeug (mit etwas Geschick tut es auch eine Büroklammer). Da haben wir beispielsweise zuletzt bei der HEINRICH Helicoprion Stone/Edelstein gesehen, dass eine Schließe mit werkzeugfreier Feinjustierung in der Kategorie unter 1000€ absolut machbar ist. Nicht falsch verstehen: Das lösbare Stiftsystem ist eine wirklich feine Sache, allerdings kürzt man das Band in der Regel höchstens zwei mal im Jahr auf eigene Faust (Sommer vs. Winter, um dem im Durchschnitt größeren bzw. kleineren Handgelenkumfang wegen der Temperaturen Rechnung zu tragen). Natürlich kann man das Band auch gut kürzen, wenn man unterwegs ist, aber man wird wohl eher selten einfach so Ersatzbandglieder dabei haben, wenn man das Band verlängern will. Anders herum ist es auch nicht grade praktisch, wenn man ein entnommenes Bandglied irgendwo im Portemonnaie oder dergleichen verschwinden lassen muss. Hier wäre der Nutzen einer werkzeugfreien Feinjustierung in der Schließe einfach höher.

Wer ganz auf das Stahlband verzichten möchte, der findet als (kostenfreien) Bestandteil des Lieferumfangs der Merion auch ein Kautschukband im Tropic-Style, das schön flexibel, völlig geruchsneutral und sauber verarbeitet ist. Tropic Rubber-Bänder kamen erstmals in den 60er und 70er Jahren auf den Markt (also in etwas zum selben Zeitpunkt wie Supercompressor-Diver) und wurden schnell populär, insbesondere aufgrund ihres hohen Tragekomforts und der charakteristischen, feinen Oberfläche. Zu einer Retro-angehauchten Uhr wie der Merion passt ein Tropic Rubber naturgemäß wie die Faust auf’s Auge.

Sternglas setzt erstmalig auf das Kaliber NH35 aus dem japanischen Hause Seiko TMI, das mit einer Gangreserve von 41 Stunden Gangreserve und einer Ganggenauigkeit von -20/+40 Sekunden pro Tag kommt – letzteres sind auf dem Papier alles andere als spektakuläre Gangwerte, die Ganggenauigkeitsfans wohl eher nicht hinter dem Ofen hervorlocken. Andererseits läuft das NH35 meiner Erfahrung nach praktisch und im Durchschnitt in aller Regel mit recht ordentlicher Ganggenauigkeit. Konkret liefen die beiden hier gezeigten Testuhren mit +8 bzw. -6 Sekunden pro Tag in einem guten bis akzeptablen Rahmen.

Mehr: Seiko NH35 / NH36 (4R35 / 4R36): Ganggenauigkeit und Feinregulierung vs. Revision

Abschließende Gedanken

Wie Eingangs erwähnt sind Taucheruhren eigentlich nicht die Kernkompetenz von Sternglas. Dennoch bin ich sehr froh darum, dass die Hamburger sich auch mal “in neue Gewässer wagen”, denn die Merion ist qualitativ – das zeigen auch die Bilder und insbesondere die Nahaufnahmen sehr gut – erste Sahne (hervorzuheben ist insbesondere das makellos verarbeitete Blatt und die feine Gehäuseverarbeitung). Dabei ist die Merion im Vergleich zur Marus deutlich tooliger unterwegs, gleichzeitig ist aber die Design-Handschrift von Sternglas erkennbar. Dennoch hätte es in der Preisklasse der Merion gerne auch das Miyota 9015, das beispielsweise in der Sternglas Naos Pro mit einer höheren Frequenz und damit einer langfristig besseren Ganggenauigkeit tickt, anstelle des NH35 sein dürfen.

Sternglas Merion Test 05424

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Michael M. aus W. an der W. in NRW/BRD/EU
15 Tage zurück

Der zweite Teil, nachdem ich den Artikel gelesen habe. Die beiden Varianten decken wohl einen Großteil der Geschmäcker ab. Schwarz für Ästheten und Puristen, Variante zwo mit blauen, gelben, orangen, türkisen und spinatgrünen Elementen bietet eine Farborgie, wo eigentlich jeder etwas für sich entdecken kann. Was an einem Durchmesser von 41mm sportlich sein soll, hat sich mir bisher nicht erschlossen. Sind dann 38/39mm unsportlich? Und 43/44mm Supersportler? Oder ist es genau umgekehrt? Aber dressig, das ist heutzutage wichtig.

Aber insgesamt eine sehr attraktive Uhr, auch wenn man sich bei Sternglas den einen oder den anderen Millimeter Durchmesser noch mehr getraut haben könnte/sollte. Die Schließe, nicht explizit abgebildet, macht den Eindruck eines relativ billigen Blechteils, aber da kann ich mich mangels genauen Bildes auch irren. Das Armband macht einen sehr guten Eindruck. Was mich allerdings enttäuscht und irgendwie auch entsetzt, ist die Wahl des Uhrwerks. Mit NH35 kann man nichts verkehrt machen, heißt es. Allerdings auch nicht allzu viel richtig. Da hat Mario sehr recht, das 9er Miyota wäre eine sehr viel bessere Wahl gewesen, nicht wesentlich teurer, aber wesentlich präziser. Da hat man in Hamburg doch arg gefehlt. Oder die Zielgruppe sind halt Leute ohne Ahnung oder denen die Genauigkeit recht egal ist.

Wirklich schade, eine sehr attraktive Uhr, ein interessantes Konzept, über kleinere Schwächen (Größe, Schließe) kann man hinwegsehen, aber beim Antrieb bin ich raus. Da hätte eine deutliche Verbesserung für einen etwas höheren Verkaufspreis erzielt werden können. Aber eine Uhr auf dem Weg zu 700€ mit NH35 – geht gar nicht.

Michael M. aus W. an der W. in NRW/BRD/EU
15 Tage zurück

Bevor ich den sicherlich hochinteressanten Artikel lese, vorab eine Bitte. Es wäre wirklich sehr schön, wenn Du den von Dir des öfteren gebrauchten Begriff „dressig“ vermeiden könntest. Erstens gibt es dieses Wort in der deutschen Sprache nicht, zweitens ist es eine unglaublich blöde Bezeichnung für…ja, für was eigentlich? Ich nehme mal an, dieses Unwort soll ausdrücken, daß die Uhr zu einem gewissen Kleidungsstil passen soll…oder sollte gar gemeint sein, daß diese Uhr ihren Träger gut kleidet?
Also, ich finde die Verwendung eines Begriffs, dessen Bedeutung nicht zweifelsfrei geklärt ist bzw. der durchaus mehrdeutig verstanden werden kann, durchaus problematisch. Wie ich überhaupt Probleme mit der zunehmenden Verhunzung der deutschen Sprache habe. Selbst die Suchmaschinen können mit diesem Pseudobegriff nichts anfangen und fragen dann: Meinen Sie Dressing? Nein, meine ich nicht, aber das jetzt weiter zu spinnen, ist mir zu stressig.

Markus
17 Tage zurück

Optisch eine gelungene Uhr (vor allem mit schwarzem Zifferblatt). Doch warum ein Seiko Werk mit so viel Gangabweichung ? Dass es auch besser geht beweist Circula mit der Super Sport, einer echten Super Kompressor mit Sellita Werk und preislich nicht weniger attraktiv.