Rabattaktionen, die mal mehr, mal weniger zeitlich begrenzt sind, sind ein gängiges Mittel von Uhrenherstellern und -händlern, um Aufmerksamkeit zu schaffen und Kunden zu gewinnen. Davon profitiert natürlich auch der Endkunde, denn wer macht grundsätzlich nicht gerne mal ein Schnäppchen? Vor allem in den aktuellen Zeiten, spart man auch gerne, wo es nur möglich ist.
Also alles klar wie Kloßbrühe? Nun, es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Werden Preissenkungen oder Rabatte allzu häufig und/oder mit hoher Ausprägung (z.B. jenseits der 70%) angeboten, werden also beispielsweise Uhren regelrecht verramscht, so besteht die Gefahr, dass der Wert der Uhren in den Augen der Kunden sinkt. Vor allem mit Blick auf Marken, die im Luxusgüterbereich positioniert sind, ist das auf lange Sicht problematisch…
XXL-Rabatte auf Listenpreise aus dem Reich der Fantasie
Bei quasi permanent angebotenen Rabatten jenseits der 70% muss man sich als Kunde einfach fragen, wer die Listenpreise wohl ausgewürfelt hat. Besonders krass ist die Situation bei Invicta-Uhren, die auf Portalen wie Jomashop oder Ashford quasi dauerhaft mit bis zu 95% Rabatt angeboten werden. Das kann eigentlich auch Invicta nicht gefallen, denn die Glaubwürdigkeit der Listenpreissetzung und damit auch der Marke an sich tendiert so gegen Null, denn Invicta provoziert diese Rabatte mit Listenpreisen bzw. UVP, die jeglicher Grundlage entbehren (siehe das Quarz-Ungetüm unten).
Auch die Schweizer Marke Glycine, die mit der Airman ein historisch spannendes “Zugpferd” hat, wird auf den genannten Portalen regelmäßig zu ähnlich hohen Rabatten verscherbelt. Kein Zufall: Glycine wurde 2016 von Invicta gekauft. Eine echte Schande für die Traditionsmarke, die schon über 100 Jahre auf dem Buckel hat.
Nachhaltig ist das Vorgehen von Invicta und Glycine sicherlich nicht: Wenn ein satter Rabatt fester Bestandteil der Vertriebsstrategie ist, so können Gewöhnungseffekte eintreten, d.h. Kunden sehen es irgendwann nicht mehr ein, zum unrabattierten Preis zu kaufen.
Ganz ehrlich: Mir als Kunde ist es doch tausend mal lieber, wenn ich einen sinnvoll gesetzten Preis für ein Produkt sehe, der konstant ohne (größere) Rabatte angeboten wird – und höchstens in Ausnahmefällen wie dem von vielen Endkunden akzeptierten Black Friday bzw. in einem zeitlich eng begrenzten Rahmen ein Stück weit reduziert wird. Insbesondere viele Microbrands wie Circula oder Formex oder auch auf Direktvertrieb spezialisierte Uhrenhersteller wie Sinn machen es in dieser Hinsicht meiner Meinung nach genau richtig.
Um Gewöhnungseffekte bei Rabattaktionen zu vermeiden, bietet es sich beispielsweise auch an, Preissenkungen nicht an ein allgemeines Publikum zu richten, sondern individuell und „exklusiv“, zum Beispiel über ein Mailing an Bestandskunden – denn dann gewinnen sie an Wertigkeit.
Und es gibt noch eine weitere vergleichsweise einfache Lösungen für das Rabatt-“Problem”: Eine “Preis vorschlagen“-Funktion lässt die gewährten Rabatte für die Öffentlichkeit weitgehend im Dunkeln:
Luxusuhren-Rabatte und der Black Friday
Schon einige Tage vor dem alljährlichen Black Friday füllen sich in einschlägigen Uhrforen die Threads mit Postings von Leuten, die gespannt auf fette Rabatte sind – und da nehme ich mich als Wahlschwabe erstmal nicht aus. Der Black Friday wird gemeinhin von Kunden als Tag für die geballte Ladung Rabatte akzeptiert und animiert dazu ein (vermeintliches) Schnäppchen zu machen.
Dass Rabattaktionen am Black Friday aber nicht unbedingt nachhaltig sind, zeigt ein Beispiel von vor ein paar Jahren: Maurice Lacroix hat den Pontos S Diver am Black Friday Ende 2018 im eigenen Online-Shop mit sage und schreibe 70% Rabatt feilgeboten (UVP knapp 3000€, angeboten für rund 900€). Ich muss nicht dazusagen, dass das Modell innerhalb kürzester Zeit vergriffen war, oder?
Wiederholt hat Maurice Lacroix eine vergleichbare Aktion allerdings nie. Stattdessen haben die Schweizer in den Folgejahren vor allem auf kostenlose Bänder-Beigaben als Black Friday-Angebot gesetzt, was mit Blick in einschlägige Foren den einen oder anderen Uhrenfreund enttäuscht hat.
Das Beispiel zeigt: Kunden haben ein Elefantengedächtnis, wenn es um besonders krasse Rabattaktionen geht – und haben im Falle von Maurice Lacroix eine ähnliche Aktion wie anno 2018 erwartet. Dass Maurice Lacroix die Aktion nicht wiederholt hat, ist allerdings ein recht klares Indiz dafür, dass auch die Schweizer im Nachhinein nicht besonders glücklich damit waren – kein Wunder, denn Maurice Lacroix positioniert sich deutlich im Premium- und Luxusbereich…
Rabatte auf Luxusuhren und der Graumarkt
Auf dem sogenannten Graumarkt bzw. in Luxusuhren-Online-Shops wie Uhren2000, Chronext, van Houten oder Uhrinstinkt lassen sich hochpreisige Uhren von Marken wie Maurice Lacroix nicht nur am Black Friday, sondern dauerhaft mit Rabatten erwerben (Ausnahmen wie Rolex bestätigen die Regel, aber das ist eine andere Geschichte). Dass schmeckt vielen Uhrenherstellern keineswegs: Der ehemalige LVMH-Chef Jean-Claude Biver bezeichnet den Graumarkt einmal als „Krebsgeschwür der Industrie“ in Anspielung darauf, dass Rabatte den Nimbus von Luxusgütern zerstören.
Was Herr Biver nicht sagt ist, dass Luxusuhrenhersteller hinter den Kulissen auch gerne mal direkt mit bestimmten Online-Händlern zusammenarbeiten, um Restposten an Mann und Frau zu bringen. Gleichzeitig verbieten viele Uhren-Hersteller den offiziellen Händlern bzw. Konzessionären an den teuren Einkaufsstraßen, die Preise allzu stark zu senken – selbst in Krisenzeiten. Denn hohe Rabatte könnten ja das sorgsam gepflegten Markenimage beschädigen oder gar die Aura von Prestige zerstören, welche die Uhr für den Kunden überhaupt erst begehrenswert macht.
Luxusuhrenhersteller versuchen die Rabatte unter anderem auch mit einem ganz einfachen Hebel zu verhindern: Indem sie einfach selbst online, über ihre eigenen Webseiten, verkaufen. Und das macht mittlerweile fast jeder größere Luxusuhrenhersteller – am liebsten noch in Verbindung mit Limitierungen wie beispielsweise bei der TAG Heuer Mario Kart-Uhr.
Mehr: Prinzip Knappheit: Diese Effekte animieren bei limitierten Uhren zum Kauf
Auch Breitling lanciert zunehmend “Boutique & Online Exclusive” oder “Ecom Exclusive” (Ecom für Ecommerce) Modelle – natürlich ohne auch nur den Hauch einer Chance auf einen Rabatt.
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Was an Preisen für mechanische Zeitmesser aufgerufen wird lässt mich manchmal ungläubig zurück und erschaudern. Schon für schnöde 3-Zeiger Uhren werden Preise von 1500, 2000 Euro oder mehr aufgerufen. Naja, solange es Käufer gibt, die bereit sind das zu bezahlen, scheint dieses Geschäftsmodell zu funktionieren. Bei Ansicht einer Tutima Uhr hatte mir der Konzi ungefragt 25% Nachlass angeboten und dabei sicher noch nicht draufgelegt. Also ist klar, dass bei Uhren Mond-Preise aufgerufen werden.
Guten Abend Mario,
Dein lesenswehrter Artikel sollte jeden nachdenklich machen, der glaubt die Uhrenindustrie und der Uhrenhandel seien das letzte Resevat kaufmännischer Moral. In anderen Bereichen wie beim Möbel- und Autohandel wird ein derartiges Verhalten seit Längerem von Verbraucherorganisationen angeprangert.
Überall, wo Emotionen auf Seiten der Endkunden ins Spiel kommen, ist die Versuchung von Hersteller und Handel, den höchsten gerade noch akzeptierten Preis zu fordern, offenbar zu verlockend. Rabatte treiben daher niemanden in den Ruin.
Ich stimme Dir zu, dass der geforderte Preis auf allen Stufen der Wertschöpfungskette fair bleiben muss.
Ich bin glücklich, dass ich zum Beispiel einen Uhrmachermeister habe, der mir bei umfangreicheren Arbeiten ehrlich sagt, was er für seine Arbeit haben muss, um nicht draufzuzahlen. Genau dieser Uhrmacher erwidert mir bei kleinen Reparaturen genauso oft, wenn ich ihm sage, was mir die Sache wert ist: “Mein Name ist doch nicht Halsabschneider”. Solchen Menschen gebührt mein Respekt.
Zu den von Dir aufgeführten Schäppchenpreisen möchte ich noch sagen: Jedem Endkunden sollte jedoch klar sein, dass garantiert weder der Händler noch der Hersteller auch bei diesen Mini Preisen am Ende einen finaziellen Verlust machen, denn sie sind “ja nicht der Weihnachtsmann”.
Ich habe daher kein moralisches Problem damit, ein Schnäppchenangebot anzunehmen.